Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.03.2007

OVG NRW: führung der vormundschaft, vorläufiger rechtsschutz, elterliche sorge, allergie, jugendamt, diagnose, post, test, öffentlich, glaubhaftmachung

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 B 2756/06
Datum:
07.03.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 B 2756/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 26 L 1663/06
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde mit dem sinngemäß gestellten Antrag,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 1. Dezember 2006 (Nr. 2 des
Beschlusstenors) zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, den Kontakt des Kindes Q. H. mit Pferden mit Blick auf seine
Pferdehaarallergie zu untersagen und das der Antragstellerin gegenüber am 1.
September 2003 ausgesprochene Hausverbot für die Diensträume des Fachbereichs
Kinder und Jugend des Antragsgegners aufzuheben,
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ist unbegründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146
Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, die angefochtene
Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben.
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Dies gilt zunächst in Bezug auf die Ablehnung des Anordnungsbegehrens der
Antragstellerin, das auf die Unterbindung des Kontaktes ihres Sohnes mit Pferden
abzielt. Die entscheidungstragende Feststellung des Verwaltungsgerichts, die
Antragstellerin habe keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da es an der
Glaubhaftmachung aktueller gesundheitlicher Störungen ihres Sohnes fehle, die eine
solche Unterbindung notwendig machen könnten, wird nicht durch das
Beschwerdevorbringen durchgreifend in Frage gestellt, der Sohn der Klägerin leide an
einer nachgewiesenen Pferdehaarallergie, die - wie Allergien stets - lebenslang
bestehe. Denn bereits die Behauptung, bei Q. H. liege eine nachgewiesene
Pferdehaarallergie vor, trifft nicht zu. Eine solche Diagnose ist in keiner der vorgelegten
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ärztlichen Unterlagen gestellt worden. Dies gilt insbesondere auch für das am 17. Juli
2002 ausgefüllte Formular der Allergie-Ambulanz der Universitäts- Kinderklinik L. , weil
in diesem lediglich die Einzelergebnisse des durchgeführten Haut-Pricktests
festgehalten werden, ohne zu einer Diagnose zu gelangen. Lediglich ergänzend sei
insoweit ausgeführt, dass die Diagnose einer Pferdehaarallergie allein aufgrund der in
dem Pricktest festgestellten - übrigens lediglich die halbe Größe der Histaminreaktion
aufweisenden - Reaktion des Sohnes der Antragstellerin auf Pferdehaare auch nicht
den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen hätte. Denn ein positives Testergebnis bei
dem Pricktest weist lediglich nach, dass ein Mensch sensibilisiert ist, d. h. Antikörper
gegen die getesteten Allergene aufweist; in Bezug auf eine mögliche Allergie stellt ein
solches Ergebnis indes nur eine Verdachtsdiagnose dar, die durch weitere allergie-
diagnostische Verfahren bestätigt werden muss.
Vgl. die Internet-Informationen des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e. V.
zum Stichwort "Pricktest", http://www.kinderaerzte-im- netz.de/bvkj/popup2/show.php3?
id=170&nodeid=1&nocontainer=1; Dr. med. Peter Borlinghaus, Prick-Test (Allergie-
Test), in: http://www.netdoktor.de/ratschlaege/untersuchungen/pricktest.htm; Medhost,
Stichwort "Pricktest", http://www.allergie.medhost.de/pricktest.html; Internet-
Informationen des NAV Virchow-Bundes (Verband der niedergelassenen Ärzte
Deutschlands e. V., MediCity, Thorsten Hahn, Prick-Test,
http://www.praxinfo.de/DES/showdetails.php?contentid=610&tpoid=7 (Stand jeweils: 5.
März 2007).
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Bezeichnenderweise enthält auch der Arztbericht der Frau Prof. Dr. T. und des Dr. I. des
Zentrums für Kinderheilkunde im Universitätsklinikum E. vom 30. September 2002 keine
Diagnose einer Allergie, obwohl er ausweislich seines Textes u. a. auf einer
Auswertung der weitreichenden Diagnostik der Universitäts- Kinderklinik L. fußt. Ebenso
aussagekräftig in diese Richtung ist die vorgelegte Bescheinigung der Fachärztin für
Allergologie, Frau Dr. B. T1. -C. , vom 10. Januar 2003, die eine bronchiale
Hyperreagibilität, aber eben nicht eine Allergie als Erkrankung benennt.
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Das weitere, gegen die in Auswertung des Beschlusses des Amtsgerichts - Fami-
liengericht - M. vom 13. Mai 2003 - F - erfolgten Ausführungen des Verwaltungsgerichts
gerichtete Beschwerdevorbringen greift ebenfalls nicht durch. Denn diese Ausführungen
sind nicht entscheidungstragend, sondern legen lediglich dessen Auffassung näher dar,
die Antragstellerin versuche mit dem vorliegenden Eilverfahren erneut, ihren das Wohl
ihres Sohnes gefährdenden Einfluss geltend zu machen. Abgesehen davon erweist sich
diese Auffassung mit Blick darauf, dass mangels Glaubhaftmachung einer bei dem
Sohn der Antragstellerin bestehenden Allergie ersichtlich keine Gefährdung desselben
durch allergische Reaktionen auf Pferde glaubhaft gemacht ist, sowie auf die
aktenkundige Vorgeschichte als offen- sichtlich zutreffend.
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Abgesehen von alledem erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den
auf Unterbindung des Kontaktes des Q. H. mit Pferden abzielenden Eilantrag
abzulehnen, auch aus weiteren Gründen als richtig. Hierbei mag mit Blick auf die
Regelung des § 17a Abs. 5 GVG offen bleiben, ob für diesen Eilantrag überhaupt der
Verwaltungsrechtsweg im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet (gewesen) ist.
Gegen das Vorliegen eines nach dieser Vorschrift erforderlichen öffentlich-rechtlichen
Charakters der Streitigkeit spricht allerdings, dass die Antragstellerin mit ihrem
anwaltlich formulierten - keineswegs auf ein Tätigwerden der Dienstaufsicht gegenüber
dem Jugendamt abzielenden - Antrag einen Anspruch darauf behauptet, dem nach §
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1791b Abs. 2 BGB zum Amtsvormund bestellten und nach §§ 1837 ff. BGB der Aufsicht
des Vormundschaftsgerichts unterliegenden Jugendamt für die Führung der
Vormundschaft bestimmte Vorgaben machen zu können, obwohl sich die Führung der
Vormundschaft nach Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 1793 ff. BGB) und
damit nach privat- und nicht nach öffentlich-rechtlichen Normen beurteilt.
Dazu, dass die Ausübung der Aufgaben der Amtsvormundschaft privatrechtlich zu
qualifizieren ist, vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 55 Rn. 78.
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Der Eilantrag ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin nicht
antragsbefugt ist. Nach der im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO ist der Eilantrag nur
zulässig, wenn der Antragsteller geltend machen kann, durch ein behördliches
Unterlassen in eigenen Rechten verletzt oder gefährdet zu sein.
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Vgl. nur Finkelburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4.
Aufl. 1998, Rn. 102 - 105, m. w. N.
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Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragstellerin hier nicht. Denn ihr steht keine
Rechtsposition in Bezug auf die Sorge für ihren Sohn mehr zu, seit das Amtsgericht -
Familiengericht - M. ihr die elterliche Sorge für das Kind Q. H. entzogen und das
Jugendamt der Stadt M. zum Vormund bestimmt hat (Beschluss vom 13. Mai 2003 - F -,
rechtskräftig bestätigt durch den Beschluss des Oberlandesgerichts L. vom 19.
September 2003 - UF -). Im übrigen ist der Eilantrag auch unbegründet, weil ein
Anordnungsanspruch ungeachtet aller weiteren Zweifelsfragen jedenfalls deshalb nicht
glaubhaft gemacht ist, weil - wie bereits ausgeführt - schon die behauptete Gefährdung
des Kindes durch den Kontakt mit Pferden nicht glaubhaft gemacht ist.
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Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt auch nicht die Abänderung oder Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses insoweit, als er die begehrte Aufhebung des Hausverbots
betrifft. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung - selbständig tragend - ausgeführt,
ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht, weil nichts substantiiert
vorgetragen oder ersichtlich sei, dass Anlass zu der Annahme geben könne, die nicht
sorgeberechtigte Antragstellerin müsse zur Durchsetzung ihrer Rechte bereits vor der
Entscheidung im Hauptsacheverfahren die (von dem Hausverbot erfassten)
Räumlichkeiten des Antragsgegners betreten, weil Mittel des schriftlichen oder
fernmündlichen Austausches nicht ausreichen könnten. Dieser Begründung hat die
Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren nichts Substantielles entgegengesetzt.
Das Vorbringen, das Gespräch mit dem Amtsvormund sei von erheblicher Bedeutung,
ist schon für sich genommen unsubstantiiert und lässt insbesondere nicht erkennen,
weshalb Telefonate insoweit nicht ausreichen. Der weitere Vortrag der Antragstellerin,
es sei für sie mit einem erheblichen (finanziellen) Mehraufwand verbunden, alle
Schreiben an die Behörde oder die Pakete an ihrem Sohn nochmals zu frankieren,
anstatt diese einfach dem Antragsgegner in der Behörde zu übergeben, ist schon für
sich genommen nicht einmal ansatzweise geeignet, schwe-re und unzumutbare
Belastungen darzutun, die ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache im
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertigen könn-ten. Abgesehen davon,
sieht sich die Antragstellerin durch ihre wirtschaftliche Lage offensichtlich nicht
gehindert, sich nicht nur in diesem Verfahren - kostenträchtig - anwaltlich vertreten zu
lassen. Außerdem ist die Antragstellerin entgegen dem Be-schwerdevorbringen
offenbar nicht gehindert, an ihren Sohn gerichtete Post an der Pforte des Jugendamtes
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abzugeben. Das ergibt sich aus der Anlage zu dem Schrei-ben der Antragstellerin an
den Oberbürgermeister vom 30. Januar 2007, das sie zu diesem Eilverfahren am 23.
Februar 2007 bei dem Verwaltungsgericht Köln vorgelegt hat. Bei der Anlage handelt es
sich um ein Schriftstück, in dem die Antragstellerin festgehalten hat, am 9. November
2006 "zum 2. Mal Post in der F. Str. 23, beim Jugendamt abgegeben" zu haben, und auf
dem sich eine dies offensichtlich bestä-tigende Unterschrift eines Bediensteten des
Antragsgegners befindet. Selbst dann, wenn das Hausverbot auch schon die Pforte der
in der Verfügung bezeichneten Dienstgebäude erfassen und deshalb eine persönlich
Übergabe von Post an dort beschäftigte Bedienstete des Antragsgegners (eigentlich)
verbieten sollte, ist die Antragstellerin nicht gehindert, ihre an ihren Sohn gerichteten
Sendungen ohne doppelte Frankierung etwa im zentralen Gebäude der Stadtverwaltung
(G. -F1. -Q1. 1) zur Weiterleitung an das Jugendamt abzugeben.
Greift nach dem Vorstehenden bereits das auf die Verneinung eines
Anordnungsgrundes bezogene Beschwerdevorbringen nicht durch, so ist das
Beschwerdevorbringen zu den lediglich ergänzenden Ausführungen des
Verwaltungsgerichts zum Fehlen eines Anordnungsanspruches unerheblich.
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Abgesehen von alledem erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den
auf Aufhebung des Hausverbots abzielenden Eilantrag abzulehnen, auch aus einem
weiteren Grund als richtig. Denn für dieses Eilbegehren fehlt es an einem
Rechtsschutzinteresse, weil sich die Antragstellerin - soweit ersichtlich - mit ihrem
Begehren, das sich mit Blick auf die von ihr nicht in Frage gestellte Bestandskraft des
Hausverbotes vom 12. Mai 2003 als ein Begehren auf Widerruf des Hausverbotes oder
auf Wiederaufgreifen des diesbezüglichen Verfahrens darstellen dürfte, nicht vor
Stellung des Eilantrages bei Gericht erst an den Antragsgegner gewandt hat.
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Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 123 Rn. 22; Finkelnburg/Jank, a. a. O., Rn.
129; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 123 Rn 70; jeweils m. w. N.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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