Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2003

OVG NRW: brunnen, gefahr im verzuge, verteilung der beweislast, umkehrung der beweislast, abwasseranlage, bach, form, subjektives recht, zivilrechtliche verpflichtung, mangelnde sorgfalt

Oberverwaltungsgericht NRW, 3 A 5019/00
Datum:
30.10.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 A 5019/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 12 K 3938/00
Tenor:
Der angefochtene Gerichtsbescheid wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund der
Kostenentscheidung vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der am 1. Januar
1975 nach E. eingegliederten Gemeinde I. -T. zur Unterhaltung und Wartung eines sog.
Schluckbrunnens verpflichtet ist, der eine Anzahl von Baugrundstücken im Randbereich
des Bebauungsplangebiets Nr. 1 Ortsteil L. , darunter das Grundstück der Kläger, vor
dem Zulauf von Oberflächenwasser höher gelegener Ackerflächen der G. von E.
Vermögensverwaltung schützen soll.
2
Die Baugrundstücke wurden im Rahmen eines größeren, 66 Objekte umfassenden
Siedlungsvorhabens Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre von der wenige Jahre später
in Konkurs gefallenen I. T. KG - Wohnungsbaugesellschaft - , E. (im folgenden: T. KG),
bebaut. Zugrunde lag ein Bauvorbescheid des Oberkreisdirektors des Landkreises E. -
N. vom 22. September 1967. Der Bebauungsplan befand sich seinerzeit noch im
Aufstellungsverfahren; er wurde erst Mitte des Jahres 1971 rechtsverbindlich. Zum
Schutz der Baugrundstücke gegen das von den Ackerflächen wild abfließende
3
Oberflächenwasser hatte die T. KG zunächst eine Geländemodellierung nebst
Versickerung in einer Rigolenmulde vorgesehen. Als diese Lösung scheiterte, nachdem
der Oberkreisdirektor im September 1970 auf Anliegerbeschwerden gegen die
vorgenommenen umfangreichen Erdbewegungen eingeschritten war, erstellte die T. KG
auf eigene Kosten einen Schluckbrunnen am tiefstgelegenen Punkt des Ackergeländes.
Der Schluckbrunnen besteht aus einem zur Geländeoberfläche hin offenen Stauraum
(Trichter), der das zufließende Oberflächenwasser aufnimmt (zugleich als Sandfang
dient) und in einen Einlaufschacht einleitet, von wo aus es über eine ca. 50 m lange
Zuleitung, über deren Entstehung nichts weiter bekannt ist, talwärts geführt wird und
nahe einem bereits im Bebauungsplan verzeichneten Regenrückhaltebecken an
dessen verrohrte Zuleitung zum Vorfluter ( bach) übergeben wird.
Schriftliche Unterlagen über die Herstellung, Wartung und Unterhaltung des
Schluckbrunnens sind nicht bzw. nicht mehr vorhanden mit Ausnahme einer von den
Beteiligten beigebrachten Urkunde vom 26. Oktober/8. November 1971, die vom Amts-
und Gemeindedirektor und vom Bevollmächtigten des Rentamtes der G. von E.
Verwaltungen unterzeichnet ist und folgenden Wortlaut hat:
4
"Vereinbarung
5
zwischen
6
der Gemeinde I. -T. bach , vertreten
7
durch den Amtsdirektor des Amtes I. ,
8
und
9
Dr. M. Freiherr von E. .
10
In der Gemeinde I. -T. bach hat die T. KG mit
11
unserer Zustimmung auf unserem Grundstück eine Oberflächen-
12
entwässerung mit Schlucker zum Schutz ihrer 17 Eigenheime ein-
13
gerichtet.
14
Die T. KG hat mit dem Amt I. vereinbart, dass die
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Entwässerungsanlage von Gemeindearbeitern gewartet wird.
16
Der Grundeigentümer, Baron von E. , räumt der Amtsverwal-
17
tung I. das unwiderrufliche Recht ein, sein Grundstück je-
18
derzeit zur Wartung und Instandhaltung durch Bedienstete des Am-
19
tes I. betreten zu lassen. Die Sicherung dieses Rechtes
20
durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit wird nicht für erforderlich
21
gehalten."
22
Im Frühjahr 1994 erhielt die Beklagte aus der Bevölkerung den Hinweis, der
Schluckbrunnen, von dessen Existenz sie eigenen Angaben zufolge bis dahin nichts
wusste, sei sanierungsbedürftig und es bestehe Gefahr im Verzuge, insbesondere für
spielende Kinder. Daraufhin wurde das Kanal- und Wasserbauamt nach Abstimmung
mit dem Rechtsamt tätig, ließ den Schluckbrunnen mit einem grobmaschigen Gitterrost
abdecken und die am Fangtrichter entstandenen Unterspülungen wieder auffüllen.
Ursprünglich trug sich die Beklagte mit der Absicht, die Kosten dieser Maßnahmen von
den Eigentümern der "begünstigten" Grundstücke einzufordern. Hiervon nahm sie
wieder Abstand, nachdem ihr die Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 1994 vorgehalten
hatten, sie selbst sei als Rechtsnachfolger der Vorgängergemeinde zur Wartung und
Instandhaltung des Brunnens verpflichtet gewesen und dieser Pflicht jahrelang nicht
nachgekommen. Die Instandsetzungskosten wurden aus Steuermitteln gedeckt.
Nachdem eine Prüfung der Entstehung und der Rechtsverhältnisse am Schluckbrunnen
ergeben hatte, dass weder in den bei der Eingliederung der Gemeinde I. -T. bach
übernommen Akten noch in den Hausakten der Beklagten oder im Stadtarchiv, bei der
von E. Verwaltung, im Findbuch des ehemaligen Amtes I. , im Stadtarchiv N. sowie beim
ehemaligen Konkursverwalter der T. KG einschlägige Unterlagen aufzufinden waren,
teilte Beklagte den Klägern mit Schreiben vom 18. Juli 1995 mit, eine Umlegung der
Kosten auf die Anlieger werde nicht weiter verfolgt und der Schluckbrunnen werde in
Zukunft durch die Mitarbeiter des Amtes kontrolliert und ggf. gewartet werden. Weitere
Instandsetzungsarbeiten an Brunnen und Böschung wurden von der Beklagten jeweils
auf Anmahnung der Kläger in den Jahren 1996 und 1997 durchgeführt.
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In der Folgezeit überprüfte die Beklagte angesichts steigender Kosten und beengter
Haushaltslage erneut die Rechtslage hinsichtlich des Schluckbrunnens, insbesondere
die Möglichkeit einer Kostenüberbürdung auf die Eigentümer der begünstigten
Grundstücke bzw. einer Beendigung des Wartungsverhältnisses. Als Ergebnis dieser
Prüfung teilte sie mit gleichlautenden Schreiben vom 9. März 1998 den Eigentümern
dieser Grundstücke, darunter den Klägern, mit, dass weder ein dem Brunnenbau
zugrunde liegender Vertrag zwischen dem Eigentümer des Feldes und der T. KG noch
eine die Brunnenwartung betreffende Vereinbarung zwischen der T. KG und dem
damaligen Amt I. auffindbar sei, dass die Wartung des Brunnens nicht zum gesetzlichen
Aufgabenbereich der Vorgängergemeinde gehört habe und es bei der Kostenbelastung
der Allgemeinheit für Maßnahmen, die nur einem kleinen Kreise zugute kämen, nicht
länger bleiben könne; sie kündige deswegen den aller Wahrscheinlichkeit nach
existierenden (Wartungs-)Vertrag zwischen der T. KG und dem Amt I. zum 1. Oktober
1998; die halbjährliche Kündigungsfrist gebe den betroffenen Eigentümern ausreichend
Gelegenheit, sich untereinander abzustimmen und einen Unterhaltungsauftrag an ein
privates Unternehmen zu erteilen.
24
Die Kläger haben daraufhin beim Landgericht E. Klage erhoben, die Unkündbarkeit des
Vertrages geltend gemacht und beantragt,
25
festzustellen, dass die Unterhaltungs- und Wartungspflicht der
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Beklagten für den Schluckbrunnen "B. X." nicht durch
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die Kündigung vom 9. März 1998 beendet wurde, sondern über
28
den 1. Oktober 1998 hinaus fortbesteht.
29
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Die
Vereinbarung, auf welche die Kläger ihr Begehren stützten, sei zivilrechtlicher Natur.
Eine zivilrechtliche Verpflichtung könne grundsätzlich gekündigt werden. Das sei im
vorliegenden Falle auch geschehen. Das Kündigungsrecht der Beklagten folge aus §
671 BGB oder analog § 624 BGB. Anhaltspunkte dafür, dass das Kündigungsrecht
vertraglich ausgeschlossen worden sei, seien nicht ersichtlich. Eine Urkunde über den
behaupteten Vertrag habe nicht vorgelegt werden können; aus der Urkunde über die
Bestellung des Betretungsrechts ergebe sich insoweit ebenfalls nichts. Etwaige
öffentlich-rechtliche Ansprüche seien von den ordentlichen Gerichten nicht zu prüfen
und würden von den Klägern auch nicht geltend gemacht.
30
Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht E. das erstinstanzliche Urteil
aufgehoben und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Düsseldorf verwiesen.
31
Das Verwaltungsgericht hat der Feststellungsklage der Kläger durch Gerichtsbescheid
vom 12. September 2000 stattgegeben. Es hat zur Begründung im wesentlichen
ausgeführt: Der Abschluß eines Wartungsvertrages über den Schluckbrunnen zwischen
der T. KG und der Gemeinde I. -T. bach sei durch hinreichende Indizien bewiesen.
Ebenso sei auch von der Wahrung der gesetzlich vorgeschriebenen Form bei
Vertragsschluss auszugehen, da sogar bei der Bestellung des weniger bedeutsamen
Betretungsrechts ein Dokument vom 26. Oktober/8. November 1971 gefertigt worden
sei, das die Unterschrift des Amts- und Gemeindedirektors trage. Die Kläger seien als
Dritte im Sinne von § 328 BGB aus dem Vertrag anspruchsberechtigt. Die
Vertragskündigung durch die Beklagte sei unwirksam. Das Bestehen eines
vertraglichen Kündigungsrechts habe die Beklagte nachzuweisen. Dieser Nachweis sei
ihr nicht gelungen. Ein gesetzlicher Kündigungsgrund nach § 60 VwVfG sei nicht
gegeben, weil weder schwere Nachteile für das Gemeinwohl drohten noch die
maßgeblichen Verhältnisse sich seit Vertragsschluß wesentlich geändert hätten. Ob den
Klägern ein subjektives Recht auf Wartung des Brunnens auch unter dem Gesichtspunkt
zustände, dass die Beklagte die Unterhaltungslast für den Brunnen als
Erschließungsanlage im Sinne von § 123 BauGB/BBauG und als gemeindliche
Einrichtung zu tragen habe, könne auf sich beruhen.
32
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Das
Verwaltungsgericht sei zu Unrecht vom Zustandekommen eines Wartungsvertrages
ausgegangen. Die Unauffindbarkeit einer Vertragsurkunde deute darauf hin, dass die
damaligen Beteiligten allenfalls eine Gefälligkeitsabrede getroffen hätten, wie sie im
Verhältnis zwischen einer kleinen amtsangehörigen Gemeinde mit ca. 2.500
Einwohnern und einer Bauträgergesellschaft nicht ungewöhnlich sei. Auch spreche
nichts dafür, dass ein etwaiger Wartungsvertrag formgerecht, nämlich mit
Unterzeichnung durch zwei vertretungsberechtigte Gemeindebedienstete, geschlossen
worden sei. Das Dokument vom 26. Oktober/8. November 1971 über die Regelung
eines Betretungsrechts zwischen Gemeinde und von E. 'scher Verwaltung stütze die
dahingehende Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts auf Einhaltung der Form
nicht. Ein Wartungsvertrag mit dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Inhalt
(ohne Kündigungsmöglichkeit und mit Kostentragungspflicht der Gemeinde) wäre im
übrigen wegen Verstoßes gegen zwingendes Kommunalrecht (Grundsätze der
Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie Schenkungsverbot) nichtig gewesen.
33
Unterstelle man gleichwohl einen wirksamen Vertragsschluss, sei die Wartungspflicht
mit dem rechtlichen Untergang des Vertragspartners T. KG durch Konkurs, spätestens
aber infolge der Kündigung gegenüber den Eigentümern der begünstigten Grundstücke
erloschen. Ausreichende Kündigungsgründe hätten vorgelegen, wie sich aus dem Urteil
des Landgerichts E. ergebe. Eine gesetzliche Wartungspflicht für den Brunnen als
Ausfluß einer Unterhaltungslast der Gemeinde habe nicht bestanden. Bei dem Brunnen
handele es nicht um eine Erschließungsanlage im Sinne von § 123 BauGB/BBauG. Der
Brunnen sei weder im einschlägigen Bebauungsplan festgesetzt noch von der
damaligen Gemeinde selbst oder in ihrem Auftrag angelegt worden. Er habe auch nicht
der Baureifmachung des neuen Baugebiets gedient, sondern stelle eine private
Schutzeinrichtung dar, welche die begünstigten Bauherren bzw. die
Bauträgergesellschaft grundsätzlich auf den jeweiligen Grundstücken anzulegen gehabt
hätten und die nur der Einfachheit halber in Form einer gemeinsamen Anlage auf dem
benachbarten Ackergelände verwirklicht worden sei. Bestandteil der gemeindlichen
Abwasseranlage sei der Brunnen nie geworden. Die Abwasseranlage sei nur zur
Aufnahme von "Abwasser" im Sinne des Landeswassergesetzes und der
gemeindlichen Entwässerungssatzung bestimmt. Unter diesen Abwasserbegriff falle
wild abfließendes Oberflächenwasser eines Ackergeländes nicht. Auch sei der
Anschluß des Brunnens an die Rohrleitung zwischen Regenrückhaltebecken und
Vorfluter unter ungeklärten Umständen und rechtswidrig vorgenommen worden.
Die Beklagte beantragt,
34
den angefochtenen Gerichtsbescheid aufzuheben und die Klage
35
abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie machen sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum formgerechten
Zustandekommen eines Wartungsvertrages und zur Unwirksamkeit der
ausgesprochenen Kündigung zu eigen und tragen ergänzend vor: Von einer Nichtigkeit
des Wartungsvertrages wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und
Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung bzw. das Schenkungsverbot könne keine Rede
sein. Der genannte Grundsatz habe allenfalls kommunalaufsichtliche Bedeutung und
sei kein gesetzliches Verbot, dessen Missachtung zur Nichtigkeit führe. Um eine
Schenkung habe es sich bei der übernahme der vertraglichen Wartungspflicht nicht
gehandelt, weil die T. KG sich zu einer Gegenleistung, nämlich zum Bau des Brunnens
auf eigene Kosten, verpflichtet und diese Gegenleistung auch erbracht habe. Die
Beklagte treffe die Pflicht zur weiteren Wartung auch wegen ihrer Unterhaltungslast für
den Brunnen als Teil der gemeindlichen Abwasseranlage. Aus § 3 Abs. 6 der
Entwässerungssatzung ergebe sich, dass der Brunnen unabhängig von der
Qualifizierung des aufgenommenen Niederschlagswassers als "Abwasser" im Sinne
des Landeswassergesetzes und der Satzung in die Abwasseranlage habe einbezogen
werden können. Die Einbeziehung selbst sei durch formlosen Widmungsakt der
Vorgängergemeinde erfolgt, an den die Beklagte als Rechtsnachfolger gebunden sei. In
gleicher Weise lasse sich die Pflicht der Beklagten zur weiteren Wartung des Brunnens
aus dem gemeindlichen Einrichtungsrecht herleiten.
39
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten nochmals bestätigt, dass sie
keine weiteren Beweismittel beibringen oder benennen können, die Aufschluss über
das Zustandekommen, den Inhalt und die Form des umstrittenen Wartungsvertrages
geben, und sind dem Hinweis des Senats, dass unter diesen Umständen
voraussichtlich nach Beweislastgrundsätzen zu entscheiden sein werde, nicht
entgegengetreten.
40
Die Kläger haben den Umstand, dass sie keine Vertragsurkunde vorlegen können,
damit erklärt, dass sie erst mehr als zwanzig Jahre nach Abschluß des
Wartungsvertrages ihr Grundstück erworben haben. Dass sich aus der Urkunde über die
Bestellung des Betretungsrechts nur die Tatsache des Wartungsvertrages, nicht aber
dessen Inhalt und Form ergebe, sei ganz natürlich; für die damaligen Beteiligten habe
es keinen Grund gegeben, solche Einzelheiten in das Dokument aufzunehmen. Das
Unterbleiben einer Sicherung des Betretungsrechts durch Grunddienstbarkeit deute
nicht etwa auf mangelnde Sorgfalt bei der Vertragsgestaltung hin; vielmehr sei eine
"freiherrliche" Zusicherung als verlässlich und ausreichend angesehen worden. Falls
die Beklagte die Wartung des Brunnens einstelle, hätten sie - die Kläger - keine
Möglichkeit, auf ihrem Grundstück Schutzvorkehrungen gegen überschwemmungen zu
treffen.
41
Die Beklagte hat entgegnet: Nach Auffassung ihrer Techniker könnten sich die Kläger
durch Anbringen von grenzseitigen Winkelstützen schützen. Benachbarte Eigentümer
hätten sich geholfen, indem sie vor ihren Grundstücksumzäunungen Blechrinnen verlegt
und auf diese Weise das von dem Acker zufließende Niederschlagswasser von ihren
Grundstücken ferngehalten und in die Tallage abgeleitet hätten, wo es in den
Wiesenflächen Pfützen bilde bzw. in den dort verlaufenden bach gelange. Kleinere
Instandsetzungsarbeiten mit Kosten von ca. 2000 DM seien am Brunnen und der
Böschung letztmalig im Jahre 2000 durchgeführt worden; es habe sich um die
Behebung von Unterspülungsschäden und die Einsaat von Grünflächen gehandelt.
42
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und
die eingereichten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
43
Entscheidungsgründe:
44
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der
Feststellungsklage der Kläger zu Unrecht stattgegeben. Die geltend gemachte
Unterhaltungs- und Wartungspflicht der Beklagten für den Schluckbrunnen "B. X. " über
den 1. Oktober 1998 hinaus besteht nicht.
45
I.
46
Die Feststellungsklage war statthaft und auch im übrigen zulässig (§ 43 Abs. 1 und 2
VwGO); auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid kann
vollinhaltlich verwiesen werden. Von einer Prüfung des Rechtswegs hatte das
Verwaltungsgericht abzusehen, weil es an den Verweisungsbeschluß des
Oberlandesgerichts E. gebunden war (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG).
47
II.
48
Die eingeklagte Unterhaltungs- und Wartungspflicht der Beklagten für den
49
Schluckbrunnen "B. X. " ist nicht gegeben; es fehlt sowohl an einer wirksamen
vertraglichen (dazu nachfolgend 1.) als auch an einer gesetzlichen oder
satzungsrechtlichen Rechtsgrundlage (dazu nachfolgend 2.):
1. Die Existenz einer vertraglichen Regelung über die Unterhaltungs- und
Wartungspflicht der ehemaligen amtsgehörigen Gemeinde I. -T. bach für den genannten
Schluckbrunnen ist nicht urkundlich belegt. Eine Vertragsurkunde - sollte sie je errichtet
worden sein - ist nach den übereinstimmenden Angaben der Prozessbeteiligten nicht
(mehr) aufzufinden. Nachforschungen der Beklagten in den bei der Eingliederung der
Gemeinde übernommenen Akten, in den Hausakten, bei der von E. Verwaltung, im
Findbuch des Amtes I. , im Stadtarchiv N. sowie beim ehemaligen Konkursverwalter der
T. KG sind ohne Ergebnis geblieben. Sonstige Beweismittel oder
Aufklärungsmöglichkeiten (etwa Zeugen) können, wie die Beteiligten schriftsätzlich
erklärt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals bekräftigt haben,
nicht benannt werden, so dass einzig auf ein vom Vertreter der von E. Verwaltung und
vom Amts- und Gemeindedirektor unterzeichnetes Dokument vom 26. Oktober/8.
November 1971 zurückgegriffen werden kann. Dieses Dokument hat die Einräumung
eines Rechts der Amtsverwaltung I. zum Betreten des Ackers der G. von E. Verwaltung
zwecks Wartung und Instandhaltung des Brunnens durch Bedienstete des Amtes zum
Gegenstand und enthält, soweit hier von Interesse, den Hinweis "Die T. KG hat mit dem
Amt I. vereinbart, dass die Entwässerungsanlage" (gemeint ist der Brunnen) "von
Gemeindearbeitern gewartet wird". Damit ist die Existenz einer Vereinbarung
angesprochen, aber nichts Näheres über deren Inhalt ausgesagt. So fehlen
insbesondere Anhaltspunkte dafür, ob die Gemeinde in dieser Vereinbarung die
Wartungs-(und Unterhaltungs-)pflicht als Gegenleistung (§§ 320 ff. BGB) für eine
Verpflichtung der T. KG zum Bau des Brunnens auf eigene Kosten übernommen hat,
was die Kläger meinen, und ob die Wartung und Unterhaltung des Brunnens auf Dauer
und ohne Kündigungsmöglichkeit und Kostenbeteiligung der Eigentümer der
begünstigten Grundstücke erfolgen sollte. Der Senat lässt dahingestellt, ob unter diesen
Umständen davon ausgegangen werden kann, dass sich die T. KG und die Gemeinde
über die für sie "wesentlichen Punkte" geeinigt haben, was Voraussetzung für das
Zustandekommen eines Vertrages ist (§ 151, § 154, § 155 BGB). Denn selbst wenn man
dies zugunsten der Kläger annimmt, hätte der Vertrag eine Wartungs- und
Unterhaltungspflicht der Gemeinde nur dann begründen können, wenn er unter
Beachtung der Form- und Vertretungserfordernisse in § 56, § 61 der Gemeindeordnung
in der seinerzeit geltenden Fassung vom 11. August 1969, GVBl. NRW 1969, 656 ff.
(GO a.F.) geschlossen worden wäre. Das vermag der Senat aber nicht festzustellen,
was zur Folge hat, dass die Kläger mit ihrem Begehren, soweit es auf eine
Vertragsgrundlage gestützt ist, nicht durchdringen können:
50
In § 61 Abs. 2 GO a.F. ist bestimmt, dass Erklärungen, durch die eine amtsangehörige
Gemeinde verpflichtet werden soll, der Schriftform bedürfen und von dem Bürgermeister
und dem Amtsdirektor, gegebenenfalls anstelle des Amtsdirektors vom hauptamtlichen
Gemeindedirektor zu unterzeichnen sind. Gemäß § 61 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit §
56 Abs. 2 GO a.F. unterliegen nur einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung diesen
Formvorschriften nicht; bei allen anderen Geschäften sind die Formvorschriften zu
beachten und wird die Gemeinde, wenn dies nicht geschehen ist, nicht gebunden. Die
übernahme einer vertraglichen Wartungs- und Unterhaltungspflicht für den
Schluckbrunnen stellt eine Verpflichtungserklärung im vorgenannten Sinne dar, die
nicht dem Kreis der einfachen Geschäfte der laufenden Verwaltung zuzurechnen ist.
Das ergibt sich unabhängig davon, welche Bedeutung und finanzielle Tragweite diese
51
Erklärung für die Gemeinde I. - T. bach hat, schon daraus, dass die Erklärung einen
Sachverhalt abseits der typischen Gemeindeverwaltungsaufgaben betrifft, der nicht auf
eingefahrenen Geleisen nach feststehender Routine abgewickelt werden konnte.
Zu diesem Abgrenzungskriterium für Geschäfte der laufenden
52
Verwaltung vgl. das Urteil des Senats vom 27. September 2002
53
- 3 A 3378/99 - m.w.N. sowie das Urteil des BGH vom 16. No-
54
vember 1978 - III ZR 81/77 - , NJW 1980, 117; Erlenkämper
55
in: Dieckmann/Heinrichs, GO NRW, 1996, § 41 Erl. 4.3; Rehn/
56
Cronauge/von Lennep, GO NRW, 2. Aufl., Std. 26. Erg. Ja-
57
nuar 2002, § 41 Erl. IV 2; v. Loebell-Wansleben, GO NRW, Std.
58
November 1992, § 28 Erl. 9.
59
Es bedurfte deswegen auf Seiten der Gemeinde der Unterschrift zweier
vertretungsberechtigter Amtswalter. Dafür, dass diesem Erfordernis entsprochen wurde,
gibt es keine Anhaltspunkte. Die Schlussfolgerung auf Beachtung dieses
Erfordernisses, welche das Verwaltungsgericht aus dem Dokument über die
Einräumung des Betretungsrechts gezogen hat, erscheint dem Senat nicht tragfähig. An
der Einräumung des Betretungsrechts und an der Wartungs- und
Unterhaltungsvereinbarung waren nicht identische Parteien beteiligt und die Regelung
über das Betretungsrecht der Gemeinde war anders als diejenige über ihre Wartungs-
und Unterhaltungspflicht nicht formgebunden. Schon deswegen verbietet es sich, aus
der Behandlung des einen Falles auf die Beachtung der Form im anderen Falle zu
schließen. Abgesehen davon kann die Einräumung des Betretungsrechts auch nicht als
"unbedeutendere Angelegenheit" im Verhältnis zu der Wartungs- und
Unterhaltungsvereinbarung angesehen werden, weil es keine einschlägigen
Bewertungskriterien für die mehr oder minder große Bedeutung dieser Geschäfte gibt,
die ohnehin nur gemeinsam und damit eher gleichgewichtig den Schutz der
Baugrundstücke vor dem Niederschlagswasser der Ackerflächen gewährleisten sollten.
Letztlich würde die Wartungs- und Unterhaltungsvereinbarung den Anforderungen der
§§ 56, 61 GO a.F. selbst dann nicht genügen, wenn man unterstellen könnte, sie sei in
der gleichen Form wie die Regelung des Betretungsrechts geschlossen worden; denn
es würde bei dieser Prämisse jedenfalls die erforderliche Unterschrift des zweiten
Amtswalters fehlen.
60
Der mangelnde Nachweis der Einhaltung von § 56, § 61 GO a.F. wirkt sich zu Lasten
der Kläger aus. Denn ihnen obliegt es nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen,
diejenigen Tatsachen (hier für einen formwirksamen Vertrag) darzulegen und zu
beweisen, aus denen sie für sich günstige Rechtsfolgen herleiten.
61
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 60.92 - , NVwZ-RR
62
1995, 172 (173).
63
Eine Umkehrung der Beweislast zum Nachteil der Beklagten findet nach Lage des
vorliegenden Falles nicht statt. Zwar muss eine Gemeinde bei ordnungsgemäßer
Aktenführung in der Lage sein, die Existenz und den Inhalt eines von ihr geschlossenen
Vertrages zu belegen, wenn und solange von diesem Vertrage noch Rechtsfolgen
ausgehen können (und die einschlägigen Aufbewahrungsfristen nicht abgelaufen sind).
Diese Obliegenheit geht bei kommunaler Neugliederung auch auf die
Nachfolgegemeinde über. In gleicher Weise ist jedoch der Vertragspartner der
Gemeinde gehalten, zur Wahrung seiner Interessen eine Vertragsurkunde oder einen
sonst geeigneten Nachweis über die Existenz und den Inhalt eines Vertrages
bereitzuhalten, wenn er Ansprüche aus diesem Vertrag erhebt. Dass die T. KG - wegen
Konkurses - und ihr Konkursverwalter - mangels Aufbewahrung von Unterlagen des
Konkursverfahrens - hierzu nicht in der Lage sind, ist den Klägern zuzurechnen, zu
deren Gunsten die Wartungs- und Unterhaltungsvereinbarung geschlossen worden sein
soll. Eine "größere Beweisnähe" der Beklagten ist nach den Umständen nicht gegeben.
64
Vgl. zu diesem Gesichtspunkt im Falle der Nichtbeweisbar-
65
keit den Beschluss des BVerwG vom 2. November 1999
66
- 8 B 213/99 - , Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 9.
67
Es bleibt infolgedessen bei der Verteilung der Beweislast nach allgemeinen
Grundsätzen.
68
Das Schreiben vom 18. Juli 1995, mit dem die Beklagte den Klägern u.a. mitgeteilt hat,
es sei sichergestellt, dass der Brunnen in Zukunft durch Mitarbeiter des (städtischen
Kanal- und Wasserbau)Amtes kontrolliert und ggf. gewartet werde, ändert an der
Unwirksamkeit der Wartungs- und Unterhaltungsvereinbarung gemäß § 56, § 61 GO
a.F. nichts. Es mag zwar sein, dass das Schreiben angesichts des vorangegangenen
Schriftwechsels der Beteiligten um die Erstattung der Instandsetzungskosten für den
Brunnen von den Klägern als Genehmigung der genannten Vereinbarung verstanden
worden ist, obwohl es nicht ausdrücklich als Genehmigung bezeichnet worden ist. Dies
genügt aber nicht, um annehmen zu können, die vormalige Unwirksamkeit der
Wartungsvereinbarung sei gemäß § 184 BGB nachträglich behoben worden. Zum einen
ist das Schreiben mit nur einer Unterschrift (anscheinend derjenigen des Amtsleiters)
versehen, weist insofern den gleichen Mangel wie die Wartungsvereinbarung auf und
ließe die Schutzwirkung von § 56, $§ 56 GO a.F. (nunmehr § 64 GO) leer laufen, wollte
man ihm Genehmigungswirkung beimessen.
69
Vgl. zur Fallkonstellation einer Duldungs- oder Anscheins-
70
vollmacht das Urteil des BGH vom 6. Juli 1995
71
- III ZR 176/94 - , DVBl. 1996, 371; ferner das Urteil des BGH
72
vom 4. Dezember 1981 - V ZR 241/80 - , NJW 1982, 1036,
73
in dem es um die Genehmigung einer Erklärung des zuvor
74
allein tätig gewordenen Amtswalters durch den zweiten Amts-
75
walter ging.
76
Zum anderen enthält das Schreiben keine Anhaltspunkte für ein ggf. erforderliches
Genehmigungsbewusstsein des Unterzeichners.
77
Zu diesem Gesichtspunkt vgl. das Urteil des BGH vom 22. Juni 1989
78
- III ZR 100/87 - , NVwZ 1990, 403.
79
Dieser hat vielmehr durch Handzeichen einen seinem Schreiben vorausgehenden
Vermerk des Sachbearbeiters vom 2. Mai 1995 gebilligt, worin die Rechtsauffassung
niedergelegt war, es bestehe eine Vertragspflicht der Beklagten zur Unterhaltung des
Brunnens. Hiervon ausgehend, spricht alles dafür, dass dem Unterzeichner des
Schreibens die (Form-)Unwirksamkeit der Wartungsvereinbarung weder bekannt war
oder noch bekannt sein konnte.
80
Da nach alledem zugrunde zu legen ist, dass die Wartungs- und
Unterhaltungsvereinbarung von Anfang an unwirksam war und unwirksam geblieben ist,
erübrigt es sich, noch zu prüfen, ob die Vereinbarung außerdem gegen zwingendes
Kommunalrecht verstoßen hat und deswegen nichtig war oder ob sie von der Beklagten
wirksam zum 1. Oktober 1998 gekündigt worden ist.
81
2. Eine Unterhaltungs- und Wartungspflicht der Beklagten für den Schluckbrunnen "B. X.
" ergibt sich auch nicht auf gesetzlicher oder satzungsrechtlicher Grundlage:
82
a) Das Baugesetzbuch regelt die Unterhaltung von Erschließungsanlagen, zu denen
nach Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Kläger der Schluckbrunnen gehört,
nicht, sondern überlässt dies dem jeweiligen Landesrecht (§ 123 Abs. 4 BauGB). Die
bundesgesetzlich geregelte Erschließungslast der Gemeinde endet also mit der
Herstellung der Erschließungsanlagen. Insoweit deckt sich die Erschließungslast in
ihrer Reichweite etwa nicht mit der landesrechtlichen Straßenbaulast, die auch die
Unterhaltung von Straßen erfasst (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 47 Abs. 1 StrWG NRW).
83
b) Das Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LWG) in der Fassung vom 29.
April 2003, GV NRW S. 254, regelt neben dem Gewässerschutz die
Abwasserbeseitigung und verpflichtet die Gemeinden insoweit zum Betrieb der dafür
erforderlichen Anlagen (§ 53, § 57 LWG). Dieses Gesetz kommt im vorliegenden Falle
aber nicht zur Anwendung. Denn Abwasser im Sinne des Gesetzes ist nach der
Definition in § 51 LWG nur das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen
oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte und das bei
Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser) sowie das von
Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließende
und gesammelte Wasser (Niederschlagswasser).
84
Vgl. einerseits das Urteil des OLG Karlsruhe vom 6. März
85
1997 - 12 U 249/96 - , BWGZ 1997, 252, das zum
86
Wassergesetz des Landes Baden-Württemberg ergan-
87
gen ist, welches eine § 51 LWG NRW entsprechende
88
Regelung enthält, und andererseits das Urteil des BGH
89
vom 18. Februar 1999 - III ZR 272/96 - , DVBl. 1999
90
S. 609 ff., das zum Wassergesetz des Landes Rhein-
91
land-Pfalz ergangen ist und "sonstiges Niederschlags-
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wasser" umfasst mit der Folge, dass in dem entschiedenen
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Fall die Gemeinde auch von Weinbergen in ein Baugebiet
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abfließendes Niederschlagswasser zu beseitigen hatte.
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Zu dem so definierten Abwasser gehört das Oberflächenwasser nicht, das auf den von
E. Ackerflächen anfällt, von dem u.a. das Grundstück der Kläger bedroht ist und vor
dessen Zufluß es durch den 1970/1971 gebauten Schluckbrunnen bewahrt werden soll.
Dieses Oberflächenwasser wird nicht dadurch zu Schmutzwasser, dass es beim
ungelenkten wilden Abfließen Erdteilchen löst und mitspült; es kommt auch nicht - etwa
vermischt - mit anderem Schmutzwasser "zusammen", weder beim Einlaufen in den
Brunnen noch nach etwaigem unterirdischem Wiederaustreten an undicht gewordenen
Stellen des Brunnenschachtes oder bei der weiteren Ableitung zu Tale bis zum
Passieren der Höhe des klägerischen Grundstücks. Niederschlagswasser im Sinne des
Gesetzes ist es nicht, weil es nicht aus dem Bereich von bebauten oder befestigten
Flächen stammt. Ist das fragliche Oberflächenwasser aber kein Abwasser, stellt der
Brunnen auch keine Abwasseranlage im Sinne des Landeswassergesetzes dar, die die
Beklagte zu unterhalten hätte.
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c) Eine Unterhaltungs- und Wartungspflicht der Beklagten für den Schluckbrunnen lässt
sich auch nicht aus § 2 Nr. 4 und § 3 Abs. 6 der Satzung über die Abwasserbeseitigung
der Grundstücke im Stadtgebiet E. (AS) vom 14. Dezember 2000 herleiten, wie die
Kläger meinen:
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§ 2 Nr. 4 AS beschreibt den Umfang der öffentlichen Abwasseranlage. Dazu gehören
u.a. Einrichtungen, die nicht von der Stadt, sondern von Dritten hergestellt worden sind,
wenn sich die Stadt dieser Anlagen "für die Abwasserbeseitigung" bedient. Letzteres ist
hier nicht der Fall. Der Brunnen dient nicht der Abwasserbeseitigung. Unter "Abwasser"
versteht der Satzungsgeber, wie aus seiner Definition in § 4 Nrn. 1 bis 3 AS hervorgeht,
nur Schmutzwasser und solches Niederschlagswasser, das aus dem Bereich von
bebauten oder befestigten Flächen abfließt. Der Abwasserbegriff der Satzung entspricht
damit dem Abwasserbegriff des § 51 LWG. Ihm unterfällt das von den Ackerflächen der
von E. Verwaltung abfließende Oberflächenwasser aus den vorstehend unter b)
dargelegten Gründen nicht.
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Die in § 3 Abs. 6 AS getroffene Regelung, wonach auf unbefestigten Flächen
anfallendes Regenwasser auf Verlangen der Stadt und nach den näheren
Bestimmungen dieser Satzung anzuschließen ist, wenn der Anschluss und die
Benutzung im Interesse der Gesundheit, der Verkehrssicherheit oder aus sonstigen
Gründen des öffentlichen Wohls erforderlich ist, gibt ebenfalls nichts zugunsten des
Klagebegehrens her. Denn die Kläger haben nicht dargetan und es sind auch keine
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Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es jemals ein "Verlangen" der Beklagten oder ihrer
Vorgängergemeinde gegeben hätte, das Oberflächenwasser der von E. Ackerflächen
mittels Schluckbrunnen aufzufangen und der öffentlichen Abwasseranlage zuzuführen.
Ob die Bestimmung, wie die Beklagte meint, nach der Regelungssystematik der
Satzung nur auf anschlusspflichtige Grundstücke, nicht hingegen auf Ackerflächen
Anwendung findet, mag auf sich beruhen.
Der Senat hat erwogen, ob die Beklagte oder ihre Vorgängergemeinde den von der T.
KG hergestellten Brunnen durch konkludenten Organisations- und Widmungsakt zum
Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage gemacht haben könnte, indem sie die
Anbindung des Brunnens an die verrohrte Ableitung des Regenrückhaltebeckens In der
G. zum bach zugelassen oder jedenfalls über einen langen Zeitraum hingenommen hat.
100
Zur Möglichkeit einer solchen konkludenten Widmung vgl. VG Gera,
101
E. v. 15. Februar 2001 - 2 E 1903/00 -, LKV 2002, 39 ff.; ferner:
102
Abwasserbeseitigung und Y-Prinzip, Mitt. StGB NRW 2001 S. 208
103
(Nr. 391).
104
Allerdings zeigt schon die Regelung in § 2 Nr. 7 AS, wonach die sog. Anschlusskanäle
zwischen Straßenkanal und Prüfschacht auf dem jeweiligen Grundstück nicht
Bestandteile der öffentlichen Abwasseranlage, sind, dass die Herstellung und Nutzung
eines Anschlusses die angeschlossene technische Einrichtung nicht zwangsläufig zum
Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage macht. Die damit angeschnittene Frage
braucht nach Lage des Falles aber nicht weiter vertieft zu werden. Sollte der Brunnen
durch formlose Widmung Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage geworden sein,
hat die Bestandteilseigenschaft durch Einziehungsakt der Beklagten spätestens am 1.
Oktober 1998 geendet. Die Entscheidung über die Einziehung hat in den
Verwaltungsakten Niederschlag gefunden und ist in den Kündigungsschreiben der
Beklagten vom 9. März 1998 an die Eigentümer der begünstigten Grundstücke
verlautbart worden durch Hinweis darauf, dass die Eigentümer sich künftig selbst
anstelle der Stadt um den Brunnen zu kümmern hätten.
105
d) Die Entwidmung bewirkt zugleich, dass eine Unterhaltungs- und Wartungspflicht der
Beklagten für den Schluckbrunnen auch nicht bzw. nicht mehr aus dem Recht der
gemeindlichen Einrichtungen herzuleiten ist, sollte der Brunnen durch Wahrnehmung
der Wartung seitens der Gemeinde I. -T. bach und der Beklagten als öffentliche
Einrichtung im Sinne von § 89 GO gewidmet gewesen sein.
106
Gründe, die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der Entwidmung durch die Beklagte in
Frage zu stellen, sind nicht ersichtlich. über den Fortbestand einer öffentlichen
Einrichtung wie über deren Bereitstellung kann die Gemeinde nach ihrem Ermessen
entscheiden. Ein Eingriff in geschützte Rechte der Benutzer ist damit grundsätzlich nicht
verbunden.
107
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1964 - VII C 194.63 - ,
108
VwRspr. Bd. 17 Nr. 88 (betr. einen kommunalen Schlachthof);
109
OVG Brandenburg, Beschluss vom 30. Dezember 1996
110
- 4 B 175/96 - , NVwZ-RR 1997, 555 ff. (betr. eine kommunale
111
Kindertagesstätte), und HessVGH, Beschluss vom 16. August
112
1978 - II TG 58/78 - , NJW 1979, 886 (betr. eine kommunale
113
Einrichtung der Jugendhilfe).
114
Förmlichkeiten sind bei der Entwidmung nur zu beachten, wenn sie durch Rechtsnorm
vorgeschrieben sind, was vorliegend nicht der Fall ist.
115
Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Entscheidung der Beklagten über die
Entwidmung ermessensfehlerhaft wäre. Die von der Beklagten dafür angegebenen
Gründe - originäre Verantwortlichkeit eines Grundstückseigentümers für die Abwendung
von Gefahren, die sich aus der Lage seines Grundstücks unterhalb eines abschüssigen
Nachbargrundstücks ergeben (BGH, Urteil vom 12. Februar 1985 - VI ZR 193/83 -, NJW
1985, 1773); Brunnenwartung als freiwillige Aufgabe außerhalb der gemeindlichen
Pflichtaufgaben; knappe Haushaltsmittel - sind sachbezogen und tragfähig. Das gilt
auch unter der Voraussetzung, dass die Kläger das hier in Rede stehende
Niederschlagswasser durch Maßnahmen auf ihrem eigenen Grundstück nicht abwehren
oder auffangen und ableiten können. Denn es besteht kein Anhalt dafür, dass der
Eigentümer des angrenzenden Ackerlandes es ihnen verwehren wird, den (existenten)
Schluckbrunnen anstelle der Beklagten zu warten und zu unterhalten.
116
Vgl. das zu einem ähnlichen Sachverhalt ergangene Urteil des
117
BGH vom 18. April 1991 - III ZR 1/90 - , NJW 1991, 2770 ff.
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Zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren stände ihnen jedenfalls ein entsprechender
Duldungsanspruch aus § 904 BGB zu.
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Dazu, dass § 904 BGB dem Berechtigten nicht nur ein tatsächliches
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Einwirkungsrecht, sondern auch einen - einklagbaren - Anspruch auf
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Duldung verleiht, vgl. OLG Hamm, Urteil vom 14. Januar 1972 -
122
6 U 220/71 - , NJW 1972, 1374 f.
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III.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 1, § 167 Abs.1 VwGO i.V.m. § 708
Nr. 10, § 711 ZPO und § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG.
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