Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.08.2001

OVG NRW: urkunde, berufliche ausbildung, hochschule, diplom, anerkennung, ingenieur, genehmigung, mitgliedstaat, untersuchungsgrundsatz, gleichstellung

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 A 5182/00
Datum:
22.08.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 A 5182/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 2 K 4046/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 8.000,- DM
festgesetzt.
Gründe:
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen, weil die geltend gemachten
Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht im Sinne des § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO
dargelegt sind.
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Ein Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht darin, dass das
Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung den Antrag des
Prozessbevollmächtigten des Klägers abgelehnt hat, Beweis darüber zu erheben, ob
das Europäische Institut für Technologie und Ökonomie (EIT) eine nach belgischem
Recht anerkannte Hochschule ist. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon
ausgegangen, dass eine Beweiserhebung dann nicht in Betracht kommt, wenn es auf
die Beweistatsache nicht ankommt.
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Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1981 - 4 C 71/79 -, NVwZ 1982, 244, m. w.
N.
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So liegt es hier. Der Kläger stützt im Zulassungsverfahren den von ihm geltend
gemachten Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Führung der
Berufsbezeichnung "Ingenieur" nur noch auf § 2 Abs. 3 Satz 1 a und Satz 2 des
nordrhein- westfälischen Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung
"Ingenieur/Ingenieurin" vom 5. Mai 1970, GV NRW S. 299, zuletzt geändert durch
Gesetz vom 17. Mai 1994, GV NRW S. 438, (IngG) iVm Art. 1 a der Richtlinie
89/48/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaft über eine allgemeine Regelung
zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige
Berufsausbildung abschließen, ABl EG 1989, Nr. L 19/16, (im Folgenden: Richtlinie).
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Auf der Grundlage dieser Vorschriften bedarf es keiner Klärung, ob das EIT eine nach
belgischem Recht anerkannte Hochschule ist.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 a und Satz 2 IngG setzt die Erteilung einer Genehmigung zur
Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" unter anderem voraus, dass die vom Kläger
vorgelegte Urkunde des EIT vom 31. März 1999 ein Diplom im Sinne des Art. 1 a der
Richtlinie ist. Das ist nicht der Fall.
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Die Urkunde des EIT erfüllt ungeachtet aller weiteren Zweifelsfragen die
Voraussetzungen eines Diploms im Sinne des Art. 1 a Satz 1 der Richtlinie schon
deshalb nicht, weil nach dieser Vorschrift aus der Urkunde unter anderem hervorgehen
muss, dass der Inhaber ein mindestens dreijähriges Studium oder ein dieser Dauer
entsprechendes Teilstudium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer
anderen Ausbildungseinrichtung mit gleichwertigem Niveau absolviert und
gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung
abgeschlossen hat. Das lässt sich der Urkunde des EIT nicht entnehmen. Dort heißt es -
wenn auch unter Verweis auf die Richtlinie - nur allgemein, der Kläger habe "die
vorgeschriebenen Kenntnisse in Ingenieurwissenschaften" erfüllt. Dass er diese
Kenntnisse in einem vom EIT angebotenen Studium oder Teilzeitstudium erworben hat,
geht aus der Urkunde des EIT nicht hervor und wird auch vom Kläger nicht behauptet.
Nach der - sachverständigen - Stellungnahme der Zentralstelle für ausländisches
Bildungswesen (ZAB) vom 14. Oktober 1996 führt das EIT vielmehr überhaupt keine
Ausbildung durch.
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Die Urkunde des EIT ist auch nicht gemäß Art. 1 a Satz 2 der Richtlinie einem Diplom
im Sinne des Art. 1 a Satz 1 der Richtlinie gleichgestellt. Die Gleichstellung erfordert
unter anderem, dass mit dem Diplom, Prüfungszeugnis oder sonstigen
Befähigungsnachweis eine von einer zuständigen Stelle in dem Mitgliedstaat, in dem
das Diplom, Prüfungszeugnis oder der sonstige Befähigungsnachweis erworben wurde,
als gleichwertig anerkannte Ausbildung abgeschlossen wird. Diese Voraussetzung ist
nicht erfüllt. Ungeachtet der Stellungnahme der ZAB vom 14. Oktober 1996, nach der
das EIT überhaupt keine Ausbildung durchführt, geht weder aus der Urkunde des EIT
und den sonstigen dem Senat vorliegenden Unterlagen noch aus dem eigenen Vortrag
des Klägers hervor, dass eine etwaige Ausbildung durch das EIT von einer - vom Kläger
nicht benannten - zuständigen belgischen Stelle als eine der Hochschulausbildung im
Sinne des Art. 1 a Satz 1 der Richtlinie gleichwertige Ausbildung anerkannt worden ist.
Der Kläger behauptet lediglich unsubstantiiert, dass das EIT eine nach belgischem
Recht anerkannte Hochschule sei, und zieht aus dieser Behauptung den Schluss, dass
die Anerkennung des EIT als Hochschule "denklogischerweise" zur Folge habe, dass
das EIT eine der Ausbildung in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union
gleichwertige Ausbildung gewährleiste. Dafür hat der Kläger weder im
Zulassungsverfahren noch sonst greifbare Anhaltspunkte vorgetragen.
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Soweit der Kläger eine Verletzung des verwaltungsprozessualen
Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügt, entspricht sein Vorbringen nicht
den Darlegungsanforderungen des § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO. Die ordnungsgemäße
Rüge, der Untersuchungsgrundsatz sei verletzt, erfordert unter anderem die
substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf besteht und
welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kommen.
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Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 - 6 B 81.94 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1
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VwGO, Nr. 265, S. 8 (9), m. w. N.
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Er hat nicht aufgezeigt,
welche konkreten (weiteren) Tatsachen das Verwaltungsgericht von Amts wegen hätte
ermitteln sollen und welche konkreten Aufklärungsmaßnahmen in diesem
Zusammenhang anzuordnen gewesen wären.
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Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die vom Kläger geltend
gemachten ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) nicht bestehen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, es
bestünde ein Widerspruch zwischen dem europäischen und nordrhein-westfälischem
Recht, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtig wäre, beruht seine
Auffassung auf der Prämisse, dass die Urkunde des EIT ein Diplom im Sinne des Art. 1
a der Richtlinie ist. Das ist indessen, wie ausgeführt, nicht der Fall.
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Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass weder die Richtlinie 89/48/EWG noch
das sonstige europäische Recht eine vorbehaltlose Anerkennung von in anderen
Mitgliedstaaten erworbenen Diplomen verlangen.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Januar 1996 - 19 A 3537/92 -.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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