Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.03.1999

OVG NRW (kaufvertrag, stadt, beschwerde, erklärung, bebauungsplan, annahme, breite, gkg, vereinbarung, eintrag)

Oberverwaltungsgericht NRW, 3 B 2652/96
Datum:
16.03.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 B 2652/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 12 L 2011/96
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 37.573,55 DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist vordringlich nur den vom
Rechtsschutzsuchenden selbst aufgeworfenen Fragen nachzugehen - abgesehen von
(hier nicht vorliegenden) Fehlern, die sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich
aufdrängen.
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Vgl. den Beschluß des Senats vom 25. August 1988 - 3 B 2564/85 -, OVGE 40, 160 =
NWVBl. 1990, 16 = NVwZ-RR 1990, 54.
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Nach diesem Prüfungsmaßstab ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide oder eine unbillige Härte
i.S.v. § 80 Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO zu begründen.
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Die Antragstellerin macht mit ihrer Beschwerde (allein noch) geltend, ihrer
Heranziehung zu Vorausleistungen auf einen künftigen Erschließungsbeitrag für die
erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage stünden ein anläßlich des Erwerbs des
Flurstücks 1298 im notariellen Kaufvertrag vom 15. April 1991 erklärter Beitragsverzicht
der Stadt bzw. eine anläßlich des Erwerbs der Flurstücke 444 und 197 im notariellen
Kaufvertrag vom 23. Mai 1972 getroffene Ablösungsvereinbarung entgegen. Auch nach
dem Beschwerdevorbringen ist indes nicht, wie dies für einen Erfolg des
Aussetzungsantrags erforderlich wäre, überwiegend wahrscheinlich, daß die
Antragstellerin mit diesen Einwänden im Hauptsacheverfahren obsiegen wird.
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1. Hinsichtlich des Flurstücks 1298 hat die Stadt im oben erwähnten Kaufvertrag erklärt,
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daß sie "dafür einstehe", daß "für das Kaufgrundstück keine
Erschließungskostenbeiträge oder sonstige Anliegerkosten" zu zahlen seien. Auch
nach vorläufiger Einschätzung des Senats spricht mehr für die Annahme des
Verwaltungsgerichts, daß dieser Erklärung kein endgültiger Verzicht auf etwaige durch
den Ausbau der Straße veranlaßte Erschließungsbeiträge entnommen werden kann.
Vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach die Gemeinden
grundsätzlich zur Beitragserhebung verpflichtet sind und die Annahme eines
Beitragsverzichts (Beitragserlasses) nur bei Vorliegen besonderer Umstände in
atypischen Einzelfällen zulässig ist,
vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Januar 1968 - IV C 60.66 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG
Nr. 20 S. 83 (84), vom 18. April 1975 - VII C 15.73 -, BVerwGE 48, 166 (168 ff.) und vom
23. Mai 1975 - IV C 73.73 -, BVerwGE 48, 247 (251); Urteil des Senats vom 12. April
1989 - 3 A 1637/88 -, NVwZ-RR 1990, 435 = NWVBl. 1990, 63; ferner Driehaus,
Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl. 1999, § 10 Rdnr. 13 ff. und § 26 Rdnr. 13
(jeweils m.w.N.),
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dürfte von einem endgültigen und unbedingten Verzichtswillen der Gemeinde nur dann
auszugehen sein, wenn das Objekt des Verzichts bekannt ist, der Verzichtende also
weiß oder wenigstens abschätzen kann, worauf er verzichtet. Danach dürfte sich die
obige Erklärung der Stadt im Kaufvertrag vom 15. April 1991 allein auf die straße
beziehen, weil das Flurstück 1298 damals allein durch diese erschlossen wurde und die
Straße damals als Erschließungsanlage (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) noch nicht
existierte, sondern (nach den insoweit unbestrittenen Angaben des Antragsgegners)
lediglich als Wirtschaftsweg. Der Umstand, daß die spätere Straße bereits in den 70er
Jahren in verschiedenen Bebauungsplänen bzw. deren Entwürfen (Bebauungsplan Nr.
40, Aufstellungsbeschluß vom 13. März 1971; Bebauungsplan Nr. 40b,
Aufstellungsbeschluß vom 17. Oktober 1975) und in einem dem Kaufvertrag vom 23.
Mai 1972 beigefügten Lageplan jeweils als Verkehrsfläche (mit dem Eintrag "Weg")
vorgesehen sowie in einem (von der Antragstellerin vorgelegten) Vorentwurf der
Autobahnplanung des Landschaftsverbandes aus dem Jahr 1971 (wohl nur
handschriftlich, dort aber mit dem - möglicherweise nur die Lagebezeichnung
meinenden - Eintrag " ") eingezeichnet ist, dürfte an dieser Einschätzung voraussichtlich
nichts ändern. Denn dieser Weg war entsprechend der unbestrittenen Darstellung des
Antragsgegners mit einer vorhandenen durchschnittlichen Breite von drei Metern
wahrscheinlich keine zur Erschließung des angrenzenden Industriegebiets
ausreichende Anlage i.S.v. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB; zudem war er mit der aus den
erwähnten Plänen und Planentwürfen erkennbaren Konzeption als ca. 7 Meter breite
Anbaustraße bis zum Vertragsschluß, d.h. während eines Zeitraums von ca. 15-20
Jahren, nicht zur Ausführung gelangt. Von daher dürften aus der Eintragung dieses
Weges in den erwähnten Planunterlagen als Wegefläche keine tragfähigen
Schlußfolgerungen dahingehend gezogen werden können, daß das "Einstehen" der
Stadt für die Erschließungsbeitragsfreiheit des Kaufgrundstücks in einem umfassenden
Sinne auch mit Blick auf diesen Weg erklärt worden sei. Denn wann und mit welchen
Kosten dieser Weg - wenn überhaupt noch - zu einer Anbaustraße mit
Erschließungswirkung für den Grundbesitz der Antragstellerin ausgebaut werden würde
und in welcher - den Kaufpreis mitbestimmenden - Höhe die Stadt demnach auf
Erschließungskosten verzichten sollte, dürfte für keine der Vertragsparteien verläßlich
überschaubar gewesen sein.
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2. Hinsichtlich der (heutigen) Flurstücke 197 und 444, die die Rechtsvorgängerin der
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Antragstellerin (mit dem heutigen Flurstück 443) im notariellen Kaufvertrag vom 23. Mai
1972 von der Stadt erworben hat, ist ebenda vereinbart, daß die Käuferin - zusätzlich
zum (reinen) Grundstückspreis von 21 DM/qm - "für die nach Übergabe des
Kaufgrundbesitzes anfallenden Erschließungskosten" einen Betrag von 20,50 DM/qm
zahlt und daß damit die "anteiligen Kosten für den Straßenbau (...) abgegolten" sind. Bei
der Beurteilung dieser Erklärung ist im Grundsatz davon auszugehen, daß die mit einer
solchen Vereinbarung (und entsprechender Zahlung) eintretende Ablösungswirkung
ausschließlich mit Blick auf die erstmalige endgültige Herstellung derjenigen
(beitragsfähigen) Erschließungsanlage eintritt, die Gegenstand der
Ablösungsvereinbarung war; wird später eine weitere beitragsfähige
Erschließungsanlage hergestellt, hat der Ablösungsvertrag auf die dadurch ausgelöste
Erschließungsbeitragspflicht keinen Einfluß. Fehlt es an entsprechenden Festlegungen,
bedarf es einer Auslegung der Vereinbarung unter Berücksichtigung der im Zeitpunkt
des Vertragsschlusses maßgebenden Verhältnisse.
Vgl. Driehaus, a.a.O., § 22 Rdnr. 5.
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Hiervon ausgehend ist nach vorläufiger Einschätzung des Senats auch hinsichtlich der
Flurstücke 197 und 444 aus denselben Erwägungen wie oben (sub 1.) nicht
überwiegend wahrscheinlich, daß die damaligen Vertragsparteien - über die Ablösung
des Erschließungsbeitrages für die das Kaufgrundstück damals allein erschließende
straße hinaus - einen umfassenden Beitragsverzicht hinsichtlich einer künftigen
Erschließungsanlage " " vereinbart haben. Das gilt schon deshalb, weil der vor dem
Kaufvertrag beschlossene und kurz danach genehmigte Bebauungsplan Nr. 40 eine
Festsetzung enthielt, derzufolge ein ca. 5 Meter breiter, längs der Verkehrsflächen der " "
verlaufender Streifen der Flurstücke 197 und 444 (sowie der Nachbarparzellen) als
"Rahmengrün" nach den zugehörigen textlichen Festsetzungen "mit dicht gestaffelten,
hochwachsenden Gehölzen zu bepflanzen" war. Hiernach mußte bei Vertragsschluß
zugrunde gelegt werden, daß dieser Grünstreifen ein rechtliches Hindernis für die
Anbindung der Flurstücke mittels einer Zufahrt an die " " war. Dann aber fehlten auch
die für das Erschlossensein von Gewerbegrundstücken geltenden
Regelvoraussetzungen, so daß es seinerzeit keinen Anlaß gab, die im
Grundstückskaufvertrag vereinbarte Ablösungsregelung auf die künftige Anbaustraße " "
zu erstrecken.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§
20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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