Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.04.2004

OVG NRW: bebauungsplan, grundstück, gemeinde, markt, ausschluss, kernzone, erhaltung, ausweisung, bekanntmachung, einkaufszentrum

Oberverwaltungsgericht NRW, 7a D 142/02.NE
Datum:
22.04.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7a Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7a D 142/02.NE
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller zu 1. trägt die Kosten des Verfahrens zu 3/4, die
Antragstellerin zu 2. zu 1/4.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 45 "Untere I. straße " der
Antragsgegnerin, weil er in ihrem Eigentum stehende Grundflächen als Mischgebiet bei
gleichzeitigem Ausschluss verschiedener Einzelhandelsnutzungen überplant.
2
Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken, die an der Ostseite des Abschnitts
der I. straße (L 519) liegen, der aus dem Zentrum von T. zu den nördlichen Stadtteilen
führt. Die Grundstücke bilden ein zusammenhängendes, weit überwiegend unbebautes
Areal, das südlich und nördlich der Straße In der Freiheit liegt, die ihrerseits von der I.
straße in Richtung Osten abzweigt. Für eine Teilfläche des Grundeigentums der
Antragsteller wurde eine Bauvoranfrage vom 7. November 2001 für die Errichtung eines
B. -Markts (Verkaufsfläche 692 qm) gestellt, die durch Bescheid vom 22. November
2001 im Hinblick auf die Aufstellung des strittigen Bebauungsplans Nr. 45 bis zum 31.
Oktober 2002 zurückgestellt wurde. Mit Bescheid vom 26. November 2002 - nach der
ersten Schlussbekanntmachung des Bebauungsplans Nr. 45 - wurde die Bauvoranfrage
wegen Widerspruchs zu den Festsetzungen des Bebauungsplans abgelehnt. Der
hiergegen eingelegte Widerspruch ist bislang nicht beschieden.
3
Der Bebauungsplan Nr. 45 erfasst ein beiderseits der I. straße gelegenes Areal, das
nördlich des im Zentrum von T. gelegenen, als Fußgängerzone ausgestalteten
Abschnitts der I. straße liegt. Das Plangebiet beginnt im Süden - etwas nördlich der
Kreuzung der I. straße mit der H. straße bzw. dem S. weg - mit den Grundstücken I.
4
straße 156 (an der Ostseite) und I. straße 159 (an der Westseite). An der Ostseite der I.
straße reicht das Plangebiet bis zu dem weitgehend in rd. 100 m Entfernung zur I. straße
etwa parallel zu dieser verlaufenden Bahngelände und endet nach knapp 750 m im
spitzen Winkel vor dem hier die I. straße schräg querenden Bahngelände. An der
Westseite der I. straße reicht das Plangebiet bis zu der ca. 40 bis 90 m neben der I.
straße verlaufenden S. und endet bereits gut 250 m nördlich der südlichen
Plangebietsgrenze. Das weiter nördlich an der Westseite des I. straße gelegene Areal
zwischen I. straße und S. , das für einen Sportplatz nebst Turnhalle und Sportheim
sowie ein Fabrikgelände genutzt wird, ist vom Bebauungsplan Nr. 45 nicht erfasst.
Für seinen gesamten Geltungsbereich trifft der Bebauungsplan Nr. 45 lediglich
Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung. Das Plangebiet ist als Mischgebiet
ausgewiesen. Die textlichen Festsetzungen enthalten in den Abschnitten (1) bis (3) mit
Hinweis auf die Sonderregelungen zum Einzelhandel in Abschnitt (4) die Regelungen
der Absätze 1 bis 3 des § 6 BauNVO. Abschnitt (4) der textlichen Festsetzungen lautet:
5
"Nicht zulässig sind Einzelhandelsbetriebe mit folgenden Arten von Anlagen i.S.d. § 1
Abs. 9 BauNVO
6
1. Bücher/Zeitschriften/Papier/Schreibwaren/Büroorganisation 2. Kunst/Antiquitäten 3.
Baby-/Kinderartikel 4. Bekleidung, Lederwaren, Schuhe 5.
Unterhaltungselektronik/Computer, Elektrohaushaltswaren 6. Foto/Optik 7.
Einrichtungszubehör (ohne Möbel), Haus- und Heimtextilien, Bastelartikel,
Kunstgewerbe 8. Musikalienhandel 9. Uhren/Schmuck 10. Spielwaren, Sportartikel 11.
Lebensmittel, Getränke 12. Apotheke, Drogerie, Kosmetik, Haushaltswaren"
7
Die textlichen Festsetzungen enthalten ferner folgende Regelungen:
8
"Grundstücke, für die gem. § 1 Abs. 10 BauNVO Erweiterungen, Änderungen,
Nutzungsänderungen und Erneuerungen ausnahmsweise zugelassen werden können:
Gemarkung T. , Flur 8 Flurstücke: - 84, 85, 86 und 88 tlw. (I. straße Nr. 194, Textil-
Einkaufslager) Gemarkung T. , Flur 12, Flurstücke: - 139 (I. straße Nr. 179, Fleischerei) -
161, 163, 249 u. 251 (I. straße Nr. 177, Lebensmittelmarkt, Getränkemarkt u. Back-Shop)
- 86 (I. straße Nr. 158, Raumausstatter) - 170 ( I. straße Nr. 167, Kunstschmiede) - 17 u.
269 (I. straße Nr. 187, Büro- und Datentechnik)
9
Shops in Verbindung mit Tankstellen sind auf maximal 150 m2 Verkaufsfläche
zulässig."
10
Die Bereiche, für die Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO getroffen wurden, sind in
der Planzeichnung mit einem Punktraster gekennzeichnet, wobei die Grundstücke I.
straße Nr. 177 und 179 als eine einheitliche Fläche gekennzeichnet sind. Mit dem
Punktraster gekennzeichnet ist in der Planurkunde auch das Grundstück I. straße Nr.
171. Für dieses war in den textlichen Festsetzungen ursprünglich auch eine
Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO vorgesehen. Der entsprechende Spiegelstrich in
den textlichen Festsetzungen ist auf Grund des ersten Satzungsbeschlusses des Rates
der Antragsgegnerin vom 21. Februar 2002 jedoch gestrichen worden.
11
Die Planzeichnung enthält ferner Eintragungen, die gem. § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB
Flächen kennzeichnen, deren Böden möglicherweise mit umweltgefährdenden Stoffen
belastet sind.
12
Das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans nahm folgenden Verlauf: Anfang
2000 erstellte die Verwaltung der Antragsgegnerin ein erstes Konzept für den
Bebauungsplan Nr. 45 mit dem Ziel einer Steuerung des Einzelhandels im Bereich der
"Unteren I. straße ". Am 19. Juni 2000 stimmte der Umwelt- und Planungsausschuss der
Antragsgegnerin dem Konzept zum Bebauungsplan zu und beschloss, die frühzeitige
Beteiligung der Bürger sowie der Träger öffentlicher Belange durchzuführen. Die
Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB fand gemäß Bekanntmachung vom 13.
September 2000 in Form einer Offenlegung des Planentwurfs nebst Begründung vom
21. September bis 25. Oktober 2000 statt. Die Träger öffentlicher Belange wurden mit
Anschreiben vom 15. September 2000 beteiligt. Verschiedene Bürger - u.a. auch der
Antragsteller zu 1. - wandten sich gegen den vorgesehenen Einzelhandelsausschluss.
Die Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer zu B. war Anlass, die seinerzeit
noch umfassender vorgesehene Liste der ausgeschlossenen Einzelhandelsnutzungen
zu kürzen und von einer Regelung nach § 1 Abs. 10 BauNVO für die im Plangebiet
vorhandenen Autohäuser abzusehen. Am 22. März 2001 beschloss der Umwelt- und
Planungsausschuss der Antragsgegnerin, den geänderten Planentwurf öffentlich
auszulegen. Diese Offenlegung fand gemäß Bekanntmachung vom 2. Mai 2001 in der
Zeit vom 10. Mai bis 15. Juni 2001 statt. Die Träger öffentlicher Belange wurden mit
Anschreiben vom 4. Mai 2001 beteiligt. Es wandten sich wiederum verschiedene Bürger
- u.a. der Antragsteller zu 1. - gegen die Einzelhandelsausschlüsse, weil sie ihrer
Meinung nach zu erheblichen Wertminderungen ihrer Grundstücke führten. Das
Staatliche Umweltamt M. wies - wie schon anlässlich der frühzeitigen Beteiligung - auf
eine im Plangebiet vorhandene Spedition hin. Unter dem 20. Juli/28. August 2001
erstellte die Verwaltung der Antragsgegnerin einer Auflistung der im Plangebiet
genehmigten Nutzungen. Am 21. Februar 2002 beschloss der Rat der Antragsgegnerin,
dass das bisher im Rahmen der "Fremdkörperfestsetzung" nach § 1 Abs. 10 BauNVO
aufgeführte Bettenfachgeschäft - Grundstück I. straße Nr. 171 - nicht weiter als
Fremdkörper festgesetzt werden sollte, "da dieser Betrieb von der
Sortimentsbeschränkung nicht erfasst wird". Anschließend beschloss er den
Bebauungsplan erstmals als Satzung unter Beifügung der Begründung vom selben Tag.
Die erste Schlussbekanntmachung des Bebauungsplans erfolgte am 17. Juli 2002.
13
Während des vorliegenden Normenkontrollverfahrens hob der Rat der Antragsgegnerin
am 1. April 2004 den Satzungsbeschluss vom 21. Februar 2002 auf und beschloss den
Bebauungsplan unter Zugrundelegung einer Begründungsergänzung erneut als
Satzung. Die Bekanntmachung dieses Beschlusses erfolgte mit Datum vom 14. April
2004.
14
Am 18. Dezember 2002 haben die Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag
gestellt. Zugleich haben sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6
VwGO beantragt, den der Senat mit Beschluss vom 20. Januar 2003 - 7a B 2486/02.NE
- ablehnte.
15
Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags tragen die Antragsteller insbesondere vor,
sie seien wegen der nachteiligen Überplanung ihres Grundeigentums antragsbefugt.
16
Der Bebauungsplan sei formell fehlerhaft. Die Bekanntmachungen nach § 3 Abs. 1, § 3
Abs. 2 und § 10 Abs. 3 BauGB genügten nicht den an sie zu stellenden Anforderungen,
weil bei der jeweiligen Umschreibung des Plangebiets in den Bekanntmachungen auf
das nördliche Angrenzen an den Bebauungsplan Nr. 18 Ortsmitte T. verwiesen worden
17
sei.
In materieller Hinsicht fehle dem Plan die städtebauliche Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3
BauGB. Der Plan sei nur aus fiskalischen Interessen erlassen worden, weil ohne eine
Sicherung der Einzelhandelsfunktionen der Innenstadt die Rückzahlung von
Fördergeldern gedroht hätte. Bei den Einzelhandelsausschlüssen handele es sich
ferner um eine unzulässige Negativplanung sowie eine unzulässige Wahrnehmung von
Wettbewerbsinteressen. Es sei nicht von § 1 Abs. 3 BauGB gedeckt, lediglich die
Attraktivität des Innenstadtbereichs stärken zu wollen.
18
Die Planung weise auch Abwägungsmängel auf. Nach den Empfehlungen des für die
Antragsgegnerin erstellten Einzelhandelsgutachtens sollte der im Plangebiet
vorhandene Einzelhandelsstandort (Q. -Markt nebst weiteren benachbarten Läden) nach
§ 11 Abs. 2 BauNVO als Ladengebiet ausgewiesen werden. Die anderweitige
Ausweisung im strittigen Bebauungsplan als Mischgebiet sei nicht nachvollziehbar. Die
beiden im Plangebiet vorhandenen Autohäuser seien nicht berücksichtigt worden. Dies
hätte im Hinblick auf die Belange des Immissionsschutzes jedoch geschehen müssen.
Ein Abwägungsausfall liege in der fehlenden Berücksichtigung der im Plangebiet
vorhandenen Spedition. Verfehlt seien auch die umfangreichen
"Fremdkörperfestsetzungen" nach § 1 Abs. 10 BauNVO, da diese Vorschrift nur auf
kleinere Einsprengsel geringfügigen Umfangs anwendbar sei. Der Q. -Markt nebst
weiteren benachbarten Läden sei fehlerhaft berücksichtigt, da es sich hierbei um
großflächigen Einzelhandel und ein Einkaufszentrum handele. Die Absicherungen nach
§ 1 Abs. 10 BauNVO seien ferner widersprüchlich, weil die zugelassenen
Erweiterungen auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung relevant seien. Die
vorgenommenen Sortimentsbeschränkungen seien fehlerhaft, weil § 1 Abs. 9 BauNVO
Branchenbeschränkungen nicht zulasse. Auch sei eine Sortimentsbeschränkung bei
Einzelhandel unter 1.200 m2 Geschossfläche unzulässig. Eine Verödung der Innenstadt
als Rechtfertigung der Sortimentsbeschränkung sei weder in der Planbegründung noch
dem zugrunde gelegten Einzelhandelsgutachten erwähnt. Das im Plangebiet
vorhandene Nahversorgungszentrum um den Q. -Markt schließe unmittelbar an die
Innenstadt an. Die Antragsgegnerin beabsichtige auch keine Stärkung der übrigen
Nutzungsarten nach § 6 Abs. 2 BauNVO, was allenfalls Einzelhandelsausschlüsse
rechtfertigen könne. Unzulässig seien auch die Regelungen zu den Tankstellenshops.
Einen Betriebstyp "Shop" in Verbindung mit einer Tankstelle gebe es nicht.
19
Die Antragsteller beantragen,
20
den Bebauungsplan Nr. 45 "Untere I. straße " der Antragsgegnerin für nichtig zu
erklären.
21
Die Antragsgegnerin beantragt,
22
den Antrag abzulehnen.
23
Sie tritt dem Vorbringen der Antragsteller im Einzelnen entgegen und verweist
ergänzend auf die Neufassung der Begründung zum Bebauungsplan.
24
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte 7a B 2486/02.NE, der von den
Antragstellern vorgelegten Unterlagen sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten
25
Aufstellungsvorgänge, Pläne und sonstigen Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
26
Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Die Antragsbefugnis der Antragsteller steht
außer Streit. Sie folgt im übrigen bereits daraus, dass sich die Antragsteller gegen
Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 45 wenden, die die Nutzbarkeit ihres
Grundeigentums ihrer Meinung nach unzulässig einschränken.
27
Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet.
28
Der Einwand der Antragsteller, die Bekanntmachungen nach § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 2 und
§ 10 Abs. 3 BauGB seien fehlerhaft, trifft nicht zu.
29
Eventuelle Mängel bei der Durchführung der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3
Abs. 1 BauGB sind, wie aus § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB folgt, generell
unbeachtlich für die Frage der Wirksamkeit des Plans.
30
Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2002 - 4 BN 53.02 - BRS 65 Nr. 47.
31
Im übrigen sind die an eine Bekanntmachung nach § 3 Abs. 1 BauGB zu stellenden
Anforderungen, die jedenfalls nicht höher anzusetzen sind als die Anforderungen an
eine Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 BauGB, hier gewahrt.
32
Hinsichtlich der Bekanntmachungen nach § 3 Abs. 2 und § 10 Abs. 3 BauGB ist, wie die
Antragsgegnerin zutreffend hervorhebt, zu unterscheiden zwischen der "Anstoßfunktion"
der Offenlegungsbekanntmachung nach § 3 Abs. 2 BauGB und der bloßen
"Hinweisfunktion" der Schlussbekanntmachung nach § 10 Abs. 3 BauGB.
33
Vgl. hierzu bereits: BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 22.80 - BRS 42 Nr. 23.
34
Die Anstoßfunktion ist erfüllt, wenn die Kennzeichnung des Plangebiets in der
Offenlegungsbekanntmachung "einen ersten informativen Hinweis" gibt, die dem
interessierten Bürger Anlass zur Prüfung gibt, ob die städtebauliche Planungsabsicht
der Gemeinde sein näheres Interesse findet. Für die Hinweisfunktion reicht es aus, dass
die Schlussbekanntmachung einen Hinweis auf den räumlichen Geltungsbereich des
Plans gibt und dass dieser Hinweis den ausliegenden Plan identifiziert. Beiden
Anforderungen ist hier schon deshalb genügt, weil das Plangebiet zum einen auf Grund
der Benennung "Untere I. straße " hinsichtlich seiner räumlichen Lage im Stadtgebiet
der Antragsgegnerin ohne weiteres identifizierbar ist und zum anderen die in den
jeweiligen Bekanntmachungen veröffentlichte Karte hinreichend deutlich macht, welche
ungefähren Dimensionen das Plangebiet hat.
35
Die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang angesprochene Rechtsprechung
zur Bekanntmachung eines sog. "Nummern-Bebauungsplans"
36
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 1989 - 4 NB 33.88 - BRS 49 Nr. 23 -
37
bezieht sich nur auf solche Fälle, in denen der bekannt gemachte Bebauungsplan
ausschließlich mit einer Nummer bezeichnet worden ist. Eine solche Fallgestaltung liegt
hier nicht vor.
38
Sonstige rügepflichtige Form- oder Verfahrensmängel sind nicht gerügt worden. Form-
oder Verfahrensmängel, die auch ohne Rüge beachtlich sind, sind nicht ersichtlich.
39
In materieller Hinsicht ist der Bebauungsplan gleichfalls nicht zu beanstanden.
40
Dem Bebauungsplan fehlt nicht die städtebauliche Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3
BauGB.
41
Nach den Ausführungen auf Seite 2 der Planbegründung in der für die Entscheidung
des Senats maßgeblichen Fassung vom 1. April 2004, die insoweit mit den
Ausführungen in der Planbegründung vom 21. Februar 2002 übereinstimmen, ist Ziel
des strittigen Bebauungsplans "die Erhaltung der Einzelhandelsfunktion der Innenstadt"
der Antragsgegnerin. Diese Zielsetzung wird insbesondere durch folgende
Ausführungen auf Seite 4 der ergänzenden Planbegründung vom 1. April 2004
konkretisiert:
42
"Die Stadt T. ist bemüht, die Funktionen des Innenstadtbereiches zu erhalten. Hierzu
gehören neben einer Erhaltung und Stärkung der Einzelhandelsfunktionen auch ein
gewisser Aufenthaltswert, der neben der Baustruktur mit ihren Gebäuden und Plätzen,
einerseits stark durch Einzelhandel geprägt wird und andererseits sich auch durch das
Wahrnehmen der Innenstadt als Kernbereich durch die Bürger an sich kennzeichnet...
43
Durch eine Einschränkung der in den Randbereichen zukünftig zulässigen Arten von
Anlagen bzw. Betrieben soll dem Ziel einer starken und intakten Kernstadt entsprochen
werden, wobei es sich bei den Einschränkungen nur um die Arten von Anlagen handelt,
die auch tatsächlich als Einschränkung und Fehlentwicklung für die Innenstadt T. zu
werten sind."
44
Damit verfolgt die Antragsgegnerin legitime Zielsetzungen für eine verbindliche
Bauleitplanung.
45
Dafür, welche öffentliche Belange eine Bauleitplanung städtebaulich rechtfertigen
können, enthält § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB eine beispielhafte Auflistung, die, wie schon
aus dem Wort "insbesondere" folgt, allerdings nicht abschließend ist. Demgemäss
besitzt eine Gemeinde auch dann noch die Befugnis zur Bauleitplanung, wenn sie nicht
unmittelbar auf einen der in dieser Vorschrift genannten Belange verwiesen kann.
46
Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2002 - 4 BN 51.02 - NVwZ-RR 2003, 171
m.w.N..
47
Weiterer Erörterungen dieser Frage bedarf es hier schon deshalb nicht, weil die
angeführten städtebaulichen Zielsetzungen der Antragsgegnerin sich ohne weiteres auf
mehrere der in § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB angeführten Belange zurückführen lassen.
48
Die zentrale Zielsetzung einer Erhaltung der Attraktivität und Einzelhandelsfunktion der
Innenstadt
49
- vgl.: BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 - BRS 62 Nr. 19 (S. 97) -
50
ist von § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB gedeckt. Diese Regelung, nach der bei der
51
Aufstellung der Bauleitpläne u.a. "die Belange der Wirtschaft, auch ihrer
mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der
Bevölkerung", zu berücksichtigen sind, ist ein Beleg dafür, dass es dem Gesetzgeber
ein wichtiges Anliegen ist, dem Interesse an gut erreichbaren und an den Bedürfnissen
der Verbraucher orientierten Einzelhandelsbetrieben Rechnung zu tragen.
Dementsprechend geht es etwa auch bei den Regelungen des § 11 Abs. 3 BauNVO
darum, den Einzelhandel an den Standorten zu sichern, die in das städtebauliche
Ordnungssystem funktionsgerecht eingebunden sind. Dabei ist es nicht Selbstzweck,
dass die Wirtschaftsstruktur in den zentralen Versorgungsbereichen gestärkt wird. Der
Schutz der mittelständischen Wirtschaft dient nicht als Mittel dafür, bestimmte
Wettbewerbsverhältnisse zu stabilisieren. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass
durch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben an peripheren Standorten nicht die
wirtschaftliche Existenz derjenigen Betriebe bedroht oder gar vernichtet wird, die eine
verbrauchernahe Versorgung gewährleisten.
Vgl. zu alledem: BVerwG, Urteil vom 1. August 2002 - 4 C 5.01 - BRS 65 Nr. 10 (S. 48).
52
Mit der "verbrauchernahen" Versorgung sind dabei Fragen der flächenmäßigen
Zuordnung von Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungsangeboten zu
Wohnstandorten, der Sicherung der Vielfalt von Warenangebot und Dienstleistungen an
bestimmten Standorten sowie der räumlich ausgewogenen Verteilung des Waren- und
Dienstleistungsangebots angesprochen.
53
Vgl.: Gaentzsch in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, RdNr. 68 zu § 1.
54
Letztlich geht es dabei um den Schutz und die Sicherung der Versorgung an
integrierten, namentlich auch für die nicht motorisierte Bevölkerung möglichst gut
erreichbaren Standorten. Nichts anderes soll mit dem strittigen Bebauungsplan erreicht
werden, wenn dieser nach den Ausführungen auf Seite 4 der Planbegründung darauf
abzielt, solche Branchengruppen auszuschließen, die einerseits einer Stärkung der
Innenstadt bzw. des Zentrums dienen und andererseits dazu führen können, dass sich
Unterzentren an Standorten bilden, die funktional nicht im Zusammenhang mit der
Innenstadt zu sehen sind.
55
Soweit die Antragsgegnerin über die bloße Erhaltung der Einzelhandelsfunktion der
Innenstadt hinaus auch deren Stärkung und eine Verbesserung der Attraktivität der
Innenstadt anstrebt, geht es nach den Ausführungen auf Seite 5 der Planbegründung
zusätzlich darum, einer Verödung der Innenstadt entgegenzuwirken. Der Bereich der
"Unteren I. straße " soll hiernach die Funktion des Innenstadtbereichs nicht gefährden.
Eine Verödung des Kernbereichs einerseits und eine überdimensionierte Aufwertung
der sog. Innenstadtrandbereiche andererseits sei aus städtebaulichen Erwägungen
nicht gewollt, da "hierdurch die Funktionen der einzelnen Stadtelemente bzw.
Stadtbereiche derart verlagert würden, dass die Stadt bzw. die eine Stadt
ausmachenden positiven Kriterien (Attraktivität, Lebensqualität, gesellschaftliches
Leben) geschwächt bzw. sogar zerstört würden".
56
Diese Zielsetzung einer Stärkung der Attraktivität entspricht der Vorgabe des § 1 Abs. 5
Satz 2 Nr. 4 BauGB, wonach neben der Erhaltung auch die Fortentwicklung
vorhandener Ortsteile bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen ist. Mit
den positiv zu fördernden städtebaulichen Kriterien "Attraktivität", "Lebensqualität" und
"gesellschaftliches Leben" sind darüber hinaus auch die in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3
57
BauGB angeführten sozialen und im weitesten Sinne auch kulturellen Belange der
Bevölkerung erfasst. Plastisch wird dies z.B. an dem allgemein verbreiteten Schlagwort
"Erlebniseinkauf", das gerade die den sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung
Rechnung tragende Möglichkeit erfasst, in einem städtebaulich attraktiven, auch
Möglichkeiten zum Verweilen und Kommunizieren bietenden Umfeld zugleich die
Versorgungsbedürfnisse befriedigen zu können.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass entgegen der Auffassung der Antragsteller keine
Rede davon sein kann, der strittige Bebauungsplan beinhalte eine unzulässige
Wahrnehmung von Wettbewerbsinteressen. Ebenso wenig lässt sich feststellen, die
Planung der Antragsgegnerin verfolge ausschließlich fiskalische Interessen. Wie in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert wurde, ist der Kernbereich der
Innenstadt der Antragsgegnerin um die Fußgängerzone herum mit erheblichem
Kostenaufwand attraktiver ausgestaltet worden. Zwar mag es zutreffen, dass bei einem
Unterlassen der strittigen Planung eventuelle Rückforderungen von Fördergeldern im
Raum gestanden haben, wie die Antragsteller vortragen. Um die Verhinderung solcher
Rückforderungen geht es bei den hier festgesetzten Einzelhandelsausschlüssen jedoch
nicht, sondern darum, mit planerischen Mitteln nach Möglichkeit sicherzustellen, dass
die Investitionen in die Attraktivität der Kernstadt zur Verfolgung städtebaulich legitimer
Ziele nicht sinnlos waren.
58
Ebenso wenig handelt es sich bei der vorliegenden Planung um eine unzulässige
"Negativplanung".
59
Zu den Voraussetzungen einer mit § 1 Abs. 3 BauGB nicht zu vereinbarenden
"Negativplanung" vgl.: BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 - 4 NB 8.90 - BRS
50 Nr. 9.
60
Die Ausweisung des bislang dem unbeplanten Innenbereich zuzuordnenden
Plangebiets als Mischgebiet hat eine hinreichende positive planerische Aussage über
die zukünftige Funktion des Gebiets im städtebaulichen Gesamtkonzept der Gemeinde
zum Inhalt und beschränkt sich nicht etwa auf die bloße Abwehr jeglicher Veränderung
durch Aufnahme bestimmter Nutzungen.
61
Die nach alledem legitimen und hier hinreichend städtebaulich gerechtfertigten
allgemeinen Planziele einer Erhaltung und Stärkung der Attraktivität des
Innenstadtbereichs sind auch in ihrer konkreten Umsetzung von § 1 Abs. 3 BauGB
gedeckt.
62
Geht es um das "Wie" der Planung, hat die Gemeinde ein weites Planungsermessen,
dessen Ausübung sich maßgebend nach ihren eigenen städtebaulichen Vorstellungen
richtet.
63
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - NVwZ 2004, 220 (221).
64
Was im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB "erforderlich" ist, bestimmt sich insoweit
maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption. Welche städtebaulichen
Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber
ermächtigt sie, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen
Ordnungsvorstellungen entspricht.
65
Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 - BRS 62 Nr. 19 (S. 96)
m.w.N..
66
Die Erforderlichkeit im Sinne vom § 1 Abs. 3 BauGB kann die Gemeinde weitgehend,
wenn auch unter Wahrung rechtlicher Schranken, selbst durch ihre eigene planerische
Konzeption für die städtebauliche Entwicklung vorgeben. Die einzelnen Festsetzungen
eines Bebauungsplans genügen damit dann dem Maßstab der Erforderlichkeit, wenn
sie ihre Rechtfertigung in dem städtebaulichen Konzept der Gemeinde finden, d.h. im
Rahmen der Gesamtkonzeption "vernünftigerweise geboten" sind.
67
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 - 4 CN 4.01 - BRS 65 Nr. 78 (S. 386) m.w.N..
68
In diesem auf das städtebauliche Konzept der Gemeinde bezogenen Kontext bedeutet
"vernünftigerweise geboten" der Sache nach letztlich nichts anderes, als dass diese
Festsetzungen "auf eine geordnete städtebauliche Entwicklung ausgerichtet zu sein und
diese zu gewährleisten" haben
69
- vgl.: BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 46.91 - BRS 55 Nr. 106 (S. 293) m.w.N.
-
70
bzw. "einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dienen" und deshalb
vernünftigerweise geboten erscheinen.
71
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - NVwZ 2004, 220 (222).
72
Gemessen an diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin
sich dazu entschlossen hat, den nach ihren städtebaulichen Zielvorstellungen in seiner
zentralen Funktion besonders zu schützenden Kernbereich der Innenstadt mit den auf
Seite 4 der Planbegründung vom 1. Mai 2004 dargelegten Grenzen festzulegen, mithin
"überwiegend auf die Fußgängerzone mit den zugehörigen Parkplatzflächen entlang
der S. sowie den westlich der Fußgängerzone verlaufenden Stichwegen in einer Tiefe
von 50 m" zu beschränken. Dass der hier in Rede stehende nördliche Abschnitt der
"Unteren I. straße " damit nicht zu dem Bereich der Innenstadt gehört, dem nach der
planerischen Zielsetzung der Antragsgegnerin zentrale Versorgungsfunktion zukommen
soll, mag nicht den Vorstellungen der Antragsteller von der künftigen Nutzbarkeit ihres
Grundeigentums entsprechen. Darauf kommt es jedoch nicht an, da die Antragsgegnerin
insoweit das ihr zustehende Planungsermessen zur eigenverantwortlichen Verfolgung
der ihren Vorstellungen entsprechenden Städtebaupolitik ausgeübt hat.
73
Rechtliche Bedenken könnten allenfalls bestehen, wenn die Entscheidung der
Antragsgegnerin, zum Schutz des Kernbereichs der Innenstadt einer Ausweitung des
zentrenrelevanten Einzelhandels im Plangebiet an der "Unteren I. straße "
entgegenzuwirken, nach ihren eigenen konzeptionellen Überlegungen widersprüchlich
und damit nicht im dargelegten Sinne "vernünftigerweise geboten" wäre. Dies trifft
jedoch nicht zu.
74
Auf Seite 1 der Planbegründung ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die
vorliegende Bebauungsplanung insbesondere auf dem Gutachten "Einzelhandel,
Zentrenplanung und Stadtentwicklung 2005" des Instituts für Stadt-, Standort-,
Handelsforschung- und -Beratung Dr. H. E. & Partner GmbH vom Mai 1999 - "j. -
Gutachten 1999" - beruht, das die Primärziele der Erarbeitung von Markt- und
75
Tragfähigkeitsanalysen und darauf aufbauender Nutzungskonzepte für innerstädtische
Standortbereiche verfolgt. In dem j. -Gutachten 1999 ist der gesamte Stadtbereich
umfassend untersucht worden. Dabei sind der Einzelhandelsbestand und die
Erweiterungsperspektiven nach dem "Leitbild 2010" in den Abbildungen 3 und 4 auf den
Seiten 23/24 grafisch dargestellt. Diese machen deutlich, dass Expansionszonen des
Stadtzentrums, das den engeren Bereich um den als Fußgängerzone ausgestalteten
Abschnitt der I. straße umfasst, lediglich in Richtung Westen entlang der T. straße - hier
liegt der Standort für die geplante Ansiedlung eines SB-Markts - und in Richtung Süden
gesehen werden. Dabei knüpft die mögliche (kleinere) südliche Expansionszone daran
an, dass der I. straße im weiteren Verlauf in Richtung Süden die Funktion einer
Vernetzungsachse zu dem Sondergebiet des SB-Warenhauses N. zukommt, das
potentieller Standort für eine Erweiterung ist. Demgegenüber misst das j. -Gutachten
1999 dem Stadtzentrum keine Expansionszone in Richtung Norden entlang der
"Unteren I. straße " zu.
An die Darlegungen des j. -Gutachtens 1999 knüpft der strittige Bebauungsplan an, wie
aus den einzelnen Ausführungen in der Planbegründung vom 1. April 2004 folgt. Auch
soweit für den im Geltungsbereich des strittigen Bebauungsplans befindlichen Bereich
des Q. -Markts in Abbildung 3 des j. -Gutachtens 1999 ein "potentielles Ladengebiet"
dargestellt ist, trägt der Plan dem - wie noch darzulegen ist - Rechnung, wenn auch nicht
exakt in der vom Gutachter vorgeschlagenen Weise. Insgesamt kann daher nicht
festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin bei der Ausarbeitung des strittigen
Bebauungsplans im Hinblick auf das Planziel eines Schutzes der Attraktivität und
Zentrenfunktion des Kernbereichs der Innenstadt inkonsequent oder gar widersprüchlich
gehandelt hat.
76
Der Umstand, dass die Antragsgegnerin sich mit dem vorliegenden Bebauungsplan auf
die Überplanung nur eines Teils der Bereiche beschränkt hat, in denen potentielle
Gefährdungen des Zentrums in Betracht kommen, ist unschädlich. Für das strittige
Plangebiet wurde, wie auch die Darlegungen im j. -Gutachten 1999 (vgl. insbesondere
S. 157) belegen, ein aktueller Planungsbedarf gesehen. Diese Einschätzung trifft zu,
weil hier das vor Erlass des strittigen Bebauungsplans geltende Baurecht nach § 34
BauGB keine planerischen Steuerungsmöglichkeiten zuließ. Die Regelungen des § 34
BauGB sind - wie die des § 35 BauGB - kein vollwertiger Ersatz für einen
Bebauungsplan, sondern gelten als Planersatzvorschriften, nicht als Ersatzplanung.
77
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - NVwZ 2004, 220 (221)
m.w.N..
78
Im unbeplanten Innenbereich setzt ausschließlich das tatsächlich Vorhandene die
Maßstäbe dafür, was planungsrechtlich zulässig ist. Wenn dieses eine von der
Gemeinde nicht gewünschte städtebauliche Entwicklung vorgibt, kann sie dem nur
durch Schaffung eigenen örtlichen Baurechts durch einen Bebauungsplan
entgegenwirken.
79
Vgl. hierzu: Kuschnerus, "Der sachgerechte Bebauungsplan", 2. Aufl. 2001, RdNrn. 127
ff.
80
Dementsprechend ist es mit Blick auf § 1 Abs. 3 BauGB nicht zu beanstanden, wenn
sich die planende Gemeinde - wie hier - bei der Verfolgung einer umfassenderen
Zielsetzung im Einzelfall darauf beschränkt, (zunächst) nur dort planerisch aktiv zu
81
werden, wo tatsächlich konkreter Handlungsbedarf besteht.
Städtebaulich gerechtfertigt ist auch der konkrete Ausschluss der in Abschnitt (4) der
textlichen Festsetzungen aufgelisteten Sortimente des Einzelhandels.
82
Diese Ausschlussregelungen sind gestützt auf § 1 Abs. 9 BauNVO. Diese Vorschrift
lässt auch Sortimentsbeschränkungen des Einzelhandels zu, wenn diese
Differenzierung marktüblichen Gegebenheiten entspricht.
83
Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2001 - 4 BN 45.01 - BRS 64 Nr. 28.
84
Dass die hier gewählten Sortimentsbezeichnungen, die der Anlage 1 zum
Einzelhandelserlass 1996 (MBl. NRW. 1996, S. 922) entnommen sind, marktüblichen
Gegebenheiten entsprechen, unterliegt keinem Zweifel. Selbstverständlich gibt es in der
Realität Einzelhandelsbetriebe, die etwa als Buchladen, Kunst- und Antiquitätenhandel,
Baby-Markt usw. bezeichnet werden.
85
Die Zulässigkeit solcher Sortimentsbeschränkungen ist auch nicht etwa auf großflächige
Einzelhandelsbetriebe beschränkt, die mit einer Geschossfläche von mehr als 1.200 m2
der sog. Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO unterliegen. § 1 Abs. 9
BauNVO lässt den Ausschluss aller Arten baulicher Anlagen im Sinne der BauNVO zu,
mithin auch den Ausschluss bestimmter Arten von Einzelhandelsbetrieben iSv § 6 Abs.
2 Nr. 3 BauNVO.
86
Allerdings fordert eine Feindifferenzierung der zulässigen Art der baulichen Nutzung auf
der Grundlage von § 1 Abs. 9 BauNVO eine städtebauliche Begründung, die sich aus
der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und geeignet ist, die
Abweichung vom normativen Regelfall der Baugebietsausweisung zu rechtfertigen. Das
"besondere" an den städtebaulichen Gründen nach § 1 Abs. 9 BauNVO besteht dabei
nicht darin, dass die Gründe von größerem oder im Verhältnis zu § 1 Abs. 5 BauNVO
zusätzlichem Gewicht sein müssen. Mit "besonderen" städtebaulichen Gründen nach §
1 Abs. 9 BauNVO ist nur gemeint, dass es spezielle Gründe gerade für eine noch
feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzung als nach den Absätzen 5 bis 8 des §
1 BauNVO geben muss.
87
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - BRS 47 Nr. 58.
88
Demgemäss bedarf es dann, wenn zum Schutz eines Innenstadtbereichs bestimmte
Warensortimente an solchen Standorten ausgeschlossen werden sollen, an denen eine
entsprechende Nutzung den Zielsetzungen des planerischen Konzepts der Gemeinde
zuwiderlaufen würde, einer individuellen Betrachtung der jeweiligen örtlichen Situation.
89
Vgl.: OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 2002 - 7a D 92/99.NE - BRS 65 Nr. 38 (S. 186).
90
Aus dieser konkreten örtlichen Situation ist abzuleiten, weshalb für die betroffenen
Bereiche der Ausschluss der gewählten Sortimente im dargelegten Sinne
"vernünftigerweise geboten" ist, um das von der Gemeinde legitimerweise verfolgte
Planziel zu erreichen.
91
Diesen Anforderungen genügt der von der Antragsgegnerin in Abschnitt (4) der
textlichen Festsetzungen festgelegte Ausschluss bestimmter Einzelhandelssortimente.
92
Die Antragsgegnerin hat sich zur Gewährleistung des Planziels "Erhaltung der
Einzelhandelsfunktion der Innenstadt" zum einen dazu entschlossen, den Ausschluss
auf sämtliche 10 Sortimentsgruppen zu erstrecken, die nach Teil A der Anlage 1 zum
Einzelhandelserlass 1996 als "zentrenrelevante Sortimentsgruppen gelten". Dieser
Erlass nimmt allerdings nicht für sich in Anspruch, die Zentrenrelevanz bestimmter
Sortimentsgruppen abschließend festzulegen. Vielmehr knüpft die Anlage 1 zum
Einzelhandelserlass 1966 daran an, dass sich Anhaltspunkte für die Zentrenrelevanz
aus dem vorhandenen Angebotsbestand in den gewachsenen Zentren in Verbindung
mit städtebaulichen Kriterien ergeben.
93
Vgl.: OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 2002 - 7a D 92/99.NE - BRS 65 Nr. 38 (S. 185f).
94
Solche Anhaltspunkte wurden in dem j. -Gutachten 1999, das Grundlage der
Planungsentscheidung der Antragsgegnerin war, konkret ermittelt und dargestellt. So
folgt aus der Tabelle 132 Blatt 1 (S. 83) des Gutachtens, dass nach der
Bestandsermittlung 1998 die Sortimente der Nummern 1 bis 10 des Teils A der Anlage 1
zum Einzelhandelserlass 1996, die den ausgeschlossenen Sortimenten der Nummern 1
bis 10 des Abschnitts (4) der textlichen Festsetzungen des strittigen Bebauungsplans
entsprechen, in der Tat von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen in der nach der
planerischen Zielvorstellung der Antragsgegnerin zu schützenden Kernzone von T. -
Mitte mit hohen Anteilen am Verkaufsflächenangebot der Gesamtstadt vertreten sind. In
vielen Fällen sind bezüglich dieser Sortimente in der Kernzone sogar Anteile von
deutlich über 50 % der Verkaufs- bzw. Geschäftsflächen der Gesamtstadt vorhanden.
Dies belegt, dass die von der Antragsgegnerin als schützenswert erachtete
Versorgungsfunktion des Kernbereichs der Innenstadt hinsichtlich nahezu aller
Sortimente des Teils A der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 zutrifft.
95
Dass auch einzelne Sortimente der Nummern 1 bis 10 des Teils A der Anlage 1 zum
Einzelhandelserlass 1996, die in der Kernzone nicht oder nur mit einem äußerst
geringen Prozentsatz vertreten sind, in die Liste der ausgeschlossen Sortimente
aufgenommen sind, macht die Entscheidung des Rates der Antragsgegnerin nicht
fehlerhaft. Hierbei handelt es sich um die in der genannten Tabelle 132 Blatt 1 (S. 83)
des j. -Gutachtens 1999 überhaupt nicht aufgeführten Sortimente Kunst/Antiquitäten
sowie Musikalienhandel und die im Stadtgebiet insbesondere im Bereich T. Weg und im
übrigen T. -Mitte angesiedelte Sortimentsgruppe Unterhaltungselektronik/Computer.
Diese Sortimente gehören nach den auf das j. - Gutachten 1999 gestützten
Ausführungen auf Seite 4 der Planbegründung vom 1. April 2004 (auch) für den Bereich
der Stadt T. zu den als "zentrumsbildend" umschriebenen Branchengruppen. Sie
konnten nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung der Antragsgegnerin in die
Ausschlussliste aufgenommen werden, weil sie in der Tat einer Stärkung der Innenstadt
bzw. des Zentrums dienen. Ihr Ausschluss hat immerhin zur Folge, dass eventuelle
Neuansiedlungen in der Kernzone, in die diese Sortimente nach der planerischen
Entscheidung der Antragsgegnerin eigentlich hineingehören, zumindest eher
wahrscheinlich sind, zumal es sich um solche Sortimente handelt, die derzeit in dem
hier in Rede stehenden Bereich der "Unteren I. straße " überhaupt nicht angeboten
werden.
96
Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Antragsgegnerin auch die Sortimentsgruppen
Nr. 11 und 12 - Lebensmittel, Getränke einerseits sowie Apotheke, Drogerie, Kosmetik,
Haushaltswaren andererseits - im Plangebiet ausgeschlossen hat.
97
Allerdings handelt es sich bei diesen Sortimenten nicht um in erster Linie
zentrentypische Sortimente. In Teil A der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 sind
diese Sortimente - mit Ausnahme des in der Anlage 1 nicht aufgeführten Sortiments
"Apotheke" (= Pharmazie) - als "nahversorgungs-(ggf. auch zentren-) relevante
Sortimentsgruppen" bezeichnet. Gleichwohl kommt ihnen in der hier gegebenen
örtlichen Situation ersichtlich eine nicht unerhebliche Zentrenrelevanz schon deshalb
zu, weil diese Sortimente in der Tat in beachtlichem Ausmaß in der zu schützenden
Kernzone von T. angeboten werden. Nach der bereits angesprochenen Tabelle 132
Blatt 1 (S. 83) des j. -Gutachtens 1999 beträgt der Anteil der Kernzone an den in der
Gesamtstadt angebotenen Verkaufsflächen immerhin: - Nahrungs- und Genussmittel
insgesamt 29,3 % - Drogerie, Parfümerie 42,8 % - Pharmazie 40,8 % - Hausrat,
Werkzeug, Eisenwaren (= Teil von Haushaltswaren) 36,6 % - Porzellan, Glas (= Teil von
Haushaltswaren) 50,6 %
98
Schon dies rechtfertigt es, die genannten Sortimente in der hier gegebenen örtlichen
Situation übereinstimmend mit der entsprechenden Einschätzung im j. - Gutachten 1999
auch als zentrenrelevant zu werten, selbst wenn sie teilweise zugleich
nahversorgungsrelevant sind. Insoweit hat die Antragsgegnerin nach den Ausführungen
auf Seite 12 der Planbegründung vom 1. April 2004 zutreffend unter Bezugnahme auf
den Einzelhandelserlass 1996 ausgeführt:
99
"Gemäß Ziffer 2.2.5 des Runderlasses können die Gemeinden bei Vorliegen
besonderer städtebaulicher Gründe die zentrenrelevanten Sortimente eigenständig
festlegen. Dies ist vorliegend für die genannten Waren aufgrund des
Ergänzungsgutachtens (= j. -Gutachten 1999) und den Ergebnissen des gebildeten
Arbeitskreises erfolgt."
100
Dabei unterliegt auch keinen Bedenken, dass die genannten Sortimente weitgehend
zugleich auch in besonderem Maß nahversorgungsrelevant sind und deshalb eine
ausschließliche oder auch nur überwiegende Konzentrierung auf die Kernzone der
Innenstadt städtebaulich schwer zu rechtfertigen wäre. Das hier betroffene Plangebiet ist
jedenfalls durch seine deutliche Nähe zu der nach der Einschätzung der
Antragsgegnerin besonders zu schützenden Kernzone gekennzeichnet, so dass bei
einer Neuansiedlung bzw. - bezogen auf die bereits vorhandenen Angebote der
genannten Sortimente - deutlichen Verstärkung des Angebots der genannten Sortimente
im Plangebiet auch unter Nahversorgungsaspekten ein beachtlicher Attraktivitätsverlust
der Kernzone in Betracht kommt.
101
Schließlich ist auch der Ausschluss von "Shops in Verbindung mit Tankstellen", soweit
diese mehr als 150 m2 Verkaufsfläche aufweisen, von der Antragsgegnerin hinreichend
städtebaulich gerechtfertigt worden.
102
Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass es entgegen der Auffassung der Antragsteller in
der Tat "Shops in Verbindung mit Tankstellen" als Betriebstypen des Einzelhandels
gibt. Tankstellen werden heute sogar in der Regel in Verbindung mit sog. "Shops"
betrieben, in denen eine breite Palette von Waren angeboten wird, die sich nicht nur auf
Kfz-Ersatzteile und Zubehör beschränken. Das Angebot reicht vielmehr von
Zeitschriften, Tabakwaren, Getränken und Lebensmitteln - häufig einschließlich
bestimmter frischer Backwaren - bis hin zu einzelnen anderen Gütern vornehmlich des
täglichen Bedarfs.
103
Bei ihrer Entscheidung, diese "Shops" lediglich hinsichtlich ihrer Verkaufsfläche zu
begrenzen, hat sich die Antragsgegnerin nach den Ausführungen auf Seite 5 der
Planbegründung vom 1. April 2004 maßgeblich davon leiten lassen, dass eine
Festlegung von Sortimenten für "Shops" an Tankstellen nur schwer möglich ist. Dies
trifft in der Tat zu. Diese "Shops" erfüllen insofern eine besondere Funktion, als sie
neben der Versorgung reisender Kraftfahrer mit Reisebedarf auch als gelegentlich des
Tankvorgangs genutzte - nicht nur - (begrenzte) Versorgungsmöglichkeit für einzelne
Güter des täglichen Bedarfs dienen sowie - ähnlich wie Kioske und sog. "Trinkhallen"
mit räumlich begrenztem Verkauf - insbesondere auch zu den Zeiten genutzt werden, in
denen die allgemeinen Läden häufig nicht mehr geöffnet haben. Gleichwohl können sie
dann, wenn sie, wie mancherorts bereits üblich, große Verkaufsflächen von etlichen 100
m2 aufweisen, nicht anders als "normale" Läden den bestehenden Einzelhandel
zumindest in bestimmten Branchen erheblich in seiner Versorgungsfunktion
beeinträchtigen, so dass ihre Steuerung städtebaulich gerechtfertigt erscheint.
104
Die hier gewählte Begrenzung der Verkaufsfläche auf 150 m2 trägt allerdings die
Umschreibung eines bestimmten Anlagentyps nicht gleichsam in sich selbst. Vielmehr
muss die Gemeinde darlegen, warum Betriebe über der von ihr festgesetzten Größe
generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen
Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen.
105
Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2001 - 4 B 55.01 - BRS 64 Nr. 29 unter
Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 - BRS 47 Nr. 58.
106
Das ist hier geschehen. Die Antragsgegnerin hat die festgesetzte Begrenzung der
Verkaufsfläche von Tankstellen-"Shops" auf 150 m2 damit begründet, dass sie "an
diesem Standort als verträglich und damit vertretbar angesehen wird, wie es bei
Tankstellen dieser Art üblich ist". Die "Üblichkeit" ist von den Antragstellern anlässlich
der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht substantiiert in
Frage gestellt worden und trifft nach der Erfahrung der Mitglieder des Senats auch zu.
Tankstellen-"Shops" weisen namentlich in innerörtlichen Bereichen der hier gegebenen
Lage regelmäßig nicht mehr als 150 m2 Verkaufsfläche auf, so dass sie zu Recht als
eine bestimmte Art von baulichen Anlagen gewertet werden konnten.
107
Keinen Bedenken unterliegen auch die Sonderregelungen, die gemäß § 1 Abs. 10
BauNVO zur Absicherung der in Plangebiet bereits vorhandenen Betriebe getroffen
wurden, die (auch) Einzelhandel betreiben.
108
Nach der genannten Vorschrift kann für "bestimmte vorhandene bauliche und sonstige
Anlagen", die bei Festsetzung eines Baugebiets in überwiegend bebauten Gebieten
unzulässig wären, festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen,
Nutzungsänderungen oder Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder
ausnahmsweise zugelassen werden können.
109
Dass es sich bei dem Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 45 um ein "überwiegend
bebautes Gebiet" handelt
110
- vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 6. März 2002 - 4 BN 11.02 - BRS 65 Nr. 41 -,
111
unterliegt nach dem dem Senat vorliegenden Kartenmaterial keinem Zweifel. Der
112
Anwendbarkeit des § 1 Abs. 10 BauNVO steht auch nicht entgegen, dass die
Unzulässigkeit der über diese Vorschrift abgesicherten Betriebe im vorliegenden Fall
darauf beruht, dass die Betriebe Nutzungsarten zuzurechnen sind, die gemäß § 1 Abs. 9
BauNVO an sich im festgesetzten Baugebiet ausgeschlossen sind. Die Vergünstigung
des § 1 Abs. 10 BauNVO kann auch solchen vorhandenen Anlagen oder Betrieben
zugestanden werden, die in dem betreffenden Baugebiet nicht deshalb unzulässig sind,
weil dessen allgemeine Zweckbestimmung ihnen entgegen steht, sondern allein
deshalb einer Zulassungssperre unterliegen, weil sie - wie hier - von einer
Ausschlussregelung erfasst werden.
Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 - BRS 62 Nr. 19 (S. 101).
113
Die Anwendung von § 1 Abs. 10 BauNVO ist im vorliegenden Fall auch nicht, wie die
Antragsteller meinen, etwa deshalb verfehlt, weil es sich hier bei den "umfangreichen
Fremdkörperfestsetzungen" nicht um "kleinere Einsprengsel geringfügigen Umfangs"
handelt. Bereits ein Blick auf den strittigen Bebauungsplan, in dem die von
Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO erfassten Bereiche mit einem Punktraster
markiert sind, zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Zu betrachten ist das gesamte
einheitlich als Mischgebiet ausgewiesene Plangebiet des Bebauungsplans, dessen
Zweckbestimmung "in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben" muss. Von diesem
Mischgebiet nehmen die Bereiche mit Sonderregelungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO
ersichtlich nur einen geringen Prozentanteil ein, so dass es im vorliegenden Fall keiner
weiteren Erörterung bedarf, bei welchem räumlichen Umfang die Grenze der noch
zulässigen Absicherung vorhandener Betriebe über § 1 Abs. 10 BauNVO erreicht ist.
114
Die konkret nach § 1 Abs. 10 BauNVO getroffenen Regelungen sind allerdings in
mehrfacher Hinsicht auslegungsbedürftig.
115
Einer Auslegung des normativen Planinhalts bedarf es zunächst insoweit, als die
textlichen Festsetzungen einerseits und die Planzeichnung andererseits
widersprüchlich sind. In der Planzeichnung ist das Grundstück I. straße Nr. 171 mit dem
Punktraster gekennzeichnet, das die von den Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO
erfassten Bereiche räumlich kennzeichnen soll. Demgegenüber enthält die Auflistung
der von den Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO erfassten Grundstücke in den
textlichen Festsetzungen in der als Satzung beschlossenen Fassung das Grundstück I.
straße Nr. 171 ("Bettenfachgeschäft") nicht (mehr).
116
Dieser Widerspruch lässt sich jedoch ohne weiteres im Wege der berichtigenden
Auslegung
117
- zur Zulässigkeit einer berichtigenden Auslegung von Bebauungsplänen vgl.: BVerwG,
Beschluss vom 14. Dezember 1995 - 4 N 2.95 - BRS 57 Nr. 57 -
118
beheben. Nach dem Satzungsbeschluss vom 21. Februar 2002, der durch den erneuten
Satzungsbeschluss vom 1. April 2004 inhaltlich nicht geändert wurde, sollte die
Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO für das Grundstück I. straße Nr. 171
("Bettenfachgeschäft") aufgehoben werden. Bei der Umsetzung dieses
Satzungsbeschlusses durch Korrektur der Planurkunde ist dies bei den textlichen
Festsetzungen zwar geschehen. Dabei wurde, wie seitens der Antragsgegnerin in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt wurde, jedoch übersehen, auch die
Planzeichnung entsprechend zu korrigieren, nämlich durch Streichung des Punktrasters
119
auf dem Grundstück I. straße Nr. 171. Dies ist ein offensichtliches Redaktionsversehen.
Die Planurkunde ist damit entsprechend dem Inhalt des Satzungsbeschlusses dahin zu
verstehen, dass für das Grundstück I. straße Nr. 171 keine Festsetzungen nach § 1 Abs.
10 BauNVO getroffen sind.
Auslegungsbedürftig ist weiterhin, welchen Inhalt die in der Festsetzung nach § 1 Abs.
10 BauNVO für ausnahmsweise zulässig erklärten "Erweiterungen, Änderungen,
Nutzungsänderungen und Erneuerungen" haben. Insoweit hat sich die Antragsgegnerin
darauf beschränkt, den Wortlaut des § 1 Abs. 10 BauNVO wiederzugeben. Dieser gibt
jedoch nichts dafür her, ob und - wenn ja - mit welchem Inhalt die zulässigen
"Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen" beschränkt
sind. Maßgeblich für die hiernach gebotene Auslegung des Begriffes
"Nutzungsänderung" und der Begriffe "Erweiterungen, Änderungen und Erneuerungen"
sind folgende Erwägungen:
120
Mit der ihrem Wortlaut nach uneingeschränkten Fassung könnte die ausnahmsweise
Zulassung von Nutzungsänderungen dahin verstanden werden, dass für die
betreffenden Grundstücke Nutzungsänderungen jeder Art zugelassen werden können.
Ein solches Verständnis würde im Ergebnis dazu führen, dass beispielweise auf den
betroffenen Grundstücken im Wege der Nutzungsänderung auch solche bislang nicht
vertriebenen Sortimente aufgenommen werden können, die an sich den
Ausschlussregelungen des Abschnitts (4) der textlichen Festsetzungen unterliegen, so
dass das Planziel "Erhaltung der Einzelhandelsfunktion der Innenstadt" durch
Ausschluss konkret zentrenrelevanter Sortimente in nicht unbeachtlichem Umfang
gleichsam konterkariert würde. Demgegenüber deuten die Ausführungen in der
Planbegründung vom 1. April 2004 darauf hin, dass nur solche Nutzungsänderungen
ausnahmsweise zulässig sein sollen, die mit den übrigen Planfestsetzungen -
Mischgebiet unter Berücksichtigung der in Abschnitt (4) der textlichen Festsetzungen
festgelegten Nutzungsausschlüsse - vereinbar sind. So heißt es auf Seite 8 der
Begründung, "Nutzungsänderungen sind demnach lediglich unter Berücksichtigung der
Negativliste innenstadtrelevanter Sortimente möglich". Ähnlich ist auf Seite 10 der
Begründung bezüglich der für das Grundstück I. straße Nr. 167 ("Kunstschmiede")
getroffenen Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO ausgeführt, diese "Festsetzung
beinhaltet einen umfassenden Bestandsschutz sowie die Möglichkeiten zu
Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen (im Rahmen der getroffenen
Festsetzungen) und Erneuerungen vorhandener Betriebe und Anlagen".
121
Maßgeblich für die Auslegung, welchen Inhalt die getroffenen Festsetzungen haben, ist,
dass die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt ist.
Ausschlaggebend ist vielmehr der objektive Wille des Gesetzgebers, mithin hier der
Antragsgegnerin als Plangeberin, soweit er wenigstens andeutungsweise im
Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat.
122
Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 1995 - 4 N 2.95 - BRS 57 Nr. 57.
123
Nach diesen Kriterien ist die nach § 1 Abs. 10 BauNVO getroffene Zulassung von
Nutzungsänderungen auf Grund des in der Planbegründung hinreichend verlautbarten
Willens des Plangebers dahin zu verstehen, dass die hiervon betroffenen Betriebe ihre
tatsächlich legal ausgeübten Nutzungen zwar ändern dürfen, aber nur insoweit, als
diese Nutzungsänderungen nicht den generell für das Plangebiet geltenden
Ausschlüssen nach Abschnitt (4) der textlichen Festsetzungen widersprechen dürfen.
124
Auslegungsbedürftig sind auch die weiteren Regelungen zur "Erweiterung", "Änderung"
und "Erneuerung" der vorhandenen Betriebe. Deren uneingeschränkter Wortlaut könnte
gleichfalls dahin verstanden werden, dass die tatsächlich legal ausgeübten
Einzelhandelsaktivitäten mit an sich ausgeschlossenen Sortimenten unbegrenzt
ausgedehnt werden dürfen, wenn die Betriebe erweitert, geändert oder erneuert werden
sollen. Dies hätte zur Folge, dass die Sortimente dann ausnahmsweise auch in einem
solchen Umfang vertrieben werden dürften, bei dem die Schwelle der Sondergebiets-
bzw. Kerngebietspflichtigkeit nach § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO überschritten ist. Auch
dies würde ersichtlich nicht dem Willen der Antragsgegnerin als Plangeberin
entsprechen.
125
Konkret kämen solche in den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO
hineinreichenden Ausdehnungen namentlich bei dem im Plangebiet bereits ansässigen
Q. -Markt - Grundstück I. straße Nr. 177 - in Betracht. Dieser weist nach den
Feststellungen auf Seite 156 des j. -Gutachtens 1999 als SB-Markt eine Verkaufsfläche
von 690 m2 auf. Hinzu kommen in unmittelbarer räumlicher Nähe eine Bäckerei mit 45
m2 Verkaufsfläche, eine Fleischerei mit 40 m2 Verkaufsfläche (auf dem Grundstück I.
straße 179) sowie ein Blumenhaus mit 50 m2 Verkaufsfläche. Nach den Feststellungen
in der Bestandsaufnahme der Antragsgegnerin vom 20. Juli/28. August 2001 war
seinerzeit in unmittelbarer Nähe des Q. -Markts auch ein Getränkemarkt auf dem
Grundstück I. straße Nr. 175 vorhanden, der jedoch nach den Angaben der
Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und den vorgelegten
Lichtbildern zwischenzeitlich durch eine andere Nutzung ersetzt worden ist.
126
Diese Agglomeration verschiedener Läden stellt kein Einkaufszentrum im Sinne von §
11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO dar, wie die Antragsteller zwar schriftsätzlich
vorgetragen, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat jedoch nicht weiter
vertreten haben.
127
Zu den Anforderungen an ein Einkaufszentrum vgl.: BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 -
4 C 16.87 - BRS 50 Nr. 67.
128
Es handelt sich nicht um einen von vornherein einheitlich geplanten, finanzierten,
gebauten und verwalteten Gebäudekomplex mit mehreren Einzelhandelsbetrieben
verschiedener Art und Größe. Ebenso wenig stellt sich diese Agglomeration als ein
ohne Planung entstandenes Einkaufszentrum dar. Wie in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat im einzelnen an Hand der seitens der Antragsgegnerin vorgelegten
Lichtbilder erörtert wurde, fehlt es bereits an dem für ein Einkaufszentrum erforderlichen
Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Organisation und
Kooperation. So ist die von alters her am Standort ansässige Fleischerei vom Q. -Markt
und der Backstube deutlich baulich abgesetzt und erscheint als eigenständiger
Einzelhandelsbetrieb. Selbst der in demselben Gebäudekomplex im rückwärtigen
Bereich untergebrachte Q. -Markt und die in einem straßenseitigen Vorbau angesiedelte
Backstube lassen auch nicht ansatzweise eine gemeinsame Organisation und
Kooperation erkennen.
129
Ebenso wenig handelt es sich bei dem Q. -Markt um einen nach § 11 Abs. 3 BauNVO
sonder- bzw. kerngebietspflichtigen großflächigen Einzelhandelsbetrieb mit
Fernwirkungen iSv § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO. Dass eine solche Charakterisierung
allein schon aus der Verkaufsfläche des Q. -Markts von 690 m2 folgen würde,
130
behaupten selbst die Antragsteller nicht. Auf Grund der durch die dem Senat
vorliegenden Lichtbilder anschaulich verdeutlichten örtlichen Situation scheidet auch
aus, dass der Q. -Markt gemeinsam mit einem oder gar mehreren der benachbarten
Einzelhandelsbetriebe eine Funktionseinheit bildet, die eine rechtliche Wertung aller
Betriebe als eines Einzelhandelsbetriebs rechtfertigt oder gar gebietet.
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1988 - 4 C 34.86 - BRS 48 Nr. 37 (S. 102).
131
Eine solche Funktionseinheit ist dann anzunehmen, wenn es sich um eine - auch nach
außen hin erkennbare - Gemeinschaftlichkeit der Betriebe im Sinne einer planmäßigen,
auf Dauer angelegten und gemeinschaftlich abgestimmten Teilnahme dieser Betriebe
am Wettbewerb handelt, die ihre bautechnische Selbständigkeit letztlich als Umgehung
der Konsequenzen des § 11 Abs. 3 BauNVO erscheinen lässt.
132
Vgl.: OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2000 - 7 A 1744/97 - BRS 63 Nr. 85 (S. 433).
133
Eine solche Gemeinschaftlichkeit lässt sich selbst hinsichtlich des Q. -Markts und der
Backstube nicht erkennen, so dass dahinstehen kann, ob ihre Zusammenfassung als
Einheit überhaupt dazu führen würde, dass es sich dann um einen sonder- bzw.
kerngebietspflichtigen großflächigen Einzelhandelsbetrieb mit Fernwirkungen iSv § 11
Abs. 3 Satz 2 BauNVO handeln würde.
134
Der Agglomeration um den Q. -Markt kommt allerdings eine beachtliche
Nahversorgungsfunktion zu. Diese wurde im j. -Gutachten 1999 zum Anlass genommen,
die Ausweisung eines Sondergebiets "Ladengebiet" iSv § 11 Abs. 2 BauNVO - nicht
etwa eines Sondergebiets für großflächigen Einzelhandel bzw. ein Einkaufszentrum iSv
§ 11 Abs. 3 BauNVO - mit bestimmten Sortimentsfestlegungen vorzuschlagen. Selbst
diesem Ansatz ist die Antragsgegnerin jedoch nicht gefolgt. Sie hat sich nach den
Ausführungen auf S. 5 der Planbegründung vom 1. April 2004 vielmehr dazu
entschlossen, lediglich die "bereits geschaffenen Kapazitäten in ihrer Existenz
anzuerkennen und zudem geringfügigen Erweiterungsabsichten zuzustimmen". Ziel war
es dabei, dass "die Nahversorgung der Bevölkerung nicht negativ berührt" wird. Der
hierzu gewählte Weg über eine Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO sollte
insbesondere den Lebensmittelmarkt planungsrechtlich sichern und im Fall einer
Aufgabe der Nutzung sicherstellen, dass "die Nahversorgung über einen an diesem
Standort nachfolgenden Lebensmittelmarkt und zusätzlich wie bereits heute auch über
die sich unmittelbar südlich anschließende attraktive Innenstadt übernommen werden"
kann.
135
Aus diesen Erwägungen folgt der Wille der Antragsgegnerin als Plangeberin, mit der
ausnahmsweisen Zulassung von Erweiterungen, Änderungen und Erneuerungen nicht
etwa auch solche Umstrukturierungen der vorhandenen Läden zu solchen zu
ermöglichen, dass sie nicht mehr im ausgewiesenen Mischgebiet zulässig, sondern
gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO sonder- bzw. kerngebietspflichtig wären. Die auf § 1 Abs.
10 BauNVO gestützte Sonderregelung für Erweiterungen, Änderungen und
Erneuerungen soll vielmehr für diese Fälle ersichtlich allein deren Unvereinbarkeit mit
den Ausschlussregelungen des Abschnitts (4) der textlichen Festsetzungen
ausnahmsweise aufheben. An den Begrenzungen, die sich aus der für das Plangebiet
generell geltenden Ausweisung als Mischgebiet ergeben, sollte sich durch die
Sonderregelungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO nichts ändern.
136
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die auslegungsbedürftigen Festsetzungen
nach § 1 Abs. 10 BauNVO unter Berücksichtigung des in der Planbegründung
verlautbarten Willens der Antragsgegnerin als Plangeberin dahin zu verstehen sind,
dass die ausnahmsweise zulässigen "Erweiterungen", "Änderungen" und
"Erneuerungen" der abgesicherten Betriebe dahingehend begrenzt sind, dass sie sich
im Rahmen dessen bewegen müssen, was der generellen Ausweisung des Plangebiets
als Mischgebiet nicht widerspricht. Ausgeschlossen sind mithin solche "Erweiterungen",
"Änderungen" und "Erneuerungen", die dazu führen würden, dass die betreffenden
Betriebe gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO nur in einem Sonder- oder Kerngebiet zugelassen
werden könnten. "Nutzungsänderungen" sind demgegenüber auch insoweit
ausgeschlossen, als sie mit den Sortimentsausschlüssen nach Abschnitt (4) der
textlichen Festsetzungen unvereinbar wären. Es verbleiben alle Nutzungsänderungen,
die nicht als Fortführung des bisherigen legalen Sortimentsvertriebs zu verstehen sind,
sich nicht auf nach Abschnitt (4) ausgeschlossene Sortimente beziehen und auch im
übrigen der generellen Baugebietsausweisung als Mischgebiet nicht widersprechen.
137
Bei diesem Verständnis der auf § 1 Abs. 10 BauNVO gestützten textlichen
Festsetzungen sind die Ausweisungen hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung
der Antragsteller ist auch die von dem Vorschlag im j. -Gutachten 1999 abweichende
Ausweisung des Nahversorgungszentrums um den Q. -Markt als Mischgebiet
nachvollziehbar und konsequent.
138
Die Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO sind auch nicht deshalb widersprüchlich,
weil die zugelassenen Erweiterungen auch hinsichtlich des Maßes der baulichen
Nutzung relevant sind. § 1 Abs. 10 BauNVO verhält sich, wie schon die Stellung dieser
Vorschrift im Ersten Abschnitt der BauNVO - "Art der baulichen Nutzung" - belegt,
ausschließlich über die Art der baulichen Nutzung. Soweit in dieser Vorschrift die Rede
von "Änderungen" ist, beziehen diese sich zwar auf bauliche Änderungen. Dies gilt aber
ausschließlich insoweit, als sie für die Art der baulichen Nutzung relevant sein können,
etwa bei baulichen Änderungen im Rahmen einer nicht als "Erweiterung" zu
qualifizierenden Umgestaltung im Inneren des Gebäudes. Für die Frage, ob und in
welchem Umfang Änderungen, Erweiterungen und Erneuerungen mit dem zulässigen
Maß der baulichen Nutzung vereinbar sind, sind die Regelungen nach § 1 Abs. 10
BauNVO nicht einschlägig. Die Zulässigkeitskriterien hinsichtlich des Maßes der
baulichen Nutzung legt der hier vorliegende Bebauungsplan, der allein Festsetzungen
zur Art der baulichen Nutzung enthält, nicht fest. Diese Kriterien sind bei einem nicht
qualifizierten - "einfachen" - Bebauungsplan der hier vorliegenden Art vielmehr gemäß §
30 Abs. 3 BauGB den Vorgaben des § 34 Abs. 1 BauGB zu entnehmen. Die
Zulässigkeit von Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung richtet sich
demgemäß hier allein danach, ob diese sich insoweit im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB
in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen.
139
Der strittige Bebauungsplan wahrt schließlich auch die Anforderungen des
Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 6 BauGB.
140
Im Vordergrund der Abwägung der Antragsgegnerin stand die Frage einer
hinreichenden Berücksichtigung der Interessen der von der strittigen Planung
betroffenen Grundeigentümer, deren Eigentum mit der im Bebauungsplan festgelegten
Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Eigentums
141
- vgl. hierzu: BVerfG, Beschlüsse vom 22. Februar 1999 - 1 BvR 565/91 - BRS 62 Nr. 69
142
und vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 - BRS 65 Nr. 6 -
nachteilig betroffen wird. Insoweit fordert die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1
GG, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige
Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so
weit wie möglich erhalten.
143
Vgl.: BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 - BRS 65 Nr. 6.
144
Insbesondere muss im Rahmen der planerischen Abwägung auch beim Erlass eines
Bebauungsplans das private Interesse am Erhalt bestehender Nutzungsrechte mit dem
öffentlichen Interesse an einer städtebaulichen Neuordnung des Planungsgebiets
abgewogen werden. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug
baulicher Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine Teilenteignung
auswirken kann und dass dem Bestandsschutz daher ein den von Art. 14 Abs. 3 GG
erfassten Fällen vergleichbares Gewicht zukommt.
145
Vgl.: BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 1999 - 1 BvR 565/91 - BRS 62 Nr. 69.
146
Diesen Anforderungen wird die vom Rat der Antragsgegnerin hier vorgenommene
Abwägung gerecht.
147
Bei seiner Entscheidung, das Plangebiet des strittigen Bebauungsplans insgesamt als
Mischgebiet zu überplanen, hat sich der Rat der Antragsgegnerin maßgeblich davon
leiten lassen, dass die dort vorhandenen baulichen Nutzungen mit dieser Festsetzung
vereinbar sind. Dies folgt bereits aus den Ausführungen auf Seite 6 der Planbegründung
vom 1. April 2004, wonach eine durchgeführte Bestandsaufnahme zu dem Ergebnis
gekommen ist, dass sämtliche im Geltungsbereich vorhandenen Gewerbebetriebe nach
den Auflagen und Kriterien eines Mischgebiets genehmigt worden sind. Dass eine
solche Bestandsaufnahme - wenn auch erst in einem relativ späten Stadium des
Planungsprozesses - durchgeführt wurde, trifft zu. Die bei den Aufstellungsvorgängen
der Antragsgegnerin befindliche Auflistung vom 20. Juli/28. August 2001, gegen deren
Richtigkeit Bedenken weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, gibt auch keinen
Anlass, die Aussage einer Mischgebietsverträglichkeit der genehmigten Nutzungen in
Frage zu stellen.
148
Aus dieser Auflistung folgt zugleich, dass die im Plangebiet vorhandenen Autohäuser
durchaus berücksichtigt worden sind. Sie gibt ferner wieder, dass sowohl das Autohaus
auf dem Grundstück I. straße Nr. 168 als auch die Werkstatt mit Tankstelle und
Lackiererei auf dem Grundstück I. straße 210 nach Mischgebietsmaßstäben genehmigt
worden sind. Ebenso wenig kann die Rede davon sein, dass die Spedition auf dem
Grundstück L. Straße 2, für die nach der genannten Auflistung eine Genehmigung als
Lager-, Wartungs- und Abstellplatz von 6.00 bis 22.00 Uhr, mithin ohne Nachtbetrieb,
vorliegt, nicht berücksichtigt wurde und deshalb ein Abwägungsausfall vorliegt.
149
Besonderer Berücksichtigung bedurften die Eigentümerinteressen allerdings auch
insoweit, als der strittige Bebauungsplan mit den festgelegten
Sortimentsbeschränkungen verschiedene Formen der Einzelhandelsnutzung künftig
ausschließt. Diese Einschränkungen betreffen auf Grund der nach § 1 Abs. 10 BauNVO
getroffenen Sonderregelungen jedoch nur solche Grundeigentümer, die entsprechende
Nutzungen bislang tatsächlich noch nicht aufgenommen haben.
150
Deren konkrete Beeinträchtigungen beschränken sich darauf, dass ihnen faktisch nur
die Möglichkeit genommen wird, künftig ihre Grundstücke für Einzelhandel mit den
ausgeschlossenen Sortimenten zu nutzen. In den ausgeübten Bestand ihres
Grundeigentums wird damit nicht eingegriffen. Ihnen werden lediglich bestimmte
Nutzungschancen genommen. Auch wenn diese durchaus von beachtlichem
wirtschaftlichem Interesse sind, handelt es sich letztlich nur um potentielle
Nutzbarkeiten, deren uneingeschränkter Erhalt nicht gesichert ist. Deutlich wird dies
auch daran, dass selbst das Planungsschadenrecht des § 42 BauGB bislang nicht
ausgeübte zulässige Nutzungen grundsätzlich nur für die Dauer von sieben Jahren ab
der Begründung ihrer Zulässigkeit vermögensrechtlich schützt.
151
Wenn die Antragsgegnerin den uneingeschränkten Erhalt dieser Nutzungschancen im
Interesse des nach den vorstehenden Darlegungen städtebaulich gerechtfertigten
Schutzes der Zentrumsfunktion der Kernzone ihrer Innenstadt, dem - wie dargelegt -
beachtliches Gewicht zukommt, zurückgesetzt hat, so erscheint dies nicht als
unverhältnismäßiger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentümerposition. Die
hierin zum Ausdruck kommende Gewichtung der gegenläufigen Interessen liegt im
Rahmen des zulässigen Abwägungsspektrums einer planenden Gemeinde und ist von
Rechts wegen nicht zu beanstanden.
152
Nichts anderes gilt auch hinsichtlich der betroffenen Grundeigentümer, die bereits
solche Nutzungen aufgenommen haben, die nach den Festsetzungen in Abschnitt (4)
der textlichen Festsetzungen künftig im Plangebiet aus städtebaulich gerechtfertigten
Gründen ausgeschlossen sind. Diesen Grundeigentümern wird nicht nur der gegebene
legale Bestand ihrer Nutzungsmöglichkeiten im Sinne eines "passiven"
Bestandsschutzes gesichert. Sie erhalten vielmehr sogar einen erweiterten - "aktiven" -
Bestandsschutz nach der hierfür einschlägigen Rechtsnorm des § 1 Abs. 10 BauNVO,
wenn auch in den dargelegten Grenzen.
153
Soweit der Rat der Antragsgegnerin bei seinen Satzungsbeschlüssen die ursprünglich
für das Grundstück I. straße Nr. 171 - "Bettenfachgeschäft" - vorgesehene Regelung
nach § 1 Abs. 10 BauNVO gestrichen hat, kann dahinstehen, ob die dem zugrunde
liegenden Annahme, der betroffene Betrieb werde von der Sortimentsbeschränkung
nicht erfasst, zutrifft. Im Zeitpunkt des für die rechtliche Prüfung des Senats
entscheidenden letzten Satzungsbeschlusses vom 1. April 2004 war das
Bettenfachgeschäft, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seitens der
Antragsgegnerin unbestritten vorgetragen wurde, jedenfalls nicht mehr vorhanden, so
dass schon deswegen ein beachtlicher Abwägungsmangel ausscheidet.
154
Sonstige Mängel der Abwägung des Rates der Antragsgegnerin sind weder vorgetragen
noch ersichtlich.
155
Bei der auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO iVm § 100 ZPO beruhenden
Kostenentscheidung hat der Senat die unterschiedlichen Anteile der Antragsteller an
den insgesamt überplanten Grundflächen berücksichtigt.
156
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO.
157
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
158
nicht gegeben sind.