Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.06.2004

OVG NRW: treu und glauben, lehrer, schüler, eltern, geschäftsführung ohne auftrag, stand der technik, öffentliche schule, begriff, unterrichtung, kreis

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 A 1757/02
Datum:
09.06.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 A 1757/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 10 K 1529/00
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Berufung
zurückgenommen hat.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist örtlicher Träger der Sozialhilfe. Die Beklagte ist Träger der G. von C. -
Grundschule, Gemeinschaftsgrundschule der Stadt L. , die der am 7. Februar 1990
geborene Schüler L. I. in der Zeit vom 1. August 1997 bis zum 31. Juli 2001 besuchte.
Seit dem 1. August 2001 besucht der Schüler die sonderpädagogische Fördergruppe an
der Hauptschule C. in L. . Der Schüler ist schwerbehindert. Er leidet an einem Klippel-
Trenaunay-Syndrom mit allgemeiner Entwicklungsretardierung und Muskelhypertonie,
einer frühkindlichen myoklonisch-astatischen Epilepsie sowie Verhaltensauffälligkeiten.
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Im Februar 1996 stellte der Schulleiter der für L. I. zuständigen Grundschule einen
Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs wegen einer geistigen
Behinderung. Die Eltern des Schülers beantragten unter 5. Dezember 1996 beim
Schulamt die "integrative Aufnahme" ihres Sohnes in die C. -Grundschule. Beim
Sozialamt der Beklagten beantragten sie unter dem 5. Juni 1997 die Übernahme der
Kosten für den Einsatz eines Zivildienstleistenden.
3
Die Beklagte erteilte mit Schreiben vom 8. Juli 1997 ihre "Zustimmung" zur integrativen
Beschulung. In dem Schreiben heißt es: "Die Stadt L. trägt die
behinderungsspezifischen Sachausgaben in dem Maße und in dem Umfange, wie sie in
dem Antrag vom 5. Juni 1997 beschrieben sind. Ausdrücklich ausgenommen sind
jedoch die Personalkosten des Integrationshelfers (Zivildienstleistender) für die
Betreuung in der Schule und ggf. im häuslichen Bereich. Insofern gilt meine
Zustimmung ausdrücklich unter Vorbehalt." Mit Bescheid vom 5. August 1997 stellte das
Schulamt fest, dass bei L. wegen einer geistigen Behinderung ein sonderpädagogischer
Förderbedarf bestehe. Die sonderpädagogische Förderung erfolge aufgrund des
Antrags der Eltern mit Wirkung ab Beginn des Schuljahres 1997/98 in der C. -
Grundschule.
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Mit Schreiben vom 27. Juli 1998 bat die Beklagte das Schulamt um Mitteilung, aus
welchen Gründen der "Vorbehalt" in der Zustimmung vom 8. Juli 1997 nicht Bestandteil
des Bescheides vom 5. August 1997 geworden sei. Der Schulamtsdirektor teilte der
Beklagten mit Schreiben vom 12. August 1998 mit: Die Eltern von L. hätten sich bereit
erklärt, die Personalkosten des Integrationshelfers vorläufig zu übernehmen. Die
Kostenträgerschaft sei bei Erlass des Bescheides vom 5. August 1997 nicht
abschließend geklärt gewesen. Eine Klärung sei auch danach noch nicht erfolgt. Bei
Erlass des Bescheides vom 5. August 1997 sei ferner unklar gewesen, ob die in dem
Schreiben der Beklagten vom 8. Juli 1997 enthaltene Bedingung letztlich als
Zustimmung oder als Ablehnung zu werten gewesen sei. Im Interesse des Kindes habe
er das Schreiben vom 8. Juli 1997 als Zusage betrachtet. Außerdem sei er davon
ausgegangen, dass durch die Kostenübernahmeerklärung der Eltern die in dem
Schreiben vom 8. Juli 1997 enthaltene Bedingung erfüllt werden könne.
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Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Eltern des Schülers und dem Verein
INVEMA e. V. betreuten bei dem Verein tätige Zivildienstleistende ab dem Schuljahr
1997/98 L. auf dem Schulweg und in der Schule. Die Fahrtkosten für die
Zivildienstleistenden zur Schule und die Kosten für die Betreuung des Schülers in der
Grundschule übernahm der Kläger als örtlicher Träger der Sozialhilfe "ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht". Nach einer Bescheinigung der Schulleiterin der C. -
Grundschule vom 2. Oktober 1997 war L. während seines Aufenthalts in der
Grundschule auf die Hilfe der Zivildienstleistenden angewiesen. Die Hilfe eines
Erwachsenen sei erforderlich gewesen, wenn L. zur Toilette gegangen sei, mit anderen
Schülern an der Pause teilgenommen, sich seinen Anorak angezogen, seine
Schultasche geöffnet und seine Arbeitsmaterialien ausgewählt habe. L. habe sich
morgens früh nach seinem Eintreffen in der Schule in Begleitung eines Erwachsenen
zunächst außerhalb seines Klassenraumes bewegen und sich an die Schulräume und
die Unterrichtssituation gewöhnen müssen.
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Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Oktober 1999 auf, die aus
Sozialhilfemitteln übernommenen Kosten der Integrationshelfer zu erstatten. Die
Beklagte lehnte den Antrag unter dem 8. September 1999 ab und führte aus: Sie habe in
ihrer Zustimmung zur integrativen Beschulung erklärt, dass sie die Personalkosten für
den Einsatz der Integrationshelfer nicht trage. Dieser "Vorbehalt" sei dahin zu
interpretieren, dass ihre Zustimmung als nicht erteilt gelte, wenn die Beklagte mit den
Personalkosten belastet werde. Der Bescheid des Schulamtes vom 5. August 1997 sei
nicht nachvollziehbar, weil er keinen Hinweis auf den "Vorbehalt" enthalte.
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Der Kläger hat am 15. April 2000 Klage erhoben und vorgetragen: Die Beklagte sei
erstattungspflichtig, weil sie nach dem Schulfinanzgesetz NRW sämtliche
Personalkosten für die nicht als Lehrer im Schuldienst tätigen Bediensteten zu tragen
habe. Solche Bediensteten seien die Integrationshelfer für L. I. gewesen. Mit der
Entscheidung des Schulamtes, L. integrativ zu beschulen, sei ein Bedarf entstanden,
der nicht durch den Träger der Sozialhilfe, sondern allein durch die Beklagte als
Schulträger zu decken sei. Die Beklagte habe im Übrigen nach dem
Gemeindefinanzierungsgesetz 1999 Zuwendungen zur integrativen Beschulung von
Kindern erhalten. Dieser Gesichtspunkt zeige, dass nach der Vorstellung des nordrhein-
westfälischen Gesetzgebers der Schulträger zur Übernahme der Kosten für den Einsatz
der Integrationshelfer verpflichtet sei.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn wegen der Kosten für den Einsatz von
Integrationshelfern des Schülers L. I. in den Schuljahren 1997/98 bis 2000/01 insgesamt
6.230,77 EUR (August 1997 bis Juli 1998: 1.124,33 EUR, August 1998 bis Juli 1999:
1.285,39 EUR, August 1999 bis Juni 2000: 1.268,00 EUR und August 2000 bis Juli
2001: 2.553,05 EUR) zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen: Die Integrationshelfer für L. seien keine Bediensteten der Schule
gewesen, weil sie nicht vom Schulträger, sondern von den Eltern des Schülers
beauftragt worden seien. Sie habe ihre Zustimmung zur integrativen Beschulung nur
unter der Voraussetzung erteilt, dass sie als Schulträger keine Personalkosten für den
Einsatz der Integrationshelfer trage. Die Zuwendungen nach dem
Gemeindefinanzierungsgesetz 1999 dienten primär dem Ausgleich für die vom
Schulträger zu tragenden Sachausgaben im Falle der integrativen Beschulung eines
Kindes.
13
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und im
Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne sich auf Rechte des Schülers L. I. und
seiner Eltern schon deshalb nicht berufen, weil er keine Rechte auf sich übergeleitet
habe. Aus eigenen Rechten habe der Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung,
weil er kein der Beklagten obliegendes Geschäft besorgt habe. Die Integrationshelfer
seien keine Bediensteten der Beklagten, weil sie nicht von ihr, sondern von den Eltern
des Schülers beauftragt worden seien. Die entstandenen Kosten seien zudem keine
Schulkosten, weil die Integrationshelfer einen Bedarf des Schülers abgedeckt hätten,
der unabhängig vom Schulbesuch bestehe. Das Gemeindefinanzierungsgesetz 1999
begründe nicht die Verpflichtung der Schulträger, die Personalkosten für
Integrationshelfer zu übernehmen. Eine dahingehende Verpflichtung der Beklagten
ergebe sich auch nicht aus der von ihr erteilten Zustimmung zur integrativen
Beschulung. Die Zustimmung sei nämlich unter der Voraussetzung erteilt worden, dass
die Beklagte die Kosten der Integrationshelfer nicht trage.
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Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 11. Dezember 2003
zugelassen. In der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 2004 hat der Kläger die
Berufung zurückgenommen, soweit er im Berufungsverfahren ursprünglich auch die
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Kostenerstattung für den Einsatz von Integrationshelfern in der Zeit vom 1. August 2001
bis 31. Dezember 2003 in Höhe von 20.619,66 EUR sowie die Zahlung von Zinsen ab
Rechtshängigkeit der Klage beantragt hat.
Zur Begründung seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges
Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Die Beklagte habe eine wirksame Zustimmung zur
integrativen Beschulung des Schülers L. I. erteilt. Der Schulträger könne zwar die
Zustimmung versagen, wenn für ihn zusätzliche Kosten entstünden. Im Falle der
Erteilung der Zustimmung sei er jedoch nicht befugt, die Übernahme der Personalkosten
für den Einsatz von Integrationshelfern auszuschließen.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für den
Einsatz von Integrationshelfern für den Schüler L. I. in der Zeit vom 1. August 1997 bis
31. Juli 2001 dem Grunde nach zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Arnsberg 9 K 2297/98
und 10 K 4234/99 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Verfahren ist entsprechend § 92 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 iVm § 125 Abs. 1 Satz 1
VwGO einzustellen, soweit der Kläger die Berufung zurückgenommen hat. Die
Zurücknahme der Berufung betrifft die im Berufungsverfahren zunächst schriftsätzlich
beantragte Kostenerstattung für den Einsatz von Integrationshelfern in der Zeit vom 1.
August 2001 bis 31. Dezember 2003, die Geltendmachung eines bezifferten
Geldbetrags hinsichtlich der Kosten des Einsatzes von Integrationshelfern in der Zeit
vom 1. August 1997 bis zum 31. Juli 2001 sowie den im Berufungsverfahren geltend
gemachten Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit der Klage.
24
Die Berufung mit dem noch streitgegenständlichen Begehren auf Verurteilung der
Beklagten, die Kosten für den Einsatz von Integrationshelfern für den Schüler L. I. in der
Zeit vom 1. August 1997 bis zum 31. Juli 2001 dem Grunde nach zu erstatten, ist
zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht der mit der Klage noch geltend gemachte
Erstattungsanspruch nicht zu.
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Der Kläger kann sein Erstattungsbegehren auf etwaige Kostenerstattungsansprüche
des Schülers und seiner Eltern schon deshalb nicht stützen, weil er dahingehende
Ansprüche aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils nicht auf sich
gemäß § 90 BSHG übergeleitet hat.
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Ob die sachlichen Voraussetzungen für einen dem Grunde nach bestehenden
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Erstattungsanspruch des Klägers aus eigenem Recht nach den Grundsätzen der
Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllt sind oder eine sonstige öffentlich-rechtliche
Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, kann dahinstehen. Dem Erstattungsbegehren
steht jedenfalls der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen.
Nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§
242 BGB) ist die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig, wenn sie
missbräuchlich erscheint. Eine solche unzulässige Rechtsausübung liegt unter anderem
dann vor, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs in (mindestens) objektiv
rechtswidriger Weise begründet worden sind und der Anspruchsteller im Falle der
Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs grundlos Rechtsvorteile erhielte.
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Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. November 1993 - 1 C 21.92 -, NJW 1994, 954 (955);
BGH, Urteil vom 8. Juli 2003 - VI ZR 274/02 -, NJW 2003, 3193 (3196), und Beschluss
vom 8. Juli 1952 - V BLw 100/51 -, LM § 242 (Cd) BGB Nr. 5, Bl. 55 (56); Heinrichs, in:
Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Auflage, 2004, § 242, Rdn 43.
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Das ist hier der Fall. Der Kläger stützt den geltend gemachten Erstattungsanspruch auf
die Entscheidung des Schulamtes für den Kreis T. -X. , den Schüler L. I. an der C. -
Grundschule gemeinsam mit nichtbehinderten Schülern zu unterrichten. Diese
Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderort ist jedoch objektiv rechtswidrig
(A.). Die Verlagerung der finanziellen Verantwortung für die rechtswidrige Entscheidung
über den sonderpädagogischen Förderort im Falle der vom Kläger begehrten
Kostenerstattung durch die Beklagte würde dem Kläger grundlos Rechtsvorteile
verschaffen, obwohl er nach Treu und Glauben - jedenfalls im Verhältnis zur Beklagten -
für die finanziellen Folgen der objektiv rechtswidrigen Entscheidung des Schulamtes
aufzukommen hat (B.).
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A. Die objektive Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Schulamtes über den
sonderpädagogischen Förderort folgt daraus, dass die Voraussetzungen gemäß § 7
Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW für eine gemeinsame Unterrichtung des
Schülers L. I. in der C. -Grundschule in der Zeit vom 1. August 1997 bis zum 31. Juli
2001 nicht vorlagen. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW kann in der Primarstufe mit
Zustimmung des Schulträgers die sonderpädagogische Förderung auch in der
Grundschule erfolgen, soweit die Grundschule hierfür über die erforderliche personelle
und sächliche Ausstattung verfügt. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW ist vor der
Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf eines Schülers und den
Förderort unter anderem die Zustimmung des Schulträgers einzuholen. Diese
Voraussetzungen für eine integrative Beschulung des Schülers L. I. lagen nicht vor, weil
die C. -Grundschule nicht über die erforderliche personelle Ausstattung für die
integrative Beschulung des Schülers L. I. verfügte (I.) und weil die Zustimmung der
Beklagten als Schulträger unwirksam war (II.).
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I. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW erfordert die integrative Beschulung eines
Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf, dass die Grundschule über die
erforderliche personelle und sächliche Ausstattung für die integrative Beschulung eines
Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf verfügt. Eine dahingehende Regelung
enthält auch § 12 Abs. 2 Satz 1 VO-SF. Danach setzt die integrative Beschulung eines
Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer allgemeinen Schule - unter
anderem - voraus, dass an dieser Schule die erforderlichen personellen und sächlichen
Voraussetzungen für eine sonderpädagogische Förderung gegeben sind. Die
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Grundschule verfügt aber nur dann über die für eine integrative Beschulung
erforderliche personelle Ausstattung, wenn die Integrationshelfer entweder durch das
Land Nordrhein-Westfalen als Lehrer im Sinne des § 3 Abs. 1 SchFG NRW oder durch
den Schulträger (§ 10 SchVG NRW) als sonstige Bedienstete der Schule im Sinne des
§ 3 Abs. 2 SchFG NRW eingestellt worden sind (1.). Das war in Bezug auf die
Integrationshelfer für L. I. nicht der Fall (2.). Die Beklagte als Schulträger war auch nicht
verpflichtet, die Integrationshelfer als andere Bedienstete an der C. -Grundschule
einzustellen (3.).
1. Das Erfordernis einer Einstellung der Integrationshelfer durch das Land Nordrhein-
Westfalen oder den Schulträger folgt aus dem systematischen Zusammenhang der
Regelungen in § 7 Abs. 2 SchpflG NRW, § 12 Abs. 2 Satz 1 VO-SF mit § 1 Abs. 1 Satz 1
sowie §§ 2 und 3 SchFG NRW. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW werden die
Schulkosten (Personal- und Sachausgaben) nach Maßgabe des Schulfinanzgesetzes
aufgebracht. Die Personalausgaben für Lehrer an öffentlichen Schulen, deren Träger
das Land, eine Gemeinde oder Gemeindeverband ist, trägt das Land (§ 3 Abs. 1 SchFG
NRW). Der Träger einer öffentlichen Schule trägt die Sachausgaben (§ 2 SchFG NRW)
und die Personalausgaben für die nicht als Lehrer im Schuldienst tätigen Beamten und
anderen Bediensteten an den Schulen (§ 3 Abs. 2 SchFG NRW). Nach diesen
Vorschriften gehören die Kosten für den Einsatz von Integrationshelfern in
Grundschulen - und auch in weiterführenden allgemeinen Schulen (§ 7 Abs. 3 SchpflG
NRW) - zu den Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW (a.). Bei
Schulkosten im Sinne dieser Vorschrift besteht eine ausschließliche Kostenträgerschaft
des Landes Nordrhein-Westfalen oder der Schulträger öffentlicher Schulen; diese
ausschließliche Kostenträgerschaft des Landes oder der Schulträger lässt eine
Kostenträgerschaft durch Dritte, insbesondere private Dritte, nicht zu (b.).
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a. Der Begriff Schulkosten ist gesetzlich nicht näher definiert. Aus der Formulierung in §
1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW "Schulkosten der öffentlichen Schulen" ergibt sich jedoch,
dass Bezugspunkt für die Auslegung des Begriffs Schulkosten nicht das Schulwesen
insgesamt, sondern die öffentliche Schule als Anstalt ist. Auf der Grundlage dieser
Prämisse werden unter Schulkosten herkömmlicherweise solche Kosten verstanden,
die zur Errichtung und Unterhaltung der Schule einschließlich der Gewährleistung des
Schulbetriebes aufgewandt werden oder aufzuwenden sind.
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Amtliche Begründung zum Entwurf des Schulfinanzgesetzes, LT-Drs. NRW 3/276, S.
10; VG Minden, Urteil vom 18. März 1998 - 3 K 4762/97 -, NWVBl 1998, 452 (453);
Meyerhoff/Pünder/Schäfer, Schulverwaltungsgesetz und Schulfinanzgesetz Nordrhein-
Westfalen, 2. Auflage, 1968, Anm. II 1 und 2 (S. 257 f.), m. w. N.
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Einer weitergehenden inhaltlichen Umschreibung des Begriffs Schulkosten bedarf es im
vorliegenden Verfahren nicht. Die Kosten für die Integrationshelfer von L. I. sind, wenn
die Zivildienstleistenden durch das Land Nordrhein-Westfalen oder durch die Beklagte
eingestellt worden wären, jedenfalls deshalb Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz
1 SchFG NRW, weil die Kosten zur Gewährleistung des Schulbetriebes aufgewandt
worden sind. Personalausgaben sind zumindest dann zur Gewährleistung des
Schulbetriebs aufgewandt worden oder aufzuwenden, wenn der Einsatz der
betreffenden Person in der Schule erforderlich war, damit die Schule ihren Erziehungs-
und Bildungsauftrag (§ 1 Abs. 1 SchOG NRW) überhaupt erfüllen kann. Das ist unter
anderem dann der Fall, wenn der Schulbesuch eines Schülers - oder auch mehrerer
Schüler - ohne den Einsatz der betreffenden Person unmöglich ist.
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Danach sind die Personalausgaben für den Einsatz der Integrationshelfer des Schülers
L. I. Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW. Ohne ihren Einsatz hätte
der Schüler die C. -Grundschule nicht besuchen können. Nach der Bescheinigung der
Schulleiterin der C. -Grundschule vom 2. Oktober 1997 war L. während des Besuchs der
Grundschule auf die ständige Hilfe eines Erwachsenen angewiesen, z. B. beim
Eintreffen in der Grundschule, im Unterricht bei der Auswahl der Arbeitsmaterialien,
beim Gang zur Toilette und in den Pausen. Eine Lehrerin oder ein Lehrer allein hätte die
erforderlichen Hilfen nach Einschätzung der Schulleiterin nicht leisten können. Hierüber
besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.
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Der Zuordnung der Personalausgaben für die Integrationshelfer zu den Schulkosten im
Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW steht nicht entgegen, dass "die Kosten für
eine Einzelbetreuung eines Schülers über das gewöhnliche Maß der pädagogisch-
pflegerischen Betreuung erheblich hinausgehen".
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So Antwort der Landesregierung vom 11. Januar 2000 auf die Kleine Anfrage 1502, LT-
Drs. 12/4588, S. 3; Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1998 an das Schulamt für den Oberbergischen
Kreis, abgedruckt in Mitteilungen des nordrhein-westfälischen Städte- und
Gemeindebundes 1998, S. 98, Nr. 168; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November
1992 - 2 K 233/90 -, Urteilsabdruck S. 9.
39
Das "gewöhnliche Maß der pädagogisch-pflegerischen Betreuung" ist in dieser
Allgemeinheit kein zur Auslegung des Begriffs Schulkosten geeignetes Kriterium. Nach
§ 7 Abs. 1 Satz 1 SchpflG NRW werden Schulpflichtige, die wegen körperlicher,
seelischer oder geistiger Behinderung oder wegen erheblicher Beeinträchtigung des
Lernvermögens im Unterricht einer Grundschule oder einer weiterführenden
allgemeinen Schule nicht hinreichend gefördert werden können, ihrem individuellen
Förderbedarf entsprechend sonderpädagogisch gefördert. Angesichts dieses
gesetzlichen Auftrags zur individuellen Förderung des Schülers und der vielfältigen
sonderpädagogischen Förderbedarfe je nach Art und Umfang der individuellen
Behinderung oder Beeinträchtigung des Schülers gibt es im Bereich der
sonderpädagogischen Förderung kein allgemein gültiges "gewöhnliches Maß der
pädagogisch-pflegerischen Betreuung".
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Vgl. auch Gesetzentwurf der Landesregierung zum Gesetz zur Weiterentwicklung der
sonderpädagogischen Förderung, LT-Drs. 11/7186, S. 9: "Es gibt keinen für alle
behinderten Kinder einheitlich festlegbaren Umfang der Förderung".
41
Der Zuordnung der Personalausgaben für die Integrationshelfer zu den Schulkosten im
Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW steht auch nicht entgegen, dass, wie das
Verwaltungsgericht meint, die Kosten "im Zusammenhang mit der Deckung eines - vom
Schulbesuch unabhängigen - allgemeinen Lebensbedarfs entstehen".
42
Ebenso VG Minden, Urteil vom 18. März 1998 - 3 K 4762/97 -, a. a. O.
43
Der "allgemeine Lebensbedarf" eines Schülers ist ebenfalls kein zur Auslegung des
Begriffs Schulkosten geeignetes Kriterium. Die Schule ist aufgrund ihres Erziehungs-
und Bildungsauftrags neben den Erziehungsberechtigten, die etwa ihre Kinder für den
Schulbesuch ordnungsgemäß ausstatten müssen (§ 40 Abs. 2 ASchO NRW),
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verpflichtet, in der Schule einen "allgemeinen Lebensbedarf" der Schüler zu decken.
Erziehung und Bildung durch die Schule sind nämlich Teil des "allgemeinen
Lebensbedarfs" ihrer Schüler. Nach § 1 Abs. 3 SchOG NRW hat die Schule nicht nur die
Aufgabe, die Jugend auf der Grundlage des abendländischen Kulturgutes und
deutschen Bildungserbes in lebendiger Beziehung zu der wirtschaftlichen und sozialen
Wirklichkeit sittlich, geistig und körperlich zu bilden, sondern auch der Jugend das für
Leben und Arbeit erforderliche Wissen und Können zu vermitteln. Die Jugend soll fähig
und bereit werden, sich im Dienste an der Gemeinschaft, in Familie und Beruf, in Volk
und Staat zu bewähren (§ 1 Abs. 4 Satz 1 SchOG NRW). Unterricht und
Gemeinschaftsleben in der Schule sind so zu gestalten, dass sie zu tätiger und
verständnisvoller Anteilnahme am öffentlichen Leben vorbereiten (§ 1 Abs. 4 Satz 3
SchOG NRW). Schon diese Ziele (vgl. ferner § 1 Abs. 2, 5 und 6 SchOG NRW), die für
Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in gleicher Weise wie für alle anderen
Schüler gelten, verdeutlichen, dass die Unterscheidung zwischen einem vom
Schulbesuch abhängigen und dem allgemeinen Lebensbedarf kein für die Bestimmung
der Schulkosten geeigneter Anknüpfungspunkt ist.
b. Rechtsfolge der Zuordnung der Personalausgaben für den Einsatz von
Integrationshelfern zu den Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW ist,
dass die Kosten vom Land Nordrhein-Westfalen oder dem Schulträger einer öffentlichen
Schule getragen werden, indem die Integrationshelfer entweder durch das Land als
Lehrer (§ 3 Abs. 1 SchFG NRW) oder durch den Schulträger als nicht als Lehrer im
Schuldienst tätige andere Bedienstete (§ 3 Abs. 2 SchFG NRW) eingestellt werden.
Eine Kostenträgerschaft durch Dritte kennt das Schulfinanzgesetz im Bereich der
Schulkosten nicht.
45
Ebenso VG Arnsberg, Urteil vom 18. Februar 1998 - 9 K 157/97 -, NWVBl 1999, 110
(110 f.); vgl. auch Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1502, LT-Drs.
12/4588, S. 4: "Die Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers in den gemeinsamen
Unterricht darf nicht von der Erklärung der Eltern abhängig gemacht werden, die Kosten
für eine Einzelbetreuung selbst zu tragen".
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Der Einsatz von Integrationshelfern aufgrund eines Auftrags der Erziehungsberechtigten
eines Schülers und eine Kostentragung der Erziehungsberechtigten ist deshalb mit den
Vorgaben des Schulfinanzgesetzes nicht vereinbar.
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Das bestätigt auch § 31 a SchVG NRW. Danach können Schulen für den Schulträger
bei der Erfüllung ihrer Aufgaben durch Sach- und Geldzuwendungen Dritter unterstützt
werden (§ 31 a Abs. 1 Satz 1 SchVG NRW). Sie dürfen außerdem zur Erfüllung ihrer
Aufgaben für den Schulträger Zuwendungen von Dritten entgegennehmen und auf
deren Leistungen in geeigneter Weise hinweisen (Sponsoring), wenn diese Hinweise
mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule vereinbar sind und die
Werbewirkung deutlich hinter den schulischen Nutzen zurücktritt (§ 31 a Abs. 2 Satz 1
SchVG NRW). Diese Regelungen lassen das schulfinanzrechtliche Prinzip der
ausschließlichen Kostenträgerschaft des Landes und der Schulträger öffentlicher
Schulen unberührt. Für die vom Land Nordrhein-Westfalen zu tragenden Lehrerkosten
gilt § 31 a SchVG NRW nicht. Die Vorschrift ermöglicht lediglich eine finanzielle
Unterstützung der Schule, soweit sie Aufgaben des Schulträgers erfüllt. Der Schulträger
bleibt allerdings auch nach § 31 a SchVG NRW Verpflichteter der ihm durch die
schulrechtlichen Vorschriften übertragenen Aufgaben. Das verdeutlicht insbesondere §
31 a Abs. 4 SchVG NRW. Danach entbinden Zuwendungen den Schulträger nicht von
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seinen Verpflichtungen gemäß § 30 SchVG NRW zur Bereitstellung und Unterhaltung
der erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel sowie zur
Einstellung des für die Schulverwaltung notwendigen Personals.
Die ausschließliche Kostenträgerschaft des Landes oder des Schulträgers in Bezug auf
Personalkosten der Schule dient dem Zweck sicherzustellen, dass zur Erfüllung des
Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule nur solche Lehrer, Beamte und andere
Bedienstete tätig sind, auf deren Auswahl und konkrete Tätigkeit das Land oder der
Schulträger einen rechtlich hinreichend gesicherten Einfluss ausüben können. Die
Auswahl der Integrationshelfer ist für die Unterrichtung eines Kindes mit
sonderpädagogischem Förderbedarf von erheblicher Bedeutung, weil der
Integrationshelfer in der Lage sein muss, den besonderen Bedürfnissen des Kindes im
gemeinsamen Unterricht nachzukommen und das Kind in Abstimmung mit den Lehrern
im Unterricht zu begleiten. Darüber hinaus muss insbesondere ein hinreichend rechtlich
gesichertes Weisungsrecht des Lehrers gegenüber dem Integrationshelfer gewährleistet
sein. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule, der häufig ein sofortiges
Handeln der Lehrer im Unterricht erfordert, wird gefährdet, wenn es dem Lehrer nur über
Dritte - etwa den (privaten) Dienstvorgesetzten eines Zivildienstleistenden - möglich ist,
dem Integrationshelfer verbindliche Weisungen zu erteilen.
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2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze verfügte die C. -Grundschule in der Zeit vom 1.
August 1997 bis zum 31. Juli 2001 nicht über das erforderliche Personal für eine
gemeinsame Unterrichtung des Schülers L. I. . Die Integrationshelfer, die ihn während
des Besuchs der Grundschule betreuten, waren weder Bedienstete des Landes noch
der Beklagten. Es bestand auch nicht das erforderliche Weisungsrecht der Lehrer
gegenüber den Integrationshelfern für L. I. . Nach den zwischen den Eltern des Schülers
und dem Verein INVEMA e. V. geschlossenen Verträgen war der Vorstand des Vereins
"alleiniger Dienstvorgesetzter und Weisungsbefugter des Zivildienstleistenden" (§ 3
Satz 2 der Verträge). In § 3 Satz 3 der Verträge war lediglich vorgesehen, dass "in
notwendigem Umfang das fachliche Weisungsrecht auf geeignete Mitarbeiter/innen der
Einsatzstelle" übertragen werden "kann". Zwingend vorgeschrieben war eine solche
Übertragung nicht. Abgesehen davon konnten weder das Land noch die Beklagte aus
den Verträgen selbstständige Rechte herleiten, weil sie nicht Vertragspartner waren.
Deshalb hatten sie auch keinen Einfluss auf den Inhalt der Verträge. Aus den Verträgen
und den sonstigen vorliegenden Unterlagen ergibt sich auch nicht, dass die Beklagte
oder das Land ein (Mitwirkungs-) Recht bei der Auswahl des jeweiligen
Integrationshelfers hatten.
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3. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die personellen Voraussetzungen für eine
integrative Beschulung des Schülers L. I. durch Begründung eines Dienstverhältnisses
mit den Integrationshelfern zu schaffen.
51
a. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Einstellung der Integrationshelfer als andere
Bedienstete an der C. -Grundschule und zur Tragung der Kosten ihres Einsatzes ergibt
sich nicht aus dem Schulfinanzgesetz NRW oder aus sonstigen schulrechtlichen
Vorschriften. Das Schulfinanzgesetz NRW verpflichtet den Schulträger weder in § 3
Abs. 2 noch in anderen Vorschriften, bestimmtes Personal einzustellen. Die
Verpflichtungen des Schulträgers, Grundschulen zu errichten und fortzuführen (§ 10
Abs. 1 SchVG NRW) und für ausreichenden und würdigen Schulraum zu sorgen (§ 3
Abs. 1 SchOG NRW), begründen ebenso wenig wie seine Verpflichtung gemäß § 30
Abs. 1 SchVG NRW, die für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen
52
Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel bereitzustellen und
ordnungsgemäß zu unterhalten sowie das für die Schulverwaltung notwendige Personal
zur Verfügung zu stellen, eine Verpflichtung zur Schaffung der personellen
Voraussetzungen für die integrative Beschulung von Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Integrationshelfer, die Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf während des Besuchs einer allgemeinen Schule
betreuen, sind insbesondere keine Lehrmittel, zu denen allein die dem Lehrzweck der
Schule dienenden Gegenstände gehören.
Meyerhoff/Pünder/Schäfer, a. a. O., § 30 SchVG, Anm. II 2 a (S. 234).
53
Eine Pflicht zur Schaffung der Voraussetzungen für einen gemeinsamen Unterricht und
Bereitstellung von Betreuungspersonal ergibt sich weiterhin nicht aus § 7 Abs. 2 Satz 1
und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW. Danach kann in der Primarstufe mit Zustimmung des
Schulträgers die sonderpädagogische Förderung auch in der Grundschule erfolgen,
soweit die Grundschule hierfür über die erforderliche personelle und sächliche
Ausstattung verfügt. Mit der Formulierung "kann" in § 7 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW hat
der Gesetzgeber klargestellt, dass keine generelle Pflicht besteht, Kinder mit
sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen sonderpädagogisch zu
fördern.
54
Vgl. Begründung der Landesregierung zum Entwurf des Gesetzes zur
Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung, LT-Drs. 11/7186, S. 2 und 8 f.;
Antwort der Landesregierung vom 11. Januar 2000 auf die Kleine Anfrage 1502, a. a. O.,
S. 3.
55
Ob die vorbehaltlos erteilte Zustimmung des Schulträgers zur integrativen Beschulung
(§ 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW) neben der Verpflichtung, etwaige
zusätzliche Sachkosten zu tragen, auch die Verpflichtung umfasst, das dazu notwendige
Personal einzustellen, bedarf hier keiner näheren Erörterung. Die Beklagte hat ihre
Zustimmung (nur) unter der Voraussetzung erteilt, keine personellen
Mehraufwendungen tragen zu müssen. Eine solche Zustimmung begründet schon
deshalb keine Kostentragungspflichten des Schulträgers, weil sie, wie noch ausgeführt
wird, mit diesem Inhalt unwirksam ist.
56
Eine Pflicht der Beklagten zur Schaffung der Voraussetzungen für eine integrative
Beschulung lässt sich weiter nicht aus dem vom Kläger angeführten
Gemeindefinanzierungsgesetz 1999 - GFG 1999 -, GV NRW 1998, S. 762, herleiten.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 GFG 1999 ist den Gemeinden zum Ausgleich besonderer
Aufwendungen, die ihnen im Zusammenhang mit der integrativen Beschulung von
Schülern und Schülerinnen an Regelschulen entstehen können, einmalig ein Betrag in
Höhe von 2.500.000 DM zur Verfügung gestellt worden. Der Betrag ist pauschal nach
der Anzahl der integrativ beschulten Schüler und Schülerinnen an Regelschulen nach
der maßgeblichen Schulstatistik verteilt worden (§ 20 Abs. 2 Satz 2 GFG 1999). Die
Regelungen in § 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GFG knüpfen jedoch nur daran an, dass den
Gemeinden bei der integrativen Beschulung besondere Aufwendungen entstanden
sind. Dagegen begründen sie keine Verpflichtung der Gemeinden zur Tragung solcher
besonderen Aufwendungen. § 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GFG 1999 und auch die übrigen
Vorschriften des Gemeindefinanzierungsgesetzes 1999 setzen eine Kostenlast der
Gemeinden aufgrund der Wahrnehmung ihrer eigenen und der ihnen übertragenen
Aufgaben (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 GFG 1999) voraus, begründen aber weder solche
57
Aufgaben noch Kostentragungspflichten der Gemeinden.
Die Beklagte war und ist schließlich nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen
verpflichtet, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung von
Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen. Der Staat ist mit
Rücksicht auf das Recht des Schülers, eine den Anlagen und Befähigungen möglichst
weitgehend berücksichtigende Ausbildung zu erhalten (Art. 2 Abs. 1 GG), das Recht der
Eltern, den Bildungsgang in der Schule für ihr Kind im Rahmen von dessen Eignung
grundsätzlich frei zu wählen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), und das Verbot, Behinderte zu
benachteiligen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG), sowie unter Berücksichtigung seines
zumindest faktischen Monopols im Bereich der schulischen Erziehung und Bildung
grundsätzlich gehalten, für behinderte Kinder und Jugendliche schulische Einrichtungen
bereitzuhalten, die auch ihnen eine angemessene schulische Erziehung, Bildung und
Ausbildung ermöglichen. Staatliche Maßnahmen zum Augleich einer Behinderung oder
Beeinträchtigung stehen allerdings auch in Bezug auf die integrative Beschulung von
Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf unter dem Vorbehalt des finanziell,
personell, sachlich und organisatorisch Möglichen. Die Überweisung in eine
Sonderschule, die der Schüler besuchen muss, wenn eine integrative Beschulung nicht
in Betracht kommt (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SchpflG NRW), stellt nur dann eine unzulässige
Benachteiligung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG dar, wenn der Besuch der
allgemeinen Schule durch einen vertretbaren Einsatz von sonderpädagogischer
Förderung ermöglicht werden könnte.
58
BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 -, NJW 1998, 131 (132 f.); OVG
NRW, Beschlüsse vom 13. Mai 2002 - 19 A 3100/01 -, 15. August 2000 - 19 B 989/00 -,
und 28. September 1999 - 19 B 1467/99 -.
59
Das lässt sich in Bezug auf die Personalkosten für den Einsatz von Integrationshelfern
bei der integrativen Beschulung des Schülers L. I. in der C. -Grundschule nicht
feststellen.
60
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts obliegt dem Gesetzgeber
ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum bei der
Entscheidung über die Einführung über Möglichkeiten integrativer Beschulungen, weil
er bei seinen Entscheidungen auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und
sich die Möglichkeit erhalten muss, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für
solche anderen Belange einzusetzen, wenn er dies für erforderlich hält.
61
BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 -, a. a. O., m. w. N.; OVG NRW,
Beschluss vom 16. April 2003 - 19 B 403/03 -.
62
Ein solcher Einschätzungsspielraum obliegt auch der Beklagten als Schulträger bei
ihrer Entscheidung über die Zustimmung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 SchpflG.
Sie muss bei ihrer Entscheidung wie der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung über die
Einführung von Möglichkeiten integrativer Beschulungen nicht nur die grundrechtlichen
Schutzwirkungen zu Gunsten der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und
ihrer Eltern, sondern auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und
abwägen. Die Beklagte hat eine Vielzahl von Selbstverwaltungsaufgaben (Art. 28 Abs.
2 GG) und die ihr durch Gesetz auferlegten Pflichtaufgaben (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 GO
NRW) zu erfüllen. Ihre Haushaltswirtschaft ist so zu planen und zu führen, dass die
stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist (§ 75 Abs. 1 Satz 1 GO NRW). Dies
63
erfordert, die zahlreichen Aufgaben in Bezug zu einander zu setzen und abzuwägen.
Die Beklagte muss hierbei angesichts der nur begrenzt zur Verfügung stehenden
gemeindlichen Mittel Prioritäten setzen, die verschiedenen von ihr zu wahrenden
Gemeinschaftsbelange koordinieren sowie unter Berücksichtigung des Erfordernisses
des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (§ 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW) die
zahlreichen Aufgaben und die ihr hieraus entstehenden finanziellen Aufwendungen in
eine umfassende haushaltswirtschaftliche Gesamtplanung einfügen.
Allerdings überschreitet die Beklagte ihren Einschätzungsspielraum, wenn ihre
Ablehnung, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung zu
schaffen, unter Berücksichtigung ihrer finanziellen Möglichkeiten den Gegebenheiten
und Verhältnissen des Einzelfalls ersichtlich nicht gerecht wird, weil der Besuch einer
Sonderschule anstelle einer integrativen Beschulung in einer allgemeinen Schule für
die (Gesamt-) Entwicklung des jeweiligen Schülers offensichtlich nachteilig ist.
64
BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 -, a. a. O., und Urteil vom 6.
Dezember 1972 - 1 BvR 230/70 und 95/71 -, BVerfGE 34, 165 (188 f.).
65
Das lässt sich in Bezug auf den Schüler L. I. nicht feststellen. Die Beteiligten machen
nicht geltend, dass allein eine gemeinsame Unterrichtung an einer allgemeinen Schule
gewährleistet, dass der Schüler eine angemessene Schulausbildung erhält.
Dahingehende Gesichtspunkte lassen sich auch den im Verfahren über die Feststellung
des sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen
Förderort oder den sonstigen zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgängen
nicht entnehmen. Aus dem Schreiben des Schulamtes an die Beklagte vom 12. August
1998 geht lediglich hervor, dass die Entscheidung über die integrative Beschulung in
der C. -Grundschule im Interesse des Kindes erfolgt sei. Eine Notwendigkeit, (nur) diese
Entscheidung zu treffen, lässt sich (auch) dem Schreiben des Schulamtes nicht
entnehmen.
66
b. Nicht entscheidungserheblich ist hiernach, ob die Integrationshelfer für L. I. (teilweise)
Aufgaben eines Lehrers erfüllten und deshalb auch das Land zu deren Einstellung und
infolgedessen zur Tragung der Personalausgaben nach § 3 Abs. 1 SchFG NRW
verpflichtet war. Die unterschiedlichen Standpunkte zu dieser Frage und deren
fallübergreifende Bedeutung, etwa in dem beim Verwaltungsgericht Münster
anhängigen Verfahren 1 K 1123/04, veranlassen den Senat gleichwohl zu folgendem
Hinweis:
67
Für den schulfinanzrechtlichen Begriff des Lehrers im Sinne des § 3 Abs. 1 SchFG
NRW kommt es nicht auf die konkret ausgeübte Funktion im Unterricht, sondern allein
auf die formelle Rechtsstellung als Lehrer im Beamten- oder Angestelltenverhältnis an.
Eine derartige Rechtsstellung hatten die Integrationshelfer für L. I. nicht inne.
68
Der Begriff des Lehrers ist weder in § 3 Abs. 1 SchFG NRW noch in anderen
Vorschriften des Schulfinanzgesetzes definiert. Er erschließt sich aus der Vorschrift des
§ 22 SchVG NRW. Sie bildet den inneren Grund dafür, dass das Land gemäß § 3 Abs. 1
SchFG NRW die Personalausgaben für Lehrer an öffentlichen Schulen trägt, deren
Träger das Land, eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband ist. Nach § 22 SchVG
NRW sind die Lehrer an den öffentlichen Schulen entweder Bedienstete des Landes
oder des Schulträgers. Bedienstete des Landes sind die Lehrer an den öffentlichen
Schulen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände (§ 22 Abs. 1 SchVG
69
NRW) sowie die Lehrer an Sonderschulen der Landschaftsverbände und der übrigen in
§ 22 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW genannten Schulträger (§ 22 Abs. 2 Satz 3 SchVG
NRW). Als Bedienstete des Landes sind die Lehrer in der Regel zu Beamten zu
ernennen (§ 22 Abs. 3 Satz 1 SchVG NRW). In Ausnahmefällen können sie als
Angestellte des Landes beschäftigt werden (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SchVG NRW). Diese
durch § 22 SchVG NRW vorgegebene und an das Anstellungsverhältnis zum Land
anknüpfende formelle Rechtsstellung war und ist für den Gesetzgeber
ausschlaggebend, die Personalausgaben der in § 3 Abs. 1 SchFG NRW genannten
Lehrer zu übernehmen, weil die Rechtsstellung als Beamte oder Angestellte des
Landes sicher stellt, dass allein das Land über die Beschäftigung als Lehrer und den
Einsatz an einer konkreten öffentlichen Schule entscheidet. Soweit bei Lehrern im
Dienst des Schulträgers nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW, deren Anstellung nach §
22 Abs. 2 Satz 3 SchVG der Bestätigung durch die obere Schulaufsichtsbehörde bedarf,
das Land die Personalausgaben nach § 4 SchFG NRW erstattet, gilt Entsprechendes.
Auch insoweit wird für die Eigenschaft als Lehrer an das Anstellungsverhältnis zum
Schulträger und nicht an die konkret ausgeübte Funktion angeknüpft.
Vgl. auch Begründung des Entwurfs des Schulfinanzgesetzes, LT-Drs. 3/276, S. 10 und
S. 12 (zu § 3 Abs. 2), und des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des
Schulfinanzgesetzes, LT-Drs. 1545, S. 5 (zu Art. I Nr. 2).
70
Etwas Anderes ergibt sich nicht aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur
Änderung des Schulfinanzgesetzes und des Ersatzschulfinanzgesetzes vom 7. April
1970, GVBl NRW S. 262. Im damaligen Gesetzgebungsverfahren ist zwar (auch) eine
auf die konkret ausgeübte Funktion abstellende "extensive" Bestimmung des Begriffs
Lehrer angesprochen worden.
71
Vgl. die im Verfahren 1 K 1123/04 (Verwaltungsgericht Münster) vorgelegte Vorlage des
Staatssekretärs Herzberg an den Kulturausschuss des Landtags - I B 1 30-12/1 Nr.
3368/69 u. a. -, sowie Rede des Abgeordneten Toetemeyer (SPD), Stenografische
Berichte des Landtags NRW, Band IV, S. 2837.
72
Eine Änderung des bisherigen - auf die formelle Rechtsstellung abstellenden - Begriffs
des Lehrers sollte jedoch wegen der "Komplexität" der schulrechtlichen Problematik
nicht im Zusammenhang mit dem Erlass des Änderungsgesetzes vom 7. April 1970,
sondern aufgrund einer Zusage des damaligen Kultusministers zu einem späteren
Zeitpunkt erfolgen.
73
Vgl. Rede des Abgeordneten Toetemeyer, a. a. O.
74
Eine dahingehende Änderung ist aber bis heute nicht erfolgt.
75
Auch § 32 Abs. 1 SchOG NRW verdeutlicht im Übrigen, dass im nordrhein-
westfälischen Schulrecht grundsätzlich die konkret ausgeübte Funktion für den Begriff
Lehrer unerheblich ist. Nach dieser Vorschrift wird Religionsunterricht von Lehrern oder
Geistlichen erteilt. Diese Unterscheidung wäre entbehrlich, wenn sich der Begriff Lehrer
nach der konkret ausgeübten Funktion richtete. Denn Geistliche sind ihrer Funktion
nach Lehrer, wenn sie an einer öffentlichen Schule Religionsunterricht erteilen.
76
Die Anknüpfung an die konkret ausgeübte Funktion für den Begriff des Lehrers im Sinne
des § 3 Abs. 1 SchFG NRW widerspräche auch dem Zweck des Schulfinanzgesetzes
77
NRW. Die Aufteilung der Schulkosten nach dem Schulfinanzgesetz bedarf einer
sicheren Grundlage mit klaren und überschaubaren Vorgaben, um dem Land und den
Schulträgern eine verlässliche Haushaltsplanung zu ermöglichen. Bei der
Haushaltsplanung des Landes und der Schulträger sind unter anderem die Grundsätze
der Haushaltsklarheit und -wahrheit zu beachten. Sie erfordern eine Haushaltsplanung,
die das Finanzverhalten durchsichtig macht, nicht verschleiert und wirksam steuert.
VerfGH NRW, Urteile vom 14. Mai 1996 - VerfGH 5/95 -, NWVBl 1996, 291 (295), und
28. Januar 1992 - VerfGH 1/91 -, NWVBl 1992, 129 (130).
78
Eine derartige Haushaltsplanung ist aber angesichts der Vielzahl der an Schulen tätigen
Lehrer und sonstigen im Unterricht tätigen Bediensteten kaum zu leisten, wenn in jedem
Einzelfall vor Aufstellung des Haushaltsplans zu prüfen ist, ob der Betroffene die
Funktion als Lehrer oder eine andere Funktion ausübt.
79
II. Die Entscheidung des Schulamtes für den Kreis T. -X. über den schulischen Förderort
ist auch deshalb rechtswidrig, weil die gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2
SchpflG NRW erforderliche Zustimmung der Beklagten als Schulträger zur integrativen
Beschulung des Schülers L. I. in der C. -Grundschule nicht vorlag. Die Zustimmung der
Beklagten vom 8. Juli 1997 ist unwirksam.
80
Bei der Zustimmung des Schulträgers gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2
SchpflG NRW handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Derartige
Willenserklärungen sind unwirksam, wenn sie widersprüchlich sind oder einen nach der
Rechtsordnung nicht geltungsfähigen Inhalt haben (sog. perplexe Willenserklärungen).
81
Vgl. zum Arbeits- und Zivilrecht: LAG Hamm, Urteil vom 10. Februar 2000 - 16 Sa
1482/99 -, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 29. Januar 1997 - 4 U 166/96 -, juris;
Heinrichs, a. a. O., § 133, Anm. 3 b (Rdn 6 und 6 a); Brox, in: Erman, Handkommentar
zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 8. Auflage, 1989, 1. Band, § 133 Rdn 12; Mayer-Maly, in:
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, Allgemeiner Teil (§§ 1 -
240), AGB-Gesetz, 2. Auflage, 1984, § 133, Rdn 41.
82
Letzteres ist in Bezug auf die Zustimmung der Beklagten der Fall. Die Zustimmung vom
8. Juli 1997 enthält den "Vorbehalt", dass die Beklagte keine Personalkosten für den
Einsatz der Integrationshelfer trägt. Ein derartiger "Vorbehalt" verstößt gegen
zwingendes höherrangiges Recht, weil die Beklagte ihre Zustimmung nur dann erteilen
kann, wenn sie nicht nur zur Tragung der sächlichen, sondern auch der personellen
Mehrkosten der gemeinsamen Unterrichtung eines Schülers mit sonderpädagogischem
Förderbedarf bereit und in der Lage ist. Das folgt aus dem Zweck des
Zustimmungserfordernisses gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW
und den Regelungen in §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 und 2 SchFG NRW.
83
Das Erfordernis der Zustimmung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG
NRW hat den Zweck, dem Schulträger vor der Entscheidung über den Förderort eines
Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Prüfung zu ermöglichen, ob und
inwieweit Mehrkosten bei der integrativen Beschulung anfallen, und ob er bereit und in
der Lage ist, die Mehrkosten zu tragen.
84
Gesetzentwurf der Landesregierung zur Weiterentwicklung der sonderpädagogischen
Förderung, a. a. O., S. 2.
85
Diese Prüfung und Entscheidung erstreckt sich nicht nur auf die sächlichen
Mehrausgaben, die der Schulträger gemäß § 2 SchFG NRW aufgrund seiner Pflicht zur
Bereitstellung und Unterhaltung der für einen ordnungsgemäßen Unterricht
erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen, Lehrmittel und einer am
allgemeinen Stand der Technik orientierten Sachausstattung (§ 30 Abs. 1 Satz 1 SchVG
NRW) trägt. Wenn zur gemeinsamen Unterrichtung von Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf der Einsatz von Lehrern (§ 3 Abs. 1 SchFG NRW)
nicht genügt, sondern zusätzlich der Einsatz von Integrationshelfern erforderlich ist,
muss der Schulträger außerdem prüfen und entscheiden, ob er die personellen
Mehraufwendungen durch den Einsatz von Integrationshelfern trägt.
86
Ebenso Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1502, a. a. O., S. 3, und
Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 578, LT-Drs. 12/1788, S. 2.
87
Denn aufgrund der durch das Schulfinanzgesetz vorgegebenen ausschließlichen
Kostenträgerschaft des Landes oder der Schulträger im Bereich der Schulkosten ist es,
wie ausgeführt, Sache des Schulträgers, hier der Beklagten, die erforderlichen
Integrationshelfer als andere Bedienstete im Sinne des § 3 Abs. 2 SchFG NRW
anzustellen und die sich hieraus ergebenden Kosten zu tragen. Ist der Schulträger
hierzu nicht bereit oder nicht in der Lage, verstößt seine gleichwohl erteilte Zustimmung
zur integrativen Beschulung gegen höherrangiges Recht. Eine Zustimmung mit dem von
der Beklagten erklärten "Vorbehalt", keine personellen Mehraufwendungen tragen zu
wollen, oder ähnliche Einschränkungen sind mit den Vorgaben des
Schulfinanzgesetzes nicht vereinbar.
88
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine vorbehaltlose Zustimmung gemäß § 7
Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW zu erteilen. Ob eine Verpflichtung zur
Erteilung der Zustimmung besteht, wenn die integrative Beschulung eines Schülers mit
sonderpädagogischem Förderbedarf keine sächlichen und personellen Mehrkosten
begründet,
89
so Ziff. 1.1 Abs. 3 Satz 2 des Einführungserlasses zum Gesetz zur Weiterentwicklung
der sonderpädagogischen Förderung in Schulen, Runderlass des Kultusministeriums
vom 29. Mai 1995, GABl. NRW S. 107,
90
kann dahinstehen. Die integrative Beschulung des Schülers L. I. begründete jedenfalls
personelle Mehrkosten, weil er auf die Betreuung durch Integrationshelfer angewiesen
war. Eine gesetzliche oder verfassungsrechtliche Verpflichtung der Beklagten zur
Übernahme der personellen Mehrkosten besteht aus den bereits dargelegten Gründen
nicht. Daraus folgt zugleich, dass sie gesetzlich oder verfassungsrechtlich nicht zur
Erteilung einer vorbehaltlosen Zustimmung verpflichtet war.
91
B. Nach Treu und Glauben sind die Folgen der objektiv rechtswidrigen Entscheidungen
des Schulamtes für den Kreis T. -X. über den schulischen Förderort nicht der Beklagten,
sondern dem Kläger zuzurechnen. Er würde im Falle einer Verurteilung der Beklagten
zur Erstattung der entstandenen Personalkosten für den Einsatz von Integrationshelfern
grundlos einen Rechtsvorteil zu Lasten der Beklagten erhalten.
92
Das Schulamt hat, wie sich aus dem Schreiben des Schulamtsdirektors an die Beklagte
vom 12. August 1998 ergibt, die Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung über den
93
schulischen Förderort in Erwägung gezogen, weil aus seiner Sicht unklar war, wer die
Kosten für den Einsatz von Integrationshelfern zu tragen habe, und weil es die
Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, dass die Zustimmung der Beklagten aufgrund
des darin enthaltenen "Vorbehalts", die Kosten für Integrationshelfer nicht übernehmen
zu wollen, letztlich als Ablehnung zu werten sei. Die finanziellen Folgen dieser rechtlich
fehlerhaften Entscheidung können nach Treu und Glauben nicht auf die Beklagte
verlagert werden, weil sich der Kläger im Verhältnis zur Beklagten die rechtlich
fehlerhafte Entscheidung des Schulamtes unter Kostengesichtspunkten zurechnen
lassen muss (I.) und der damalige Oberkreisdirektor und heutige Landrat des Klägers
die Entscheidung des Schulamtes hätte verhindern können (II.).
I. Aus § 18 Abs. 8 SchVG NRW folgt, dass der Kläger für die finanziellen Folgen
sämtlicher - rechtmäßiger oder rechtswidriger - Entscheidungen des Schulamtes für den
Kreis T. -X. , das aus dem Landrat des Klägers und dem schulfachlichen
Schulaufsichtsbeamten (§ 18 Abs. 2 Satz 2 SchVG NRW) besteht, aufzukommen hat.
94
Nach § 18 Abs. 8 Satz 1 SchVG trägt das Land die Personalausgaben für den
schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten. Die übrigen Kosten des Schulamtes trägt
gemäß § 18 Abs. 8 Satz 2 SchVG NRW der Kreis, hier der Kläger. Angesichts dieser
schulrechtlichen Kostentragungspflicht des Klägers ist es mit Treu und Glauben nicht
vereinbar, die Beklagte mit den Kosten der rechtswidrigen Entscheidung über den
schulischen Förderort des Schülers L. I. zu belasten. Die finanziellen Folgen der
rechtswidrigen Entscheidung über den schulischen Förderort, etwa
Schadensersatzansprüche der Eltern des Schülers L. I. , die mit dem Verein INVEMA e.
V. den Einsatz von Zivildienstleistenden vereinbart hatten, sind keine
Personalausgaben für den schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten, sondern sonstige
Kosten des Schulamtes im Sinne des § 18 Abs. 8 Satz 2 SchVG NRW, die der Kläger
zu tragen hat. Wenn aber der Kläger schulrechtlich die finanziellen Folgen der
rechtswidrigen Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort zu tragen
hat, erhielte er grundlos einen Rechtsvorteil zu Lasten der Beklagten, wenn sie zur
Kostenerstattung an den Kläger verurteilt würde.
95
Nichts Anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger als Träger der örtlichen Sozialhilfe
bei der Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Nr. 3
BSHG an die Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort gebunden
ist.
96
Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2002 - 16 A 5013/00 -, m. w. N.
97
Die Bindungswirkung besteht nur im Verhältnis des Klägers zum Hilfeempfänger. Sie
geht auch nicht so weit, dass der Kläger als Träger der örtlichen Sozialhilfe etwaige
aufgrund der Gewährung von Eingliederungshilfe entstandene Erstattungsansprüche
stets ohne Rücksicht auf seine aus § 18 Abs. 8 Satz 2 SchVG NRW folgende finanzielle
Verantwortung für rechtswidrige Entscheidungen des Schulamtes durchsetzen könnte.
98
Ob der Kläger gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen Ansprüche geltend machen
kann, weil der schulfachliche Schulaufsichtsbeamte, der die Entscheidung über den
schulischen Förderort getroffen hat, Landesbeamter ist (§ 18 Abs. 7 Satz 1 SchVG
NRW), bedarf keiner näheren Erörterung. Etwaige Ansprüche des Klägers gegen das
Land auf Übernahme der gesamten oder teilweisen Kosten für den Einsatz von
Integrationshelfern rechtfertigen es nicht, (zunächst) die Beklagte mit diesen Kosten zu
99
belasten.
II. Der damalige Oberkreisdirektor des Klägers hätte auch die rechtswidrige
Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort verhindern können,
wenn er an der Entscheidung mitgewirkt hätte. Zu dieser nicht erfolgten Mitwirkung war
er verpflichtet.
100
Das Schulamt gliedert sich in den schulfachlichen, den verwaltungsfachlichen und den
gemeinsamen Dienstbereich (§ 18 Abs. 3 Satz 1 SchVG NRW). In den gemeinsamen
Dienstbereich des Schulamtes fallen solche Angelegenheiten, die sowohl
schulfachlichen als auch rechtlichen Bezug haben (§ 18 Abs. 3 Sätze 2 und 4 SchVG
NRW). Über diese Angelegenheiten entscheiden der schulfachliche
Schulaufsichtsbeamte und der damalige Oberkreisdirektor und heutige Landrat des
Klägers gemeinsam (§ 18 Abs. 3 Satz 4 SchVG NRW). Bestehen Zweifel über die
Zuordnung der Angelegenheit, ist sie als gemeinsame Angelegenheit zu behandeln (§
18 Abs. 3 Satz 5 SchVG NRW). Danach hätten der schulfachliche
Schulaufsichtsbeamte sowie der damalige Oberkreisdirektor des Klägers gemeinsam
über den schulischen Förderort des Schülers L. I. entscheiden müssen. Es handelte sich
um eine gemeinsame Angelegenheit, weil sie sowohl sonderpädagogische und damit
schulfachliche Fragen als auch, wie der Schulamtsdirektor zutreffend erkannt hatte, mit
Blick auf die rechtlich zu beurteilenden Fragen der Kostentragungspflicht für den
erforderlichen Einsatz von Integrationshelfern und der Wirksamkeit der Zustimmung der
Beklagten vom 8. Juli 1997 rechtliche Aspekte betraf. Insofern handelte es sich im
Übrigen auch um eine wichtige Angelegenheit im Sinne des § 18 Abs. 3 Satz 3 SchVG
NRW, die es nach dieser Vorschrift erforderte, dass sich der schulfachliche
Schulaufsichtsbeamte sowie der damalige Oberkreisdirektor und heutige Landrat des
Klägers ins Benehmen setzten. Nach den vorliegenden Unterlagen ist jedoch weder
eine gemeinsame Entscheidung getroffen worden noch das Benehmen im Sinne des §
18 Abs. 3 Satz 3 SchVG NRW herbeigeführt worden.
101
Der Senat verkennt nicht, dass angesichts der dargelegten gesetzlichen und
verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auszuschließen ist, dass Schulträger öffentlicher
Schulen angesichts der allgemeinen kommunalen Haushaltslage aus Kostengründen
nur in Einzelfällen die in ihrem Ermessen stehende Zustimmung zur integrativen
Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erteilen und deshalb
ein (weiterer) Rückgang der aus Sicht des Senats wünschenswerten integrativen
Beschulung zu verzeichnen sein könnte,
102
ebenso bereits VG Arnsberg, Urteil vom 18. Februar 1998 - 9 K 157/97 -, a. a. O., 111,
103
obwohl sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SchpflG NRW gleichrangig neben der
sonderpädagogischen Förderung in einer Sonderschule seht.
104
OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2003 - 19 B 2125/03 -, und 16. April 2003 -
19 B 403/03 -.
105
Es ist Sache des Gesetzgebers, entweder das Land Nordrhein-Westfalen oder die
Schulträger öffentlicher Schulen zu verpflichten, die personellen und sonstigen
finanziellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung von Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen.
106
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
107
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht
auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
108
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht erfüllt sind.
109