Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.02.2007

OVG NRW: aufschiebende wirkung, vorrang, rechtswidrigkeit, anfechtungsklage, unterführung, verzicht, ausweisung, kritik, lärm, einfluss

Oberverwaltungsgericht NRW, 11 B 897/06.AK
Datum:
16.02.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 B 897/06.AK
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 100.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage 11 D
62/06.AK gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 6. März 2006 hat keinen Erfolg.
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Der Antrag ist statthaft, weil die erhobene Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung entfaltet. Der im Hauptsacheverfahren angegriffene Planfeststellungsbeschluss
ist gemäß § 17 e Abs. 2 Satz 1 des Bundesfernstraßengesetzes - FStrG - in der
Neufassung vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) kraft Gesetzes sofort vollziehbar.
Der Neubau des Abschnitts 5 B der BAB 33 und der Bundesstraße 61 als Zubringer
Bielefeld/Brackwede ist jeweils im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen (Anlage zu §
1 Abs. 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes vom 4.
Oktober 2004, BGBl. I S. 2574, in der Fassung der Neubekanntmachung vom 20. Januar
2005, BGBl. I S. 201) als „vordringlicher Bedarf" dargestellt.
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Der Antrag greift in der Sache jedoch nicht durch. Die bei einer Entscheidung nach § 80
Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und
privaten Interessen fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Die im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes gebotene und auch nur mögliche summarische Prüfung
ergibt, dass die von der Antragstellerin gerügten Fehler in einem nachfolgenden
Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht zur Aufhebung oder zur Feststellung der
Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen werden. Dabei prüft der
Senat die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses
grundsätzlich nur innerhalb des Rahmens der innerhalb der Monatsfrist des § 17 e Abs.
2 Satz 2 FStrG vorgetragenen Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder
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Nichtberücksichtigung sich der Rechtsmittelführer beschwert fühlt.
Vgl. zum Prüfungsrahmen BVerwG, Beschluss vom 1. April 2005 - 9 VR 7.05 -, NuR
2005, 709 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2001 - 11 B 1135/01.AK -.
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Daran gemessen kann nicht festgestellt werden, dass der angegriffene
Planfeststellungsbeschluss, der hinsichtlich der Antragstellerin enteignungsrechtliche
Vorwirkung entfaltet, wegen eines von ihr bezeichneten Mangels rechtswidrig ist.
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Verstöße des Planfeststellungsbeschlusses gegen zwingende Rechtssätze des
materiellen Planfeststellungsrechts, die zu seiner Aufhebung im Hauptsacheverfahren
führen könnten, sind nicht geltend gemacht. Die Antragstellerin wendet sich vielmehr „im
Kern gegen die Inanspruchnahme des von ihr und ihrem Ehemann bewohnten
Wohnhauses X. . 59" und die dazu ergangene Abwägungsentscheidung der
Planfeststellungsbehörde. Die Überprüfung der von der Planfeststellungsbehörde
getroffenen Entscheidung in Bezug auf den Abwägungsvorgang und das
Abwägungsergebnis nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu
entwickelten Maßstäben
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- vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991
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- 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332 (341) -
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ergibt indessen keine im Grundsatz erheblichen Beanstandungen, die bereits jetzt
erkennen ließen, dass der Planfeststellungsbeschluss im Hauptsacheverfahren
aufzuheben oder seine Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit festzustellen wäre.
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Die von der Antragstellerin bemängelte Abwägungsentscheidung zum Trassenverlauf,
die sie mit Blick auf die Lage der Anschlussstelle Kreuz Ostwestfalendamm als eine
unnötige Inanspruchnahme ihrer Grundstücke rügt, ist voraussichtlich unbedenklich. Die
fachplanerische Abwägungsentscheidung kann vom Gericht nur eingeschränkt auf das
Vorliegen von Abwägungsfehlern hin überprüft werden. Zudem sind Abwägungsfehler
auch nur dann erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von
Einfluss gewesen sind (vgl. § 17e Abs. 6 Satz 1 FStrG). Vor diesem Hintergrund vermag
der Senat nicht zu erkennen, dass eine Abwägung der Planfeststellungsbehörde gerade
auch im Hinblick auf die betroffenen Eigentümerbelange nicht stattgefunden hätte, dass
die Bedeutung dieser Belange grundsätzlich verkannt worden wäre oder dass der
Ausgleich zwischen ihnen und anderen, für das Vorhaben sprechenden Belangen in
einer Weise vorgenommen worden wäre, die zur objektiven Gewichtigkeit des
Eigentumsschutzes außer Verhältnis steht.
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Die Planfeststellungsbehörde hat die Trassenführung der A 33 im Bereich des
Grundeigentums der Antragstellerin ausführlich in den Blick genommen. Sie hat erkannt,
dass die - entgegen früheren Planungsentwürfen aus den Achtziger Jahren des
vergangenen Jahrhunderts - zum Schutz des Waldgebietes am Grippenbach
vorgesehene Verschiebung der Anschlussstelle um etwa 130 m nach Westen zur
vollständigen Überplanung des Hofes I. mit allen Gebäuden und nahezu allen Flächen
führt und diese nachteiligen Auswirkungen auf das Grundeigentum der Antragstellerin
im Planfeststellungsbeschluss (S. 190 ff und 406 ff.) umfassend gewürdigt.
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Dass sie bei der Abwägung zwischen den geltend gemachten privaten Belangen der
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Antragstellerin und den entgegen stehenden öffentlichen Belangen letzteren den
Vorrang eingeräumt hat, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Interesse des
Eigentümers von Grundstücken, nicht enteignend in Anspruch genommen zu werden,
besitzt gegenüber den sonstigen zu berücksichtigenden Belangen keinen generellen
Vorrang.
Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 30. September 1998 - 4 VR 9.98 -, Buchholz 407.4
§ 17 FStrG Nr. 142, und vom 15. April 1999 - 4 VR 18.98 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG
Nr. 151.
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Die Kritik der Antragstellerin an der Würdigung und Gewichtung der einzelnen Belange
durch die Planfeststellungsbehörde im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit
verfängt nicht. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Antragserwiderung, der die
Antragstellerin nicht entgegen getreten ist, die Kritikpunkte im einzelnen erneut
aufgegriffen und auf den Schutz des ökologisch bedeutsamen Waldbestandes am
Grippenbach, die Vermeidung einer weiteren Annäherung der Trasse an die
Heimchensiedlung und die Mehrkosten für eine zusätzliche Unterführung der südlichen
Nebenfahrbahn unter der Bahnlinie Hannover-Hamm von etwa 2,2 Millionen Euro
hingewiesen. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Planfeststellungsbehörde
angesichts dieser Gegebenheiten in Kenntnis der mit der Trassenwahl verbundenen
Beeinträchtigungen Belange der Antragstellerin unvertretbar gewichtet hätte. Für den
Vorwurf der Antragstellerin, die Kosteneinsparungen bei dem Überführungsbauwerk
seien primärer und entscheidender Grund für die Änderung der ursprünglichen Planung,
fehlt jeglicher Beleg. Im Gegenteil wird im Planfeststellungsbeschluss (S. 192)
ausdrücklich darauf verwiesen, dass „den grundgesetzlich geschützten
Eigentumsinteressen gerade im Falle einer Existenzvernichtung ein großes Gewicht
beizumessen ist", jedoch einem „Verzicht auf die Inanspruchnahme der Hofstelle I. ... ein
ganzes Bündel von Belangen entgegen"-steht. In diesem Zusammenhang wird
insbesondere betont, dass „der Schutz des Biotopkomplexes am Grippenbach sicherlich
der schwerwiegendste und mit den Eigentumsinteressen gleichgewichtige ist". Dass die
Planfeststellungsbehörde die ökologische Bedeutung des Biotopkomplexes
Grippenbach in hier zu beanstandender Weise überschätzt hat, ist nicht ersichtlich. Die
Antragsgegnerin weist insoweit - unwidersprochen - unter anderem darauf hin, dass
dessen Wertigkeit schon durch die Ausweisung im landesweiten Biotopkataster belegt
sei und die bedingt naturnahen Abschnitte des Grippenbaches als geschützte
Landschaftsbestandteile gemäß § 62 LG ausgewiesen seien. Zudem komme dem
Waldbereich am Grippenbach nach den Ergebnissen der Umweltverträglichkeitsstudie
aus dem Jahre 1992 in Bezug auf die Flora eine außergewöhnlich hohe und in Bezug
auf die Fauna eine sehr hohe Wertigkeit zu. Diese Ergebnisse deckten sich mit der
Bestandsermittlung und Bestandsbewertung im Landschaftspflegerischen Begleitplan,
Stand 20. Mai 2005, sowie der „Untersuchung zum Vorkommen streng geschützter Arten
im Trassenbereich der A 33, Abschnitt 5 B", Stand 25. Mai 2005, und stünden auch nicht
in Widerspruch zu der gleichnamigen Untersuchung von November 2004. Ebenso
wenig lassen die Ausführungen der Antragsgegnerin zur Lärm- und Schadstoffsituation
der Heimchensiedlung sowie den Mehrkosten einer Überführung der Bahnlinie im Falle
einer Verschiebung der Trasse eine Fehlgewichtung der widerstreitenden Interessen
erkennen. Ein offenkundiger Fehler bei der Gesamtbewertung im Sinne des § 17e Abs.
6 Satz 1 FStrG ist mithin nicht aufgezeigt. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass die
Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen
Trassenvarianten überschritten ist. Denn eine andere als die gewählte Trassenführung
drängt sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblicher Belange nicht als
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bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere und damit
vorzugswürdige Lösung auf.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - 9 A 56.04 -, juris, Rn. 55, m. w. N.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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