Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.02.2005

OVG NRW: vergabe von aufträgen, widerruf, verwaltungsakt, auflage, öffentliche ausschreibung, behörde, firma, zuwendung, wirtschaftlichkeit, entsorgung

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 1065/04
Datum:
22.02.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 A 1065/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 15 K 5246/00
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die
Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um den Teilwiderruf eines Zuwendungsbescheides, die
entsprechende Rückforderung der zugewandten Geldleistung sowie deren Verzinsung.
2
Mit Zuwendungsbescheid 6/82 vom 24. Juli 1990 bewilligte die Beklagte der Klägerin
eine Zuwendung in Höhe von 1.244.800,-- DM für
Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen im Untersuchungsgebiet "I. "
(Verkehrsberuhigter Ausbau u.a. der I1.------straße - 1. Bauabschnitt - zwischen I2.--- -
straße und B.------straße ).
3
Ferner bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Zuwendungsbescheid Nr. 6/21 vom 29.
August 1991 eine Zuwendung in Höhe von 600.000,-- DM, wovon 350.000,-- DM auf
Landes- und 250.000,-- DM auf Bundesmittel entfielen. Die Zuwendung erfolgte zur
Durchführung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im Untersuchungsgebiet "I. " in E. ,
2. Bauabschnitt. Die Zuwendungen wurden jeweils in der Form der Anteilsfinanzierung
in Höhe von 80 % zu zuwendungsfähigen Gesamtausgaben in Höhe von 1.556.000,--
4
DM bzw. 750.000,-- DM als Zuschuss gewährt.
In dem mit "Nebenbestimmungen" überschriebenen Teil II. des Bescheides vom 29.
August 1991 heißt es: "Die beigefügten ANBest-G sind Bestandteil dieses Bescheides."
Die ANBest-G (Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur
Projektförderung an Gemeinden) enthalten in der der Klägerin mit dem
Zuwendungsbescheid übersandten Fassung nach dem einleitenden Text sowohl
"Nebenstimmungen (Bedingungen und Auflagen) i.S. des § 36
Verwaltungsverfahrensgesetz NRW sowie notwendige Erläuterungen". Weiter heißt es
in Nr. 3 der ANBest-G: "Bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des
Zuwendungszwecks sind die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden
Vergabegrundsätze zu beachten".
5
Am 2. März 1992 schrieb die Klägerin den Ausbau der I1.------straße von der I2.- ---
straße bis zur L.------straße öffentlich aus. Als Eröffnungstermin wurde der 26. März 1992
bestimmt; ferner wurde festgelegt, dass die Zuschlagsfrist mit dem Eröffnungstermin
begann und am 15. Mai 1992 ablief. Die Ausschreibung enthielt hinsichtlich der Pos. 11
u.a. folgende Leistungsbeschreibung: "1.900 to bit/teerhaltige Deckschicht in einer
Stärke bis 10 cm aufnehmen und auf eine Sondermülldeponie abfahren." Im
Eröffnungstermin wurde der Eingang von fünf Angeboten festgestellt. Das günstigste
Angebot stammte von der Fa. G. -Bau GmbH (1.874.030,67 DM), die nächstgünstigen
von der Bietergemeinschaft A. -N. (1.955.767,52 DM) - im Folgenden
Bietergemeinschaft - und der W. Straßen- und Tiefbau GmbH (2.015.232,26 DM).
Daraufhin beschloss der Hauptausschuss der Klägerin, den Auftrag an die Fa. G. -Bau
GmbH zu vergeben. Hiergegen machte das Rechnungsprüfungsamt der Klägerin unter
dem 7. April 1992 keine Bedenken geltend.
6
Mit Schreiben vom 7. April 1992 wies die Bietergemeinschaft die Klägerin darauf hin,
dass es auch möglich und zulässig sei, das in Pos. 11 der Ausschreibung angeführte
kontaminierte Material in zementgebundener Form als Unterbau der neu
herzustellenden Straße einzubauen. Hierdurch reduziere sich ihr bisheriger
Angebotspreis um 184.110,00 DM auf 1.771.657,52 DM. In einer hierzu gefertigten
Stellungnahme des Rechnungsprüfungsamtes der Klägerin vom 29.4.1992 heißt es im
Wesentlichen." Das Schreiben der Bietergemeinschaft ... ist erst nach der Eröffnung
eingereicht worden. Eine Berücksichtigung würde gegen § 21 Abs. 2 (gemeint ist die
VOB/A) verstoßen. Angebote, Änderungsvorschläge oder Nebenangebote können nur
in der Wertung ... berücksichtigt werden, wenn sie bei der Eröffnung des Angebots
vorgelegen haben. Außerdem würde gegen § 24 Abs. 3 verstoßen. Verhandlungen,
besonders über Änderungen der Angebote oder Preise sind unstatthaft, außer wenn sie
bei Nebenangeboten, Änderungsvorschlägen oder Angeboten auf Grund eines
Leistungsprogramms nötig sind, um technische Änderungen geringen Umfangs und
daraus sich ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren. Nach Meinung des RPA
ist eine VOB-Beschwerde zu erwarten, wenn der Vergabevorschlag... an die Firma G. ,
S. , aufgehoben wird." Daraufhin trat die Klägerin telefonisch mit den anderen Bietern in
Verbindung und fragte, ob sie andere Möglichkeiten der Deponierung anzubieten
hätten, welches technische Verfahren in Betracht komme und wie sich dies auf den
angebotenen Preis auswirke. Hierauf wurden neue Angebote vorgelegt, wobei die Fa.
G. -Bau GmbH mit 1.661.329,47 DM wiederum das günstigste Angebot unterbreitete.
Das Angebot der Bietergemeinschaft belief sich auf 1.771.657,52 DM, das der W.
Straßen- und Tiefbau GmbH auf 1.814.232,26 DM. Nach einem - später
durchgestrichenen - Beschlussentwurf des Stadtdirektors der Klägerin vom 11.05.1992
7
für den Hauptausschuss sollte der Auftrag an die Fa. G. -Bau GmbH vergeben werden.
Am selben Tage ging bei der Klägerin "unter Bezugnahme auf die telefonische
Rücksprache" ein Schreiben der Bietergemeinschaft ein, nach dem diese in der Lage
war, die teerhaltige Deckschicht zu recyclen und auf einem anderen nahe gelegenen
Grundstück wieder einzubauen. Der Angebotspreis reduzierte sich damit auf
1.624.369,53 DM. Daraufhin sollte die Bietergemeinschaft nach dem Beschlussentwurf
des Stadtdirektors der Klägerin für den Hauptausschuss vom 12. Mai .1992 den Auftrag
erhalten. In einer dazu verfassten und auf den 12. Mai 1992 datierten Stellungnahme
des Rechnungsprüfungsamtes der Klägerin heißt es:
"Nach der Angebotseröffnung wurden Ausführungsveränderungen vorgesehen, für die
nachträgliche Preisangebote eingeholt wurden. Dies widerspricht der VOB/A. ... Für
einen vermeintlichen wirtschaftlichen Vorteil von ca. 40.000,00 DM das Risiko von
hohen Schadensersatzleistungen einzugehen, käme einem Glücksspiel gleich."
8
Nachdem der Hauptausschuss am 13. Mai 1992 beschlossen hatte, den Auftrag an die
Bietergemeinschaft zu erteilen, bestätigte die Bietergemeinschaft der Klägerin mit bei
dieser am 15. Mai 1992 eingegangenem Schreiben, dass sie mit einer Verlängerung der
Zuschlagsfrist einverstanden sei. Mit Schreiben der Klägerin vom 25. Mai 1992 wurde
die Bietergemeinschaft mit der Durchführung der Straßenbauarbeiten beauftragt.
9
Sodann wurden in den Jahren 1992 und 1993 u.a. die
Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im Untersuchungsgebiet "I. " in E. , 2. Bauabschnitt,
durchgeführt. Zumindest ein Teil des aus dem Bauobjekt "I1.------ straße " stammenden
Bodenaushubs wurde auf einem Zechengelände in E. abgelagert. Weil der
Bodenaushub nach einer fachtechnischen Untersuchung nicht als unbedenklich
eingestuft wurde, wurde er im Auftrag der Klägerin zu einem Bruttopreis von 34.200,54
DM entsorgt. Ferner entstanden im Zusammenhang mit der Entsorgung des
Straßenaufbruchs Kosten für gutachtliche Leistungen in Höhe von 7.668,78 DM.
10
Die mit Zuwendungsbescheid Nr. 6/21 vom 29. August 1991 bewilligten Mittel in Höhe
von 600.000,-- DM zahlte die Beklagte in zwei Raten an die Klägerin aus. Die erste Rate
in Höhe von 250.000,-- DM ging am 12. Januar 2003 bei der Klägerin ein, die zweite in
Höhe von 350.000,-- DM am 18. November 1993.
11
Mit Schreiben vom 31. Mai 1996 übersandte die Klägerin der Beklagten die
Verwendungsnachweise für die bezuschusste Durchführung von
Verkehrsberuhigungsmaßnahmen.
12
Im September und Oktober 1996 führte das Gemeindeprüfungsamt S. bei der Klägerin
die überörtliche Prüfung hinsichtlich der Haushaltsjahre 1994 und 1995 durch. Nach
den Feststellungen des Prüfberichts hat die Klägerin bei der Vergabe der Aufträge für
die Durchführung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im Untersuchungsgebiet "I. " in
E. , 1. und 2. Bauabschnitt, erheblich gegen die VOB/A verstoßen. Zwar seien die
entsprechenden Arbeiten, die hinsichtlich der Position 11 des mehr als 100 Positionen
umfassenden Leistungsverzeichnisses darin bestanden hätten, etwa 1.900 Tonnen
kontaminierten Straßenaufbruchs als Sondermüll zu deponieren, öffentlich
ausgeschrieben worden. Auch die danach maßgebliche Bieterrangfolge habe das
Tiefbauamt der Klägerin zunächst korrekt ermittelt. Nach dem so erarbeiteten
Vergabevorschlag habe eine Firma aus S. als Mindestbieterin den 1. und eine
Bietergemeinschaft aus E. den 2. Platz erhalten. Anschließend habe jedoch die
13
Bietergemeinschaft unter dem 7. April 1992 für die Position 11 des
Leistungsverzeichnisses einen Sondervorschlag unterbreitet, der sich auf ein
kostengünstigeres Wiedereinbauen der teerhaltigen Massen bezogen habe. Nachdem
die Klägerin daraufhin alle Bieter um Aussagen dazu gebeten habe, ob und zu welchen
Preisen sie ebenfalls in dieser Weise verfahren könnten, habe sich gezeigt, dass nicht
sämtliche Bieter in der Lage gewesen seien, derartig veränderte Leistungen zu
erbringen. Mit anderen Bietern habe die Klägerin insoweit mehrere nach der VOB/A
unzulässige Preisverhandlungen geführt mit der Folge, dass drei Bieter für die Position
11 jeweils reduzierte Preise mitgeteilt hätten. Dadurch habe sich das Auftragsvolumen
zwar um 210.000,-- DM reduziert, die Rangfolge der Bieter sei aber zunächst dieselbe
geblieben. Indem allerdings die bisher an zweiter Stelle liegende Bietergemeinschaft
unter dem 11. Mai 1992 ihre Angebotssumme nochmals gesenkt habe, habe sie
nunmehr die Angebotssumme der Firma aus S. knapp unterschritten, sodass es zu einer
wettbewerbswidrigen Änderung der Bieterrangfolge gekommen sei. Dementsprechend
habe die Klägerin den Auftrag an die Bietergemeinschaft vergeben. Im Übrigen habe
sich inzwischen angesichts der endabgerechneten Massen gezeigt, dass sich die
Beauftragung dieser Bietergemeinschaft unwirtschaftlich ausgewirkt habe, wodurch der
auf Grund der zweiten Preisverhandlungen bei der Position 11 erreichte vermeintliche
Preisvorteil insgesamt neutralisiert worden sei.
Die Klägerin widersprach der Einschätzung des Gemeindeprüfungsamtes, sie habe bei
der Erteilung des Bauauftrags an die Bietergemeinschaft gegen die Bestimmungen der
VOB verstoßen. Sie führte aus: Sie habe - nach der Ausschaltung eines Rechenfehlers -
zunächst beabsichtigt, den Auftrag der danach preisgünstigsten Firma zu erteilen. Durch
den sodann seitens der Bietergemeinschaft unterbreiteten unverbindlichen
Sondervorschlag, der kein Angebot im Rahmen des Wettbewerbs dargestellt habe, sei
der Verwaltung indessen bewusst geworden, dass statt des Deponierens
möglicherweise auch ein Entsorgen durch Recyclen in Betracht gekommen sei. In
seiner Sitzung vom 29. April 1992 habe der Hauptausschuss der Klägerin die
Verwaltung deshalb einstimmig beauftragt, sich insoweit um eine ökologisch und
finanziell bessere Lösung zu bemühen Diese Lösung habe gegenüber dem aus
insgesamt 110 Positionen bestehenden bisherigen Leistungsverzeichnis lediglich eine
geringfügige technische Änderung bedeutet. Der Lkw habe nach dem Beladen des mit
Teer kontaminierten Straßenaufbruchs nicht zu einer Deponie, sondern zu einer
Recyclinganlage fahren müssen. Anschließend habe die Verwaltung nach dem
haushaltsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit sowie unter Beachtung des
Gleichheitssatzes und der Regeln eines gleichen und gerechten Wettbewerbs den
Wettbewerb neu eröffnet. Sie habe allen Bietern telefonisch die Möglichkeit eingeräumt,
sich zu den entsprechenden Fragen zu äußern und ihre Angebote zu ändern oder zu
ergänzen. Nach Auswertung sämtlicher daraufhin rechtzeitig eingegangenen Angebote
habe der Hauptausschuss schließlich in seiner Sitzung vom 13. Mai 1992 einen
einstimmigen Beschluss über die Auftragsvergabe gefasst. Den Auftrag habe die Firma
erhalten, die das nunmehr wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Dies habe zu
Einsparungen in Höhe von 250.000,-- DM gegenüber dem nächst günstigen Angebot
geführt. Wegen des Ablaufs der Bindefrist am 15. Mai 1992 sei die Vergabe damals
zeitlich zwingend erforderlich gewesen. Eine Aufhebung der Ausschreibung mit einer
nachfolgend völlig identischen Neuausschreibung sei rechtlich nicht mehr möglich
gewesen, weil der Bieterkreis das Preisniveau gekannt habe. Überdies habe sich die
Bieterrangfolge bereits dadurch geändert, dass eine dritte beteiligte Firma am 11. Mai
1992 morgens ein Angebot vorgelegt habe, dass günstiger gewesen sei als das bisher
an erster Stelle stehende. Schließlich seien die Prüfungsbemerkungen, dass sich die
14
Beauftragung der Bietergemeinschaft unwirtschaftlich ausgewirkt habe, unrealistisch
und praxisfremd. Diese Feststellungen beruhten nämlich darauf, dass die nach
Bauende im Jahre 1994 tatsächlich abgerechneten Massen mit den im Jahre 1992
mitgeteilten Einheitspreisen eines nicht beauftragten Anbieters multipliziert worden
seien, zumal man bei diesem Vergleich die Position 11 unberücksichtigt gelassen habe.
Es liege kein Verstoß gegen die VOB vor; denn bei der Änderung der Position 11 -
Recyclen statt Deponieren - habe es sich nur um eine technische Änderung geringen
Umfangs gehandelt. Zudem habe der Auftrag so zu einem um 250.000,-- DM
günstigeren Eingangspreis vergeben werden können, während ein gegenteiliges
Verhalten den Zielen der VOB nicht entsprochen hätte. Im Oktober 1996 leitete die
Staatsanwaltschaft C. gegen einen Mitarbeiter des Tiefbauamtes der Klägerin ein
Ermittlungsverfahren wegen eines Korruptionsverdachts im Zusammenhang mit
Baumaßnahmen der Bietergemeinschaft ein. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens
wurden auch die Bauakten beschlagnahmt, die die bezuschusste
Verkehrsberuhigungsmaßnahme betreffen.
Mit Schreiben vom 6. Mai 1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Prüfung
des von der Klägerin vorgelegten Verwendungsnachweises wegen der Beschlagnahme
der für die Prüfung erforderlichen Bauakten vorerst nicht erfolgen könne.
15
In einem Vermerk vom 12. Juni 1997 setzte sich die Staatsanwaltschaft C. mit den beim
Ausbau der I1.------straße entstandenen Kosten auseinander. Ziel des Vermerks war ein
Vergleich der durch die Beauftragung der Bietergemeinschaft entstandenen Kosten mit
den fiktiven Kosten, die entstanden wären, wenn der Auftrag stattdessen der Fa. G. -Bau
GmbH oder W. Straßen- und Tiefbau GmbH erteilt worden wäre. Um insoweit eine
Vergleichbarkeit der Angebote dieser Firmen mit der Abschlussrechnung der
Bietergemeinschaft herstellen zu können, wurden kalkulatorisch die Mengenangaben in
der Abschlussrechnung der Bietergemeinschaft zugrundegelegt und sodann jeweils mit
den angegebenen Einheitspreisen in den anderen Angeboten multipliziert. Nach
diesem Vergleich wäre die fiktive Abschlussrechnung der Fa. G. -Bau GmbH um
151.812,66 DM günstiger gewesen als die der Bietergemeinschaft. Hierbei blieb die
Position 11 - Beseitigung des Bodenaushubs - unberücksichtigt.
16
Am 27. Juli 1997 leitete das Gemeindeprüfungsamt S. seinen o.g. Prüfungsbericht der
Beklagten zu. Zu den hiergegen vorgebrachten Einwänden der Klägerin führte es aus:
Der Sondervorschlag der Bietergemeinschaft habe nicht noch nachträglich im Rahmen
der "Telefonaktion" zugelassen werden dürfen, weil § 24 Nr. 3 VOB/A grundsätzlich alle
Nachverhandlungen ausschließe. Zulässig seien allein Verhandlungen zur Aufklärung
des Angebotsinhalts oder über unumgängliche technische Änderungen geringen
Umfangs. Diese Voraussetzungen lägen hinsichtlich der Nachverhandlungen betreffend
die Leistungsposition 11 nicht vor.
17
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 17. November 1997 widersprach die
Klägerin der Wertung des Gemeindeprüfungsamts S. . Die beanstandete
Vergabeentscheidung sei rechtmäßig gewesen, weil die Umstellung von der
Deponierung des Bodenaushubs auf dessen Recycling eine wegen der maßgeblichen
abfallrechtlichen Bestimmungen unumgängliche technische Änderung geringen
Umfangs gewesen sei. Der Umfang sei gering, weil die LKW´s nach dem Beladen statt
zur Deponie nunmehr lediglich zur Recyclinganlage hätten fahren müssen. Der
damalige Leiter des Rechnungsprüfungsamts lege Wert auf die Feststellung, dass er bei
der Abfassung seiner damaligen kritischen Stellungnahme vom 12. Mai 1992 nicht alle
18
maßgeblichen Fakten gekannt habe. Nunmehr komme er zu einer abweichenden
Bewertung des Vorgangs. In der insoweit in Bezug genommenen neuen Erklärung des
damaligen Leiters des Rechnungsprüfungsamtes vom 18. September 1997 heißt es im
Wesentlichen, im Nachhinein komme er zu dem Ergebnis, dass die Einholung
telefonischer Angebote in der zweiten Angebotsrunde durchaus zulässig gewesen sei,
da die Verwaltung es unterlassen habe, einen Submissionstermin festzusetzen.
In einem Vermerk der Beklagten vom 10. Dezember 1997 betreffend die
Verwendungsnachweisprüfung und die Prüfung der Beanstandungen des
Gemeindeprüfungsamts S. wird festgestellt, dass die Klägerin offensichtlich gegen die
Bestimmungen der §§ 24, 25 VOB verstoßen habe. Bei einer evtl. Rückforderung der
Fördermittel müsse aber das öffentliche Rückforderungsinteresse das gegenläufige
Interesse der Klägerin überwiegen. Sollte dies der Fall sein, so seien die Kosten für die
Leistungsposition 11 ganz oder teilweise von der Förderung auszuschließen. Es wurde
vorgeschlagen, den Stand des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zu
erfragen und um Einsicht in die Ermittlungsakten zu bitten. Sodann entschloss sich die
Beklagte, zunächst den Ausgang des Ermittlungsverfahrens abzuwarten, zumal ein
möglicher Schaden erst bei Prüfung der von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten
Akten festgestellt werden könne.
19
Mit Schreiben vom 29. Juni 1998 erstattete der Bürgermeister der Klägerin Strafanzeige
gegen den damaligen Leiter des Rechnungsprüfungsamtes Herrn M. und den
Mitarbeiter des Rechungsprüfungsamtes Herrn L. . Der Bürgermeister warf ihnen vor, die
Verwaltungsvorgänge der bezuschussten Verkehrsberuhigungsmaßnahme durch
nachträgliches Einfügen der Stellungnahme des Rechnungsprüfungsamtes vom 12. Mai
1992 manipuliert zu haben.
20
Nachdem die Beklagte die fachtechnische Stellungnahme im Rahmen der
Verwendungsnachweisprüfung am 23. September 1998 abgeschlossen hatte, teilte sie
der Klägerin deren Ergebnis mit Schreiben vom 30. September 1998 mit: Bei der
Verwendungsnachweisprüfung habe sich ergeben, dass durch die Nachverhandlungen
nach dem Submissionstermin hinsichtlich des "Sondervorschlages Recyclen statt
Deponieren" gegen die §§ 24, 25 VOB/A verstoßen worden sei. Nach einem
Runderlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.
Dezember 1997 seien bei schweren Verstößen gegen die VOB grundsätzlich ein
Widerruf des Zuwendungsbescheides und eine Neufestsetzung der Zuwendung
angezeigt. Die Klägerin erhalte Gelegenheit, sich vor einer entsprechenden
Entscheidung zu äußern.
21
Die Klägerin wiederholte daraufhin im Wesentlichen ihre bisherigen Ausführungen und
betonte vor allem, dass durch ihr Vorgehen Steuergelder im Umfang von 290.000,-- DM
eingespart worden seien. Die §§ 49 Abs. 3, 49a VwVfG NRW - im Folgenden VwVfG -
könnten nur dann zu auch in die Vergangenheit wirkenden Widerrufs- und
Rückführungsentscheidungen berechtigen, wenn ein Verstoß gegen die Vorschriften
des VOB auch mit einem Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verbunden
sei. Denn die VOB diene gerade dazu, den im öffentlichen Haushaltsrecht allgemein
geltenden Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu konkretisieren. Ferner
wies die Klägerin auf das gegen Herrn M. und Herrn L. eingeleitete Ermittlungsverfahren
hin.
22
Mit Schreiben vom 1. April 1999 teilte die Staatsanwaltschaft C. dem Bürgermeister der
23
Klägerin mit, dass sie das gegen Herrn M. und Herrn L. eingeleitete
Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt habe.
Mit Änderungsbescheid Nr. 6/26 vom 6. Mai 1999 widerrief die Beklagte die der Klägerin
mit Zuwendungsbescheid Nr. 6/21 vom 29. August 1991 insgesamt gewährte
Landeszuwendung in Höhe von 600.000,-- DM in Höhe eines Teilbetrags von
129.674,46 DM. Ferner setzte sie die Landeszuwendung auf 470.325,54 DM neu fest
(für den Bundesanteil ab dem 12. Januar 1993 und für den Landesanteil ab dem 18.
November 1993), verlangte die Erstattung des Teilbetrages in Höhe von 129.674,46 DM
und ordnete nach § 49a Abs. 3 VwVfG die Verzinsung dieser Summe mit 3 % über dem
jeweiligen Diskontsatz an.
24
Zur Begründung führte die Beklagte unter Hinweis auf die Ausführungen des
Gemeindeprüfungsamts sowie die dazu abgegebenen Stellungnahmen der Klägerin im
Wesentlichen aus: Die Klägerin habe durch unzulässige Nachverhandlungen nach dem
Submissionstermin schwerwiegend gegen die §§ 24 und 25 VOB/A verstoßen. Deshalb
sei nach dem Runderlass des Finanzministeriums vom 17. Dezember 1997
grundsätzlich ein Widerruf des Zuwendungsbescheides und die Kürzung der
Zuwendung angezeigt. Der Sondervorschlag "Recyclen statt Deponieren" habe keine
nur geringfügige Änderung des Gesamtauftrags bedeutet. Dessen sachgerechte
Durchführung sei auch über eine Deponierung des Materials möglich gewesen. Das
öffentliche Interesse am Teilwiderruf des Zuwendungsbescheids und der
entsprechenden Rückforderung überwiege das gegenläufige Interesse der Klägerin. In
Anlehnung an die Schadensberechnung der Staatsanwaltschaft C. im Rahmen des im
Zusammenhang mit Auftragsvergaben an die Bietergemeinschaft eingeleiteten
Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der besonderen finanziellen Situation der
Klägerin sei ein Widerruf hinsichtlich eines Teilbetrages von 139.667,65 DM (80 v.H.
von 151.812,66 DM) angemessen. Die Erstattungssumme von 129.674,46 DM ergebe
sich sodann durch den Abzug von 9.993,19 DM, welche die Beklagte der Klägerin im
Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung für die gesamte
Verkehrsberuhigungsmaßnahme im Gebiet "I. " noch als weiteren Förderungsanteil
bewilligte.
25
Gegen den Bescheid vom 6. Mai 1999 legte die Klägerin am 25. Mai 1999 unter
Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen Widerspruch ein. Ergänzend führte sie aus:
Die von der Beklagten angeführte Rechtsgrundlage rechtfertige den Widerruf des
Zuwendungsbescheides nicht. Gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG könne ein
Zuwendungsbescheid nur widerrufen werden, wenn Zuwendungen nicht ihrem Zweck
entsprechend verwendet würden. In dem von der Beklagten erstellten Vermerk über die
Prüfung des Verwendungsnachweises heiße es ausdrücklich, dass der mit der
Förderung beabsichtigte Zweck erreicht worden sei. Soweit es um den behaupteten
Verstoß gegen die Bestimmungen der VOB gehe, sei nicht anzunehmen, dass es sich
dabei um die Zweckbestimmung i.S.d. § 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG handele. Abgesehen
davon liege ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Vergaberechts nicht vor. Bei der
Frage der Geringfügigkeit einer technischen Änderung dürfe es nicht auf den Umfang
der Preisänderung ankommen. Diese Auslegung könne zwar grundsätzlich
gerechtfertigt sein, sie trage aber den Besonderheiten des Einzelfalls nicht genügend
Rechnung. Schließlich habe es sich wegen des nach abfallrechtlichen Bestimmungen
bestehenden Vorrangs des Recycling vor der Deponierung auch um eine
unumgängliche technische Änderung gehandelt. Ebenso wenig liege ein schwerer
Verstoß gegen Vorschriften der VOB vor. Es sei gerade nicht der Fall gegeben, dass
26
das annehmbarste Angebot durch Nachverhandlungen verdrängt worden sei. Die
Klägerin habe gerade keinen bestimmten Bieter bevorzugt, sondern im Hinblick auf das
rechtlich bindende Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit das annehmbarste
Angebot ermittelt. Die Voraussetzungen für eine Neuausschreibung hätten nicht
vorgelegen. Überdies hätte die konkrete Gefahr bestanden, dass die wirtschaftlichen
Ergebnisse einer Neuausschreibung erheblich schlechter ausgefallen wären, da den
interessierten Bietern die Preise bekannt gewesen seien. Die Klägerin habe allenfalls in
Unkenntnis versehentlich einen formal falschen, im Ergebnis aber richtigen Weg
gewählt.
Der Annahme eines schweren Verstoßes stehe auch entgegen, dass die
Landesregierung entgegen den Vorschriften der VOB die Berücksichtigung
vergabefremder Kriterien vorgegeben habe. So würden beispielsweise Bieter bevorzugt
berücksichtigt, die Lehrlinge ausbildeten. Die Klägerin habe des Weiteren nicht heimlich
die VOB verletzt und sei dann gleichsam nachträglich "erwischt" worden. Sie sei
vielmehr nach wie vor der Auffassung, dass sie die VOB durchaus zutreffend angewandt
habe. Schließlich habe das Innenministerium im Rahmen der Experimentierklausel des
§ 126 der Gemeindeordnung seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, Befreiungen von
Bestimmungen der VOB zu erteilen. Dabei gehe es vor allem um Ausnahmen vom
Verbot der Nachverhandlungen.
27
Schließlich sei auch der Widerrufsgrund des § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG nicht gegeben.
Bei den Vorschriften der VOB handelt es sich nicht um Auflagen im Sinne dieser
Vorschrift.
28
Jedenfalls habe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Es
sei nur unzureichend berücksichtigt worden, dass die von der Klägerin vorgenommene
Auslegung der VOB durchaus noch vertretbar erscheine und dass ein schwerer Verstoß
gegen die VOB keineswegs angenommen werden könne. Des Weiteren sei die
Beklagte von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, soweit sie einen
bewussten Verstoß in Kenntnis einer abweichenden Stellungnahme des örtlichen
Rechnungsprüfungsamtes unterstellt habe. Dessen Vermerk vom 29. April 1992 sei für
das weitere Vergabeverfahren durchaus berücksichtigt worden. Daraus sei nämlich
zutreffend abgeleitet worden, dass das nachträglich eingereichte Schreiben der
Bietergemeinschaft vom 7. April 1992 nicht allein Grundlage der Vergabeentscheidung
habe sein dürfen. Es sei deshalb sämtlichen Bietern erneut die Möglichkeit zur Abgabe
eines Angebots eingeräumt worden. Ein bewusster Verstoß gegen die Bestimmungen
des Vergaberechts scheide auch im Hinblick auf den Vermerk des
Rechnungsprüfungsamtes vom 12. Mai 1992 aus, denn dieser sei auch nach
Auffassung der Staatsanwaltschaft offensichtlich erst nachträglich in die Bauakte
gegeben worden.
29
Der geltend gemachte Verzinsungsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Die dem
Zuwendungsbescheid beigefügten Nebenbestimmungen hätten eine starren Zinssatz
von 6 % für den Fall einer etwaigen Rückerstattung vorgesehen.
30
Letztlich missachte der ausgesprochene Widerruf § 48 Abs. 4 VwVfG, der im
vorliegenden Fall gemäß § 49 Abs. 3 Satz 2 VwVfG entsprechend gelte. Die Beklagte
habe von den Tatsachen, die den Widerruf des Verwaltungsaktes hätten rechtfertigen
können, bereits im Jahre 1997 Kenntnis erlangt, den Widerruf jedoch erst im Mai 1999
ausgesprochen. Alle tatsächlich und rechtlich maßgeblichen Zustände seien der
31
Beklagten bereits im Jahre 1997 vom Gemeindeprüfungsamt S. und der Klägerin
mitgeteilt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2000 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Zwar habe nach § 3 des
Landesabfallgesetzes die Abfallverwertung Vorrang vor der sonstigen Entsorgung
gehabt. Dieser Vorrang habe allerdings nur bei Beachtung bestimmter
Rahmenbedingungen, wie z.B. der technischen Möglichkeit der Verwertung bestanden.
Bei bitumen/teerhaltigem Material seien wegen schädlicher Umwelteinwirkungen
(abhängig von der Konzentration und vom vorgesehenen Standort für die
Wiedereinbringung) besondere technische Bedingungen zu beachten und zu prüfen, ob
die zu beauftragende Firma die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße
Wiederverwertung erfülle. Eine derartige Prüfung habe bei richtiger Anwendung des
Abfallgesetzes bereits im Vorfeld der Ausschreibung stattfinden müssen. Die Klägerin
habe aber stattdessen den für damalige Zeiten üblichen Standardausschreibungstext
verwandt. Ob eine Entsorgung in Form des Recyclens unmöglich gewesen sei oder ob
eine Entsorgung auf einer Deponie nicht ebenfalls sachgerecht gewesen sei, habe
nämlich erst nach entsprechender Prüfung beurteilt werden können. Jedenfalls habe die
Entsorgung von 1.900 Tonnen umweltschädlichem Material sowohl vom Volumen als
auch von den veranschlagten Kosten her eine Teilleistung von größerem Umfang
dargestellt. Die Nachverhandlungen über den bezüglich dieser Position gewählten
Entsorgungsweg stellten deshalb eine so umfangreiche technische Änderung dar, dass
die durch § 24 Nr. 3 VOB gezogenen Grenzen deutlich überschritten seien. Das von der
Klägerin angenommene Angebot sei letztlich auch nicht das wirtschaftlichste gewesen,
wenn man die im Nachhinein entstandenen Entsorgungskosten von 41.869,32 DM für
die unzulässige Ablagerung des Abbruchmaterials hinzurechne. Bei richtiger
Anwendung der VOB habe die Klägerin die Ausschreibung aus schwerwiegenden
Gründen - nämlich wegen der Änderung der Verdingungsunterlagen und aus
Wirtschaftlichkeitserwägungen - nach § 26 VOB aufheben und das Bauvorhaben erneut
ausschreiben müssen.
32
Der Sondervorschlag der Arbeitsgemeinschaft habe von vornherein nicht zugelassen
werden dürfen, weil er nicht Gegenstand der zum Eröffnungstermin vorgelegten
Angebote gewesen sei. Aus dem Inhalt des Vermerks vom 29. April 1992 sei sehr wohl
die Kenntnis, zumindest aber der Verdacht eines VOB-Verstoßes herzuleiten. Die
Klägerin müsse sich vorhalten lassen, keinerlei weitere Nachforschungen angestellt zu
haben. In Zweifelsfällen habe auch die VOB- Prüfstelle bei der Beklagten eingeschaltet
werden können.
33
Die Erhöhung des Zinssatzes gegenüber dem im Zuwendungsbescheid festgelegten
rechtfertige sich nach Art. 10 des 3. Gesetzes zur Änderung des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember
1992. Darin sei geregelt, dass für Zinszeiträume, die vor dem 12. Dezember 1992 lägen,
der bisherige Zinssatz von 6 % geltend zu machen sei. Ab dem 12. Dezember 1992 sei
bei der Festsetzung der Zinsen der neue Zinssatz (3% über dem jeweiligen Diskontsatz)
zu Grunde zu legen. Schließlich stehe der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Bescheides auch nicht § 48 Abs. 4 VwVfG entgegen, da der zuständige Sachbearbeiter
die erforderliche Kenntnis nicht schon ein Jahr vor Erlass des Bescheides gehabt habe.
34
Der Widerspruchsbescheid ist der Klägerin am 29. August 2000 zugestellt worden.
35
Am 27. September 2000 hat die Klägerin Klage erhoben und ihr Begehren unter
Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weiter verfolgt. Ergänzend
hat sie ausgeführt, aus dem angefochtenen Bescheid gehe nicht hervor, ob der Widerruf
auch mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen solle. Der maßgebliche Zeitpunkt sei
insoweit nicht hinreichend bestimmt. Nachdem die Beklagte nach rechtlichem Hinweis
des Verwaltungsgerichts ausgeführt hatte, der angefochtene Bescheid stütze sich nicht
auf § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, sondern auf Nr. 2 VwVfG, hat die Klägerin vorgetragen: Der
Austausch der Widerrufsgründe im Rahmen des Widerrufermessens sei unzulässig. Die
Widerrufsgründe Zweckverfehlung einerseits und Auflagenverstoß andererseits seien
von sehr unterschiedlichem Gewicht, da ein Auflagenverstoß eher formaler Natur sei,
während die Verfehlung des Zwecks der Förderung die gesamte Maßnahme
grundlegend in Frage stelle. Die in Bezug genommene Nebenbestimmung Nr. 3
ANBest-G sei schließlich auch keine Auflage im Rechtssinne. Der Hinweis auf nach
gesetzlichen Regelungen oder Verwaltungsvorschriften ohnehin bestehenden Pflichten
könne mangels eigenständigen Regelungsgehalts nicht als Verwaltungsakt angesehen
werden.
36
Die Klägerin hat beantragt,
37
den Änderungsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 1999 und deren
Widerspruchsbescheid vom 7. August 2000 aufzuheben.
38
Die Beklagte hat beantragt,
39
die Klage abzuweisen.
40
Die Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin entgegen getreten. Sie hat im
Wesentlichen ausgeführt: Die Zulässigkeit des nunmehr erfolgten Austausches der
Ermächtigungsgrundlage für den Änderungsbescheid sei anhand der vom
Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze über das Nachschieben von
Gründen zu beurteilen. Danach dürfe sich der Verwaltungsakt durch die nachträglich
eingeführten Gründe nicht in seinem Wesen verändern und der Betroffene nicht in
seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden. Zudem müssten die nachträglich von
der Behörde angegebenen Gründe schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen
haben. Diese Voraussetzungen seien gegeben, weil sich die im Verfahren
ausgetauschten Argumente ausschließlich mit der Frage befasst hätten, ob ein
Auflagenverstoß vorliege.
41
Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Nr. 3 ANBest-G sei keine Auflage im
Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts. Dagegen richtet sich die zugelassene und
rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen
zusammenfassend wiederholt.
42
Der Vertreter des öffentlichen Interesses wendet sich ebenfalls gegen die
erstinstanzliche Entscheidung und trägt im Wesentlichen vor, Nr. 3 ANBest-G sei als
Auflage anzusehen.
43
Die Beklagte und der Vertreter des öffentlichen Interesses beantragen,
44
das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
45
Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen und beantragt,
46
die Berufung zurückzuweisen.
47
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte Bezug genommen.
48
Entscheidungsgründe:
49
Die Berufung hat Erfolg.
50
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51
Der angefochtene Bescheid der Beklagten hat seine Rechtsgrundlagen in §§ 49 Abs. 3
Nr. 2, 49a Abs. 1 und 3 VwVfG NRW. Es steht der Anwendbarkeit dieser Bestimmungen
nicht entgegen, dass sie erst auf Grund des Art. 1 Nrn. 6 und 7 des 3. Gesetzes zur
Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen und
zur Änderung anderer verwaltungsrechtlicher Vorschriften (GV.NRW. 1992, S. 446) und
damit erst nach Erlass des widerrufenen Zuwendungsbescheides in Kraft getreten sind.
Denn nach Art. 10 Abs. 2 des genannten Änderungsgesetzes finden die Regelungen in
Art. 1 Nrn. 6 und 7 auch auf Bescheide über Zuwendungen Anwendung, die vor
Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen worden sind (zu den Besonderheiten bei der
Zinsberechnung vgl. S. 31). Dies verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche
Rückwirkungsverbot.
52
Vgl. für eine frühere Änderung des § 49 VwVfG: OVG NRW, Urteil vom 4. November
1993 - 4 A 3488/92 -, Städte- und Gemeinderat 1994, 285.
53
Soweit der Zuwendungsbescheid vom 29. August 1991 durch den angefochtenen
Bescheid teilweise aufgehoben wird, ist § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG einschlägig.
54
Die formelle Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides wird nicht dadurch in Frage
gestellt, dass die Beklagte sich zu dessen Begründung auf § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG erst
im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens berufen hat. Dieses Vorgehen verstößt nicht
gegen § 39 Abs. 1 VwVfG, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer
Begründung zu versehen ist, in der die wesentlichen tatsächlichen Gründe mitzuteilen
sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Denn die Beklagte hatte
den angefochtenen Bescheid mit einer dementsprechenden Begründung versehen.
Dass in dieser Begründung unzutreffend auf § 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG als
Widerrufsgrundlage abgestellt worden war, ist im Rahmen des § 39 Abs. 1 VwVfG
unerheblich. Denn danach sind nur die nach Auffassung der Behörde maßgeblichen
Gründe mitzuteilen, mögen diese auch objektiv unzutreffend sein.
55
Vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG- Kommentar, 6. Aufl. 2001, § 39 Rn. 11a
m.w.N.
56
Nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW darf ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine
einmalige Geldleistung zur Erreichung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür
Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise
57
auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem
Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht erfüllt hat.
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der rechtmäßig ergangene
Zuwendungsbescheid der Beklagten vom 29. August 1991, durch den eine einmalige
zweckgebundene Geldleistung an die Klägerin gewährt worden ist, war mit einer
Auflage verbunden, die die Klägerin nicht erfüllt hat. Eine derartige Auflage ist die
Regelung in Nr. 3 der ANBest-G, die nach Teil II des Zuwendungsbescheides dessen
Bestandteil sind. Gemäß Nr. 3 ANBest-G sind bei der Vergabe von Aufträgen zur
Erfüllung des Zuwendungszwecks die nach dem Gemeindehaushaltsrecht
anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten. Damit nimmt Nr. 3 ANBest-G Bezug
auf § 31 Abs. 2 der Gemeindehaushaltsverordnung, wonach bei der Vergabe von
Aufträgen die Vergabegrundsätze anzuwenden sind, die das Innenministerium bekannt
gibt. Nach dem insoweit im Zeitpunkt der streitigen Vergabeentscheidung maßgeblichen
Runderlass des Innenministeriums vom 31. August 1991 - III b 3 - 7/6002-988/91 -, MBl.
NRW 1991, S. 1590, gelten als Vergabegrundsätze u.a. die Teile A und B der
Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) in der Fassung der Anlagen 1 und 2 des
Gem.RdErl. d. Ministers für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr v. 17. Februar 1989
-, MBl. NRW 1989, S. 273.
Vgl. zur Zulässigkeit der in § 31 Abs. 2 GemHVO enthaltenen Verweisung auf eine
Verwaltungsvorschrift: BVerwG, Beschluss vom 15. März 1989 - 7 B 108.88 -, NVwZ
1989, 377 ff.
58
Die Regelung in Nr. 3 ANBest-G ist eine Auflage i.S.v. §§ 49 Abs. 3 Nr. 2, 36 Abs. 2 Nr.
4 VwVfG NRW, denn durch sie wird dem Begünstigten ein bestimmtes Tun, nämlich die
Beachtung der Bestimmungen der VOB/A und VOB/B bei der Vergabe vorgeschrieben.
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts handelt es sich nicht lediglich um
einen unerheblichen Hinweis auf nach anderen Regelungen (hier § 31 GemHVO)
ohnehin bestehende rechtliche Pflichten der Klägerin. Ob eine Erklärung einer Behörde
ein Verwaltungsakt darstellt oder lediglich einen unverbindlichen Hinweis, ist durch
Auslegung zu ermitteln. Dabei ist entsprechend § 133 BGB darauf abzustellen, wie die
Erklärung von ihrem Adressaten bei verständiger Würdigung zu verstehen ist.
59
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Oktober 2004 - 15 A 4023/02 - m. w. N. ; Stelkens, in:
Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 43 m.w.N.
60
Insoweit spricht bereits die einleitende Formulierung der dem Zuwendungsbescheid
beigefügten Anlage "Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur
Projektförderung an Gemeinden (GV) (ANBest-G)" dafür, dass die Regelung in Nr. 3
ANBest-G eine Auflage ist. Nach der angesprochenen einleitenden Formulierung
enthalten die ANBest-G nämlich Nebenstimmungen (Bedingungen und Auflagen) i.S.d.
§ 36 VwVfG sowie notwendige Erläuterungen. Die auf ein striktes selbstständiges
Verhaltensgebot abzielende und sich gerade nicht auf einen bloßen Hinweis auf
anderweitig bereits begründete Pflichten beschränkende Formulierung der
Nebenbestimmung "... sind zu beachten", legt ein Verständnis als "notwendige"
Erläuterung fern. Hiergegen spricht auch das bei der Klägerin als
Zuwendungsempfängerin ohne weiteres erkennbare Interesse der Beklagten, an eine
vergaberechtswidrige Verwendung der Mittel möglichst weitgehende Konsequenzen
knüpfen zu können, nämlich den Widerruf des Bescheides wegen eines
Auflagenverstoßes. Im Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheides war ein
solcher Widerruf bei einem Auflagenverstoß nicht nur nach § 49 Abs. 2 VwVfG mit
61
Wirkung für die Zukunft zulässig, sondern nach haushaltsrechtlichen Vorschriften auch
mit Wirkung für die Vergangenheit.
Vgl. § 8 Abs. 4 des Haushaltsgesetzes NRW (für das Haushaltsjahr 1991 Gesetz vom
30. April 1991, GV. NRW. S. 206, 209).
62
Dementsprechend ist eine § 3 ANBest-G entsprechende Nebenbestimmung auch vom
Bundesverwaltungsgericht und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als Auflage
verstanden worden.
63
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 8 C 8.00 - ,BVerwGE 112, 360, 361,364; Bay.
VGH, Urteile vom 18. November 1999 - 4 B 98.3534 -, BayVBl. 2000, 248 f., und vom 23.
Oktober 1996 - 4 B 95.1027 -, NJW 1997, 2255 f.
64
Die hiermit gegebene Auflage, die Bestimmungen der VOB/A zu beachten, hat die
Klägerin nicht erfüllt. Die Beauftragung der Bietergemeinschaft durch die Klägerin mit
Schreiben vom 25. Mai 1992 verstößt gegen § 25 Nr. 1 Abs. 1a VOB/A. Nach dieser
Bestimmung werden Angebote ausgeschlossen, die im Eröffnungstermin dem
Verhandlungsleiter bei Öffnung des ersten Angebots nicht vorgelegen haben. Das - von
der Klägerin angenommene - Angebot der Bietergemeinschaft vom 11. Mai 1992 war
danach ausgeschlossen, weil es der Klägerin erst nach dem Eröffnungstermin, der am
26. März 1992 stattfand, unterbreitet wurde. Die Rechtsfolge des § 25 Nr. 1 Abs. 1a
VOB/A ist zwingend. Sie soll gewährleisten, dass alle Anbieter gleich behandelt
werden. Dies wäre nicht der Fall, wenn ein Bieter einen ungerechtfertigten Zeitvorteil
erhielte und ggf. nachträglich noch den Inhalt der Angebote anderer Bieter
berücksichtigen könnte, indem er z.B. den Eröffnungstermin abwartet und sein Angebot
nachbessert. Das gilt auch, wenn - wie hier - lediglich einzelne Teile eines an sich
rechtzeitig eingegangenen Angebots geändert bzw. ergänzt werden. Solche
Ergänzungen und Änderungen sind ebenfalls unzulässig.
65
Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A-Kommentar, § 25 VOB/A Rn. 11.
66
An dieser Bewertung ändert es nichts, dass dem geänderten Angebot der
Bietergemeinschaft Verhandlungen der Klägerin mit allen Bietern nach dem
Eröffnungstermin vorausgegangen waren. Dementsprechende Verhandlungen bei
Ausschreibungen sind nach der VOB/A - wie § 24 VOB/A zeigt - grundsätzlich verboten.
§ 24 VOB/A ergänzt die Regelungssystematik der Bestimmungen der VOB/A, indem er
verhindert, dass der Auftraggeber die einmal gewählte Vergabeart stillschweigend
wechselt und von einer Ausschreibung zu einer freihändigen Vergabe bzw. in ein
Verhandlungsverfahren übergeht. Die Vorschrift konkretisiert damit den
Wettbewerbsgrundsatz des § 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 VOB/A. Durch das Verbot, mit den
Bietern nach Angebotsabgabe insbesondere über die Preise zu verhandeln, werden
Manipulationsmöglichkeiten der Auftraggeber unterbunden und es wird zum Schutz der
Bieter ein fairer Wettbewerb gesichert.
67
Vgl. OLG Celle, Urteil vom 9. Mai 1996 - 14 U 21/95 -, ZfBR 1997, 40; OLG Nürnberg,
Urt. vom 15. Januar 1997 - 4 U 2299/96 -, NJW-RR 1997, 854 f.
68
Das Bekenntnis zum Wettbewerbsgrundsatz belegt, dass die Bestimmungen der VOB/A
entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ausschließlich dem Interesse des
Auftraggebers an einem möglichst günstigen Angebot dienen. Gleichwohl hat das
69
Verhandlungsverbot auch einen Bezug zur sparsamen Haushaltsführung. Entgegen
anders lautenden Stimmen verhindert es keineswegs die Erzielung günstiger Preise für
die Auftrageber. Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass gerade die formal korrekt
durchgeführte öffentliche Ausschreibung den günstigsten Angebotspreis zur Folge hat,
weil alle Bieter an die Grenze ihrer Auftragskalkulation gehen müssen, um eine Chance
auf den Zuschlag zu haben. Sie können nämlich nicht von vornherein einen Aufschlag
kalkulieren, den sie sich im Nachhinein (teilweise) abverhandeln lassen.
Vgl. Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, 3. Aufl. 2005, S. 111 ff.;
Motzke/Pietzcker/ Prieß, a.a.O., § 24 Rn. 47.
70
Auf Grund von praktischen Erfordernissen ist es jedoch nicht sinnvoll, Verhandlungen
mit Bietern ausnahmslos zu untersagen. Diesem Bedürfnis trägt die VOB/A Rechnung:
Die Fälle, in denen Verhandlungen zulässig bleiben, regelt § 24 VOB/A als
Ausnahmevorschrift.
71
Vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., 854.
72
Wegen seines Ausnahmecharakters ist § 24 VOB/A eng auszulegen. Die dort
aufgeführten Tatbestände, die ausnahmsweise Verhandlungen zulassen, sind
grundsätzlich als abschließende Aufzählung aufzufassen.
73
Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, a.a.O., § 24 Rn. 3.
74
Ausnahmen vom Verhandlungsverbot regeln § 24 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 3 VOB/A. In § 24
Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sind die Fälle aufgeführt, in denen lückenhafte oder unklare
Bewerbungen oder Angebote aufgeklärt werden dürfen. Dagegen bestimmt § 24 Nr. 3
VOB/A die Voraussetzungen, unter denen die Bieter klare und unvollständige Angebote
auf der Grundlage von Verhandlungen ändern können. Diese - im vorliegenden Fall
allein in Betracht zu ziehende - Regelung rechtfertigt den Zuschlag an die
Bietergemeinschaft jedoch nicht. § 24 Nr. 3 VOB/A lässt Verhandlungen nur bei
Nebenangeboten, Änderungsvorschlägen oder Angeboten auf Grund eines
Leistungsprogramms zu. Bei Angeboten, die nicht einer exakten Leistungsbeschreibung
entsprechen, sondern sich nur nach einem Leistungsprogramm richten oder bei
Nebenangeboten oder Änderungsvorschlägen ist es in der Regel erforderlich, diese
Angebote den örtlichen Gegebenheiten oder den Anforderungen des Auftraggebers
anzupassen.
75
Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, a.a.O., § 24 Rn. 51.
76
Das Angebot der Bietergemeinschaft ist jedoch nicht auf Grund einer
Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm i.S.v. § 24 Nr. 3 VOB i.V.m. § 9 Nrn. 10
und 11 VOB/A ergangen, sondern auf Grund einer Leistungsbeschreibung mit
Leistungsverzeichnis nach § 9 Nrn. 3 ff. VOB/A. Denn die der Ausschreibung durch die
Klägerin zu Grunde liegende Leistungsbeschreibung enthält Massenangaben
(hinsichtlich der hier in Rede stehenden Position 11: 1.900 to), während beim
Leistungsprogramm Massenangaben gerade fehlen,
77
vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, a.a.O., § 9 Rn. 55,
78
und erst der vom Auftragnehmer zu erstellenden Ausführungsplanung entnommen
79
werden können. § 24 Nr. 3 VOB/A rechtfertigt den Zuschlag an die Bietergemeinschaft
auch dann nicht, wenn man davon ausgehen wollte, dass deren geändertes Angebot
auf einen Änderungsvorschlag zurückgeht. Versteht man die Angebote der
Bietergemeinschaft vom 7. April und 11. Mai 1992 - die insoweit allein in Betracht
kommen - als Änderungsvorschläge, so sind diese erst nach dem Submissionstermin
bei der Klägerin eingegangen und sie waren deshalb jedenfalls nach § 25 Abs. 1 Nr. 1
VOB/A von der Wertung der Angebote ausgeschlossen. § 24 Nr. 3 VOB/A lässt dagegen
Verhandlungen nur hinsichtlich solcher Angebote, Nebenangebote und
Änderungsvorschläge zu, die nicht bereits nach § 25 VOB/A zwingend ausgeschlossen
sind. Die Voraussetzungen des § 24 Nr. 3 VOB/A liegen aber auch unabhängig von den
vorstehenden Erwägungen nicht vor. Denn § 24 Nr. 3 VOB/A betrifft lediglich
Verhandlungen zur Vereinbarung unumgänglicher technischer Änderungen geringen
Umfangs und daraus sich ergebender Änderungen der Preise. Die in Rede stehende
Änderung der Beseitigung des kontaminierten Bodenaushubs von der Deponierung
zum Recycling hat jedoch keinen geringen Umfang. Die Grenze des geringen Umfangs
ist auch an den Auswirkungen auf die Preise zu messen. Führt die technische Änderung
zu einer Reduzierung des Angebotspreises um mehr als 10 %, so hat die Änderung
grundsätzlich keinen geringen Umfang mehr.
Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, a.a.O., § 24 Rn. 54 m.w.N.
80
So liegt der Fall hier. Das ursprüngliche Angebot der Bietergemeinschaft in Höhe von
1.955.767,52 DM hat sich auf Grund des geänderten Angebots auf 1.624.369,53 DM
und damit um mehr als 10 % reduziert.
81
Die Überschreitung der Grenze der Änderung geringen Umfangs wird auch nicht durch
andere Umstände in Frage gestellt. Denn das Recyclen statt des Deponierens des
Bodenaushubs betrifft zum einen wesentliche technische Änderungen und bezieht sich
zum anderen auf 1.900 Tonnen und damit eine beträchtliche Menge Aushubmaterials.
82
Es kann hiernach offen bleiben, ob § 24 Nr. 3 VOB/A auf geringfügige sonstige
Angebotsänderungen, auch wenn sich diese nicht auf Nebenangebote,
Änderungsvorschläge oder Angebote auf Grund eines Leistungsprogramms beziehen,
entsprechend anzuwenden ist.
83
Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, § 24 Rn. 55 m.w.N.
84
Schließlich kann die Klägerin zur Rechtfertigung des Vergaberechtsverstoßes auch
nicht mit dem Vortrag gehört werden, sie habe die Aufschreibung nicht aufheben dürfen
und sei deshalb zu Nachverhandlungen gezwungen gewesen. Denn nach § 26 VOB/A
kann die Ausschreibung u.a. aufgehoben werden, wenn sich die Grundlagen der
Ausschreibung wesentlich geändert haben. Dieser Fall lag hier vor, wenn - wie die
Klägerin vorträgt - die geänderte Beseitigung des Bodenaushubs rechtlich zwingend
geboten war. War die geänderte Beseitigung aber nicht rechtlich geboten, so bestand
von vornherein kein zwingender Grund für die von der Klägerin getätigten
Nachverhandlungen.
85
Der danach grundsätzlich zulässige Widerruf erfolgte auch innerhalb der Jahresfrist des
§ 49 Abs. 3 Satz 2 VwVfG, § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG und damit rechzeitig.
86
Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines
87
rechtswidrigen, bzw. den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes rechtfertigen,
so ist gemäß § 49 Abs. 3 Satz 2, § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG der Widerruf nur innerhalb
eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Wird eine mit einem
begünstigenden Verwaltungsakt verbundene Auflage nicht erfüllt, so beginnt die Frist für
dessen Widerruf erst zu laufen, wenn die Behörde den Auflagenverstoß erkannt hat und
ihr die weiteren für die Widerrufsentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig
bekannt sind. Maßgeblich ist dabei die Kenntnis des für die Entscheidung über die
Rücknahme oder den Widerruf zuständigen Amtswalters.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 8 C 8.00 -, BVerwGE 112, 360 ff.
88
Zu den weiteren für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen gehören
insbesondere die für die Ermessensbetätigung wesentlichen Umstände.
89
Hiervon ausgehend begann der Fristenlauf nicht bereits mit der Übersendung des
Prüfberichts des Gemeindeprüfungsamtes S. an die Beklagte mit Schreiben vom 21. Juli
1997. Die darin enthaltenen Vorwürfe, die Klägerin habe bei der Vergabe des Auftrags
an die Bietergemeinschaft erheblich gegen die Bestimmungen der VOB/A verstoßen,
bedurfte nämlich näherer Aufklärung durch die Beklagte. Diese Aufklärung war
insbesondere auch deshalb erforderlich, weil die Klägerin die gegen sie gerichteten
Vorwürfe nachdrücklich zurückgewiesen hatte. Entgegen der Ansicht der Klägerin
begann der Fristenlauf auch nicht etwa im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit
dem Vermerk des Dezernats 34 der Beklagten vom 10. Dezember 1997, auch wenn
darin von einem offensichtlichen Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 24 und 25
VOB/A die Rede ist. Daraus kann nämlich nicht geschlossen werden, dass auch die für
die Ermessensbetätigung erforderlichen Tatsachen feststanden. Vielmehr heißt es
insoweit im Vermerk ausdrücklich, dass eine Rückforderung der Zuwendungsmittel eine
Abwägung voraussetze und dass im Falle des Überwiegens des öffentlichen Interesses
gegenüber dem Interesse des Klägers die Kosten für die in Rede stehende
Leistungsposition 11 ganz oder teilweise ausgeschlossen seien. Vor diesem
Hintergrund begann die Jahresfrist frühestens mit der fachtechnischen Stellungnahme
des Beklagten vom 23. September 1998, sodass der angefochtene Widerrufsbescheid
vom 6. Mai 1999 jedenfalls innerhalb der Jahresfrist ergangen ist.
90
Von der damit gegebenen Widerrufsmöglichkeit des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG
NRW hat die Beklagte rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Insbesondere ist kein
Ermessensfehler gegeben. Auf die Ausübung des in § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG
eingeräumten Ermessens konnte hier nicht verzichtet werden. Zwar zwingen die
haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Vorliegen von
Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Zuwendung, sofern nicht
außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich
erscheinen lassen. Fehlt es an derartigen Umständen, so bedarf es grundsätzlich keiner
besonderen Ermessenserwägungen. In Fällen der vorliegenden Art ist jedoch zu
bedenken, dass ein Widerruf auch länger zurückliegende Zeiträume erfassen und damit
entsprechend höhere Zahlungspflichten auslösen kann. Deshalb kann der Widerruf -
etwa bei Pflichtverletzungen von geringem Gewicht oder im Hinblick auf die
wirtschaftliche Situation des Zuwendungsempfängers - aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit auf bestimmte Zeiträume oder in anderer Weise zu beschränken
sein.
91
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 3 C 22.02 -, NVwZ-RR 2004, 413 ff.
92
Dieser Vorgabe trägt der Runderlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 16. Dezember 1997 Rechnung, der ermessensbindenden Charakter hat
und deshalb bei der Prüfung, ob die Behörde ermessensfehlerhaft gehandelt hat, zu
berücksichtigen ist.
93
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Dezember 2000 - 4 A 5182/99 -.
94
Nach diesem Erlass, den die Beklagte ihrer Ermessensausübung zutreffend zu Grunde
gelegt hat, ist ein Widerruf des Zuwendungsbescheides grundsätzlich bei Vorliegen
eines schweren Verstoßes gegen die VOB angezeigt. Ein derartiger Verstoß liegt nach
dem Erlass vor bei Ausschluss des annehmbarsten Angebots durch nachträgliche
Verhandlungen über Änderungen der Angebote oder Preise. Die Bewertung eines
derartigen Verstoßes gegen die Bestimmungen der VOB als schwer ist nicht zu
beanstanden, weil das Verbot von Nachverhandlungen zu den Grundsätzen des
Vergaberechts zählt. Vom Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist die Beklagte
zutreffend ausgegangen, weil durch die unzulässigen Nachverhandlungen der Klägerin
mit der Bietergemeinschaft das annehmbarste Angebot - das der Fa. G. -Bau GmbH -
von der Vergabe ausgeschlossen worden ist.
95
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen keine Umstände vor, die den von ihr
begangenen konkreten Rechtsverstoß ausnahmsweise nicht als "schwer" erscheinen
lassen könnten. Hierbei ist es insbesondere unerheblich, dass die Klägerin - jedenfalls
aus ihrer Sicht - das günstigste Angebot angenommen hat. Durch die Bestimmungen
der VOB soll - wie oben bereits ausgeführt - insbesondere auch der faire Wettbewerb
gesichert werden. In diesem Sinne heißt es auch in genannten Runderlass des
Finanzministeriums, die Vergabevorschriften seien für Zuwendungsempfänger
verbindlich, um die Zuwendungen im Rahmen des Wettbewerbs wirtschaftlich und
sparsam zu verwenden. Die Klägerin verkennt deshalb den Sinn und Zweck der
Regelungen der VOB, wenn sie meint, sich über diese im Interesse eines möglichst
günstigen Angebots hinwegsetzen zu können.
96
Die Ermessensausübung der Beklagten ist auch hinsichtlich des Umfangs des
Widerrufs nicht zu beanstanden. Hierbei hat sich die Beklagte von Nr. 2 des genannten
Runderlasses leiten lassen, wonach im Regelfall förderungsrechtliche Konsequenzen
dergestalt zu ziehen sind, dass die Kosten für die jeweilige Auftragseinheit, bei der der
Verstoß ermittelt wurde, von der Förderung ausgeschlossen werden. Weil dies
angesichts des Umfangs der Auftragseinheit, deren Kosten 1.624.369,53 DM betragen
haben, nach Einschätzung der Beklagten zu einer erheblichen Härte für die Klägerin
geführt hätte, hat die Beklagte die Rückforderung im Einklang mit dem genannten
Runderlass zunächst auf 20 v.H. der Gesamtzuwendung in Höhe von 1.844.800 DM und
damit auf 368.960,-- DM vermindert. Nach dem Runderlass kann der Rahmen von 20 %
bis 25 % bei Vorliegen besonderer Gründe unterschritten werden. Im Hinblick auf die
schlechte finanzielle Lage der Klägerin und deren Ziel, aus Gründen der
Kostenersparnis das günstigste Angebot anzunehmen, hat die Beklagte zu Gunsten der
Klägerin derartige besondere Gründe angenommen und den Umfang der Aufhebung
weiter auf 139.667,65 DM reduziert. Dabei hat sie sich von der Schadensberechnung
der Staatsanwaltschaft C. leiten lassen, die einen Kostenvergleich der Angebote der
Bieter - ohne die betroffene Position 11 - enthält. Das diese vergleichende
Betrachtungsweise zu Lasten der Klägerin ermessensfehlerhaft wäre, ist nicht
ersichtlich. Schließlich hat die Beklagte den Widerrufsbetrag im Hinblick auf
97
förderungsfähige Mehrkosten in Höhe von 12.941,48 DM auf 129.674,46 DM weiter
vermindert.
Die Beklagte ist bei ihrer Ermessensentscheidung auch nicht etwa von falschen
Voraussetzungen ausgegangen. Sie hat nicht etwa angenommen, die Klägerin habe die
in Rede stehende Vergabe in Kenntnis des auf den 12. Mai 1992 datierten Vermerks
ihres Rechnungsprüfungsamtes vorgenommen und deshalb bewusst gegen
Bestimmungen des Vergaberechts verstoßen. Vielmehr hat die Beklagte im insoweit
maßgeblichen Widerspruchsbescheid auf den Vermerk des Rechnungsprüfungsamtes
vom 29. April 1992 abgehoben und daraus zutreffend den Schluss gezogen, die
Klägerin habe zumindest den Verdacht eines Verstoßes gegen das Vergaberecht haben
müssen.
98
Die materielle Rechtmäßigkeit des Teilwiderrufs des Zuwendungsbescheides wird nicht
dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte sich auf die maßgebliche
Ermächtigungsgrundlage erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens berufen hat. Nach
den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des sog. Nachschiebens von Gründen haben
die Verwaltungsgerichte grundsätzlich umfassend zu prüfen, ob das materielle Recht
die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht; hierzu gehört auch
die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der
angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist.
99
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1989 - 4 C 40.88 -, Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 5.
100
Zwar lässt sich dieser Grundsatz auf Ermessensentscheidungen - wie hier - nicht
uneingeschränkt übertragen. In der Rechtsprechung wird aber auch bei
Ermessensentscheidungen ein solches Auswechseln der Rechtsgrundlage nicht
grundsätzlich als unzulässig angesehen.
101
Vgl. BVerwG, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Mai 1994 - 5 S 2637/93 -,
NVwZ 1995, 397; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. Dezember 1999 - B 2 S
73/99 -, VwRR MO 2000, 196 ff.
102
Die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen ist dem
Gericht nur dann verwehrt, wenn die anderweitige rechtliche Begründung zu einer
Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führen würde.
103
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 1989 - 9 C 28.89 -, DVBl. 1990, 490 m.w.N.;
OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O.
104
Dass die streitgegenständliche Verfügung hier durch den Austausch der Eingriffsnorm
eine Wesensveränderung erfahren haben könnte, ist nicht ersichtlich. Die Erwägungen,
die dem angegriffenen Verwaltungsakt zu Grunde liegen, tragen die Entscheidung auch
auf der Grundlage der nunmehr herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des § 49
Abs. 3 Nr. 2 VwVfG. Die Beklagte hat den Widerruf der angefochtenen Verfügung von
Anfang an mit dem Auflagenverstoß begründet und auch die Ermessenserwägungen
der Beklagten beziehen sich ausschließlich hierauf.
105
Der Austausch der Ermächtigungsgrundlage wäre im Übrigen auch dann zulässig,
wenn man ihn an § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG messen wollte.
106
Vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 6. Aufl. 2001, § 45 Rn.
45 m.w.N.
107
Nach diesen Bestimmungen ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formfehlern, die
nicht den Verwaltungsakt nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche
Begründung nachträglich - bis zum Abschluss der ersten Instanz eines
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - gegeben wird. Sollte in der zuvor unzutreffend
angegebenen Ermächtigungsgrundlage überhaupt ein Verfahrens- oder Formfehler zu
sehen sein, so führte dieser jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes i.S.v. §
44 VwVfG NRW, sodass - wie hier geschehen - der Fehler jedenfalls noch im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren geheilt werden konnte.
108
Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsaufforderung in Höhe von 129.674,46 DM ist
§ 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Nach dieser Bestimmung sind bereits erbrachte
Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt - wie hier - mit Wirkung für die
Vergangenheit widerrufen worden ist. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen
Verwaltungsakt festzusetzen. Für den Umfang der Erstattung - mit Ausnahme der
Verzinsung - gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Danach hat die
Klägerin der Beklagten den ausgezahlten Zuwendungsbetrag im Umfang des
Teilwiderrufs und mithin in der geforderten Höhe zu erstatten (§ 818 Abs. 2 BGB).
Hierbei bedarf es keiner Entscheidung des Senats, ob mit der Verwendung der
erbrachten Leistungen der Beklagten für Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen eine
Entreicherung der Klägerin nach § 818 Abs. 3 BGB eingetreten war und ob sich die
Klägerin als öffentlich-rechtliche Körperschaft überhaupt auf eine Entreicherung berufen
könnte. Diese Möglichkeit scheidet jedenfalls hier nach § 49 a Abs. 2 Satz 2 VwVfG aus,
wenn der Begünstigte die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht
kannte, die zum Widerruf des Verwaltungsaktes geführt haben. Dabei ist davon
auszugehen, dass sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des
Erstattungspflichtigen nur auf die tatsächlichen Voraussetzungen des den Widerruf
auslösenden Auflagenverstoßes - hier den Verstoß gegen die Vorschriften der VOB/A -
beziehen muss, nicht jedoch auch auf die Qualifizierung der in Rede stehenden
Nebenbestimmung als Auflage und die Würdigung des Verhaltens als
vergaberechtswidrig.
109
Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 - 3 C 33.96 -, BVerwGE 105, 354, 362;
Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 49a Rn. 65.
110
Hiervon ausgehend kann sich die Klägerin auf einen etwaigen Wegfall der
Bereicherung nicht berufen, weil sie die tatsächlichen Voraussetzungen des
Auflagenverstoßes kannte.
111
Der von der Beklagten unter Nr. 4 des angefochtenen Bescheides geltend gemachte
Zinsanspruch rechtfertigt sich nach § 49a Abs. 3 VwVfG. Hierbei kann offen bleiben, ob
insoweit § 49a Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW in der ab dem 10. Juli 2004 auf Grund des
Elektronikanpassungsgesetzes (GV.NRW. 2004 S. 370) in Kraft getretene Fassung (5
v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz) Anwendung findet oder die zuvor geltende
Gesetzesfassung (GV.NRW. 1992, S. 448) heranzuziehen ist (3 v.H. über dem
jeweiligen Diskontsatz). Denn das Verzinsungsbegehren in Höhe von 3 v.H. über dem
jeweiligen Diskontsatz ist nach beiden Gesetzesfassungen gerechtfertigt. Es steht dem
Zinsanspruch in der geltend gemachten Höhe auch nicht entgegen, dass der zum
112
Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheides maßgebliche Zinssatz 6 v.H.
betrug. Nach der Übergangsvorschrift in Art. 10 Abs. 2 1. Halbsatz des 3. Gesetzes zur
Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen und
zur Änderung anderer verwaltungsrechtlicher Vorschriften vom 24. November 1992 (GV.
NRW. S. 446) findet § 49a Abs. 3 VwVfG NRW auch auf Bescheide über Zuwendungen
Anwendung, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen worden sind. Die
Anwendung des § 49a Abs. 3 VwVfG NRW wird auch nicht eingeschränkt durch Art. 10
Abs. 2 Halbsatz 2 des genannten Änderungsgesetzes, wonach der in § 49a Abs. 3 Satz
1 VwVfG NRW bezeichnete Zinssatz für vor Inkrafttreten des Gesetzes geltend
gemachte Zinsansprüche erst ab Inkrafttreten des Gesetzes gilt. Denn der in Rede
stehende Zinsanspruch ist weder vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes geltend
gemacht worden noch betrifft er Zinsansprüche für Zeiträume, die vor Inkrafttreten des
Gesetzes liegen. Die von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen die Anwendung des § 49a Abs. 3 Satz 1 auf vor dessen Inkrafttreten
ergangene Zuwendungsbescheide,
vgl. auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 6. Aufl. 2001, § 49a Rn.
2,
113
greifen jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht durch, in der die
zurückgeforderte Leistung erst nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung erbracht
worden ist.
114
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozessordnung.
115
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
116