Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.08.2000

OVG NRW: guinea, amnesty international, auskunft, rpg, gefahr, sierra leone, wahrscheinlichkeit, mitgliedschaft, afrika, regierung

Oberverwaltungsgericht NRW, 11 A 2370/00.A
Datum:
09.08.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 A 2370/00.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 1 K 5062/98.A
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
G r ü n d e :
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
2
1. Die zunächst erhobenen Gehörsrügen (§§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, 138 Nr. 3 VwGO,
Art. 103 Abs. 1 GG) greifen nicht durch, weil sie nicht entsprechend den Erfordernissen
des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt werden.
3
Das Verwaltungsgericht hat ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils
(amtlicher Umdruck S. 2 unten, S. 3 oben) den Vortrag des Klägers zu seinen
Verletzungsfolgen sehr wohl zur Kenntnis genommen. Es hat diesem Vortrag mit Blick
auf die Würdigung, das Vorbringen des Klägers zu seiner behaupteten Vorverfolgung
sei insgesamt unglaubhaft, also auch hinsichtlich seiner angeblichen Inhaftierung und -
inzident - bezüglich dort erlittener Verletzungen, indes keine weitere Bedeutung
beigemessen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt hierin nicht. Der
Zulassungsantrag lässt substantiierte Angriffe gegen die Beweiswürdigung erster
Instanzz insoweit vermissen, zudem belegt die vorgelegte ärztliche Bescheinigung
hinsichtlich vorhandener Narben nur, diese seien "vermutlich als Folge von Folter
entstanden" (Unterstreichung durch den Senat).
4
Ebensowenig greift der Vorwurf durch, das Verwaltungsgericht habe den in der
mündlichen Verhandlung erster Instanz gestellten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt.
Es hätte dem im Termin anwesenden und anwaltlich vertretenen Kläger nach
Unterbrechung der mündlichen Verhandlung offen gestanden, an deren Fortsetzung
teilzunehmen, nach Ablehnung des Beweisantrages prozessual zu reagieren und sich
so das nunmmehr als verletzt bezeichnete rechtliche Gehör zu verschaffen.
5
2. Die des Weiteren geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1
AsylVfG) ist nicht gegeben. Die im Zulassungsantrag als grundsätzlich bedeutsam
aufgeworfenen Fragen bedürfen nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens
bzw. würden sich in einem zweitinstanzlichen Verfahren so nicht stellen.
6
3. Mit der Grundsatzrüge muss eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen
werden, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts einer Klärung
bedarf. Die Klärungsbedürftigkeit einer solchen entscheidungserheblichen Tatsachen-
oder Rechtsfrage besteht allerdings nicht schon deshalb, weil das Berufungsgericht
etwa noch nicht die Gelegenheit hatte, die Frage in einem Berufungsverfahren zu
klären. Denn eine Zulassung der Berufung kommt dann nicht in Betracht, wenn die als
grundsätzlich bedeutsam bezeichnete (Tatsachen-)Frage nach der gegebenen Lage
ohne weiteres zu beantworten ist und das Ergebnis die Durchführung eines
Berufungsverfahrens nicht erfordert.
7
Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 30. September 1998 - 5 A 3829/98.A -, n. v. (Juris),
S. 3 des Beschlussabdrucks; Berlit, in: GK- AsylVfG (Stand: Mai 2000), § 78 Rdnrn. 137
ff., jeweils m. w. N.
8
4. Nach diesen Grundsätzen erfordert zunächst die Frage, "ob für einen guineischen
Staatsangehörigen, der nach Durchführung eines erfolglosen Asylverfahrens in der
Bundesrepublik nach Guinea abgeschoben wird, die Gefahr politischer Verfolgung bzw.
eine konkrete individuelle Gefahr für Leib und Leben besteht", keine Klärung in einem
Berufungsverfahren. Diese Frage lässt sich vielmehr anhand der dem Senat
vorliegenden Erkenntnisse ohne weiteres im Sinne des angefochtenen Urteils negativ
beantworten.
9
Für guineische Staatsangehörige besteht bei einer Rückkehr in ihr Heimatland nicht die
reale Gefahr einer politischen Verfolgung oder einer Lage, in der ein Anspruch auf die
Feststellung von Abschiebungshindernissen bestünde. Gewisse Gefahrenmomente
können zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden, es sprechen aber keine
durchgreifenden Anhaltspunkte für die Annahme, jeder in sein Heimatland
zurückkehrende Guineer müsse wegen eines in Deutschland gestellten Asylantrages
oder wegen einer Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrechtlich
relevante oder abschiebungshindernde Maßnahmen gewärtigen.
10
a) Zwar vertreten insbesondere das "Länder-Referat Guinea- Conakry" als
Untergliederug der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) unter
Federführung von Frau U. R. und der eng mit letzterer zusammenarbeitende, nach
außen durch Herr F. G. auftretende Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren
e. V." die Auffassung, für diesen Personenkreis bestehe die Gefahr einer politischen
Verfolgung.
11
So würden Frau R. zufolge, die sich u. a. auf Kontakte zu dem Leiter der Organisation
Guinéenne de Défense des Droits de l´Homme et du Citoyen (OGDH), Herrn Dr. S. ,
beruft, nach Guinea abgeschobene Asylbewerber bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen
Conakry von Sicherheitsorganen sofort verhaftet und unter Folter im Flughafengefängnis
zur Darlegung der Beweggründe für ihren Asylantrag in Deutschland gezwungen
werden. Danach würden sie an unbekannte Orte verbracht.
12
IGFM, Schreiben an das MdI NRW u. a. vom 14. April 1999.
13
Das an Frau R. gerichtete und von Herrn Dr. S. unterzeichnete Bezugsschreiben enthält
insoweit die Angaben, dass Bürger Guineas von Europa (Frankreich, Belgien
Deutschland usw.) aus abgeschoben würden - diese Tatsache ist ohnehin bereits
bekannt -, und dass diese Bürger bei ihrer Ankunft in Conakry verhaftet würden und eine
gewisse Summe zahlen müssten, wobei sich diese Guineer nicht im Zentralgefängnis
befänden, sondern Orten, die der "Sécurité" unterstellt seien. Es könne nicht mit
Sicherheit gesagt werden, ob alle nach einer Zahlung freigelassen würden und wie viel
sie zahlen müssten.
14
Schreiben (Telefax) der OGDH an Frau R. vom 6. April 1999 (nebst dt. Übersetzung von
Frau R. ).
15
In diesem Schreiben werden indes Einzelheiten zu den diesen Mitteilungen zu Grunde
liegenden Fällen behaupteter Übergriffe nicht geschildert. Insbesondere werden mit
Ausnahme der Erwähnung einzelner Datumsangaben keine konkreten Details zu
Anlass und Umfang etwaiger Wahrnehmungen, maßgeblich zum genauen Zeitpunkt der
Ankunft von Flugzeugen und zur Anzahl zurückkehrender bzw. abgeschobener sowie
möglicherweise sodann inhaftierter guineischer Staatsangehöriger genannt. Des
Weiteren fehlt es an der namentlichen Benennung von Personen und vielem mehr,
weshalb die pauschalen Behauptungen nicht als ein eindeutiger Beleg für etwaige
Referenzfälle gewertet werden können.
16
Angesichts der Tatsache, dass abgelehnte guineische Asylbewerber nicht nur von
Deutschland aus, sondern auch von Frankreich, Belgien und Portugal in ihr Heimatland
abgeschoben werden
17
- Auswärtiges Amt, Auskunft vom 24. Mai 2000 an das VG Hamburg, S. 2 -,
18
müssten jedoch auf Grund der Präsenz guineischer Menschenrechtsbewegungen vor
Ort, namentlich der OGDH, deutlichere Aussagen zu etwaigen staatlichen Übergriffen
nach einer Rückkehr gemacht werden können.
19
Die weiteren von der IGFM bzw. von Frau R. gefertigte Berichte oder die von ihr
mitverfassten und inhaltlich auf ersteren beruhenden Stellungnahmen
20
- IGFM, Zusammenfassung vom 16. Juli 1999 der Ereignisse und Hintergründe um die
Sammelabschiebung nach Guinea am 30. Juni 1999, und Bericht vom 25. September
1999 über Recherchen in Guinea/Conakry vom 1. September 1999 bis 8. September
1999 betreffend am 30. Juni 1999 Abgeschobener nach Guinea; Hilfe für Menschen in
Abschiebehaft Büren e. V. (in Zusammenarbeit mit der IGFM), Offener Brief an das
Bundesministerium des Auswärtigen u. a. vom 9. Juli 1999 -
21
enthalten in dem hier interessierenden Zusammenhang als Fakt lediglich die Angabe,
dass sich einige - drei Personen werden namentlich benannt - der am 30. Juni 1999
abgeschobenen Ausländer in Guinea in Freiheit befinden. Darüber hinaus sind in
diesem Bericht bezüglich des weiterhin aufrecht erhaltenen Verdachts betreffend ein
"Verschwindenlassen" anderer Guineer und hinsichtlich des Todes einer weiteren
Person nur nicht belegte Wiedergaben von auf Hörensagen beruhenden Erklärungen
und auf der Deutung von Wahrnehmungen resultierende Spekulationen enthalten.
22
Gleiches gilt für weitere Äußerungen anderer Medienträger, deren Informationsquellen
mit den vorgenannten weitgehend identisch sind.
23
taz (ruhr) vom 8. Juli 2000: Bisher kein Lebenszeichen; Medienbüro für Menschenrechte
e. V. Delmenhorst vom 25. Dezember 1999 und vom 17. Januar 2000.
24
b) Demgegenüber verneinen übereinstimmend sowohl das Auswärtige Amt als auch
das Institut für Afrika-Kunde die Relevanz einer Asylantragstellung allein als Grund für
eine Rückkehrgefährdung. Nach Auffassung des Auswärtigen Amtes wird ein
Asylantrag sowohl von den guineischen Sicherheitskräften als auch von der
Bevölkerung als legitimes Mittel zur Aufenthaltsicherung in Europa angesehen.
25
Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 8. August 1997 an das VG Hamburg, vom 11. März
1998 an das VG Karlsruhe, S. 2, und vom 18. März 1998 an das VG Karlsruhe; Institut
für Afrika-Kunde, Auskünfte vom 1. und vom 9. Dezember 1997 an das VG Karlsruhe
sowie vom 1. Februar 2000 an das VG Hamburg, jeweils S. 2.
26
Ferner hat sich das Auswärtige Amt in genauer Kenntnis und in Auseinandersetzung mit
den weiter oben zitierten, anders lautenden Berichten, insbesondere der IGFM, und den
darin aufgestellten Behauptungen wiederholt in inhaltlich übereinstimmenden
Stellungnahmen dezidiert zu den angeblichen Verhaftungen zurückkehrender
guineischer Asylbewerber geäußert. Es hat dargelegt, derartige Geschehnisse könnten
nicht bestätigt werden. Insbesondere bei der Sammelrückführung am 30. Juni 1999
habe ein anwesender Vertreter der deutschen Botschaft in Conakry keine Verhaftungen
beobachten können. Der zu Rate gezogenen guineischen Menschenrechtsorganisation
OGDH lägen nach eigenen Angaben keine gesicherten Erkenntnisse zu Verhaftungen
vor. Die IGFM weise selbst in einem internen Bericht vom 1. März 1999 an das
Auswärtige Amt zwar auf Missstände in der Menschenrechtslage in Guinea hin,
demgegenüber enthalte dieser Bericht zu behaupteten Verhaftungen aus Deutschland
zurückgeführter guineischer Staatsangehöriger keine Aussage.
27
Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 2. September 1999 an das VG Arnsberg
(gleichlautend zu 1 K 3784/96.A und 1 K 907/97.A), jeweils S. 1, vom 24. Januar 2000
an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, S. 1, und vom 24.
Mai 2000 an das VG Hamburg, S. 1.
28
Auch bezüglich späterer Rückführungsmaßnahmen (19. und 26. November 1999 sowie
10. Dezember 1999) sind dem Auswärtigen Amt keine negativen Vorkommnisse
bekannt geworden.
29
Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 24. Januar 2000 an das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, S. 1, und vom 8. Juni 2000 an das VG Münster.
30
Hinsichtlich der am 19. November 1999 von Deutschland aus erfolgten Abschiebung
konnte die IGFM (Frau U. R. ) ebenfalls keine konkreten Angaben zum Verbleib der
Guineer und dem von ihr vermuteten "Verschwinden" dieser Personen machen.
31
IGFM, Bericht vom 2. Dezember 1999.
32
c) Lediglich ergänzend sei in diesem Zusammenhang, ohne dass es entscheidend
33
darauf ankäme, noch das Folgende angemerkt: Sollten, wie die OGDH schildert, in ihr
Heimatland zurückkehrende guineische Staatsangehörige tatsächlich zur Zahlung von
Geldsummen gezwungen werden
- vgl. auch Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 16. April 1999 an das VG Arnsberg, S. 1,
und vom 2. September 1999 an das VG Arnsberg (gleich lautend zu 1 K 3784/96.A und
1 K 907/97.A), jeweils S. 2 -,
34
so läge in diesen Erpressungen ein dem guineischen Staat nicht zuzurechnendes
persönliches Verhalten der Sicherheitskräfte. Diese Vorgehensweisen wären deshalb
bei wertender Betrachtung als asyl- und abschiebungsschutzrechtlich nicht relevante
Amtswalterexzesse zu qualifizieren. Denn es ist dem Senat aus einer Vielzahl von
Verfahren betreffend (mittel-)afrikanische Herkunftstaaten bekannt, dass die häufig
schlecht besoldeten Sicherheitsbediensteten an Flughäfen dort die Gelegenheit nutzen,
aus dem Ausland zurückkehrende Landsleute widerrechtlich zur Herausgabe
mitgebrachter Werte zu nötigen, umso ihre Bezüge "aufzubessern". Dies dürfte wegen
des hohen Grades an Korruption in Guinea
35
- Auswärtiges Amt, Auskunft vom 5. April 2000 an das VG Ansbach, S. 2 -
36
auch in diesem Land der Fall sein. Bei den in Guinea gegebenen politischen
Verhältnissen wird daher nie klar ermittelt werden können, ob ein Übergriff des
Bediensteten einer Sicherheitsbehörde "auf eigene Rechnung" oder auf Anordnung der
Dienstvorgesetzten erfolgt. Deshalb mag nicht auszuschließen sein, dass eine
Verfolgungsmaßnahme im Einzelfall von staatlichen Organen angeordnet wurde und
deshalb diesen zuzurechnen ist. Für die Gefahr einer Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit reicht dies indessen nicht aus.
37
5. Auch die des Weiteren aufgeworfene Frage, "ob für ein aktives Mitglied der
guineischen Exilpartei RPG bei einer Rückkehr nach Guinea die Gefahr politischer
Verfolgung besteht", bedarf nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren.
38
Die gegebene Erkenntnislage lässt nicht den Schluss zu, jeder in der Bundesrepublik
Deutschland exilpolitisch tätige Guineer, der Mitglied einer Oppositionspartei - etwa der
RPG - ist oder ihr nahe steht, würde bei einer Rückkehr nach Guinea angesichts der dort
herrschenden politischen Verhältnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgt.
39
a) Dabei darf zwar nicht verkannt werden, dass Guinea trotz seiner Staatsform als
konstitutionelle Republik, die stark auf den Präsidenten Lansana Conté ausgerichtet ist,
keine Demokratie nach dem rechtlichen Verständnis westlicher Staaten ist.
40
Auswärtiges Amt, Länderaufzeichnung Guinea (Stand: 1. März 2000), S. 2 - 5.
41
In Guinea gibt es Gefängnisse mit politischen Gefangenen.
42
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 8. März 2000 an das VG Gelsenkirchen; Bureau of
Democracy, Human Rights, and Labor - U. S. Department of State, 1999 Country
Reports on Human Rights Practices - Guinea - vom 25. Februar 2000, S. 6.
43
Ferner kommt es in Guinea nach der insoweit übereinstimmenden Auskunftslage zu
Menschenrechtsverletzungen, wie etwa willkürlichen Inhaftierungen, Misshandlungen
44
während der Haft, Anwendung von Folter und ähnlichen Verstößen gegen die
Menschenwürde.
Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 14. Juli 1997 an das VG Ansbach, vom 2. Oktober
1997 an das VG Arnsberg, vom 14. Oktober 1997 an das VG Arnsberg, und vom 8.
Dezember 1997 an das VG Arnsberg, jeweils S. 1; Bureau of Democracy, Human
Rights, and Labor - U. S. Department of State, 1999 Country Reports on Human Rights
Practices - Guinea - vom 25. Februar 2000, S. 1 ff.; Déclaration des Parlamentspräsident
El Hadj Boubacar Biro Diallo vom 9. November 1998 (mit deutscher Übersetzung);
amnesty international, Jahresberichte 1999, S. 232 ff., und 2000, S. 207 ff., sowie
Auskunft vom 8. Dezember 1997 an das VG Arnsberg (zu 1 K 3236/94.A), S. 2; IGFM,
Zusammenfassung vom 16. Juli 1999 der Ereignisse und Hintergründe um die
Sammelabschiebung nach Guinea am 30.06.1999, S. 3, und Bericht vom 25. September
1999 über Recherchen in Guinea/Conakry vom 1. September 1999 bis 8. September
1999 betreffend am 30. Juni 1999 Abgeschobener nach Guinea, S. 6; Institut für Afrika-
Kunde, Auskunft vom 21. Mai 1997 an das VG Ansbach, S. 2.
45
Wegen kritischer Äußerungen zur Menschenrechtslage in seinem Land wurde der
Parlamentspräsident El Hadj Boubacar Biro Diallo aus der regierenden PUP (Parti de l
´Unité et du Progrés) ausgeschlossen, ohne indes sein Amt als Präsident der
Nationalversammlung zu verlieren.
46
Déclaration des Parlamentspräsident El Hadj Boubacar Biro Diallo vom 9. November
1998 (mit deutscher Übersetzung); amnesty international, Jahresbericht 1999, S. 232 f.;
Auswärtiges Amt, Länderaufzeichnung Guinea (Stand: 1. März 2000), S. 1.
47
b) Auf der anderen Seite können sich in Guinea Menschenrechtsorganisationen
trotzdem grundsätzlich betätigen. Es existieren mehrere solcher Organisationen
48
- Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor - U. S. Department of State, 1999
Country Reports on Human Rights Practices - Guinea - vom 25. Februar 2000, S. 12 -,
49
etwa die bereits mehrfach erwähnte OGDH, die zum Beispiel 1999 einen offenen Brief
über Misshandlungen dem guineischen Staatspräsident überreicht hat.
50
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 8. März 2000 an das VG Gelsenkirchen.
51
Der OGDH ist es ferner möglich, in Guinea selbst Aufklärung in Menschenrechtsfragen
zu betreiben, von Guinea aus mit dem westeuropäischen Ausland zu kommunizieren
und Menschenrechtsverletzungen - etwa gegenüber der Europäischen Union - publik zu
machen.
52
IGFM, Zusammenfassung vom 16. Juli 1999 der Ereignisse und Hintergründe um die
Sammelabschiebung nach Guinea am 30. Juni 1999, S. 3; Schreiben (Telefax) der
OGDH vom 6. April 1999 an Frau R. ; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 8. März 2000 an
das VG Gelsenkirchen.
53
Auch der für das Länder-Referat "Guinea-Conacry" der IGFM tätigen Frau R. und einem
Journalisten der Medienagentur für Menschenrechte e. V. war es Anfang September
1999 möglich, nach Guinea zu reisen, mit dem Sicherheitsminister Koureissy Condé ein
Gespräch zu führen, ungehindert durch das Land zu reisen und mit der OGDH
54
Recherchen vor Ort zu unternehmen.
IGFM, Bericht vom 25. September 1999 über Recherchen in Guinea/Conakry vom 1.
September 1999 bis 8. September 1999 betreffend am 30. Juni 1999 Abgeschobener
nach Guinea.
55
In Guinea gibt es seit 1994 im Übrigen eine weitgehend unabhängige Presse. Neben
dem staatlichen Fernsehen/Rundfunk und der halbamtlichen Tageszeitung Horoya
existieren mehrere private Zeitschriften, wie Le Lynx, L´Indépendant, L´Oeil und La
Lance, die sich teilweise in scharfem Ton regierungskritisch äußern. Allerdings musste
die private Presse in der Vergangenheit zeitweilig staatliche Eingriffe (Durchsuchungen,
kurzfristige Festnahmen von Journalisten bzw. Ausweisung ausländischer Redakteure,
vorübergehende Schließung einer Zeitschrift) erleiden.
56
Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 2. Oktober 1997 an das VG Arnsberg, S. 2, und vom 8.
Dezember 1997 an das VG Arnsberg, S. 1 f., sowie Länderaufzeichnung Guinea (Stand:
1. März 2000), S. 2 und 9; amnesty international, Auskunft vom 3. Februar 1998 an das
VG Arnsberg, S. 2, und Jahresberichte 1998, S. 240, 1999, S. 234, sowie 2000, S. 207 f.;
Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor - U. S. Department of State, 1999
Country Reports on Human Rights Practices - Guinea - vom 25. Februar 2000, S. 1 f.
und 7.
57
c) Was speziell die Lage oppositioneller politischer Betätigung in Guinea anbelangt, gilt
Folgendes:
58
Neben der staatstragenden PUP gibt es in Guinea eine größere Anzahl weiterer
Parteien, so die größte Oppositionspartei RPG (Rassemblement du Peuple de Guinée),
ferner die UPR (Union pour le Progrés et le Renouveau), UNR (Union pour la Nouvelle
République) und eine Vielzahl weiterer kleinere Parteien sowie mehrere
Parteienzusammenschlüsse, etwa die CODEM (Coordination de l´opposition
démocratique).
59
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Guinea - Länderreport -
(Stand: Dezember 1998), S. 57 f. mit ausführlicher Liste.
60
Verschiedene Oppositionsparteien sind durch Abgeordnete im guineischen Parlament
vertreten, unterhalten Parteibüros/- zentralen, können sich betätigen und sich über die
Presse regierungskritisch äußern.
61
Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 8. Dezember 1997 an das VG Arnsberg, S. 1 f., vom
13. Oktober 1999 an das VG Arnsberg, S. 2, sowie Länderaufzeichnung Guinea (Stand:
1. März 2000), S. 1; amnesty international, Auskunft vom 3. Februar 1998 an das VG
Arnsberg, S. 1; IGFM, Bericht vom 25. September 1999 über Recherchen in
Guinea/Conakry vom 1. September 1999 bis 8. September 1999 betreffend am 30. Juni
1999 Abgeschobener nach Guinea.
62
Nach der vorzitierten Auskunftslage kommt es aber auch zu Behinderungen der
parlamentarischen Opposition, (zeitweiligen) Verhaftungen von Abgeordneten,
Übergriffen auf Mitglieder und Sympathisanten oppositioneller Parteien.
63
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 13. Oktober 1999 an das VG Arnsberg und
64
Länderaufzeichnung Guinea (Stand: 1. März 2000), S. 5; amnesty international, Auskunft
vom 3. Februar 1998 an das VG Arnsberg, S. 1, und Jahresberichte 1999, S. 233 f.,
sowie 2000, S. 207 f.; IGFM, Bericht vom 25. September 1999 über Recherchen in
Guinea/Conakry vom 1. September 1999 bis 8. September 1999 betreffend am 30. Juni
1999 Abgeschobener nach Guinea.
Nach Angaben der OGDH haben Personen, die in der RPG Funktions-träger sind oder
waren, häufig mit Schwierigkeiten zu rechnen. Selbst bei kleineren Versammlungen sei
es zu Verhaftungen in stärkerem Maß als bei anderen Parteien gekommen. Bezogen auf
Guinea wird eine allgemeine Verfolgung von Mitgliedern der Oppositionspartei RPG, die
mit Sitz und Stimme in der guineischen Nationalversammlung vertreten ist und die
politische Szene in Oberguinea dominiert, nicht ohne weiteres bestätigt.
65
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 13. Oktober 1999 an das VG Arnsberg.
66
Etwas anderes mag für herausgehobene, d. h. prominente und an exponierter Stelle
agierende Oppositionelle gelten. Dafür sprechen die vorerwähnten Verhaftungen von
Abgeordneten im März und Dezember 1998, insbesondere die Inhaftierung des RPG-
Vorsitzenden Alpha Condé, der ebenfalls im Dezember 1998 u. a. wegen der Vorwürfe
eines Putschversuches, von Devisenvergehen und Widerstandes gegen die
Staatsgewalt festgenommen worden ist und gegenwärtig noch immer auf einen
wiederholt verschobenen Prozess wartet.
67
Auswärtiges Amt, Länderaufzeichnung Guinea (Stand: 1. März 2000), S. 5; Institut für
Afrika-Kunde, Auskunft vom 1. Februar 2000 an das VG Hamburg, S. 1; amnesty
international, Jahresbericht 2000, S. 207; FAZ vom 18. Dezember 1998:
Oppositionsführer nach der Wahl verhaftet; Internationales Afrika-Forum 1/1999, S. 24,
3/1999, S. 224, und 1/2000, S. 22.
68
d) Was die Mitgliedschaft in einer oppositionellen Partei, exilpolitische Aktivitäten
guineischer Staatsangehöriger in Deutschland und insbesondere deren Mitgliedschaft
in der "Association des ressortissants guinéens en Allemagne" (ARGA) anbelangt, ist
gleichfalls eine differenzierende Betrachtung erforderlich.
69
Wegen der bloßen Mitgliedschaft in der RPG, der - wie dargelegt - größten guineischen
Oppositionspartei, hat das Auswärtige Amt im Falle einer Rückkehr politische
Verfolgungsmaßnahmen als unwahrscheinlich bzw. als mit hoher Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen angesehen.
70
Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 19. September 1997 an das VG Arnsberg, vom 8.
Dezember 1997 an das VG Arnsberg, S. 1 f., und vom 6. April 1998 an das VG
Arnsberg.
71
Nur im Falle einer öffentlichen Kritik an der guineischen Regierung, welche die Ebene
der sachlichen Kritik verlasse und beispielsweise hochrangige Politiker verhöhne oder
zum Staatsstreich aufrufe, könne die Gefahr einer Verfolgung mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
72
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 19. September 1997 an das VG Arnsberg.
73
Die ARGA ihrerseits ist eine parteiübergreifende Vereinigung. Sie wurde am 29. März
74
1995 gegründet und unter dem 25. Oktober 1995 als "Verein der guineischen
Staatsbürger in Deutschland e. V." im Vereinsregister eingetragen.
Registerauszug vom 22. Juli 1997 des Amtsgerichts Bochum, Handelsregister,
Abteilung 14 VR 2899, übersandt an das VG Gelsenkirchen zum Verfahren 10a K
292/95.A = 11 A 4125/99.A OVG NRW.
75
Zu der Frage einer möglichen Rückkehrgefährdung von ARGA- Mitgliedern hat das
Auswärtige Amt seit 1997 eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise eingenommen.
Es wurde zunächst die Auffassung vertreten, eine Gefährdung von aktiven Mitgliedern
der ARGA könne auch ohne vorherige politische Aktivitäten in Guinea grundsätzlich
nicht ausgeschlossen werden, soweit guineischen Behörden, z. B. durch namentliche
Protestschreiben und Fotos von Demonstrationen vor der guineischen Botschaft in
Bonn, ihre Identität bekannt sei. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen,
dass die bloße Mitgliedschaft in der ARGA den Heimatbehörden bekannt werde.
Guineer, die namentlich öffentliche Kritik an der guineischen Regierungspolitik geübt
hätten, noch dazu vom Ausland aus, müssten damit rechnen, dass ihre Heimatbehörden
darüber informiert seien.
76
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 18. April 1997 an das VG Düsseldorf, S. 1 f., und vom 2.
Oktober 1997 an das VG Arnsberg, S. 2; vgl. auch Auskunft vom 8. August 1997 an das
VG Hamburg.
77
In der Folgezeit hat das Auswärtige Amt die bloße (Gründungs-) Mitgliedschaft in der
ARGA allein nicht als Gefährdungsgrund angesehen. Entscheidend sei vielmehr, ob die
Person zuvor in Guinea politisch aktiv gewesen sei, was auf die meisten der dem Amt
zum Teil namentlich bekannten Gründungsmitglieder zutreffe,
78
- Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 20. Oktober 1997 an das VG Gelsenkirchen und vom
27. April 1998 an das VG Arnsberg, S. 2 -,
79
wobei als "Gründungsmitglieder" nur diejenigen Personen zu verstehen seien, die in
dem Protokoll der Gründungsversammlung des Vereins als erster Vorstand des Vereins
aufgeführt seien. Eine politische Betätigung in Guinea dieser namentlich benannten
Vorstandsmitglieder wurde ebenso bejaht wie die sichere Verfolgung von vier zu
diesem Kreis gehörenden - ebenso namentlich benannten - Personen.
80
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 7. April 1998 an das VG Gelsenkirchen.
81
Als mögliche Anknüpfungspunkte für eine über die alleinige ARGA-Mitgliedschaft
hinausgehende mögliche Gefährdung wurden ferner das Schaffen von
Nachfluchtgründen durch eine öffentliche scharfe Kritik an der guineischen Regierung in
Verbindung mit einer auf die Rückkehr in das Heimatland folgenden Denunzierung bei
den Sicherheitskräften genannt.
82
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 6. April 1998 an das VG Arnsberg.
83
Nur wegen der Beteiligung an Demonstrationen der ARGA wurde die Gefahr einer
Verfolgung als unwahrscheinlich bewertet.
84
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 8. April 1998 an das VG Arnsberg.
85
Soweit in einer Auskunft aus dem Jahr 1999 zum Fall eines guineischen Asylbewerbers
erklärt wurde, bei Richtigkeit von dessen Angaben könne eine Garantie für ein faires,
rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Verfahren nicht uneingeschränkt
gegeben werden, und seien bei den von ihm entfalteten Aktivitäten bei Bekanntwerden
gegenüber den guineischen Behörden Misshandlungen, u. U. ein
"Verschwindenlassen", nicht auszuschließen, betraf dies einen Ausländer, der -
eigenem Vortrag zufolge - nicht nur als RPG- Mitglied bereits in Guinea politisch aktiv
war, sondern dort zudem wegen Polizistenmordes gesucht wurde und schließlich bei
mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland Mitglied der (Exil-)RPG und der ARGA war.
86
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Juni 1999 an das VG Arnsberg; vgl. wegen einer
möglichen Gefährdung auf Grund von Straftaten auch Auskünfte vom 8. Dezember 1997
an das VG Arnsberg, S. 2, und vom 18. März 1998 an das VG Karlsruhe.
87
e) Es spricht nach dem vorstehend Dargelegten überwiegendes für die Annahme, dass
der guineische Staatspräsident Lansana Conté bzw. seine Regierung und demzufolge
die staatlichen Sicherheitskräfte als ausführende Organe das Verhältnis zu einer
oppositionellen politischen Betätigung maßgeblich unter den Aspekten des
Machterhalts, der inneren staatlichen Sicherheit und der Verhinderung einer möglichen
Gewalteskalation sehen. Hierbei spielen auch die angespannte wirtschaftliche Lage
Guineas und die - z. T. noch schwelenden - Konflikte in den Nachbarländern Sierra
Leone und Liberia eine Rolle, die zu einer weiteren Belastung Guineas mit einem
erheblichen Flüchtlingsstrom und Kämpfen im jeweiligen Grenzgebiet geführt haben.
88
Flüchtlinge 1/2000: Gäste in einem vergessenen Land; FAZ vom 26. Mai 2000: Asyl in
einem vergessenen Land; Internationales Afrika-Forum 3/1999, S. 224 f., 1/2000, S. 22.
89
f) Der Senat vermag nach alledem zwar nicht auszuschließen, dass im Einzelfall ein
guineischer Staatsangehöriger bei einer Rückkehr in sein Heimatland staatlichen
Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sein kann, sofern er einer exilpolitisch-
oppositionellen Betätigung in herausgehobener Position nachgeht, die sich als
Fortführung bereits in Guinea an exponierter Stelle ausgeübter oppositioneller
Aktivitäten darstellt und - die guineische Regierung verletzend - das übliche Maß
regimekritischer Äußerungen überschreitet, wobei noch erforderlich ist, dass die
guineischen Sicherheitskräfte hiervon Kenntnis erlangen. Demgegenüber ist aber nicht
der Schluss gerechtfertigt, die Gefahr, Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein,
bestehe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit für jeden guineischen Asylbewerber mit
exilpolitischen Aktivitäten bzw. jedes ARGA-Mitglied, weil insoweit die für eine
Verfolgung sprechenden Umstände bei qualifizierender Betrachtungsweise kein
größeres Gewicht als die gegen eine Verfolgung sprechenden Tatsachen besitzen.
90
Ein weitergehender Klärungsbedarf wird in dem Zulassungsantrag nicht aufgezeigt und
ist auch sonst nicht ersichtlich.
91
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG abgesehen.
92
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.
93
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2
AsylVfG).
94
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
95