Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.09.2000

OVG NRW: archäologischer fund, rechtliches gehör, neue beweismittel, unterschutzstellung, grundstück, ausdehnung, zugehörigkeit, bauarbeiten, verbal, vergleich

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 1452/99
Datum:
08.09.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 A 1452/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 7 K 3662/95
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. Februar 1999 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Der Streitwert wird
auch für das Antragsverfahren auf 8.000,- DM festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat das Recht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs
(§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht verletzt. Dieser Grundsatz gebietet es, den
Prozessbeteiligten die Möglichkeit einzuräumen, sich zu dem der Entscheidung
zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern und die
entscheidungserheblichen Äußerungen zur Kenntnis zu nehmen und in die
Entscheidungsfindung einzubeziehen. Es ist indes nicht zu erkennen, dass das
Verwaltungsgericht gegen diesen Grundsatz verstoßen haben könnte. Insbesondere hat
es sich (S. 8f. der Urteilsabschrift) mit der Behauptung auseinander gesetzt, der Fundort
der "G. " sei nicht ausreichend lokalisiert, so dass nicht feststehe, dass diese Streitaxt
tatsächlich auf dem Grundstück der Klägerin gefunden worden sei. Die schriftsätzliche
Anregung der Klägerin, die Akten über die Auffindung der Streitaxt beizuziehen, musste
das Gericht nicht aufgreifen; die Klägerin hat es im Übrigen versäumt, diese Anregung in
der mündlichen Verhandlung als förmlichen Beweisantrag zu stellen und sich damit
auch insofern rechtliches Gehör zu verschaffen.
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Auch die weiter geltend gemachte Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) greift nicht
durch. Eine zur Berufungszulassung führende Divergenz liegt vor, wenn das
Verwaltungsgericht mit einem von ihm aufgestellten abstrakten entscheidungstragenden
Rechtssatz von einem ebensolchen, von einem der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 bezeichneten
übergeordneten Gerichte aufgestellten Rechtssatz abweicht. Im vorliegenden Fall ist
schon zweifelhaft, ob die Rüge schlüssig erhoben ist (§ 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO). Die
Antragsschrift legt nämlich nicht dar, welchen abstrakten Rechtssatz das
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Verwaltungsgericht aufgestellt haben soll, mit dem es von dem vom
Oberverwaltungsgericht aufgestellten Satz abgewichen sein könnte, dass die
Unterschutzstellung eines großen Grundstücks zur Erhaltung eines Bodendenkmals
dann gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, wenn denkmalwerte
Sachen nur in einem kleineren Teil des Grundstücks verborgen sind.
OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 1995 - 10 A 4827/94 -, S. 9 der Urteilsabschrift.
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Unabhängig von der Frage der hinreichenden Darlegung einer Divergenz lässt sich
eine Abweichung aber auch in der Sache nicht feststellen, weil die in der Antragsschrift
bezeichnete Rechtsfrage - Unverhältnismäßigkeit einer Unterschutzstellung großer
Flächen ohne sichere Erkenntnis vom Vorhandensein eines Bodendenkmals - für die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich war. Vielmehr
stellt es fest, dass der vorliegende Fall sich hinsichtlich der tatbestandlichen
Voraussetzungen mit dem der oben genannten Entscheidung zugrunde liegende Fall
nicht decke, weil feststehe, dass das gesamte Grundstück der Klägerin Teil des
Gräberfeldes und damit Teil des Bodendenkmals sei. Auf die Frage einer räumlichen
Einschränkung des unter Schutz gestellten Bereichs aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit kommt es bei diesem Ausgangspunkt nicht an, so dass eine
Divergenz schon deshalb ausscheidet. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht seiner
Entscheidung die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts - u.a. auch die oben
genannte Entscheidung vom 21. Dezember 1995, wenn auch ohne gesonderten
Hinweis auf den Aspekt der Verhältnismäßigkeit - zugrunde gelegt und ist davon weder
ausdrücklich noch stillschweigend abgewichen. Die von der Antragsschrift der Sache
nach lediglich gerügte fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechung des OVG NRW lässt
sich mit der Divergenzrüge nicht erfassen.
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Schließlich bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Nach der Rechtsprechung
des Oberverwaltungsgerichts umfasst ein Bodendenkmal nicht nur die beweglichen
oder unbeweglichen Sachen bzw. Mehrheiten von Sachen, die Anlass für die
Unterschutzstellung bieten, sondern auch den diese Sachen umgebenden Boden.
Weitere Voraussetzung für die Unterschutzstellung ist es, dass in der zur
Unterschutzstellung vorgesehenen Fläche mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit Bodendenkmäler verborgen sind. Um das Vorliegen dieser
Voraussetzungen festzustellen, muss das Verwaltungsgericht eine
Sachverhaltsaufklärung betreiben, die für Zweifel an dem im Boden anzutreffenden
archäologischen Befund keinen Raum lässt, aber die Zerstörung des zu Schützenden
vermeidet.
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OVG NRW, Urteil vom 5. März 1992 - 10 A 1748/86 -, Leitsätze 3 und 4 sowie S. 21ff.
der Urteilsabschrift.
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Diesen Erfordernissen ist das Verwaltungsgericht gerecht geworden. Es ist zu Recht
davon ausgegangen, dass das unter Schutz zu stellende Bodendenkmal nicht ein
einzelnes Grab oder gar einzelne Fundstücke (etwa die G. bzw. ihr Fundort) sind,
sondern das gesamte Gräberfeld einschließlich des die Gräber umgebenden und
voneinander abgrenzenden Bodens; anders ließe sich das Bodendenkmal, das auch
durch die Lage und Beziehungen der Einzelgräber zueinander charakterisiert wird, nicht
vollständig erfassen. Unter Auswertung der über fränkische Gräberfelder im
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Allgemeinen und über dasjenige Gräberfeld, das Anlass für den vorliegenden
Rechtsstreit gegeben hat, im Besonderen vorliegenden archäologischen
Veröffentlichungen hat es festgestellt, dass das gesamte Grundstück der Klägerin Teil
des Gräberfeldes ist. Auch diese Schlussfolgerung lässt Rechtsfehler nicht erkennen,
wobei zu berücksichtigen ist, dass sich das Grundstück der Klägerin zwar
möglicherweise im südlichen Randbereich des Gräberfeldes befindet, andererseits aber
in seiner Größe mit unter 1.000 m² und bezogen auf die Gesamtgröße des Gräberfeldes
begrenzt ist; in der oben genannten Entscheidung des OVG NRW vom 5. März 1992 war
eine um ein Vielfaches größere Fläche betroffen. Das für die Unterschutzstellung auch
des klägerischen Grundstücks erforderliche Maß an Gewissheit über die Zugehörigkeit
zu dem Gräberfeld ist entgegen der Auffassung der Antragsschrift insbesondere davon
unabhängig, ob die Streitaxt exakt am Rande der Baugrube oder wenige Meter davon
entfernt gefunden worden ist, weil die aus Erkenntnissen zu ähnlichen Gräberfeldern
abgeleiteten Annahmen über die Ausdehnung des hier betroffenen Gräberfeldes davon
nicht nennenswert beeinflusst werden. Auch die Frage, ob an dieser Stelle - Baugrube -
überhaupt eine G. oder nur ein anderer Gegenstand gefunden worden ist, ist letztlich
zweitrangig, da aufgrund der vorliegenden Karten jedenfalls feststeht, dass sich auf dem
Grundstück der Klägerin ein archäologischer Fundort befindet. Gleichfalls irrelevant und
nicht weiter klärungsbedürftig ist schließlich die Frage, ob nach Bergung der
gefundenen Streitaxt das zugehörige Einzelgrab möglicherweise - je nachdem, wie weit
es von der Baugrube betroffen war - aufgrund der Bauarbeiten nicht mehr vorhanden ist.
Denn für die Unterschutzstellung des klägerischen Grundstücks bedeutend ist allein der
Umstand, dass an dieser Stelle ein archäologischer Fund gemacht worden ist, der auf
das Gräberfeld bezogen werden kann und deshalb als Indiz für dessen Ausdehnung
dient.
Die von der Klägerin und der Beklagten in das Zulassungsverfahren eingeführten
Beweismittel - Aktenmaterial über die Auffindung der Streitaxt - führen zu keinem
anderen Ergebnis, so dass die Frage offen bleiben kann, ob derartige neue
Beweismittel überhaupt berücksichtigt werden können. Denn auch diese Akten
erschüttern die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die G. auf dem Grundstück der
Klägerin gefunden worden ist, im Gegensatz zur Annahme der Klägerin nicht. Zwar wird
die Fundstelle dort verbal mit "Friedhof I. " bezeichnet, doch ergibt sich aus den
beigegebenen Koordinaten im Vergleich zu den Koordinaten der anderen Fundstücke
zweifelsfrei, dass ein enger örtlicher Zusammenhang zu dem Gräberfeld an der
Gartenstraße besteht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über den
Streitwert folgt aus § 14 Abs. 3 und 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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