Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.11.2007

OVG NRW: öffentliches amt, beförderung, erhaltung, thüringen, ausnahme, verordnung, qualifikation, polizei, abrundung, anerkennung

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 1249/06
Datum:
05.11.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 1249/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 K 1023/03
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro
festgesetzt.
Gründe:
1
Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat angenommen, über die Zulassung zum Aufstieg in die
Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes müsse in einer Bestenauslese nach Art.
33 Abs. 2 GG entschieden werden. Der erforderliche Qualifikationsvergleich sei
zunächst nach den dienstlichen Beurteilungen vorzunehmen. Nur wenn danach
Bewerber gleich qualifiziert seien, dürften Auswahlgespräche zur Abrundung des
Leistungsbildes herangezogen werden. Träten - wie hier - mit Bestnoten beurteilte
Bewerber aus den Statusämtern A 7 bis A 10 BBesO miteinander in Wettbewerb, weise
die gleiche Beurteilungsnote in einem höheren Statusamt grundsätzlich auf eine höhere
Qualifikation hin. Da das beklagte Land die Zulassungsentscheidung ohne
Berücksichtigung dieses Qualifikationsvorsprungs ausschließlich aufgrund der
Auswahlgespräche getroffen habe, sei die Ablehnung des Klägers ermessensfehlerhaft.
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Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen
Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Eine spezialgesetzliche Regelung, wie die Beamten für das Aufstiegsverfahren
ausgewählt werden, besteht nicht. § 1 Abs. 1 der Verordnung über den
prüfungserleichterten Aufstieg in die Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes
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der Arbeitsschutzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 1997 (GV.
NRW. 1997, S. 118) - AufstiegsVO - legt lediglich die formalen Voraussetzungen einer
Aufstiegsbewerbung fest. § 1 Abs. 2 AufstiegsVO weist die Entscheidung über die
Zulassung zum Aufstieg ohne nähere Maßgaben dem Ministerium für Arbeit,
Gesundheit und Soziales zu. Auch die allgemeinen Vorschriften zu Aufstiegsbeamten
(§§ 30 LVO NRW, 26 LBG NRW) geben keine Auswahlmaßstäbe vor.
Die Zulassung der Bewerber zum Aufstiegsverfahren richtet sich daher nach
allgemeinen beamtenrechtlichen Auswahlprinzipien. Das Verwaltungsgericht hat zu
Recht angenommen, die aufstiegswilligen Beamten seien nach den aus Art. 33 Abs. 2
GG, § 7 Abs. 1 LBG NRW folgenden Grundsätzen der Bestenauslese auszuwählen. Die
Zulassung zum Aufstiegsverfahren verleiht zwar kein öffentliches Amt und entscheidet
nicht über eine Beförderung. Denn die Beförderung hängt noch vom erfolgreichen
Durchlaufen der Einführungszeit, des Aufstiegslehrgangs und der Aufstiegsprüfung ab
(vgl. §§ 2, 7, 10 AufstiegsVO). In der Sache kommt die Zulassung aber einer
vorweggenommenen Beförderungsentscheidung nahe, weil sie wie die Vergabe eines
Beförderungsdienstpostens zur Erprobung eine notwendige Voraussetzung einer
nachfolgenden Beförderung darstellt. Der beförderungsähnliche Charakter der
Zulassung zum Aufstiegsverfahren wird dadurch unterstrichen, dass für alle
zugelassenen Bewerber eine Beförderungsplanstelle im gehobenen Dienst vorhanden
ist.
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Der Grundsatz der Bestenauslese verlangt einen Qualifikationsvergleich, der in erster
Linie auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen der Bewerber erfolgt. Dabei
verschafft die gleiche Beurteilungsnote in einem höheren Statusamt im Allgemeinen
einen Qualifikationsvorsprung, weil an den Inhaber eines höheren Statusamts größere
Leistungsanforderungen gestellt werden.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2004 - 6 B 1212/04 -, DÖD 2006, 15 mit
weiteren Nachweisen.
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Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ohne Ausnahme. Gleiche Beurteilungsnoten in
unterschiedlichen Statusämtern können zu einer gleichen Qualifikation führen, wenn
ihnen dieselben Leistungsanforderungen zugrunde liegen. Der Dienstherr muss die
Leistungsanforderungen, nach denen er die dienstliche Beurteilung bemisst, nämlich
nicht nach Statusämtern unterscheiden. Er kann sie auch statusamtsübergreifend
anhand der Innehabung von Dienstposten mit weitgehend denselben Anforderungen
bestimmen, vgl. § 10a Abs. 2 Satz 2 LVO NRW, § 41a Satz 1 BLV ("Funktionsebene").
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 -, BVerwGE 124, 356; OVG
NRW, Urteil vom 6. September 2005 - 6 A 1903/03 -, NWVBl 2006, 139.
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Mit seinem Vortrag, alle Bewerber seien als gleich qualifiziert anzusehen, weil sie
entweder ein Statusamt nach A 9 BBesO innehätten oder zumindest die Aufgaben eines
solchen Statusamts seit wenigstens zwei Jahren wahrnähmen, hat das beklagte Land
die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme nicht in einer den Anforderungen des §
124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Aus dem Zulassungsantrag
geht bereits nicht hervor, dass alle Aufstiegsbewerber im Aufstiegsverfahren des Jahres
2003 tatsächlich Dienstposten inne hatten, die dieselben Anforderungen stellten. Vor
allem ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht, dass sämtliche Bewerber auch
nach denselben einheitlichen Maßstäben beurteilt worden sind. Selbst wenn diese
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Voraussetzung erfüllt wäre, ließe sich damit im Übrigen noch nicht rechtfertigen, Beamte
mit dem besten und dem nur zweitbesten Beurteilungsprädikat stets gleichzustellen.
Eine solche Gleichsetzung lässt sich auch nicht aus § 30 Abs. 5 LVO NRW herleiten.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass diese Regelung lediglich die
formalen Mindestvoraussetzungen für einen Laufbahnwechsel festlegt. Übersteigt die
Zahl der Aufstiegsbewerber - wie hier - die der verfügbaren Stellen, muss der Dienstherr
unter ihnen eine Bestenauslese anhand des von ihm aufgestellten Anforderungsprofils
durchführen.
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Vgl. BayVGH, Beschluss vom 1. Februar 2005 - 3 CE 04.2323 - (Juris).
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Ohne Erfolg rügt der Rechtsbehelf, den Auswahlgesprächen komme ausnahmsweise
eine besondere Aussagekraft zu, weil bei einem Laufbahnwechsel aus der dienstlichen
Beurteilung nicht zuverlässig auf die Eignung des Bewerbers in der neuen Laufbahn
geschlossen werden könne. Das beklagte Land legt nichts dafür dar, dass die Prognose
über die Eignung zum Laufbahnwechsel auf der Grundlage von Auswahlgesprächen
nach der Art eines Assessment- Center-Verfahrens von höherer Güte ist, als wenn sie
anhand dienstlicher Beurteilungen vorgenommen wird. Auswahlgespräche können am
ehesten zur Persönlichkeit des Bewerbers im Hinblick auf die Erfüllung der künftigen
Anforderungen Aufschluss vermitteln. Der Zulassungsantrag erläutert aber nicht, warum
Auswahlgespräche bei der Persönlichkeitsbewertung der Verwendungsprognose des
Vorgesetzten überlegen sein sollen. Das wäre jedoch um so mehr angezeigt, als
Auswahlgespräche stets nur eine Momentaufnahme in einer Prüfungssituation sind,
während der Vorgesetzte seine Beurteilung regelmäßig auf eine längere persönliche
Zusammenarbeit stützt.
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Vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 8. Dezember 2000 - 4 SN 60/00 -, NVwZ-RR 2001,
395; OVG Thüringen, Beschluss vom 31. März 2003 - 2 EO 545/02 -, NVwZ-RR 2004,
52.
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Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung, welches Gewicht den
Auswahlgesprächen, denen nach der Rechtsprechung im Grundsatz nur eine
Abrundungswirkung zukommt, neben den dienstlichen Beurteilungen bei der Auswahl
zugemessen werden darf.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Dezember 2005 - 6 B 1845/05 -, NVwZ-RR 2006,
343, vom 10. November 2005 - 6 B 1710/05 -, vom 27. Juni 1994 - 12 B 1084/94 -, ZBR
1995, 152, vom 14. Februar 1997 - 12 B 2068/96 -, IÖD 1997, 206, und vom 8. Mai 2000
- 12 B 307/00 -; OVG Thüringen, Beschluss vom 31. März 2003 - 2 EO 545/02 -, a.a.O.;
OVG Berlin, Beschluss vom 8. Dezember 2000 - 4 SN 60/00 -, a.a.O.
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Außer den bereits vom Verwaltungsgericht offen gelassenen Rechtsfragen kann
ebenfalls unentschieden bleiben, ob ein weder durch Gesetz noch Verordnung
geregeltes Auswahlverfahren über die Zulassung zum Aufstiegsverfahren den
Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts genügt.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. August 1999 - 6 A 3061/97 -, in: IÖD 2000, 50, zu
den entsprechenden Anforderungen an die Zulassung zum Aufstiegslehrgang im
Bereich der Polizei.
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Das Zulassungsvorbringen legt nicht dar (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO),
dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO hat.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine
grundsätzliche, bisher höchst- oder obergerichtlich noch nicht geklärte Rechtsfrage
aufwirft, deren im erstrebten Berufungsverfahren zu erwartende Entscheidung zur
Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame
Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Diese grundsätzliche Bedeutung
muss durch Anführung einer konkreten, sich aus dem vorliegenden Rechtsstreit
ergebenden Rechtsfrage und durch Hinweis auf den Grund, der die Anerkennung der
grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll, dargelegt werden.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. März 2005 - 6 A 2534/04 -, vom 28. August 2000 -
6 A 4255/99 - (Juris) und vom 19. August 1999 - 6 A 3391/99 - jeweils mit weiteren
Nachweisen.
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Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags nicht. Das
beklagte Land formuliert bereits keine konkrete Rechtsfrage, die im Berufungsverfahren
zu beantworten wäre. Eine solche lässt sich dem Rechtsbehelf auch nur dem Sinn nach
nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen.
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Soweit die Aufzählung von Bereichen mit vergleichbaren Regelungen oder ähnlicher
Verwaltungspraxis als Verweis darauf zu verstehen ist, die rechtliche Problematik reiche
über den Einzelfall hinaus und betreffe eine Vielzahl von Fällen, verleiht dies noch
keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne einer gebotenen Erhaltung der Einheitlichkeit
der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts.
Angesichts der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung zum Verhältnis von
dienstlichen Beurteilungen und Auswahlgesprächen bei der Bestenauslese nach Art. 33
Abs. 2 GG bedürfte es hierzu überdies vertiefter Darlegungen. Im Übrigen erscheint es
mit Blick auf die offen gelassenen Rechtsfragen zweifelhaft, ob in einem
Berufungsverfahren tatsächlich über den Stellenwert der Auswahlgespräche im
Verhältnis zur dienstlichen Beurteilung entschieden werden müsste.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags
auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5
Satz 4 VwGO).
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