Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.08.2008

OVG NRW: gemeinde, vorprüfung, höhe der anlage, umweltverträglichkeitsprüfung, stadt, windkraftanlage, behörde, ausweisung, auflage, erneuerbare energien

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2138/06
Datum:
28.08.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 A 2138/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 10 K 3475/04
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts
Münster vom 31. März 2006 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 17.
März 2005 verpflichtet, die Anträge der Kläger auf Erteilung
immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für den Betrieb von vier
Windkraftanlagen des Typs Enercon 58/10.58 auf den Grundstücken X
sowie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind, tragen die
Beklagte zu 80 % und die Kläger zu 20 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung
in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
Die Kläger begehren die Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für die
Errichtung von je zwei Windkraftanlagen vom Typ Enercon 58/10.58 mit einer
2
Nabenhöhe von 70,5 m, einem Rotordurchmesser von 58,6 m und einer Nennleistung
von 1000 kW auf den Grundstücken Gemarkung X. Der Standort der beantragten
Anlagen liegt etwa 2,7 km südlich des Stadtrandes von C. und etwa 2 km östlich des
Klosters H. auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche südlich des O.-------weges
sowie östlich der Landesstraße in der sog. P. . Der Abstand zu den umliegenden
Wohnbebauungen beträgt zwischen 315 m und 788 m, der Abstand der beiden westlich
gelegenen, vom Kläger zu 2. geplanten Anlagen soll - gemessen vom Mittelpunkt des
Mastfußes - 49,90 m betragen.
Der Gebietsentwicklungsplan für den Regierungsbezirk Münster - Teilabschnitt
Münsterland - Teil 3: Sachlicher Teilabschnitt "Eignungsbereiche für erneuerbare
Energien/Windkraft" (im Folgenden: GEP) weist für das Gemeindegebiet der
Beigeladenen zwei Eignungsbereiche aus. Der Eignungsbereich mit einer
Gesamtfläche von insgesamt 220 ha liegt im Südwesten des Gemeindegebiets und
erstreckt sich teilweise auf das Gebiet der Nachbargemeinde O1. . Dort befinden sich
zwei Windkraftanlagen, eine vom Typ Enercon 40/ 5.40 mit einer Nabenhöhe von 62 m
und eine vom Typ Enercon 40/6.44 mit einer Nabenhöhe von 77,9 m. Der
Eignungsbereich mit einer Fläche von 30 ha ist etwa 2 km westlich der Stadt C. nahe
des Industriegebietes I. gelegen.
3
Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen in der Fassung der 19. Änderung stellt auf
einem etwa 39 ha großen Teilstück des Eignungsbereich eine Konzentrationszone dar.
Innerhalb der Vorrangzone befinden sich zwei Windkraftanlagen vom Typ Enercon
58/10.58.
4
Die Standorte der geplanten Windkraftanlagen liegen innerhalb des im GEP
ausgewiesenen Eignungsbereichs, aber außerhalb der im Flächennutzungsplan der
Beigeladenen ausgewiesenen Konzentrationszone.
5
Am 22. September 2000 beantragten die Rechtsvorgänger der Kläger die Erteilung von
Baugenehmigungen für insgesamt sechs Windkraftanlagen des Typs Enercon 58/10.
innerhalb des Eignungsbereichs. Nachdem die Beigeladene am 30. Oktober 2000 eine
Veränderungssperre beschlossen und jeweils unter dem 21. November 2000 ihr
Einvernehmen wegen entgegenstehender Planungen verweigert hatte, lehnte der
damals zuständige Landrat des Kreises D. die Bauanträge mit Bescheiden vom 12. und
13. Dezember 2000 ab.
6
Die Beklagte wies die am 12. Januar 2001 erhobenen Widersprüche mit
Widerspruchsbescheiden vom 5. April 2001 zurück.
7
Am 8. Mai 2001 hat die Rechtsvorgängerin der Kläger Klage erhoben.
8
Am 18. Dezember 2001 hat der Rat der Beigeladenen nach Einholung eines im Januar
2001 in Auftrag gegebenen landschaftspflegerischen Fachbeitrags der Firma "ökoplan",
das Bestandteil der Flächennutzungsplanänderung geworden ist, die 19. Änderung des
Flächennutzungsplans beschlossen. Die Beklagte hat die 19. Änderung des
Flächennutzungsplans am 21. März 2002 genehmigt. Die Genehmigung ist am 26. März
2002 im Amtsblatt der Beigeladenen veröffentlicht worden.
9
Im Erläuterungsbericht wird u.a. ausgeführt: Ziel der Planung sei die angemessene
Berücksichtigung der Belange des Freiraumschutzes und der Landschaftspflege
10
insbesondere mit Blick auf die Errichtung und den Betrieb von Anlagen mit einer
Gesamthöhe von 130 m und mehr. Zum Zwecke der positiven Standortausweisung im
Flächennutzungsplan seien die planerischen Vorgaben für das gesamte Stadtgebiet
zusammengeführt worden. Als Zwischenschritt seien Tabu- und Schutzzonen festgelegt
worden. Die danach verbliebenen Bereiche seien je nach Empfindlichkeit und
Schutzwürdigkeit verschiedenen Restriktionszonen zugeordnet worden. Gunstzonen mit
geringer Empfindlichkeit seien nicht gefunden worden.
Der Wegfall des Eignungsbereichs sowie die Verkleinerung des Eignungsbereichs
werden wie folgt begründet:
11
Der südliche Teil des Eignungsbereiches liege als naturschutzwürdige Fläche in einer
Tabuzone. Der Bereich sei auch in die Liste der gemeldeten FFH-Gebiete
aufgenommen worden. Der nordwestliche Teil liege in der gutachterlich definierten
Restriktionszone I. Hier sprächen Belange des Ortsbildes gegen die Ausweisung einer
Konzentrationszone. Der Eignungsbereich sei zwar durch die benachbarten
Industrieanlagen in Bezug auf das Landschaftsbild vorgeprägt. Der im Industriegebiet I.
vorhandene Schornstein mit einer Gesamthöhe von 64 m und die dortige industrielle
Nutzung seien in ihrer vorbelastenden Wirkung jedoch nicht so erheblich, dass hiervon
auch eine Vorbelastung für das Ortsbild abgeleitet werden könne. Aufgrund der Tallage
C1. lägen der 2 km entfernte Stadtkern und der vorgesehene Bereich in I. von fast allen
Himmelsrichtungen kommend gemeinsam vor Augen. Das Stadtbild werde von den 100
m hohen Türmen des Domes dominiert. Dieser bestimme das unverwechselbare
Ortsbild in der Landschaft. Insbesondere sich drehende Rotorblätter würden das Ortsbild
in dieser weithin sichtbaren Lage erheblich stören.
12
Bei Ausweisung der gesamten Breite des insgesamt in die Restriktionszone I
eingeordneten Eignungsbereichs sei von einer erheblichen Beeinträchtigung des
Landschaftsbildes auszugehen. Der Eignungsbereich erstrecke sich auf einer
Gesamtlänge von 1,7 km entlang des O.-------weges . Dies sei nach kontinuierlichem
Anstieg von der Stadt C. aus der erste Höhenzug, der den gesamten südlichen
Stadtbereich umschließe. Würden auf der gesamten Breite Windkraftanlagen errichtet,
seien sowohl im Süden als auch im Norden durch das Windfeld am T. Berg zwei das
Landschaftsbild dominierende Bereiche ausgewiesen, die das Ortsbild der
Beigeladenen beeinträchtigten. Den schwerwiegenden Verfremdungen der
Außenbereichslandschaft stehe auch die Erholungsfunktion der Beigeladenen
entgegen. Zu bedenken sei auch die Nähe zum Kloster H. westlich des Eignungsfeldes.
Die Benediktinerabtei sei nicht nur ein bedeutendes Baudenkmal, sondern auch ein Ort
religiöser Besinnung, der Stille und der Begegnung. Aufgrund der Konfliktfelder
Landschaftsschutz, Schutz des Ortsbildes und Funktion als Erholungsraum sei eine
Verkleinerung der Fläche, insbesondere in der Breite, geboten, um die Konflikte
teilweise abzuschwächen. Die Ausweisung der Fläche solle sich im Ergebnis nur auf
den durch die auf O1. Gebiet schon vorhandene Windkraftanlage vorbelasteten Bereich
beschränken. Dieser habe auch die größtmögliche Entfernung zum benachbarten
Kloster H. . In dem verkleinerten Eignungsbereich lägen die Standorte zweier
beantragter Anlagen. Eine dritte Anlage sei denkbar.
13
Am 18. September 2003 hat die Beigeladene für den Bereich der im
Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszone einen Bebauungsplan
erlassen. Diesem lag u.a. ein lärmschutztechnisches Gutachten zugrunde, aus dem sich
ergibt, dass in dem Bereich zwei 100 m-Anlagen errichtet werden könnten, wobei eine
14
der Anlagen allerdings nur tagsüber betrieben werden könnte.
Unter dem 13. Mai 2004 hat die Rechtsvorgängerin der Kläger mitgeteilt, dass bezüglich
der Anlagen ein Bauherrenwechsel stattgefunden habe und insoweit die Kläger das
Verfahren weiterführten.
15
Mit Schreiben vom 16. November 2004 haben die Kläger ihre Klage, die mit Beschluss
vom 22. November 2004 abgetrennt worden ist, umgestellt und diese gegen die
Beklagte gerichtet.
16
Mit Bescheiden vom 17. März 2005 hat die Beklagte die Erteilung der unter dem 10.
November 2004 beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen unter
Hinweis auf das entgegenstehende Bauplanungsrecht und das fehlende Einvernehmen
der Beigeladenen abgelehnt.
17
Im Hinblick auf die Rechtsprechung des für baurechtliche Streitigkeiten zuständigen 7.
Senats des erkennenden Gerichts (OVG NRW, Urteile vom 28. Januar 2005 - 7 D
35/03.NE -, NWVBl. 2005, 44, und 7 D 4/03.NE -, juris, sowie Beschluss vom 22.
September 2005 - 7 D 21/04.NE -, NWVBl. 2006, 99), wonach die im GEP festgelegten
Windeignungsbereiche als Ziele der Raumordnung das Anpassungsgebot gemäß § 1
Abs. 4 BauGB begründen, hat die Beklagte am 7. Februar 2006 ein
Zielabweichungsverfahren zur 19. Änderung des Flächennutzungsplans der
Beigeladenen eingeleitet. Die Beigeladene hat am 24. Februar 2006 hierzu ihr
Einvernehmen erteilt. Am 13. März 2006 hat der Regionalrat sein Einvernehmen zur
beantragten Zielabweichung beschlossen. Mit Verfügung vom 13. März 2006 hat die
Beklagte als Bezirksplanungsbehörde der Zielabweichung zugestimmt.
18
Am 14. März 2006 hat der Rat der Beigeladenen den Ratsbeschluss vom 18. Dezember
2001 zur 19. Änderung des Flächennutzungsplans aufgehoben und die 19. Änderung
des Flächennutzungsplans erneut mit Rückwirkung zum 26. März 2002 beschlossen.
Die Beklagte hat die Änderung am 20. März 2006 genehmigt. Die Veröffentlichung im
Amtsblatt der Beigeladenen datiert vom 30. März 2006.
19
Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger vorgetragen: Der Flächennutzungsplan
der Beigeladenen in der Fassung seiner 19. Änderung stehe der Errichtung der von den
Klägern geplanten Windkraftanlagen nicht entgegen. Er stelle eine
Verhinderungsplanung dar, sei nichtig und entfalte keine Ausschlusswirkung. Lediglich
0,42 % der Gesamtfläche des Stadtgebietes seien als Konzentrationszone ausgewiesen
worden. Gehe man von einem Schutzabstand von 300 m zu Einzelgebäuden und
Gehöften aus, so blieben nur 5 ha im südlichen Bereich der Konzentrationszone übrig,
die tatsächlich mit Windkraftanlagen bebaut werden könnten. Das sei nicht einmal 0,06
% des Stadtgebietes. Die Beigeladene habe diesen immissionsschutzrechtlichen
Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen, obwohl bereits bei der Darstellung von
Konzentrationszonen sichergestellt werden müsse, dass keine schädlichen
Umweltwirkungen hervorgerufen würden. Da mehr als 80 % des ausgewiesenen
Gebiets aufgrund dieser Erwägungen für eine Windenergienutzung ausschieden, werde
die Konzentrationszone der ihr zugedachten Wirkung nicht gerecht. Innerhalb der
Konzentrationszone könnten - wie im Bebauungsplanverfahren bestätigt worden sei nur
zwei Windkraftanlagen errichtet werden, eine davon nur im Tagbetrieb. Die
Höhenbeschränkung auf 100 m stelle einen weiteren erheblichen Einschnitt in die
substanziellen Entfaltungsmöglichkeiten der Windenergienutzung dar. Von einer
20
Konzentrationszone im eigentlichen Wortsinn lasse sich somit nicht mehr sprechen. Zur
Ausweisung eines bloßen Einzelstandortes sei die Flächennutzungsplanung das
falsche Instrument.
Die Konzentrationszone sei ausgewiesen worden, obwohl das Fachgutachten zu dem
Ergebnis gekommen sei, dass im Stadtgebiet der Beigeladenen für die
Windkraftnutzung keine geeigneten Flächen aufzufinden seien. Die Ausweisung sei
allein mit dem Ziel der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erfolgt. Das
Zurücktreten der Privilegierung in Teilen des Planbereiches lasse sich aber nur dann
rechtfertigen, wenn die Gemeinde sicherstelle, dass sich die betroffenen Vorhaben an
anderer Stelle gegenüber konkurrierender Nutzung durchsetzten. Sei hingegen im
gesamten Gemeindegebiet keine geeignete Fläche zu finden, dürfe die Gemeinde eine
Konzentrationszone im Flächennutzungsplan nicht vorsehen.
21
Auch der gewählte Flächenzuschnitt sei nicht nachvollziehbar. Der westliche Teil des
Windeignungsbereichs stelle sich unter Immissionsschutzgesichtspunkten nämlich
günstiger dar als die ausgewiesene Fläche, da dort kaum Wohnbebauung vorhanden
sei. Dass der Schutz des Landschaftsbildes und die Erholungsfunktion im westlichen
Bereich höheres Gewicht haben sollen als in der schließlich ausgewiesenen Fläche,
gehe aus dem Erläuterungsbericht nicht hervor. Abgestellt werde allein auf die
Gesamtlänge des im GEP ausgewiesenen Eignungsbereichs von ca. 1,7 km. Dieses
Problem hätte jedoch auch durch Streichung des ausgewiesenen Bereichs gelöst
werden können. Auch der Hinweis auf die Nähe zum Kloster H. greife nicht. Das Kloster
liege über 1 km von dem westlichen Rand des Eignungsbereiches entfernt.
22
Die Widersprüchlichkeit des Konzepts zeige sich auch daran, dass das ausgewiesene
Gebiet der Restriktionszone I zugeordnet worden sei, innerhalb derer generell auf eine
Nutzung durch Windkraftanlagen habe verzichtet werden sollen.
23
Im Übrigen liege der von der Beigeladenen vorgenommenen Änderung des
Flächennutzungsplans kein schlüssiges Plankonzept zugrunde. Die gemeindliche
Entscheidung müsse nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die
positive Standortzuweisung getragen sei, sondern auch deutlich machen, welche
Gründe es rechtfertigten, den übrigen Planungsraum von Windkraftanlagen frei zu
halten. Die Beigeladene habe im Rahmen der Erarbeitung ihres Flächennutzungsplans
das abwägungserhebliche Gewicht des Belanges Windenergienutzung verkannt, was
zu einem Abwägungsfehler führe. Es handele sich bei der Förderung der
Windenergienutzung um keinen bloßen abwägungserheblichen Belang unter vielen,
sondern um einen Belang mit besonderem Gewicht. Dies ergäbe sich bereits aus der
Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers. Demgegenüber sei der
Erholungsfunktion und dem Tourismus aus nicht nachvollziehbaren Erwägungen
größeres Gewicht eingeräumt worden.
24
Schließlich liege ein Verstoß gegen die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB vor,
da die Flächennutzungsplanung von den Vorgaben des GEP abweiche. Das
Zielabweichungsverfahren weise Fehler auf. Mit der Streichung des Eignungsbereiches
und einer Reduzierung des Eignungsbereiches um etwa die Hälfte der ausgewiesenen
Fläche seien die Grundzüge der Planung auch mit Blick auf die bereits durchgeführten
Zielabweichungsverfahren berührt.
25
Die beantragten Windkraftanlagen seien auch im Übrigen genehmigungsfähig. Die
26
Unterlagen lägen vollständig vor. Die Schall- und Schattengutachten vom 24. März 2003
und 24. März 2005 seien Teil des vorliegenden Genehmigungsverfahrens geworden.
Die Kläger seien mit Genehmigungen einverstanden, die sich auf den bloßen
Tagbetrieb beschränkten. Der Einbau einer Schattenabschaltautomatik sei möglich. Die
Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW seien mit einem Abstand zwischen
dem Mastfuß der betreffenden Windkraftanlagen und dem Fahrbahnrand zur
Landesstraße mit 49,9 m unproblematisch erfüllt. Eine Zustimmung der
Straßenbaubehörde sei in diesem Fall nicht erforderlich. Auch sonstige öffentliche
Belange stünden dem Bauvorhaben nicht entgegen. Eine
Umweltverträglichkeitsprüfung sei nur als standortbezogene Vorprüfung durch die
Genehmigungsbehörde vorgesehen. Eine solche sei im Verfahren der
Rechtsvorgängerin auch nicht für erforderlich gehalten worden.
Selbst wenn der Flächennutzungsplan nunmehr wirksam sei sollte, stünde den Klägern
vor dem Hintergrund eines beabsichtigten Schadensersatzprozesses jedenfalls ein
Anspruch auf die gerichtliche Feststellung zu, dass die Genehmigungen bis zur Heilung
des ursprünglichen Satzungsmangels zu erteilen gewesen wären. Dem stehe die
rückwirkende Inkraftsetzung der 19. Änderung des Flächennutzungsplans der
Beigeladenen nicht entgegen. Die nachträgliche Änderung eines
Flächennutzungsplans könne durch dessen rückwirkende Inkraftsetzung eine
amtspflichtwidrige Handlung einer Behörde im Nachhinein nicht ungeschehen machen.
Die rückwirkende Inkraftsetzung der 19. Änderung des Flächennutzungsplans zum 26.
März 2006 sei zudem unwirksam. Die in Anspruch genommene Regelung des § 214
Abs. 4 BauGB n.F. sei auf Altverfahren nicht anwendbar.
27
In der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2006 haben die Kläger beantragt,
28
die Beklagte zu verpflichten, ihnen unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom
17. März 2005 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und
den Betrieb von vier Windkraftanlagen auf den Grundstücken X. zu erteilen,
29
hilfsweise
30
ihnen jeweils einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für die geplanten vier
Windkraftanlagen zu erteilen, der sich auf die planungsrechtliche Zulässigkeit der
Vorhaben unter Ausklammerung von Erschließungsfragen beschränkt,
31
weiter hilfsweise
32
einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für die geplanten Windkraftanlagen
unter zusätzlicher Ausklammerung der Schall- und Schattenproblematik sowie der
Frage der Erforderlichkeit von Abstandflächen zur westlich gelegenen Landstraße
33
sowie weiterhin hilfsweise
34
unter Ausklammerung der naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen zu erteilen,
35
weiter hilfsweise
36
die Beklagte zu verpflichten, ihnen unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 17.
März 2005 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung bzw. einen
37
immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für die Errichtung und den Betrieb von vier
Windkraftanlagen auf den Grundstücken X. unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts zu erteilen,
äußerst hilfsweise
38
festzustellen, dass die Beklagte bis zum Inkrafttreten der 19. Änderung des
Flächennutzungsplans der Beigeladenen am 21. März 2006/ 30. März 2006 verpflichtet
war, den Klägern für die geplanten vier Windkraftanlagen eine
immissionsschutzrechtliche Genehmigung, hilfsweise eine immissionsschutzrechtlichen
Vorbescheid für die beantragten Windkraftanlagen zu erteilen.
39
Die Beklagte hat unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens beantragt,
40
die Klage abzuweisen.
41
Sie macht geltend, dem geplanten Vorhaben stünden bauplanungsrechtliche Belange
entgegen. Es sei auch sonst nicht genehmigungsfähig.
42
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
43
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf die mündliche Verhandlung vom 31. März
2006 abgewiesen.
44
Auf den Antrag der Kläger ist die Berufung durch Beschluss vom 12. Februar 2008
zugelassen worden.
45
Zur Begründung der Berufung wiederholen und vertiefen die Kläger ihr Vorbringen im
bisherigen Verfahren.
46
Die Kläger beantragen,
47
das auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2006 ergangene Urteil des
Verwaltungsgerichts Münster zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihnen unter
Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 17. März 2005 immissionsschutzrechtliche
Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb von vier Windkraftanlagen des Typs
Enercon 58/10.58 auf den Grundstücken X, zu erteilen,
48
hilfsweise festzustellen,
49
dass die Beklagte bis zum Inkrafttreten der 19. Änderung des Flächennutzungsplans der
Beigeladenen am 21. März 2006/30. März 2006 verpflichtet war, ihnen für die geplanten
vier Windkraftanlagen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen zu erteilen.
50
Die Beklagte beantragt,
51
die Berufung zurückzuweisen.
52
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
53
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
54
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
55
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
56
Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Kläger hat in dem aus
dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
57
Die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zur Erteilung immissionsschutzrechtlicher
Genehmigungen zu verpflichten (I.), ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.). Die Kläger
können jedoch die Neubescheidung ihrer Anträge verlangen (II.).
58
I.1. Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere die im Verfahren erster Instanz unter
dem 16. November 2004 vorgenommene Klageänderung mit dem Ziel der Verpflichtung
der Beklagten zur Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen unter
Einbeziehung der ablehnenden Bescheide vom 17. März 2005 nicht entgegen. Die
Klageänderung ist nach rügeloser Einlassung der Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 und
Abs. 2 VwGO zulässig. Die Zulassung des im Jahre 2000 beantragten Vorhabens der
Kläger unterfällt aufgrund der auf Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-
Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz
vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950) beruhenden Änderung der 4. BImSchV auch dem
Immissionsschutzrecht. Nach der Übergangsvorschrift des § 67 Abs. 4 BImSchG, die
nicht nur für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundes-Immissionsschutzgesetzes,
sondern auch für spätere Rechtsänderungen Anwendung findet, war das im Jahre 2000
begonnene Baugenehmigungsverfahren nach den Vorschriften des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsvorschriften
unter Einschluss der 4. BImSchV zu Ende zu führen.
59
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004
60
- 4 C 9.03 -, BVerwGE 121, 182.
61
2. Die Klage ist jedoch insoweit unbegründet. Die Kläger können die Verpflichtung der
Beklagten zur Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen nicht
beanspruchen, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
62
a. Allerdings ist die Beklagte für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungen sachlich weiter zuständig.
63
Nach § 1 Abs. 1 der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz - ZustVU - i.V.m. Teil A
des Verzeichnisses zu der Verordnung (GV. NRW. 2007, S. 662) obliegt u.a. der Vollzug
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes seit dem 1. Januar 2008 den
Umweltschutzbehörden. Sachlich zuständig sind, soweit nichts anderes bestimmt ist,
die unteren Umweltschutzbehörden, d.h. die Kreise und die kreisfreien Städte, vgl. § 1
Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 ZustVU. Die Bezirksregierungen als obere Umweltschutzbehörden -
vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 ZustVU - sind nach § 2 Abs. 1 ZustVU nur zuständig, soweit es sich
um Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Anlagen nach dem Anhang I
der Verordnung oder um Anforderungen des Abfall- , Bodenschutz- und Wasserrechts
gegenüber Betreibern dieser Anlagen handelt und soweit Anhang II nichts anderes
bestimmt. Die Zulassung von Windkraftanlagen nach Nummer 1.6 des Anhangs der 4.
64
BImSchV ist im Anhang I zu der ZustVU nicht aufgeführt. Auch aus deren Anhang II
ergibt sich nichts Abweichendes.
Die Beklagte ist indes - wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
auch nicht in Frage gestellt hat - aufgrund der Übergangsvorschrift des § 8 Abs. 2 i.V.m.
§ 6 Abs. 3 ZustVU weiter zuständig. Danach bleibt die bei Inkrafttreten einer
Rechtsänderung zuständige Behörde bis zum Abschluss des Verfahrens durch
bestandskräftige Entscheidung in den Genehmigungsverfahren oder sonstigen
Zulassungsverfahren zuständig, in denen am Tage des Inkrafttretens der Verordnung
die vom Antragsteller einzureichenden Unterlagen vollständig vorlagen.
65
Für die zuständigkeitsbestimmende Frage, ob die vom Antragsteller einzureichenden
Unterlagen vollständig vorliegen, sind neben den - einen Anhalt bietenden - Vorgaben
des § 10 Abs. 1 BImSchG einschließlich der ergänzenden Regelungen der §§ 4 bis 4 e
der 9. BImSchV auch Zielrichtung und Zweck der Übergangsregelungen der
Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz zu beachten. Diese dienen - wie sich auch aus
einer Zusammenschau der Regelungen des § 6 ZustVU im Übrigen ergibt - den
verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten der Betroffenen
verankerten Grundsätzen der Verfahrenseffizienz, der Verfahrensökonomie und der
Zügigkeit der Verwaltung. Diese Grundsätze, die in § 10 VwVfG NRW für den Bereich
der Verwaltungstätigkeit einfachgesetzlichen Ausdruck gefunden haben, stellen auch
Richtlinien für die Auslegung und Anwendung des Verwaltungsverfahrensrechts auf.
66
Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008 § 10 VwVfG Rn. 5 und 17; Schmitz in:
Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG 7. Auflage 2008, § 10 Rn. 25.
67
Vor diesem Hintergrund ist eine Überfrachtung der Prüfung, ob die eingereichten
Unterlagen im Sinne der Übergangsvorschrift vollständig sind, mit materiell- rechtlichen
Fragestellungen zu vermeiden. Es muss auf der einen Seite gewährleistet bleiben, dass
ein auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen bereits erreichter materieller
Wissensstand weiter von der bisher zuständigen Behörde in das Verfahren eingebracht
werden kann. Auf der anderen Seite kann ein Zulassungsverfahren ohne Verzögerung
auch von der nunmehr zuständigen Behörde fortgeführt werden, wenn eine sachliche
Befassung im Zeitpunkt der Zuständigkeitsänderung gerade wegen der unzureichenden
Unterlagen noch nicht möglich war.
68
Hat die bisher zuständige Behörde - wie hier - allerdings über einen Antrag auf
Zulassung oder Genehmigung eines Vorhabens entschieden, ohne die
Unvollständigkeit der Unterlagen zu rügen, widerspräche eine Änderung der
Zuständigkeit in jedem Fall der mit der Übergangsregelung unter Schutz gestellten
Verfahrensökonomie, und zwar ungeachtet des Umstandes, ob die vorgelegten
Unterlagen noch der Ergänzung bedürfen.
69
b. Die Kläger können nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung nicht beanspruchen.
70
Die hier nach § 4 BImSchG i.V.m. Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV in der seit dem
1. Juli 2005 geltenden Fassung erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung
ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die
sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt sind und andere öffentlich-rechtliche
71
Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der
Anlage nicht entgegenstehen.
Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG
vorliegen, entzieht sich nach dem derzeitigen Verfahrensstand einer abschließenden
Beurteilung; denn die Entscheidung der Beklagten darüber, ob eine
Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden soll, steht im Streitfall noch aus
und kann vom Gericht - auch unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Pflicht, die
Sache spruchreif zu machen - nicht ersetzt werden.
72
Zwar ist die Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Vorschriften des UVPG nach § 2
Abs. 1 Satz 1 UVPG nur ein unselbständiger Teil des immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahrens. Auch wenn sie keine neuen materiell-rechtlichen
Anforderungen an die Zulassung eines Vorhabens begründet, kommt ihr dennoch im
Rahmen der Entscheidung der Behörde über das Vorliegen der materiellen
Genehmigungsvoraussetzungen Bedeutung zu. Die Umweltverträglichkeitsprüfung stellt
nämlich im Rahmen des Genehmigungsverfahrens sicher, dass der
Genehmigungsbehörde frühzeitig und vollständig dasjenige Tatsachenmaterial vorab in
gebündelter Form zur Verfügung steht, das alle (umwelt)relevanten Auswirkungen der
genehmigungsbedürftigen Anlage in ihrer Gesamtheit aufzeigt. Dazu werden die
Auswirkungen des Vorhabens auf die in § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG genannten
Schutzgüter im Vorfeld der Sachentscheidung gesondert ermittelt, beschrieben und
bewertet. Die Bewertung der Umweltauswirkungen ist nach § 12 UVPG bei der
Genehmigungserteilung nach Maßgabe des Fachrechts, d.h. hier bei der Prüfung der
tatbestandlichen Vorgaben des §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 5 BImSchG, zu berücksichtigen.
Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren erhält auf diese Weise bei
Vorliegen einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung eine
methodische Struktur, die zu einer erhöhten Richtigkeitsgewähr der materiellen
Entscheidung beizutragen vermag.
73
Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. November 1998 - 6 B 110.98 - NVwZ-RR 1999, 429, vom
9. Juli 2003 - 9 VR 1.03 -, juris, und vom 18. November 2004 - 4 CN 11.03 -, BVerwGE
122, 207; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, § 6 BImSchG, Rn. 48;
Gallas/Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Vorb. zum UVPG,
Rn. 9 und 10; Gassner, UVPG, § 1 UVPG, Rn. 4 ; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage
2008, § 63 VwVfG, Rn. 27.
74
Das von den Klägern geplante Vorhaben unterliegt zwar nicht schon wegen seiner
Größe, Art oder Leistung nach § 3 b UVPG i.V.m. Ziffer 1.6.1 Spalte 1 der Anlage zum
UVPG einer obligatorischen UVP-Pflicht, es bedarf jedoch einer Vorprüfung im
Einzelfall gemäß § 3 c UVPG. Für das streitige Vorhaben - die Errichtung eines aus vier
Windkraftanlagen mit Gesamthöhen von jeweils mehr als 50 m bestehenden Windparks
- ist nach § 3 c Sätze 1 und 2 UVPG i.V.m. Ziffer 1.6.3 Spalte 2 der Anlage 1 zum UVPG
eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen. Ob bei Einbeziehung
der in engem räumlichen Zusammenhang bereits errichteten Anlagen wegen einer
(nachträglichen) Kumulation der bei gemeinsamer Betrachtung unterhalb des
Schwellenwertes einer obligatorischen UVP-Pflicht bleibenden Vorhaben nach § 3 c
Satz 5 UVPG i.V.m. § 3 b Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 3 UVPG eine allgemeine
Vorprüfung nach § 3 c Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.2 Spalte 2 - sechs bis weniger als 20
Windkraftanlagen - der Anlage 1 zum UVPG in Betracht kommt, bedarf hier keiner
abschließenden Entscheidung.
75
Vgl. hierzu Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 3 c UVPG, Rn.
37.
76
Das Gericht ist bei dieser Sachlage ausnahmsweise von der bei Verpflichtungsklagen
gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO grundsätzlich bestehenden Pflicht, die Sache
spruchreif zu machen, entbunden. Zwar ist der Behörde bei ihrer Entscheidung über die
Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung einer
Windkraftanlage grundsätzlich kein Ermessen eingeräumt.
77
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2007 - 8 A 2677/06 -, NWVBl. 2008, 26.
78
Im Rahmen der Vorprüfung hat die Behörde jedoch eine "Einschätzung" - vgl.
79
§ 3 c Abs. 1 Satz 1 UVPG - vorzunehmen, die ihr einen gerichtlich nur eingeschränkten
Beurteilungsspielraum eröffnet.
80
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 1359/06 -, NWVBl. 2007, 154.
81
Dies hat der Gesetzgeber mit der Anfügung des § 3 a Satz 4 UVPG durch Art. 1 Nr. 4 b)
des Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetzes vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2819)
ausdrücklich klargestellt. Danach ist die im Rahmen einer Vorprüfung des Einzelfalls
getroffene Einschätzung der Behörde, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung
unterbleiben soll, in einem gerichtlichen Verfahren über die Zulässigkeit des Vorhabens
nur darauf zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3 c
UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Ausweislich
der Gesetzesbegründung,
82
vgl. BR-Drucksache 551/06, S. 43,
83
soll die behördliche Prognose nach § 3 c UVPG insoweit gerichtlich nur daraufhin
überprüft werden, ob die Vorprüfung in einem nach § 3 c UVPG ordnungsgemäßen
Verfahren durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis der Vorprüfung plausibel ist.
84
Da sich dem Senat keine Anhaltspunkte dafür bieten, dass der behördliche
Beurteilungsspielraum vorliegend dahin eingeschränkt sein könnte, dass für das
Vorhaben der Kläger die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unter
keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt, ist er gehindert, die Sache
hinsichtlich der für die Umweltverträglichkeitsprüfung maßgeblichen Belange spruchreif
zu machen.
85
Ein Anhaltspunkt für eine solche Einschränkung des Beurteilungsspielraums ergibt sich
nicht aus dem Umstand, dass in den Genehmigungsverfahren der in der
ausgewiesenen Konzentrationszone bereits errichteten Windkraftanlagen nach
standortbezogener Vorprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht für notwendig
erachtet wurde. Die frühere Entscheidung gegen die Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung entfaltet keine zwingende Indizwirkung für das
vorliegende Verfahren. Die nunmehr erforderliche Vorprüfung unterscheidet sich mit
dem konkreten Hinzutreten der hier streitgegenständlichen Anlagen in wesentlicher
Hinsicht von dem früheren Verfahren, in dem die tatsächliche Errichtung und
Inbetriebnahme der hier betroffenen Anlagen noch offen waren.
86
Ungeachtet der Frage, ob eine standortbezogene oder eine allgemeine Vorprüfung
erfolgen muss, reicht für die Annahme einer Pflicht zur Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung die begründete Möglichkeit bzw. plausible Erwartung
erheblicher Beeinträchtigungen aus.
87
Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 3 c UVPG, Rn. 14 ff.
und 33; Dienes, in: Hoppe, UVPG, 3. Auflage 2007, § 3 c Rn. 15 und 16.
88
Dies zu Grunde gelegt ist nicht auszuschließen, dass nach Einschätzung der Beklagten
die begründete Möglichkeit besteht, von dem Vorhaben der Kläger könnten erhebliche
nachteilige Umweltauswirkungen ausgehen. Zwar umfasst das geplante Vorhaben nur
die Errichtung und den Betrieb von vier Windkraftanlagen. Diese überschreiten
allerdings in der Höhe mit fast 100 m die Höhe von 50 m, die nach Nr. 1.6. der Anlage 1
zum UVPG in der seit dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung die Vorprüfung im Einzelfall
nach notwendig macht, um fast das Doppelte.
89
Die Verpflichtung des Gerichts, die Spruchreife herzustellen, entfällt schließlich auch
deshalb, weil die Beklagte die Genehmigung des Vorhabens, ohne seine Vereinbarkeit
mit baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften umfassend zu
prüfen, wegen eines bestimmten Rechtsverstoßes, nämlich wegen Fehlens des
gemeindlichen Einvernehmens und mangelnder Konformität mit
bauplanungsrechtlichen Anforderungen, abgelehnt hat. Auch in einem solchen Fall
eines "stecken gebliebenen" Genehmigungsverfahrens entfällt die Verpflichtung des
Gerichts zur Herbeiführung der Spruchreife, wenn - wie hier - ansonsten im
Verwaltungsverfahren noch nicht behandelte komplexe Fragen erstmals im
gerichtlichen Verfahren geprüft werden müssten.
90
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2007 - 8 A 2677/06 -, a.a.O., im Anschluss an
BVerwG, Urteil vom 14. April 1989 - 4 C 52.87 -, NVwZ 1990, 257 und OVG Rh.-Pf.,
Urteil vom 11. Mai 2005 - 8 A 10281/05 -, BauR 2005, 1606.
91
II. Die Kläger können aber die Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verlangen. Die Klage ist insoweit zulässig
(1.) und begründet (2.).
92
1. Dem Antrag fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse. Insoweit entspricht dem
ausnahmsweisen Entfallen der im Rahmen der Verpflichtungsklage bestehenden
gerichtlichen Pflicht, die Sache spruchreif zu machen - vgl. hierzu die Ausführungen
oben I. 2. b. - ein ausnahmsweises Rechtsschutzbedürfnis der Kläger an der
Beschränkung des Klagebegehrens auf die Prüfung einzelner
Genehmigungsvoraussetzungen, da die Beklagte die Ablehnungsbescheide allein auf
die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens gestützt hat, ohne in eine vertiefte
Prüfung der weiteren Genehmigungsvoraussetzungen einzutreten und deren
tatsächliche Voraussetzungen vollständig zu ermitteln.
93
2. Die Klage ist insoweit auch begründet.
94
Die Kläger haben einen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Anträge unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts durch die hierfür weiter sachlich zuständige
Beklagte, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
95
Dieser Anspruch setzt bei der hier gegebenen Fallgestaltung eines "stecken
gebliebenen" Genehmigungsverfahrens voraus, dass der von der Behörde
herangezogene Versagungsgrund die Ablehnung des Antrags nicht trägt und die
Genehmigung nach dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gewonnenen
Erkenntnisstand nicht schon aus anderen Gründen offensichtlich zu versagen ist.
96
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Genehmigung der streitigen
Windkraftanlagen durfte nicht unter Hinweis auf das fehlende Einvernehmen der
Beigeladenen versagt werden. Die Beigeladene hat ihr Einvernehmen gemäß § 36 Abs.
1 Sätze 1 und 2 BauGB zu Unrecht verweigert. Der Flächennutzungsplan in der
Fassung der 19. Änderung ist nichtig, er entfaltet keine Ausschlusswirkung nach § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB (a.). Dem Vorhaben steht auch kein anderes, bereits jetzt
absehbares Genehmigungshindernis entgegen (b.).
97
a. Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen in der Fassung der 19. Änderung
schließt das Vorhaben der Kläger bauplanungsrechtlich nicht nach § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB aus. Er ist wegen Abwägungsmängeln unwirksam. Auf die von den Klägern
noch geltend gemachten Bedenken, insbesondere auf die Frage, ob dem
Zielabweichungsverfahren Mängel anhaften, kommt es daher nicht streitentscheidend
an.
98
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Außenbereich geplanten Vorhabens
richtet sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Danach darf ein Vorhaben, das wie die
geplante Windkraftanlage der Nutzung der Windenergie dient und deshalb im
Außenbereich an sich privilegiert zulässig ist, u.a. dann nicht zugelassen werden, wenn
ihm öffentliche Belange entgegenstehen. Für Windkraftanlagen und andere Vorhaben
nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB bestimmt § 35 Abs. 3 BauGB, dass ihnen in der Regel
auch dann öffentliche Belange entgegenstehen, soweit hierfür durch Darstellungen im
Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer
Stelle erfolgt ist. Der Ausschluss solcher Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich
nach der Wertung des Gesetzgebers aber nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt,
dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden
Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches
Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des
planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird.
99
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287, 294 ff.
100
Das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB ist verletzt, wenn eine sachgerechte
Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Im Weiteren ist es verletzt, wenn in die Abwägung
an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden
muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange
verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen
Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner
Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das
Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde
in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und
damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
101
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - 4 C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309.
102
Ausgehend von diesen allgemeinen Anforderungen des Abwägungsgebots und dem
Erfordernis eines schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzepts muss die
gemeindliche Entscheidung über die Ausweisung von Flächen für die Windkraftnutzung
im Flächennutzungsplan nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen
die positive Standortzuweisung getragen wird. Sie muss auch deutlich machen, welche
städtebaulichen Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von
Windkraftanlagen freizuhalten. Die öffentlichen Belange, die für die negative Wirkung
der planerischen Darstellung ins Feld geführt werden, sind mit dem Anliegen, der
Windkraftnutzung "an geeigneten Standorten eine Chance" zu geben, die ihrer
Privilegierung gerecht wird, nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB abzuwägen. Ebenso
wie die positive Aussage müssen sie sich aus den konkreten örtlichen Gegebenheiten
nachvollziehbar herleiten lassen.
103
Allerdings ist es einer Gemeinde verwehrt, den Flächennutzungsplan als Mittel zu
benutzen, das ihr dazu dient, unter dem Deckmantel der Steuerung Windkraftanlagen in
Wahrheit zu verhindern. Bei einer bloßen "Feigenblatt"-Planung, die auf eine verkappte
Verhinderungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen. Vielmehr muss
sie der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für die
Windkraftnutzung in substanzieller Weise Raum schaffen. Wo die Grenze zur
Verhinderungsplanung verläuft, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Beschränkt sich die
Gemeinde darauf, eine einzige Konzentrationszone auszuweisen, so ist dies, für sich
genommen, noch kein Indiz für einen fehlerhaften Gebrauch der Planungsermächtigung.
Das gilt auch dann, wenn es im Gemeindegebiet weitere Flächen gibt, die sich von
ihren Standortbedingungen her im Vergleich mit der ausgewiesenen
Konzentrationszone für die Errichtung von Windkraftanlagen ebenso gut oder noch
besser eignen. Die Feststellung, dass sich diese oder jene Fläche für Zwecke der
Windkraftnutzung eignet, ist nur ein Gesichtspunkt, der bei der planerischen Abwägung
gebührend zu berücksichtigen ist, bei der Standortwahl aber nicht zwangsläufig den
Ausschlag geben muss. Auch Größenangaben sind, isoliert betrachtet, als Kriterium für
eine missbilligenswerte Verhinderungstendenz ungeeignet. Die ausgewiesene Fläche
ist nicht nur in Relation zu setzen zur Gemeindegröße, sondern auch zur Größe der
Gemeindegebietsteile, die für eine Windkraftnutzung, aus welchen Gründen auch
immer, nicht in Betracht kommen. Dazu gehören nicht zuletzt die besiedelten Bereiche,
zusammenhängende Waldflächen sowie Flächen, die aufgrund der topographischen
Verhältnisse im Windschatten liegen. In diesem Zusammenhang ist auch zu
berücksichtigen, in welchem Umfang Teile des Gemeindegebiets förmlich unter
Landschaftsschutz gestellt, damit dem planerischen Zugriff der Gemeinde weitgehend
entzogen und einer baulichen Nutzung auch sonst nicht ohne weiteres zugänglich sind.
Denn durch derartige Unterschutzstellungen sind den Entfaltungsmöglichkeiten der
Windkraftnutzung in den betroffenen Bereichen enge Grenzen gesetzt.
104
Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, a.a.O., 295 ff., vom 13. März
2003 - 4 C 4.02 -, BVerwGE 118, 33, 37, und vom 21. Oktober 2004 - 4 C 2.04 -,
BVerwGE 122, 109, 111.
105
Für die Rechtmäßigkeit der Flächenauswahl sind allein die Erwägungen maßgeblich,
die tatsächlich Grundlage der Abwägungsentscheidung des Rats der Gemeinde waren.
Entscheidend für die gerichtliche Überprüfung sind damit in erster Linie die
Verlautbarungen in dem Erläuterungsbericht, der bei der abschließenden
Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan bzw. dessen Änderung mit
106
beschlossen wird, sowie die Erwägungen z.B. in den entsprechenden
Verwaltungsvorlagen, denen der Rat der Gemeinde bei seiner abschließenden
Beschlussfassung gefolgt ist.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2004 - 7 A 3368/02 -, NuR 2004, 690.
107
Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Flächennutzungsplans anhaften, führen zu
dessen Gesamtnichtigkeit, wenn die übrigen Regelungen oder Festsetzungen eine in
jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen gerecht werdende, sinnvolle
städtebauliche Ordnung nicht bewirken können. Die Konzentrationsplanung von
Windkraftanlagen in einem Flächennutzungsplan ist deshalb insgesamt nichtig, wenn
dem Plan mangels ausreichender ("substanzieller") Darstellungen von Positivflächen für
die Errichtung von Windkraftanlagen kein schlüssiges gesamträumliches
Planungskonzept zugrunde liegt. Der Planbetroffene kann sich daher auf die
Unwirksamkeit des Flächennutzungsplans auch mit der Begründung berufen,
Alternativstandorte seien nicht richtig abgewogen.
108
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 4 C 2.04 -, BauR 2005, 503; Nds. OVG,
Urteil vom 24. März 2003 - 1 LB 3571/01 -, ZNER 2003, 344.
109
Mängel im Abwägungsvorgang sind gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BauGB allerdings
nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss
gewesen sind.
110
Ausgehend von diesen Grundsätzen verstößt die 19. Änderung des
Flächennutzungsplans, die allein die süd-östliche Teilfläche des im GEP
ausgewiesenen Windeignungsbereichs COE 02 als Konzentrationszone vorsieht,
gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB. Die Beigeladene hat der
Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB unter
fehlerhafter Gewichtung anderer Belange nicht hinreichend Rechnung getragen mit der
Folge, dass dem Vorhaben der Kläger die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB nicht entgegensteht (aa). Die der Planung anhaftenden Mängel der nach § 1
Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung sind auch nicht gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2
BauGB unerheblich (bb).
111
aa. Es kann mit Blick auf die weiteren Mängel im Abwägungsvorgang offen bleiben, ob
der 19. Änderung des Flächennutzungsplans in jeder Hinsicht eine zureichende
Bestandsaufnahme des Gemeindegebiets und gesamträumliche Analyse zu Grunde
liegt.
112
Nicht zu beanstanden ist jedenfalls die Bestimmung sog. Tabuzonen. Grundsätzlich
kann die Gemeinde bei ihren planerischen Überlegungen bestimmte Gemeindeteile als
sog. Tabuzonen von vorne herein außer Betracht lassen. Wenn die Gemeinde nach
einer solchen Vorabaussonderung der Tabuzonen die verbleibenden potentiellen
Vorrangzonen abwägend daraufhin überprüft, ob sie tatsächlich als solche dargestellt
werden sollen, müssen die öffentlichen Belange, die nach der Einschätzung der
Gemeinde für das Ausscheiden einzelner potentieller Vorrangzonen sprechen, mit dem
gesetzgeberischen Anliegen der Windenergienutzung "an geeigneten Standorten eine
Chance" zu geben, nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB abgewogen werden. Sie
müssen sich aus den konkreten örtlichen Gegebenheiten nachvollziehbar herleiten
lassen. Des Weiteren müssen die gegen eine Darstellung von Vorrangzonen
113
angeführten Erwägungen, um den Anforderungen eines schlüssigen Gesamtkonzepts
gerecht zu werden, in sich sowie auch in Bezug auf die Erwägungen zur
Vorabaussonderung der Tabuzonen stimmig und widerspruchsfrei sein.
Vgl. m.w.N. : OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2004 - 7 A 3368/02 -, NuR 2004, 690.
114
Ergibt sich allerdings im weiteren Verlauf der Planung, dass nach Bildung großzügig
bemessener Tabu- und Restriktionskriterien keine oder nur geringfügige Flächen für die
Windkraft verbleiben, so ist die planende Gemeinde gehalten, sich mit der Frage
auseinander zu setzen, ob im Gemeindegebiet überhaupt eine Konzentrationsfläche
ausgewiesen werden kann oder ob die Tabubereiche zu groß ausgelegt sind.
115
Nach diesen Kriterien ist jedenfalls die Vorabaussonderung der Naturschutzgebiete und
der schutzwürdigen Gebiete einschließlich der jeweiligen Schutzabstände nicht zu
beanstanden. Dasselbe gilt für die Aussonderung der Waldflächen als solche. Die
Abstandsflächen zu den Fern- und Freileitungen ab 30 kV sind mit 10 m bzw. 100 m von
den Klägern nicht bemängelt worden und im Ergebnis auch sachgerecht.
116
Die von den Klägern vorgebrachten Zweifel an der Bestimmtheit und Objektivierbarkeit
der Tabuflächen "Erholungsschwerpunkte" und "Kulturdenkmäler" greifen ebenfalls
nicht. Der Fachbeitrag, der Bestandteil der Erläuterungen zum Flächennutzungsplan
geworden ist, erläutert auf Seite 22 den Begriff des Erholungsschwerpunkts und führt
aus, dass insoweit das außerhalb des Siedlungsbereichs gelegene Feriendorf C. im
Süden und der Bereich X. im Norden des Stadtgebiets erfasst ist. Die damit benannten
Tabuflächen sind mit dieser Erläuterung in Verbindung mit der zeichnerischen
Darstellung auf der beiliegenden Karte hinlänglich scharf umrissen. Sie heben sich
auch von den im GEP dargestellten Erholungsbereichen deutlich ab. An der sachlichen
Eignung als Tabufläche bestehen ebenfalls keine Zweifel.
117
Der Begriff des Kulturdenkmals ist ebenfalls klar definiert. Die Kulturdenkmäler werden
auf Seite 17 des Fachbeitrags aufgelistet, Tabuflächen sind die jeweiligen Grundstücke,
auf denen sich das Kulturdenkmal befindet. Anders als die Kläger meinen, sieht der
Fachbeitrag auch Schutzabstände zur Wohnbebauung vor, wenn nicht als Tabuflächen,
so doch als Flächen mit hoher Empfindlichkeit, in denen von der Errichtung von
Windkraftanlagen aus Lärm-, Licht- und Schattengesichtspunkten abzusehen ist. Die
Schutzzone zum Siedlungsbereich ist mit einem Radius von 500 m auch in Abwägung
mit den Belangen der Windkraftnutzung als sachgerecht anzusehen.
118
Auf der Planungsstufe der Vorabaussonderung von Tabuzonen begegnet auch die
Ausweisung einer Schutzzone von (nur) 200 m zu Einzelhöfen und Hofgruppen im
Außenbereich keinen durchgreifenden Bedenken.
119
Die 19. Änderung des Flächennutzungsplans verstößt jedoch gegen das
Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB, weil einzelne in die Planung eingestellte
Belange fehlerhaft gewichtet worden sind und der Windkraft mit der ausgewiesenen
Konzentrationsfläche kein substantieller Raum belassen worden ist.
120
Die Beigeladene hat die in die Abwägung einzustellenden Belange allerdings nicht
schon deshalb verkannt, weil sie nicht eine besondere Pflicht zur Förderung der
Windenergie angenommen oder zumindest auf ein besonderes abwägungsrechtliches
Gewicht der Windenergie abgestellt hat. Der Privilegierung von Windkraftanlagen in §
121
35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB lässt sich nicht entnehmen, dass der Windenergie im Rahmen
der Abwägung ein Vorrang oder auch nur ein besonders beachtliches Gewicht
einzuräumen wäre.
Vgl. m.w.N. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2001 - 7 A 4857/00 -, ZNER 2002,
127; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287.
122
Die zur Begründung der massiven Verkleinerung des Eignungsbereichs
herangezogenen Erwägungen der Beigeladenen zum Schutz des Orts- und
Landschaftsbildes sowie zur Erholungsfunktion der Landschaft stellen jedoch keinen
sachgerechten Ausgleich zwischen diesen Belangen und dem Interesse an der Nutzung
der Windkraft her. Nichts anderes gilt für den weiteren Gesichtspunkt des
Denkmalschutzes.
123
Die Beigeladene hat die mit einer Ausweisung des ausgeschlossenen Teils des
Eignungsbereichs einhergehenden Beeinträchtigungen des Landschafts- und
Ortsbildes der Stadt C. nicht in einer den Ausschluss der Windkraftnutzung
rechtfertigenden Weise schlüssig aus den örtlichen Gegebenheiten hergeleitet. Zwar
darf die Gemeinde nach dem oben Gesagten bei Kollision zwischen widerstreitenden
Belangen grundsätzlich selbst in der Weise gewichten, dass sie einen Belang bevorzugt
und dadurch einen anderen notwendig zurückstellt. In diesem Rahmen ist nicht zu
beanstanden, wenn sie dem Schutz des Ortsbildes bei einer Betrachtung ihres
gesamten Gemeindegebiets im Ansatz durch pauschale Abstandsflächen zu
geschlossenen Ortslagen Rechnung trägt. Allerdings wird eine solche rein pauschale
Betrachtung dem Abwägungsgebot umso weniger gerecht, je größer einerseits der
gewählte Abstandsradius ausfällt und je weniger Raum andererseits für
Windkraftanlagen im Gemeindegebiet insgesamt zur Verfügung steht.
124
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2001 - 7 A 4857/00 -, ZNER 2002, 127, 131;
OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8. Dezember 2005 - 1 C 10065/05.OVG -, juris.
125
Die Gemeinde muss dann unter Umständen, um der Privilegierung der Windkraft
Rechnung zu tragen, die möglichen Beeinträchtigungen des Ortsbildes für den
einzelnen Standort untersuchen und bewerten. Dies gilt bei einer auf die Verminderung
der Fläche für die Windkraft gerichteten Planung insbesondere dann, wenn sich der
Gemeinde Anhaltspunkte dafür aufdrängen müssen, dass die im Wege pauschaler
Abstandsradien ausgeschlossenen Flächen im Hinblick auf andere Belange ein
geringeres Konfliktpotential aufweisen als die nach der Planung beibehaltenen
Konzentrationszonen.
126
Gemessen hieran erweist sich die Berufung der Beigeladenen auf erhebliche
Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes im Zusammenhang mit der
Stadtlage C1. als städtebaulich nicht ausreichend gerechtfertigt. Die von der
Beigeladenen angeführten Gründe stehen vielmehr zu der privilegierten Nutzung der
Windkraft außer Verhältnis.
127
Die 19. Änderung des Flächennutzungsplans führt zu einer signifikanten Verminderung
der für die Windkraft im GEP vorgesehenen Flächen. Die im GEP für das
Gemeindegebiet der Beigeladenen dargestellte Gesamtfläche in der Größenordnung
von 195 ha wird insgesamt auf eine Restfläche von 39 ha reduziert, was einem Wegfall
von 80% der Fläche für die Windenergienutzung entspricht. Im Eignungsbereich sind im
128
Gemeindegebiet der Beigeladenen allein ca. 126 ha betroffen. Gleichzeitig stehen bei
Zugrundelegung des von der Beigeladenen gewählten Schutzabstandes zur
Wohnbebauung im Außenbereich von 200 m nur noch etwa 0,43 % des gesamten
Gemeindegebietes von insgesamt 9106 ha tatsächlich für die Windkraft zur Verfügung.
Bei Zugrundelegung eines auf der "sicheren Seite" liegenden Schutzabstandes von
etwa 300 m - vgl. im Einzelnen unten unter b. dd. - liegt der tatsächlich nutzbare Anteil
nochmals deutlich niedriger. Dem steht der pauschale Hinweis der Beigeladenen, die
Sichtbeziehungen zwischen der Ortsrandlage und dem ausgewiesenen Eignungsgebiet
könnten zu empfindlichen Störungen des Landschafts- und Ortsbildes führen,
gegenüber. Eine Untersuchung des Standortes auf seine individuellen Besonderheiten,
insbesondere auf bestehende Sichtbeziehungen zur Stadtlage, deren Schutzwürdigkeit
und mögliche Beeinträchtigung durch die Errichtung von Windkraftanlagen auf der
Gesamt- oder einer oder mehreren Teilflächen des Eignungsbereichs zu
Windenergiezwecken hat die Beigeladene nicht zur Grundlage ihrer Entscheidung
gemacht. Sie hat auch nicht erwogen, bis zu welchem Abstand von den Ortslagen sich
die von ihr gesehenen bedrückenden Effekte überhaupt einstellen würden und einen
bestimmten Radius, der als Schutzabstand in den Blick genommen worden ist, nicht
dargelegt.
Eine einzelfallbezogene Untersuchung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil
erhebliche Beeinträchtigungen des Ortsbildes ohne weiteres auf der Hand lägen.
129
Das Vorliegen einer offensichtlichen Betroffenheit der Stadtlage drängt sich nicht allein
aus dem von der Beigeladenen herangezogenen Umstand auf, dass der den
Eignungsbereich in einer Länge von 1,7 km an der nördlichen Seite begrenzende
Napoleonweg nach kontinuierlichem Anstieg der erste Höhenzug ist, der den gesamten
südlichen Stadtbereich umschließt.
130
Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass die Anhöhe am O2.-------weg die Stadtlage
überprägend - gleichsam kesselartig - umschließt. Der Höhenunterschied zwischen der
Stadtmitte mit 115 m über N.N. und dem O2.-------weg mit 140 m über N.N. beträgt nur 25
m. Der Anstieg des Geländes erfolgt darüber hinaus sanft über eine Strecke von 2,7 km
zum südlichen Stadtrand. Der O2.-------weg liegt zudem deutlich tiefer als das Gelände
südlich davon, welches am höchsten Punkt eine Höhe von 160 m über N.N. aufweist.
131
Soweit die Beigeladene zur Begründung ferner anführt, bei Inanspruchnahme der
gesamten Breite des O3.-------wegs für die Windkraftnutzung seien sowohl im Süden als
auch im Norden zwei das Landschaftsbild dominierende und die
Außenbereichslandschaft verfremdende Bereiche ausgewiesen, rechtfertigt dies
ebenfalls keine andere Beurteilung. Das von der Beigeladenen hier in Bezug
genommene Windfeld "T. Berg" liegt etwa 2,5 km östlich der ca. 16 km vom
Gemeindegebiet der Beigeladenen entfernt in nördlicher Richtung liegenden Stadt T1. .
Allein der Umstand, dass das Windfeld "T. Berg" vom O2.-------weg bei klarem Wetter in
der Ferne hinter der Stadt C. erkennbar ist - wie die Beigeladene in der mündlichen
Verhandlung erklärt hat -, vermag für sich gesehen das Vorliegen von in städtebaulicher
Hinsicht relevanten Auswirkungen auf das Stadt- oder Landschaftsbild der
Beigeladenen angesichts der erheblichen Entfernung nicht nachvollziehbar darzulegen.
132
Die Ausführungen im Erläuterungsbericht rechtfertigen schließlich auch nicht die
Annahme, dass den noch in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkten der
Erholungsfunktion C1. als staatlich anerkanntem Erholungsort sowie der Nähe des
133
Klosters H. das ihnen von der Beigeladenen zugemessene, das Interesse an der
Nutzung der Windkraft überwiegende Gewicht zukommt.
Dass gerade der P. eine besondere Erholungs- oder Freizeitrelevanz zukäme, ist weder
im Erläuterungsbericht noch im Fachbericht dargelegt. Insoweit fehlt bereits der
notwendige Bezug zu den konkreten örtlichen Gegebenheiten.
134
Auch die denkmal- und lärmschutzrechtlichen Bedenken wegen der Nähe des Klosters
H. sind so nicht nachvollziehbar. Bei einer Entfernung von knapp 2 km zu der die
westliche Grenze des Eignungsbereichs markierenden Landesstraße erscheint eine
Beeinträchtigung durch Lärm auch unter Berücksichtigung der besonderen Funktion des
Klosters ausgeschlossen. Dass insoweit eine schützenswerte Sichtachse nachteilig
betroffen wäre, hat die Beigeladene nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem
Fachbericht. Als Tabufläche ist insoweit nur das Grundstück selbst dargestellt, auf dem
sich das als Kulturdenkmal aufgeführte Kloster befindet.
135
Schließlich stellt sich auch die Entscheidung, nur den süd-östlichen Teil des
Eignungsbereiches als Konzentrationszone auszuweisen, den - größeren - westlichen
Teil aber für die Windkraftnutzung vollständig auszuschließen, als nicht nachvollziehbar
und stimmig begründet dar. Insoweit verweist die Beigeladene auf die Vorbelastung
durch eine auf dem Gebiet der Gemeinde O4. befindliche Windkraftanlage und die
größtmögliche Entfernung zum Kloster H. .
136
Die Ausführungen im Erläuterungsbericht geben dagegen keinen Anhalt, dass die
Beigeladene auch die immissionsschutzrelevanten Besonderheiten der Teilstücke je
vergleichend in die Entscheidung mit eingestellt hat. Es fehlt eine Auseinandersetzung
mit dem Umstand, dass der westliche Teil unter Lärm- und Schattenwurfgesichtspunkten
nicht nur bei Zugrundelegung von Schutzabständen zur Wohnbebauung, die auf der
"sicheren Seite" liegen, sondern auch bei Zugrundelegung der in der
Flächennutzungsplanung zu Grunde gelegten Schutzzonen im Vergleich zu der
ausgewiesenen Fläche ein geringeres Konfliktpotential aufweist.
137
Dass im Ergebnis - im Gegensatz zu dem westlichen Teil des Eignungsbereichs - ein
wesentlicher Teil der ausgewiesenen Konzentrationszone gerade wegen der
immissionsschutzrechtlichen Konfliktlage von vorneherein für eine Nutzung der
Windenergie nicht zur Verfügung steht, ist ebenfalls nicht in die Abwägung mit
eingestellt worden, obwohl sich die aus Gründen des Immissionsschutzes
eingeschränkte Eignung der ausgewählten Fläche hätte aufdrängen müssen.
138
Tatsächlich bietet die Konzentrationszone nur Raum für zwei Windkraftanlagen mit einer
Gesamthöhe von unter 100 m, die zudem beide nachts nur schallreduziert betrieben
werden können. Diesem Umstand trägt der das Gebiet der Konzentrationszone
betreffende Bebauungsplan "P. " auf der Grundlage eines im Aufstellungsverfahren
eingeholten Schallgutachtens, das der Beigeladenen zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan vorlag, auch Rechnung. Er sieht -
anders als der Erläuterungsbericht zur 19. Änderung des Flächennutzungsplans - die
Errichtung von maximal zwei Windkraftanlagen vor, wobei eine nur für den Tagbetrieb
vorgesehen ist.
139
Die festgesetzte Höhenbegrenzung auf 100 m Gesamthöhe, die auch nicht stimmig mit
dem Planungskonzept der Beigeladenen, das Gemeindegebiet auf seine Eignung für
140
die Windkraftnutzung mit Anlagen mit einer Gesamthöhe von 130 m und mehr zu
untersuchen, in Einklang zu bringen ist, stellt darüber hinaus eine zusätzliche, deutliche
Einschränkung der Windkraftnutzung dar.
Die 19. Änderung des Flächennutzungsplans räumt nach alledem mit der Ausweisung
nur des südöstlichen Teils des Eignungsbereichs, der nicht einmal Platz für zwei
vergleichsweise kleine Anlagen im Volllastbetrieb bietet, der Windkraftnutzung nicht
mehr die erforderliche substanzielle Chance ein.
141
Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation: OVG NRW, Urteil vom 28. Februar 2008 - 10 A
1060/06 -, juris.
142
Auch die Streichung des Eignungsbereichs ist nicht frei von Abwägungsmängeln. Diese
Entscheidung ist zwar insoweit nicht zu beanstanden, als der Wegfall des südlichen
Teils betroffen ist. Dieser liegt in einer - wie oben ausgeführt - sachgerecht
ausgewählten naturschutzrechtlichen Tabufläche.
143
Was die in die Restriktionszone I eingeordnete nördliche Teilfläche angeht, hat die
Beigeladene den Ausschluss der Windkraftnutzung mit der Berufung auf
Beeinträchtigungen des Landschafts- und Ortsbildes allerdings ebenfalls nicht schlüssig
aus den örtlichen Gegebenheiten hergeleitet. Die Beigeladene hat ihrer Entscheidung
auch insoweit eine individuelle Untersuchung und Bewertung der konkreten örtlichen
Gegebenheiten nicht zu Grunde gelegt. Eine solche Untersuchung war jedoch auch hier
unverzichtbar, da der Eignungsbereich insgesamt weggefallen ist.
144
Der Hinweis auf den 100 m hohen Dom als Wahrzeichen der Stadt mit einer
dominierenden Wirkung auf das Stadtbild reicht allein ebenso wenig aus, wie die
Behauptung, das Industriegebiet I. sei in seiner belastenden Vorprägung nicht so
erheblich, dass eine entsprechende Vorbelastung abgeleitet werden könnte.
145
Dass bei einer Entfernung von 2 km zum Stadtkern die dominierende Wirkung des 100
m hohen Turms wesentlich beeinträchtigt oder vermindert sein könnte, drängt sich
jedenfalls nicht ohne weiteres auf. Eine solche Annahme rechtfertigt sich nicht aus dem
Umstand, dass beide Bereiche - Eignungsbereich und Stadt - von fast allen
Himmelsrichtungen kommend gemeinsam vor Augen liegen. Dieser Gesichtspunkt
dürfte nämlich angesichts der leichten Tallage der Stadt und der ansonsten ebenen,
allenfalls welligen Struktur der Landschaft auf einen überwiegenden Teil der im Umkreis
der Stadt liegenden Gemeindeteile zutreffen. Dasselbe gilt für die belastende Wirkung
sich drehender Rotorblätter, die in einer flachen Landschaft ebenfalls regelmäßig
weithin sichtbar sein dürften.
146
Nicht in die Abwägung mit eingestellt hat die Beigeladene, dass das ebenfalls im
Blickfeld liegende Industriegebiet I. mit einem 64 m hohen Schornstein die nachteiligen
Wirkung der Windkraftanlage auf die Ortslage relativiert. Ausführungen etwa dazu, ob
der räumliche Bezug zwischen dem Eignungsbereich und dem Stadtkern auch für den
Betrachter durch das dazwischen gelegene Industriegebiet unterbrochen sein könnte,
fehlen. Auch die nach dem Kartenmaterial vorhandene Vorbelastung durch die nördlich
an den Eignungsbereich grenzende Landesstraße und die parallel dazu verlaufende
Bahnlinie werden nicht erwähnt. Die bloße Behauptung, durch das Industriegebiet sei
zwar einerseits eine Vorprägung der landschaftsästhetischen Raumeinheit gegeben,
diese stelle aber keine Vorbelastung für das Ortsbild dar, wird nicht näher begründet.
147
bb. Die dargelegten Abwägungsfehler stellen offensichtliche Mängel im
Abwägungsvorgang dar, die auf das Abwägungsergebnis von Einfluss und mithin im
Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. BauGB erheblich sind.
148
Die Offensichtlichkeit im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn der Abwägungsfehler
aus den objektiv erfassbaren äußeren Umständen des Falls erkennbar ist.
149
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 -, DVBl. 1982, 354.
150
Das ist hier hinsichtlich der oben dargelegten Abwägungsmängel der Fall, die sich aus
den Verlautbarungen des Erläuterungsberichts zur 19. Änderung des
Flächennutzungsplans der Beigeladenen ergeben.
151
Die dargelegten Mängel sind auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen.
Diese Voraussetzung des § 214 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. BauGB ist erfüllt, wenn nach den
Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den
Mangel die Planung anders ausgefallen wäre. Diese Möglichkeit muss sich anhand der
Planunterlagen oder erkennbarer oder naheliegender Umstände abgezeichnet haben.
152
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 4 BN 47.03 -, BauR 2004, 1130.
153
Die konkrete Möglichkeit eines anderen Abwägungsergebnisses bei einer die oben
aufgezeigten Defizite vermeidenden vollständigen und fehlerfreien Abwägung der
planungsrechtlich bedeutsamen Belange ist ohne weiteres gegeben, weil die 19.
Änderung des Flächennutzungsplans der Windkraft keinen ausreichenden Raum
geschaffen hat.
154
b. Das Vorhaben der Kläger erweist sich nach den im bisherigen Verfahren
gewonnenen Erkenntnissen auch nicht aus anderen Gründen als offensichtlich nicht
genehmigungsfähig.
155
Soweit die bisher durchgeführten Ermittlungen eine Beurteilung zulassen, stehen dem
Vorhaben der Kläger die in § 35 Abs. 3 Satz 1 genannten öffentlichen Belange nicht
entgegen. Ob einem Vorhaben öffentliche Belange entgegenstehen, ist grundsätzlich im
Wege einer "nachvollziehenden" Abwägung zu ermitteln.
156
Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 2005 - 4 C 5.04 -, NVwZ 2005, 578, vom 19. Juli
2001 - 4 C 4.00 -, BVerwGE 115, 17, 24 f., und vom 25. Oktober 1967 - 4 C 86.66 -,
BVerwGE 28, 148.
157
Selbst wenn privilegierten Vorhaben ein besonders starkes Gewicht zukommt, folgt
daraus aber nicht, dass sie an jedem beliebigen Standort im Außenbereich zulässig
sind. Auch für privilegierte Anlagen gilt das Gebot der größtmöglichen Schonung des
Außenbereichs. Mit § 35 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber den Außenbereich
insbesondere nicht generell als Baubereich für privilegierte Vorhaben freigegeben,
sondern ihre Zulässigkeit vielmehr von der Einzelfallprüfung abhängig gemacht, ob
ihnen an einem konkreten Standort öffentliche Belange entgegenstehen.
158
Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Juni 1991 - 4 C 11.89 -, BRS 52 Nr. 78, vom 20. Januar
1984 - 4 C 43.81 -, BVerwGE 68, 311, 315, und vom 22. Mai 1987 - 4 C 57.84 -,
159
BVerwGE 77, 300, 307.
aa. Ausgehend von diesen Maßstäben stehen Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspflege im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB einem Vorhaben
insbesondere dann entgegen, wenn dieses in nicht durch Ausnahmegenehmigung oder
Befreiung zu behebender Weise in Widerspruch zu einer gültigen
Landschaftsschutzverordnung steht.
160
Vgl. ständige Rechtsprechung des BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2000 - 4 B
104.99 -, BauR 2000, 1311, sowie Urteile vom 19. April 1985 - 4 C 25.84 -, BauR 1985,
544, und vom 20. Oktober 1978 - 4 C 75.76 -, BauR 1979, 122.
161
Das ist hier nicht der Fall.
162
Allerdings befindet sich der Standort der geplanten Anlagen in einem
Landschaftsschutzgebiet gemäß der Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen im
Gebiet der Baumberge des Kreises Münster vom 13. September 1972 befindet. Die
Verordnung ist nicht infolge Zeitablaufs nach § 32 Abs. 1 Satz 3 OBG NRW außer Kraft
getreten. Nach § 73 Abs. 1 Satz 3 LG NRW findet § 32 Abs. 1 Satz 3 OBG NRW hier
keine Anwendung. Für das geplante Vorhaben kommt die Erteilung einer Ausnahme
bzw. Befreiung in Betracht. Eine ausnahmsweise Zulassung des in einem
Eignungsbereich des GEP gelegenen Vorhabens erscheint vorbehaltlich der
erforderlichen Prüfung der Auswirkungen auf Belange des Landschaftsschutzes nicht
als grundsätzlich ausgeschlossen, zumal der GEP gemäß § 15 Abs. 2 LG NRW die
Funktion eines Landschaftsrahmenplans erfüllt. Es ist nicht erkennbar, dass die
landschaftsästhetischen Bedenken der Beigeladenen, durch die geplanten Anlagen
verlören landschaftsprägende Elemente ihre gestalterische Dominanz oder würden
Sichtachsen überprägt, zwingend der Erteilung einer Ausnahme bzw. Befreiung
entgegenstünden.
163
bb. Aus denselben Gründen liegt auch nicht auf der Hand, dass dem Vorhaben der
Kläger eine Verunstaltung des Landschaftsbildes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB
entgegenstehen wird. Insoweit wird ergänzend auf die oben gemachten Ausführungen
Bezug genommen. Vor deren Hintergrund ist weiter weder erkennbar, dass das
Vorhaben des Klägers zu einer Verunstaltung des Stadtbildes der Stadt C. führen wird,
noch dass der Denkmalschutz oder natürliche Eigenarten der Landschaft und ihr
Erholungswert dem Vorhaben gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstehen.
164
cc. Ferner ist nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die geplanten
Windkraftanlagen - ggf. durch Modifikationen ihres Betriebs - mit den sich aus § 35 Abs.
3 Satz 1 Nr. 3 BauGB bzw. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Anforderungen
vereinbar sein werden. Die Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne
dieser Bestimmungen durch den Betrieb der von den Klägern beantragten
Windkraftanlagen und der zum Verbund des Windparks gehörenden weiteren, bereits
errichteten Windkraftanlagen, ist nach den von den Klägern bislang vorgelegten Schall-
und Schattenprognosen nicht auszuschließen. Es spricht aber viel dafür, dass die sich
daraus ergebenden Genehmigungshindernisse durch Nebenbestimmungen zur
Genehmigung überwunden werden können.
165
Es unterliegt auch keinem ernsthaften Zweifel, dass die Schutzpflichten der Kläger in
Bezug auf die Schattenwirkung der Anlage durch die im Gutachten der Firma Solvent
166
vom 24. März 2003 empfohlenen Einbauten von Abschaltmodulen in die Steuerung
erfüllt werden können.
dd. Des Weiteren verstößt das Vorhaben der Kläger nach dem gegenwärtigen Stand der
Erkenntnisse auch im Hinblick auf die optische Wirkung des Baukörpers der
Windkraftanlagen nicht gegen das als öffentlich-rechtlicher Belang in § 35 Abs. 3 Satz 1
BauGB verankerte drittschützende Gebot der Rücksichtnahme.
167
Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wesentlich von den jeweiligen
Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem
die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann er
an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem
Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das
Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die
sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung zwischen
dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem
Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist.
168
Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122, vom 13.
März 1981 - 4 C 1.78 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 und vom 28. Oktober
1993 - 4 C 5.93 -, BRS 55 Nr. 168.
169
Dabei ist für Windkraftanlagen zu berücksichtigen, dass der Baukörper weit weniger
durch die Baumasse des Turms der Anlage als vielmehr durch die Höhe der Anlage
insgesamt und die Rotorbewegung wirkt. Davon ausgehend hat der Senat in seinem
Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -,
170
NWVBl. 2007, 59, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2006 - 4 B
72.06 -, NVwZ 2007, 336,
171
grobe Anhaltswerte entwickelt, die sich an dem Verhältnis der Gesamthöhe der Anlage
zu dem Abstand zur Wohnbebauung orientieren: Beträgt der Abstand zwischen einem
Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe
(Nabenhöhe + ½ Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung
überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch
bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen
Abstand treten die Baukörperwirkung und Rotorbewegung der Anlage so weit in den
Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch
bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt.
172
Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die
Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung
der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel
optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem
solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten
Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung
überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.
173
Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage das Zwei- bis
Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders
174
intensiven Prüfung des Einzelfalls.
Diese Anhaltswerte dienen lediglich der ungefähren Orientierung bei der Abwägung der
gegenseitigen Interessen, entbinden aber nicht von einer Einzelfallwürdigung bei
Abständen, die unterhalb der zweifachen und oberhalb der dreifachen Anlagenhöhe
liegen.
175
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, a.a.O., und Beschluss vom
22. März 2007 - 8 B 2287/06 -, BauR 2007, 1014.
176
Ausgehend von diesen Grundsätzen geht von dem geplanten Bauvorhaben eine optisch
bedrängende Wirkung im Hinblick auf die benachbarte Wohnnutzung, die einen Verstoß
gegen das Gebot der Rücksichtnahme darstellen würde, voraussichtlich nicht aus. Der
Abstand der geplanten Windkraftanlagen zur Wohnbebauung beträgt jeweils mehr als
das Dreifache der Gesamthöhe von hier 99,8 m. Das der Windkraftanlage nächst
gelegene Wohnhaus B. ist 315 m, das der Windkraftanlage nächst gelegene Wohnhaus
P. ist 324 m entfernt. Die Wohnbebauung im Übrigen liegt noch weiter entfernt.
177
ee. Es ist auch nicht erkennbar ausgeschlossen, dass das Vorhaben mit den
Bedürfnissen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie der öffentlichen
Sicherheit in Einklang zu bringen ist.
178
Für die vom Kläger zu 2. beantragten Anlagen fehlt es allerdings noch an der
Zustimmung nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW. Danach bedürfen auch
immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, wenn bauliche Anlagen längs der
Landesstraßen und Kreisstraßen in einer Entfernung von bis zu 40 m gemessen vom
äußeren Rand der für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn errichtet,
erheblich geändert oder anders genutzt werden sollen, der Zustimmung der
Straßenbaubehörde.
179
Die Anlagen sind auch zustimmungsbedürftig, und zwar ungeachtet des Umstandes,
dass der Abstand jeweils des geometrischen Mittelpunkts des Mastes der Anlagen zur
Landesstraße mehr als 40 m beträgt. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Rotorblätter der
vom Kläger zu 2. geplanten Anlagen im Luftraum in die Schutzzone der Landesstraße
hineinragen.
180
Das Ausmaß und der Umfang der Schutzzone des § 25 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW wird -
anders als die Kläger meinen - nicht in Anwendung der Vorschrift des § 6 Abs. 10 Satz 5
BauO NRW von der geometrischen Mitte des Mastes aus ermittelt, sondern ist
eigenständig unter Berücksichtigung des straßen- und wegerechtlichen Zwecks der
Vorschrift zu bestimmen.
181
Die straßenseitige, innere Begrenzung der Schutzzone wird schon nach dem Wortlaut
der Vorschrift des § 25 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW durch den äußeren Rand der für den
Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn definiert. Sie wird hier von einer gedachten
Vertikalen gebildet. Die äußere Begrenzung der Abstandszone verläuft genau 40 m
parallel zu dieser inneren Begrenzung und wird daher ebenfalls von einer gedachten
Vertikale gebildet.
182
Vgl. auch zu Folgendem Wiget, in: Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz,
Stand Februar 2008, Rn. 46, 50 und 59 sowie 19 zu Art. 23 BayStrWG.
183
Eine ausdrückliche Begrenzung des Wirkungsbereichs der Schutzzone in der Vertikalen
ist in § 25 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW nicht enthalten. Allerdings stellt § 2 Abs. 2 Nr. 2
StrWG NRW klar, dass zur öffentlichen Straße auch der Luftraum über dem
Straßenkörper gehört. Wie weit das Ausschließungsinteresse des
Straßenbaulastträgers in den Anbauzonen daher nach oben in den Luftraum und nach
unten in den Erdkörper reicht, ist eine Frage des Einzelfalls im Hinblick auf die
straßenrechtliche Relevanz einer baulichen Anlage. Ausschlaggebend ist, ob das
Vorhaben nach Lage der Dinge tatsächlich und rechtlich überhaupt in Beziehung zum
Schutzzweck der Anbauvorschriften treten kann. Es sollen nämlich nur solche Vorhaben
einer straßenrechtlichen Prüfung unterworfen werden, die nicht schlechterdings
außerhalb jedweden Interesses von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs liegen und
deswegen straßenbaurechtlich irrelevant sind.
184
Zur Erlaubnispflicht einer Nutzung des Luftraums über einer Straße als Sondernutzung
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. April 2007 - 11 A 4057/06 -, juris.
185
Gemessen hieran ist eine Betroffenheit der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs
durch die sowohl in der Drehbewegung und als auch ggf. bei Stillstand in den Luftraum
der Abstandszone und damit ins Sichtfeld der Verkehrsteilnehmer ragenden Rotorblätter
der Windkraftanlagen nicht auszuschließen.
186
Für die Erteilung der Zustimmung ist nicht die Beklagte, sondern weiter der
Landesbetrieb Straßen NRW zuständig. Die Zustimmung wird als reines
Verwaltungsinternum nicht von der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG erfasst.
187
Vgl. m.w.N. Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, § 13 BImSchG, Rn.
103 ff.; a.A. Jarass, BImSchG, 7. Auflage 2007, § 13 BImSchG, Rn. 7 ff.
188
Der Landesbetrieb Straßen NRW ist auch ohne die - hier nicht mögliche - Beiladung,
189
vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2002 - 9 VR 11.02 -, DVBl. 2003, 67, Urteil vom
25. August 1988 - 2 C 62.85 -, BVerwGE 80, 127 und Beschluss vom 17. Oktober 1985 -
2 C 25.82 -, BVerwGE 72, 165; Czybulka, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006,
Rn. 68 zu § 65 VwGO,
190
als unselbständiger Teil der Landesverwaltung - vgl. § 14 a LOG NRW - ebenso wie die
Beklagte an die Rechtskraftwirkung dieses Urteils gebunden.
191
Vgl. zur Rechtskraftwirkung von Bescheidungsurteilen: Kilian, in Sodan/Ziekow, VwGO,
2. Auflage 2006, § 121 VwGO, Rn. 86.
192
Die Zustimmung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Westfälische
Straßenbauamt im Baugenehmigungsverfahren unter dem 30. Oktober 2000 und dem 3.
November 2001 jeweils die Zustimmung zur Errichtung der betroffenen Anlagen
verweigert hatte. Die damalige Versagung der Zustimmung kann den Klägern nicht
entgegenhalten werden. Sie ist rechtswidrig, da die die Kläger weniger belastende
Möglichkeit der Beifügung von Auflagen und Bedingungen, vgl. § 25 Abs. 2 Satz 1
StrWG NRW, nicht in den Blick genommen wurde.
193
Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist auch davon auszugehen, dass die
194
Zustimmung jedenfalls unter Beifügung von Bedingungen oder Auflagen erteilt werden
kann.
Eine Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht scheidet in der hier vorliegenden
Situation des sog. stecken gebliebenen Genehmigungsverfahrens allerdings aus, weil
die Entscheidung, welche Nebenbestimmungen konkret beigefügt werden sollen, nur
aufgrund einer weiteren Untersuchung der anlagen- und ortsspezifischen
Besonderheiten ergehen kann.
195
Die Zustimmung darf nach § 25 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW nur versagt oder mit
Bedingungen oder Auflagen erteilt werden, wenn eine konkrete Beeinträchtigung der
Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten ist oder die Ausbauabsichten
sowie Straßengestaltung dies erfordern. Für Letzteres sind keine Anhaltspunkte
ersichtlich. Dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs anlagenbedingt etwa
durch Lichtreflexe oder aufgrund der örtlichen Sicht- oder sonstigen
Verkehrsverhältnisse beeinträchtigt sein könnte, ist bislang nicht vorgetragen und auch
sonst nicht ersichtlich.
196
Eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch Eisabwurf
oder durch herabfallende Anlagenteile ist allerdings nicht auszuschließen. Angesichts
des hohen Wertes der durch derartige Schadensereignisse betroffenen Rechtsgüter wie
Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer gilt dies auch unter Berücksichtigung der
eher geringen Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadenseintritts. Der
Landesbetrieb Straßen NRW hat jedoch bislang nicht erwogen, dass den zu
erwartenden Beeinträchtigungen infolge von Eisabwurf oder infolge herabfallender Teile
im Einzelfall durch die Beifügung von Nebenbestimmungen Rechnung getragen werden
kann.
197
Hat sich an einer stillstehenden Windkraftanlage Eis gebildet, kann es durch Wind,
Schwingungen oder steigende Temperaturen zu Eisabwurf kommen. Die Eisstücke
werden in diesem Fall nicht weggeschleudert, sondern fallen im unmittelbaren Umfeld
der Anlage herunter. Das Risiko der Gefährdung von Personen entspricht dabei dem
anderer entsprechend hoher Bauwerke wie beispielsweise Hochspannungsleitungen.
Anders verhält es sich, wenn Eisstücke von sich bewegenden Rotorflügeln abgelöst
werden. Das Risiko, dass Eisstücke bei laufendem Betrieb der Anlage weggeschleudert
werden, kann jedoch durch die Einrichtung einer Abschaltautomatik oder einer
Rotorheizung minimiert werden. Die entsprechende Verpflichtung des Betreibers kann
durch Beifügung einer Nebenbestimmung ebenso abgesichert werden wie die
Verpflichtung zur regelmäßigen Kontrolle der Abschaltautomatik auf ihre
Funktionstüchtigkeit.
198
Gegen herabfallende Anlagenteile können ebenfalls Vorkehrungen getroffen werden.
199
Die Häufigkeit von Vorfällen mit herabfallenden Teilen - etwa durch Rotorbruch oder
Umsturz der Windkraftanlage - lag in den Jahren 2000 bis 2003 in Deutschland im
Durchschnitt bei etwa 0,04%. In keinem dieser Fälle ist es zu Personenschäden
gekommen. Die Vorfälle beruhten in der Mehrzahl auf mangelhaften Bauteilen oder
fehlerhaften Reparaturarbeiten.
200
Vgl. Deutscher Naturschutzring, Grundlagenarbeit für eine Informationskampagne
"Umwelt- und naturverträgliche Windenergienutzung in Deutschland (onshore)" -
201
Analyseteil -, S. 47 ff.; Hessischer Landtag, Drucksache 15/4246 vom 28. März 2002,
Kleine Anfrage betreffend die Gefährlichkeit von Windkraftanlagen und Antwort des
Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung.
Dieser noch als konkret einzustufenden Gefährdung kann - vor dem Hintergrund der
geringen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts - im Einzelfall durch die Beifügung
von Nebenbestimmungen angemessen begegnet werden. Dabei kommt neben der
Einrichtung einer Abschaltautomatik bei Unwuchtbetrieb auch die Verpflichtung des
Betreibers zu regelmäßiger, fachkundiger Prüfung, Wartung und Kontrolle der
Sicherheitseinrichtungen und der übertragungstechnischen Teile auf ihre
Funktionstüchtigkeit bei Betrieb und Stillstand, der Rotorblätter auf Steifigkeit, auf die
Beschaffenheit ihrer Oberfläche und auf Rissbildung in zeitlich überschaubaren
Abständen in Betracht.
202
Nichts anderes gilt, soweit die Vereinbarkeit der streitgegenständlichen Anlagen mit der
öffentlichen Sicherheit - hier der Sicherheit des Verkehrs auf (sonstigen) Straßen und
Wegen sowie des Erholungsverkehrs - in den Blick genommen werden müssen. Soweit
eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch Eisabwurf oder Rotorbruch nicht
auszuschließen ist, kann diesen Gefahren außer mit Schutzabständen auch durch
funktionssichere technische Einrichtungen wirksam begegnet werden. Von dieser
Möglichkeit der Gefahrenabwehr geht im Übrigen auch der Windkraftanlagenerlass -
Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr - VI A 1-901.3/202 -,
des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - VII 8-
30.04.04 - und des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie - IV A 3-00-19 -
vom 21. Oktober 2005 (MBl. NRW 2005, S. 1288) in den Nrn. 8.2.4 und 5.3.3 aus.
203
ff. Sonstige Bedenken gegen die Genehmigungsfähigkeit des beantragten Vorhabens
sind nicht ersichtlich. Dem Senat bietet sich auch kein Anhalt, das Vorhaben des
Klägers an den von den bauplanungsrechtlichen Anforderungen unabhängigen
Maßstäben der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen (§§ 18, 19 BNatSchG, §§ 4,
4 a LG NRW),
204
vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2001 - 4 C 3.01 -, NVwZ 2002, 1112,
205
zu messen. Dies ist vielmehr Gegenstand der von der Beklagten im Rahmen der ihr
obliegenden standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung nach § 3 c UVPG
vorzunehmenden Beurteilung. Anhaltspunkte schließlich dafür, dass die Erschließung
des Vorhabens nicht gesichert sein könnte, bestehen nicht.
206
III. Soweit die Kläger hilfsweise die Feststellung begehren, dass die Beklagte bis zum
Inkrafttreten der 19. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen verpflichtet
war, ihnen für die geplanten Windkraftanlagen immissionsschutzrechtliche
Genehmigungen zu erteilen, erübrigen sich Ausführungen, obwohl die Kläger mit ihrem
Hauptantrag nur teilweise obsiegt haben. Die Kläger haben den Feststellungsantrag -
wie sich aus den im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Anträgen und deren
Formulierung ergibt - nur für den Fall gestellt, dass der Verpflichtungsantrag in vollem
Umfang, d.h. auch in dem Bescheidungsteil, unzulässig oder unbegründet ist. Daran
haben sie auch festgehalten, als sie die Berufungsanträge in der vom Senat angeregten
Fassung gestellt haben.
207
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs.1 sowie 162 Abs. 3 VwGO. Die
208
Kostenverteilung berücksichtigt zugunsten der Kläger zum einen, dass dem
streitgegenständlichen Vorhaben der herangezogene Versagungsgrund des fehlenden
gemeindlichen Einvernehmens nicht entgegengehalten werden durfte. Weiter ist zu
berücksichtigen, dass die Rechtsauffassung des Gerichts zur grundsätzlichen
Genehmigungsfähigkeit des klägerischen Vorhabens, unter deren Beachtung die
Beklagte die Kläger zu bescheiden hat, den Spielraum der Beklagten, zu Lasten der
Kläger zu entscheiden, in erheblichem Umfang einschränkt.
Vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, § 155, Rn. 17.
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Es entspricht schließlich nicht der Billigkeit, den Klägern und der Beklagten auch die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese keinen Antrag
gestellt und sich daher einem eigenen Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat, vgl. § 154 Abs.
3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den
§§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen
nicht vor.
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