Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.01.2005

OVG NRW: einheimische bevölkerung, aufenthaltserlaubnis, eltern, kosovo, duldung, abschiebung, ausländer, arbeitsmarkt, erwerbseinkommen, vollziehung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 17 B 62/05
12.01.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
17. Senat
Beschluss
17 B 62/05
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 8 L 2694/04
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,--Euro
festgesetzt.
G r ü n d e:
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat
beschränkt ist, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, geben keinen Anlass, den angefochtenen
Beschluss abzuändern oder aufzuheben.
Der Antragsteller hat den Erwägungen, aus denen das Verwaltungsgericht eine
Abänderung seines Beschlusses vom 23. Januar 2004 - 8 L 3145/03 -(OVG NRW - 17 B
309/049 -) die Vollziehung der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 23. Juni 2003
betreffend (Versagung der Verlängerung der für die Zeit vom 12. November 2001 bis 11.
Mai 2003 gültig gewesenen Aufenthaltsbefugnis) abgelehnt hat, mit der Beschwerde nichts
entgegen gesetzt.
Auch der nunmehr zeitgleich mit der Einlegung der Beschwerde am 11. Januar 2005 beim
Antragsgegner gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs.
4 des am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Aufenthaltsgesetzes (Art. 1 des
Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 , BGBl. I S. 1950 - AufenthG) gibt keine
Veranlassung, dem Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden
Wirkung seiner Klage - 8 K 6842/04 - gegen die - im vorausgegangenen Eilverfahren als
rechtmäßig bewertete - Ordnungsverfügung vom 23. Juni 2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 19. November 2004 Vorrang vor dem öffentlichen
Vollzugsinteresse einzuräumen.
Das käme - wenn überhaupt - allenfalls in Betracht, wenn die Voraussetzungen vorlägen,
unter denen dem Antragsteller die erstrebte Niederlassungserlaubnis nach Ermessen erteilt
werden könnte. Diese Voraussetzungen sind vom Antragsteller weder dargelegt noch
glaubhaft gemacht worden. Der Antragsteller ist der Auffassung, nach der
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gesetzgeberischen Motivation ermögliche § 26 Abs. 4 AufenthG in Verbindung mit der
Übergangsregelung in § 102 Abs. 2 AufenthG die Erteilung der Niederlassungserlaubnis
an alle Ausländer, die sich wie er bereits seit mehr als sieben Jahren legal oder geduldet in
Deutschland aufhielten und sich hier integriert hätten. Diese Auffassung wird - absehen
davon, dass die Innehabung bzw. Verlängerung einer Duldung noch nach
Wiederaufnahme der seit März 2004 kurzzeitig unterbrochenen Abschiebungen von
Bosniaken (wie auch von Angehörigen der Minderheiten der Türken, H. und U. ) im Juli
2004,
vgl. Ergebnis der Expertengespräche mit UNMIK am 10./11.Juni 2004 in Berlin zur
Rückführung ethnischer Minderheiten in das Kosovo, Nr. 2. Abs. 3,
nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden könnte - in dieser allgemeinen Form durch die
gesetzliche Regelung nicht gedeckt.
Nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann dem Ausländer unter bestimmten weiteren
Voraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn er seit sieben Jahren
eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt - d.h. aus völkerrechtlichen, humanitären
oder politischen Gründen - besitzt. Nach § 102 Abs. 2 AufenthG wird auf die Frist für die
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG die Zeit des Besitzes
einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet.
Der Antragsteller ist nicht im Besitz der in § 26 Abs. 4 AufenthG geforderten
Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Gesetzes, der gemäß § 101 Abs. 2
AufenthG eine Aufenthaltbefugnis nach § 30 AuslG iVm einer Anordnung nach § 32 AuslG
gleichzusetzen wäre, weil nach jener Vorschrift die übrigen Aufenthaltstitel (mit Ausnahme
der Aufenthaltsberechtigung oder der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis) ab dem 1. Januar
2005 als Aufenthaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden
Aufenthaltszweck und Sachverhalt fortgelten. Dass er in der Vergangenheit - von
November 2001 bis Mai 2003 - eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 AuslG besessen
hatte, genügt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht. "Seit"
bedeutet bei Verwendung des Präsens im Zusammenhang mit der Forderung nach einem
Aufenthaltstitel - hier: "besitzt" - die aktuelle Innehabung des Titels seit einer bestimmten
Zeitspanne.
In Ermangelung des aktuellen Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis, die zum 1. Januar 2005
als Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen fortgegolten hätte, kann die die
Siebenjahresfrist des § 26 Abs. 4 Satz 1 betreffende Anrechnungsregel nach § 102 Abs. 2
AufenthG nicht zum Zuge kommen.
Ob § 26 Abs. 4 AufenthG dem Antragsteller zugute käme, wenn ihm der im Klageverfahren
- 8 K 6842/04 - verfolgte Anspruch auf Verlängerung der bis 11. Mai 2003 gültig gewesenen
Aufenthaltsbefugnis (entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Senats im
Aussetzungsverfahren 8 L 3145/03 bzw. 17 B 309/04) zustünde, ist nicht zu prüfen, weil der
Antragsteller sich darauf im Beschwerdeverfahren nicht berufen hat.
Auch der Ablehnung des auf Untersagung der Abschiebung gerichteten Hilfsantrags hat
der Antragsteller Durchgreifendes nicht entgegengesetzt.
Die Nichterreichbarkeit des Dorfes seiner Eltern aufgrund von Schneeverwehungen ist
nicht glaubhaft gemacht worden.
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Auf den Wegfall der Geldzuwendungen an die Eltern aus dem hier erzielten
Erwerbseinkommen lässt sich ein Abschiebungshindernis im Sinne von § 60 Abs.7 Satz 1
AufenthG (vormals: § 53 Abs.6 Satz 1 AuslG) offensichtlich nicht stützten. Gleiches gilt für
die Eingewöhnungsschwierigkeiten des Antragstellers nach mehr als zehnjähriger
Abwesenheit.
Den Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt sind Rückkehrer aller Ethnien sowie die
einheimische Bevölkerung generell ausgesetzt. Soweit der Antragsteller, der hier im
Hochbau gearbeitet hat, geltend macht, er werde schon wegen seiner an seiner
Aussprache erkennbaren bosniakischen Volkszugehörigkeit keine Arbeit erhalten, hat er
keinerlei objektivierbare Erkenntnisse aufgezeigt, die diese Annahme stützen könnten.
Allein die subjektiv gehegte Befürchtung gibt keinen Grund, dem Antragsgegner die
Abschiebung jedenfalls - wie beantragt - so lange zu untersagen, "bis dem Antragsgegner,
dem Gericht und dem Antragsteller selbst ausreichend gesicherte Erkenntnisse über die
aktuelle Lage serbisch-montenegrinischer Kosovaren bosniakischer Volkszugehörigkeit im
Kosovo vorliegen". Unabhängig davon muss davon ausgegangen werden, dass der
Antragsteller trotz der behaupteten monatlichen Überweisungen von 100 Euro an seine
Eltern durch Rücklagen aus seiner langjährigen Erwerbstätigkeit Vorsorge für die erste Zeit
nach seiner Rückkehr getroffen hat, auf die er sich seit langem einstellen musste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47
Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.