Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.04.2009

OVG NRW: staatsangehörigkeit, russische föderation, erwerb, geburt, udssr, besitz, grobe fahrlässigkeit, union der sozialistischen sowjetrepubliken, einbürgerung, sowjetunion

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 1098/06
Datum:
27.04.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 1098/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 10 K 1341/05
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des
Bundesverwaltungsamts vom 21. September 2004 und des
Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2004 verpflichtet, den
Klägern einen Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,- EUR
festgesetzt.
Gründe:
1
I.
2
Die Kläger begehren von der Beklagten die Ausstellung eines
Staatsangehörigkeitsausweises.
3
Der Kläger zu 1. und seine Ehefrau beantragten zunächst mit am 14. Juni 2001 beim
Bundesverwaltungsamt eingegangenen Antrag ihre Aufnahme nach dem
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Bundesvertriebenengesetz (BVFG). In dem von der Tante der Ehefrau des Klägers zu 1.
als damals Bevollmächtigte für den Kläger zu 1. ausgefüllten Ergänzungsbogen
S/Ehegatte ist unter Punkt 6.2 zur Staatsangehörigkeit des Klägers zu 1. eingetragen:
"Bürger Rußlands". Die Frage unter Punkt 6.2, ob der Ehegatte und/oder die (Groß-
)Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen, wurde bejaht. Auf Seite 8 dieses
Antragsformulars ist - ebenso wie auf Seite 18 des für die Ehefrau des Klägers zu 1.
ausgefüllten Antragsformulars - angegeben, dass die Mutter des Klägers zu 1. 1944 die
deutsche Staatsangehörigkeit angenommen habe.
Am 22. April 2003 beantragten der Kläger zu 1., seine adoptierten Söhne und sein am
1996 ehelich geborener Sohn, der Kläger zu 2., die Ausstellung von
Staatsangehörigkeitsausweisen bei der Beklagten. Ihre deutsche Staatsangehörigkeit
leiteten sie von der Mutter des Klägers zu 1., der am 1962 in der damaligen
Kasachischen SSR nichtehelich geboren wurde, ab. Sie trugen vor, die Mutter des
Klägers zu 1., Frau C. X. , sei 1943 nach Deutschland umgesiedelt und dort
eingebürgert worden. Der Kläger zu 1. gab bei Antragstellung des Weiteren an, er habe
von 1962 bis 1993 auf dem Gebiet der heutigen Republik Kasachstan gelebt. 1993 sei
er zusammen mit seiner Mutter in die Russische Föderation gezogen. Er erklärte, keine
fremde Staatsangehörigkeit auf Antrag erworben zu haben. Die russische
Staatsangehörigkeit habe er durch Geburt erworben. Er legte im Laufe des Verfahrens
unter anderem die Kopie seines am 7. Dezember 1978 ausgestellten sowjetischen
Inlandspasses vor. Darin wurde am 30. Mai 1996 - nach Angaben der Kläger auf einem
eingeklebten Einlagezettel - vermerkt, dass er "gem. Satzung 18 ‚G' des Gesetzes der
RSFR ‚Über die Staatsbürgerschaft der RSFR' vom 28. No-vember 1991 Bürger der
Russischen Föderation" sei. Außerdem wurden zu dem Antrag schriftliche Erklärungen
zweier Geschwister der Mutter des Klägers zu 1. über eine Einbürgerung im Jahr 1944
und Kopien der Geburtsurkunden der Kläger über-sandt.
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Mit Bescheid vom 21. September 2004 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag
der Kläger und des vom Kläger zu 1. adoptierten B. T. auf Ausstellung von
Staatsangehörigkeitsausweisen mit der Begründung ab, der Kläger zu 1. habe seine
deutsche Staatsangehörigkeit spätestens mit der auf seinen Wunsch hin erfolgten
Registrierung nach Artikel 18 (d) des Gesetzes der Russischen Sozialistischen
Föderativen Sowjetrepublik (RSFR) über die Staatsangehörigkeit der RSFR vom 28.
November 1991 verloren. Vor diesem Hintergrund könne es dahingestellt bleiben, ob er
zuvor tatsächlich im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gewesen sei. Gleiches
gelte für den Kläger zu 2. und den adoptierten Sohn B. .
6
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trugen die Kläger und B. T.
vor, auf dem Pass des Klägers sei nirgendwo von einer Registrierung die Rede.
7
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhielt zwischenzeitlich mit Schreiben vom
28.Oktober 2004 vom Bundesarchiv Kopien von Unterlagen, aus denen sich ergibt, dass
die Mutter des Klägers zu 1. am 1. Mai 1944 in O. /P. zusammen mit ihren Eltern und
ihren Geschwistern in den deutschen Staatsverband eingebürgert worden war. Auch
das Bundesverwaltungsamt erhielt Kopien dieser Unterlagen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2004, der beim Prozessbevollmächtigten
der Kläger am 2. Februar 2005 einging, wies das Bundesverwaltungsamt den
Widerspruch der Kläger zurück. Es führte aus, dass dem Kläger zu 1. zwar mittels
nichtehelicher Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit durch seine Mutter vermittelt
9
worden sei, er diese jedoch durch den Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit im
Wege der Registrierung verloren habe. Er habe nicht dargelegt, dass er gezwungen
gewesen sei, den Antrag auf Registrierung zu stellen. Es sei daher davon auszugehen,
dass er in freier Willensentscheidung gehandelt habe.
Am 1. März 2005 haben die Kläger Klage erhoben. Ergänzend zu ihrem früheren
Vorbringen haben sie vorgetragen, der Kläger zu 1. sei ursprünglich Bürger der
Sowjetunion gewesen. Nach deren Untergang habe er sich zunächst weiter auf dem
Territorium der damaligen Sowjetrepublik Kasachstan aufgehalten. Im Juli 1993 sei er
zusammen mit seiner Mutter nach Kubanka auf dem Gebiet der Russischen Föderation
umgezogen, wo er eine Lehrerstelle bekommen habe. Er habe sich dort beim
Einwohnermeldeamt angemeldet. Im Jahr 1996 habe er heiraten wollen. Dazu habe er
seine statusrechtlichen Probleme regeln müssen und einen Einlagezettel in seinen
Inlandspass eingeklebt bekommen. Er habe keinen Antrag auf Erwerb der russischen
Staatsangehörigkeit gestellt. Für den Erhalt des Einlagezettels habe er lediglich ein
Formular unterschreiben müssen. Er habe sich damals in einer Zwangslage befunden,
da er ohne Erhalt des Einlageblattes die Ehe nicht hätte schließen können und sein
Sohn nichtehelich geboren worden wäre. Zum damaligen Zeitpunkt sei dem Kläger zu
1. der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit nicht bekannt gewesen. Erst eine
Auskunft aus dem Bundesarchiv im Jahr 2005 habe zur Klärung der Einbürgerung
seiner Mutter geführt.
10
Die Kläger haben beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 21. September 2004 und des
Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2004 zu verpflichten, den Klägern einen
Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen.
12
Die Beklagte hat beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Sie hat in Ergänzung ihrer Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid
vorgetragen, dass die Mutter des Klägers zu 1. zwar unstreitig eingebürgert worden sei
und der Kläger zu 1. unstreitig die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben
habe, er habe diese aber nach § 25 RuStAG durch den Erwerb der russischen
Staatsangehörigkeit auf seinen Registrierungsantrag verloren. Sie, die Beklagte, gehe
davon aus, dass es sich bei dem - vom Kläger zu 1. vor Erhalt des in seinen Inlandspass
eingeklebten Einlageblattes unterschriebenen - Formular um den Antrag auf
Registrierung gehandelt habe. Der Vortrag der Kläger sei nicht geeignet, hinreichend
glaubhaft zu machen, dass der Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit mittels
Registrierung erfolgt sei, um eine unmittelbar drohende Gefahr für Leib und Leben des
Klägers abzuwenden.
15
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und
die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Es ist der Ansicht gewesen, der Kläger zu 1.
habe seine deutsche Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der russischen
Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 RuStAG verloren. Der Anwendung dieser
Vorschrift stünde nicht entgegen, dass der Kläger zu 1. seine deutsche
Staatsangehörigkeit nicht gekannt habe und diese auch noch nicht belegt gewesen sei.
Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug
16
genommen.
Ihre Berufung begründen die Kläger damit, dass ein Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit durch den Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit nur dann
eintreten könne, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit auch effektiv zum damaligen
Zeitpunkt bestanden habe. Dies setzte allerdings gerade voraus, dass der Betreffende
von ihrer Existenz gewusst habe, denn nur dann könne er eine diesbezügliche
Entscheidung für seinen Status treffen. Im Übrigen habe sich an der faktischen
Lebenssituation des Klägers zu 1. nach seinem Umzug auf das Territorium der
Russischen Föderation nichts verändert. Bezeichnend sei, dass er lediglich einen
Einlagezettel in seinen alten Pass eingeklebt bekommen habe und ihm nicht ein neuer
Inlandspass ausgestellt worden sei. Es sei daher äußerst fraglich, ob auch bei
Zugrundelegung einer generalisierenden Betrachtungsweise von dem Willen, eine
andere Staatsangehörigkeit zu erwerben, gesprochen werden könne. Zudem müsse §
25 RuStAG im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG gelesen werden. Dieser beinhalte die
Eheschließungsfreiheit. Diese werde umgangen, wenn der Betreffende sich zwischen
Eheschließung und Staatsangehörigkeit entscheiden müsse.
17
Die Kläger beantragen,
18
das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. Februar 2006 zu ändern und die
Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 21. September 2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2004 zu verpflichten, den
Klägern einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen.
19
Die Beklagte beantragt,
20
die Berufung zurückzuweisen.
21
Sie vertritt die Auffassung, dass der Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit den
antragsgemäßen Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit im Sinne von § 25 Abs. 1
RuStAG darstelle. Die Russische Föderation sei nicht Gesamtrechtsnachfolger der
UdSSR. Zudem seien im vorliegenden Fall aus der Gesamtschau Anhaltspunkte dafür
erkennbar, dass der Kläger zu 1. schon zu einem weit früheren Zeitpunkt als dem Jahr
2005 Kenntnis vom Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gehabt haben müsse. So
sei für die Mutter des Klägers zu 1. sowie für deren Geschwister F. und F1. von einem im
Bundesgebiet lebenden Onkel am 23. Februar 1957 die Übernahme in das
Bundesgebiet im sog. D 1- Verfahren beantragt und bei dieser Antragstellung die
Einbürgerungsurkunde vorgelegt worden. Die Mutter des Klägers zu 1. sei zum
Zeitpunkt der Einbürgerung bereits vierzehn Jahre alt gewesen. Daher sei bei ihr von
einem gewissen Maß an Erinnerung an dieses Ereignis auszugehen. Im Formantrag der
Kläger auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises seien für den Kläger zu 1.
und seine Mutter seit seiner Geburt - abgesehen von seinem Wehrdienst - dieselben
Aufenthaltsorte angegeben. Demzufolge habe hinreichende Gelegenheit für den Kläger
zu 1. bestanden, die Lebensgeschichte seiner Mutter zu erfahren oder zu erfragen. Im
Aussiedleraufnahmeantrag vom 7. Juni 2001 sei von der Bevollmächtigten des Klägers
zu 1. angegeben worden, er oder ein Familienangehöriger besitze die deutsche
Staatsangehörigkeit. An anderer Stelle des Antrags sei ausgeführt worden, dass die
Mutter 1944 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe und einen
"Staatsangehörigkeitsausweis bekommen" habe, "den sie während vielen Jahren
aufgehoben hat". Diese Infor- mationen könne die damals Bevollmächtigte, eine Tante
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der Ehefrau des Klägers zu 1., nur vom Kläger zu 1. oder seiner Ehefrau erhalten haben.
Mit dem Antrag des Klägers auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises
seien der Beklagten unter anderem auch zwei Zeugenaussagen von den
miteingebürgerten Geschwistern der Mutter des Klägers zu 1., K. X. und F. T1. ,
übersandt worden, nach deren Inhalt diese beiden jüngeren Geschwister der Mutter die
"Einbürgerungspapiere ... gut in Erinnerung" hätten bzw. "ganz genau" gewusst hätten,
dass die Großeltern der Mutter des Klägers zu 1. eine Einbürgerungsurkunde gehabt
hätten. Der Kläger zu 1. habe außerdem im Jahr 2004 beim Verwaltungsgericht Köln ein
Beweissicherungsverfahren betrieben. Zu dessen Begründung sei vorgetragen wor-den,
dass durch Zeugenbeweis nachgewiesen werden könne, dass die Mutter des Klägers
zu 1. im Jahr 1943 nach Deutschland umgesiedelt und "dort eingebürgert" worden sei.
Es widerspreche im Übrigen jeder Lebenserfahrung, dass sowohl die Mutter des
Klägers zu 1. als auch deren Geschwister, die alle aufgrund der Einbür-
gerungsunterlagen die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hätten, dies dem Kläger
zu 1. bis zu seiner Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises im Jahr 2003
verschwiegen haben sollten. Sollte der Kläger zu 1. dies behaupten, werde zur Klärung
der Frage, seit wann er Kenntnis von der Tatsache gehabt habe, dass seine Mutter die
deutsche Staatsangehörigkeit besitze, die Vernehmung des Onkels und der Tante als
Zeugen beantragt.
Der Kläger zu 1. müsse sich mindestens ein "Kennen müssen" der deutschen
Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt des Erwerbs der russischen Staatsangehörigkeit
entgegen halten lassen. Von einem "Kennen müssen" sei nach dem Verständnis der
Beklagten - in Anlehnung an § 48 Abs. 2 Satz 7 VwVfG und § 49a Abs. 2 Satz 2 VwVfG
dann auszugehen, wenn der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit für den
Antragserwerber offensichtlich sei und sich ihm geradezu habe aufdrängen müssen, d.h.
die Anforderungen an eine - über die einfache Fahrlässigkeit hinausgehende - grobe
Fahrlässigkeit erfüllt seien. Der Kläger zu 1. habe gewusst, dass seine Mutter
eingebürgert worden sei. Er habe, wie sich aus den Umständen der Anträge auf
Aufnahme nach dem BVFG und auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises
indiziell ergebe, gleichfalls gewusst, dass die deutsche Staatsangehörigkeit vererbbar
sei. Er habe auch gewusst, dass er deutscher Staatsbürger sein könnte, wenn er nicht
schon das Bewusstsein gehabt habe, Deutscher zu sein. Damit habe sich ihm sein
Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit aufdrängen müssen. Die Vermittlung einer
Staatsangehörigkeit im Wege der Abstammung sei kein Rechtsgedanke, der dem
sowjetischen Recht oder dem Recht des Nachfolgestaats der ehemaligen Sowjetunion
völlig fremd gewesen sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Mutter des Klägers
zu 1. nicht verheiratet gewesen sei, da das sowjetische Recht - herangezogen als
Vergleichsmaßstab der "Parallelwertung in der Laiensphäre" - eine solche
Unterscheidung nicht gekannt habe. Dass auch der Kläger zu 1. angesichts der
Angaben zu seiner 1944 eingebürgerten Mutter vom Besitz der deutschen
Staatsangehörigkeit (durch Abstammung) habe ausgehen können, sei eine nahe
liegende und einleuchtende Überlegung. Sie, die Beklagte, gehe davon aus, dass dem
Kläger zu 1. schon vor dem Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit die
Vererbbarkeit der Staatsangehörigkeit bekannt gewesen sei und dass ihm keine
Verlustgründe hinsichtlich der deutschen Staatsangehörigkeit bekannt gewesen seien.
Als Beweis dafür dienten die Zeugnisse des Onkels und der Tante des Klägers zu 1.
sowie seine Parteinvernehmung. Hilfsweise halte die Beklagte auch das Bestehen von
Nachforschungsobliegenheiten für möglich.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
24
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
25
Über die Berufung kann gemäß § 130a VwGO durch Beschluss entschieden werden,
weil der Senat die Berufung einstimmig für begründet und die Durchführung einer
mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a Satz 1 VwGO). Die
Beteiligten sind hierzu nach § 130a Satz 2 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO mit
gerichtlicher Verfügung vom 27. Januar 2009 angehört worden.
26
Der Senat ist sich darin einig, dass die Kläger einen Anspruch auf Ausstellung eines
Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 3 StAG haben,
27
vgl. zur Rechtsgrundlage: VG Stuttgart, Urteil vom 23. Juli 2008 - 11 K 4247/07 -, Juris
m.w.N.,
28
weil sie deutsche Staatsangehörige sind. Insoweit ist der Bescheid des
Bundesverwaltungsamts vom 21. September 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2004 rechtswidrig und verletzt die Kläger in
ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
29
Mit dem Verwaltungsgericht und in Übereinstimmung mit den Beteiligten ist davon
auszugehen, dass der Kläger zu 1. gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG in der im Zeitpunkt seiner
Geburt (20. Februar 1962) geltenden Ursprungsfassung vom 22. Juli 1913, RGBl. S.
583, die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben hat. Danach erwarb das
eheliche Kind eines Deutschen durch Geburt die Staatsangehörigkeit des Vaters, das
uneheliche Kind einer Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter. Letzteres ist hier
gegeben. Der Kläger ist nichtehelich geboren. Seine Mutter ist nach den vorliegenden
Urkunden am 1. Mai 1944 mit ihren Eltern und ihren Geschwistern in den deutschen
Staatsverband eingebürgert worden und besaß damit auch im Zeitpunkt der Geburt des
Klägers zu 1. die deutsche Staatsangehörigkeit.
30
Der Kläger zu 1. hat seine deutsche Staatsangehörigkeit nicht am 30. Mai 1996 gemäß
§ 25 Abs. 1 RuStAG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des Art. 4 Nr. 5 des
Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 29. Juni 1977, BGBl. I, S. 101,
verloren. Danach verliert ein Deutscher, der - wie hier der Kläger zu 1. im Jahr 1996 - im
Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat, seine
Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn
dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt.
31
Der Kläger zu 1. hat allerdings im o.g. Zeitpunkt die Staatsangehörigkeit der Russischen
Föderation auf seinen Antrag erworben.
32
Ein Erwerb der Staatsangehörigkeit im sog. Registrierungsverfahren nach Art. 18
Buchstabe d) (entspricht in der deutschen Übersetzung als 4. Buchstabe des Alphabets
dem kyrillischen "g") des hier maßgebenden und am 6. Februar 1992 in Kraft getretenen
Gesetzes über die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation vom 28. November
1991 i.d.F. der Änderungen vom 17. Juni 1993 und vom 6. Februar 1995 (im Folgenden:
Staatsbürgerschaftsgesetz),
33
abgedruckt in deutscher Übersetzung bei Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und
Kindschaftsrecht, Russische Föderation, Stand: 30. April 2000, S. 15 ff.,
34
ist als Antragserwerb i.S.d. § 25 Abs. 1 RuStAG anzusehen, weil für den
Staatsangehörigkeitserwerb in diesem Verfahren eine hierauf gerichtete
Erwerbserklärung erforderlich war.
35
Vgl. auch zu Folgendem das den Beteiligten bekannte Urteil des OVG NRW vom 19.
Dezember 2008 -12 A 4704/05 - und die darin in Bezug genommenen
Erkenntnisquellen.
36
Nach Art. 18 Buchstabe d) des Staatsbürgerschaftsgesetzes erwarben im
Registrierungsverfahren unter anderem Bürger der ehemaligen Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation,
wenn sie auf den Gebieten der Staaten wohnten, welche zum Bestand der UdSSR
gehört haben und bis zum 31. Dezember 2000 ihren Wunsch erklärten, die
Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation zu erwerben. Damit bestand für Bürger
der ehemaligen UdSSR mit Wohnsitz in einer der zur ehemaligen UdSSR gehörenden
Republiken -unabhängig von einer ansonsten gegebenen Staatsangehörigkeit - ein
Einbürgerungsanspruch. Dieser Anspruch verwirklichte sich jedoch nicht kraft Gesetzes,
sondern der Erwerb der Staatsbürgerschaft erforderte eine auf diesen Erwerb gerichtete
Erklärung, über deren Abgabe der Einbürgerungsbewerber frei entscheiden konnte.
37
Dem entspricht auch die "Verordnung über das Behandlungsverfahren für
Angelegenheiten der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation", bestätigt durch
den Erlass des Präsidenten der Russischen Föderation vom 10. April 1992, Nr. 386, in
der Fassung des Erlasses des Präsidenten der Russischen Föderation vom 27.
Dezember 1993, Nr. 2299. Nach Nr. I.4 Satz 1 der Verordnung sind "in den Fällen, wenn
Erwerb bzw. Erlöschen der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation auf dem
Registrationswege (d.h. auf vereinfachtem Wege) abgefasst wird, ... Erklärungen
abzugeben". Nach Nr. II. 4 der Verordnung haben Personen, auf die sich die
Vorschriften des Art. 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes erstrecken, zum Erwerb der
Staatsangehörigkeit auf dem Registrationswege neben anderen Dokumenten "eine
Erklärung" vorzulegen. Demgegenüber ist etwa nach Nr. II.1 Satz 1 der Verordnung "für
Personen, die zum Tage des Inkrafttretens des Gesetzes - also am 6. Februar 1992
(Ergänzung durch den Senat) auf dem Territorium der Russischen Föderation ständig
wohnhaft sind und einen Bürgerpass der UdSSR besitzen - mithin in den Fällen des
Staatsangehörigkeitserwerbs kraft Gesetzes nach § 13 Abs. 1 des
Staatsbürgerschaftsgesetzes (Ergänzung durch den Senat) - ... keine Abgabe von
Erklärungen zur Abfassung der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation
erforderlich". Auch nach der genannten Verordnung wird also in den Fällen des
Staatsangehörigkeitserwerbs im Wege des Registrationsverfahrens - anders als in den
Fällen des § 13 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes - für den Erwerb der
Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation eine hierauf gerichtete gesonderte und
vorzulegende Erklärung vorausgesetzt. "Der Erwerb der Staatsangehörigkeit gemäß ...
dem Registrationsverfahren bedarf der Stellung eines entsprechenden Antrags, dem
eine Reihe von Dokumenten beizufügen ist, über den das befugte Staatsorgan zu
entscheiden hat."
38
Vgl. Urteil des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation (RussVerfG) vom 16.
Mai 1996 - Nr. 12-P-, EuGRZ 1997, 410 ff. (S. 412, linke Spalte).
39
Allein schon angesichts dieser Erwerbsvoraussetzung kann nicht ohne weiteres die
Rede davon sein, dass mit dem Staatsbürgerschaftsgesetz nur die alte Unionsbür-
gerschaft der UdSSR neu geregelt und von der Russischen Föderation, die bezogen auf
russisches Gebiet Rechtsnachfolgerin der UdSSR sein dürfte, die frühere sowjetische
durch eine russische Staatsangehörigkeit ersetzt werden sollte.
40
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz zu dem Europäischen Abkommen
vom 6. November 1997 über die Staatsangehörigkeit vom 13. Mai 2004, BGBl. II, S. 578.
Dies ist gemäß Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes erst am 19. Mai 2004 in Kraft getreten, so
dass bereits deshalb vor seinem Inkrafttreten verwirklichte Erwerbs- bzw.
Verlusttatbestände nicht erfasst werden. Zudem hat die Russische Föderation das
Übereinkommen weder ratifiziert noch ist dieses in der Russischen Föderation in Kraft
getreten. Die Grundsatzregelungen beinhaltenden Bestimmungen des Art. 20 Abs. 1
Buchstabe a) (Aufenthaltsrecht im Nachfolgestaat bei Staatennachfolge) und des Art. 18
Abs. 2 (Entscheidung über die Verleihung oder Beibehaltung der Staatsangehörigkeit
im Fall der Staatennachfolge) des Übereinkommens richten sich im Übrigen nur an die
Nachfolgestaaten bzw. betreffen deren Entscheidungen im Fall der Staatennachfolge.
Die Klärung der Frage, ob aufgrund des Erwerbs einer ausländischen
Staatsangehörigkeit gemäß § 25 Abs. 1 RuStAG der Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit eingetreten ist, beschränkt sich demgegenüber auf die Klärung der
mit dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit verknüpften gesetzlichen Folge
durch die zuständigen Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland und
beinhaltet darüber hinaus auch keine Entscheidung über die Beibehaltung der
deutschen Staatsangehörigkeit; die Entscheidung über die Beibehaltung der deutschen
Staatsangehörigkeit trotz des Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit ist dem
Verfahren nach § 25 Abs. 2 RuStAG bzw. StAG über die Erteilung einer
Beibehaltungsgenehmigung vorbehalten.
41
Eine Fortgeltung der ursprünglichen sowjetischen Staatsangehörigkeit des Klägers zu
1. nunmehr als Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation kann auch nicht anders
festgestellt werden.
42
Mit der Bildung der UdSSR war für die Staatsbürger der Unionsrepubliken zwar eine
einheitliche Unionsstaatsbürgerschaft begründet. Jeder Bürger einer Unionsrepublik
besaß danach die Staatsbürgerschaft der UdSSR. Zugleich besaß jeder Staatsbürger
der UdSSR grundsätzlich auch die Staatsbürgerschaft derjenigen Unionsrepublik, in
deren Gebiet er sich ständig aufhielt.
43
vgl. etwa Art. 7 der Verfassung der UdSSR vom 31. Januar 1924, abgedruckt in: Geilke,
Das Staatsangehörigkeitsrecht der Sowjetunion, in: Sammlung geltender
Staatsangehörigkeitsgesetze, herausgegeben von der Forschungsstelle für Völkerrecht
und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg 1964, S. 45 f.; Nr. 1 Satz
1 und Satz 2 sowie Nr. 2 Satz 1 der Staatsbürgerschaftsordnung der UdSSR vom 13.
Juni 1930 bzw. der Staatsbürgerschaftsordnung der UdSSR vom 22. April 1931,
abgedruckt in: Geilke, a.a.O., S. 310 - 316; Art. 1 des Gesetzes vom 10. August 1938
über die Staatsbürgerschaft der UdSSR, abgedruckt in: Geilke, a.a.O., S. 319 f.
44
Die Staatsangehörigkeit in den Unionsrepubliken (hier: der Kasachischen SSR) war
aber nur eine Wohnsitzzugehörigkeit und hatte keine internationale, sondern nur eine
innerstaatliche Bedeutung.
45
Vgl. Hecker, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht,
Russische Föderation, Stand: 30. April 2000, S. 8.
46
Dass der Kläger zu 1. Bürger der ehemaligen UdSSR war und die sowjetische
Staatsangehörigkeit besaß, ist unstreitig. Die Staatsangehörigkeit der UdSSR ist jedoch
nicht unmittelbar in eine Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation übergegangen.
Vielmehr ist die sowjetische Staatsangehörigkeit des Klägers zu 1. mit der Auflösung
der Sowjetunion am 26. Dezember 1991 erloschen.
47
Vgl. etwa Levits, Das Staatsangehörigkeitsrecht Rußlands, StAZ 1992, 171 ff.; Prof. Dr.
Seifert, Institut für osteuropäisches Recht an der Universität Kiel, Rechtsgutachten von
September 1993 im Verfahren 14 A 130/93 - VG Schleswig -, S. 4 (Nr. 3); ders.,
Rechtsgutachten von Juli 1993 in den Verfahren AN 20 K 92.37193, AN 20 K 92.37194
AN 20 K 92.37195 - VG Ansbach -, S. 4 ("zu 3.").
48
Nach den vorgenannten Fundstellen richtet sich die Frage, wen die früheren
Sowjetrepubliken, die nach dieser staatsangehörigkeitsrechtlichen Zäsur nun als
völkerrechts-unmittelbare Staaten Rechtsnachfolger der untergegangenen Sowjetunion
wurden, als ihre Staatsangehörigen ansehen, ausschließlich nach den
Staatsangehörigkeitsgesetzen dieser Staaten. Für die Beantwortung der Frage,
inwieweit der Kläger zu 1. Staatsangehöriger der Russischen Föderation geworden ist,
kommen daher allenfalls die Bestimmungen des russischen
Staatsbürgerschaftsgesetzes, nicht aber die zeitlich vor diesem Gesetz geltenden
staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen der UdSSR oder der zugehörigen
Teilrepubliken in Betracht.
49
Eine gesetzliche Umwandlung oder Aufwertung einer bestehenden nur innerstaatlich
wirkenden Staatsbürgerschaft der ehemaligen Teilrepublik Kasachstan in eine im
Außenverhältnis geltende Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation ist nach dem
Staatsbürgerschaftsgesetz aber nicht vorgesehen. Wer nach dem Zerfall der UdSSR
kraft Gesetzes Staatsangehöriger der Rechtsnachfolgerin Russische Föderation sein
soll, ist in Art. 13 des Staatsbürgerschaftsgesetzes geregelt. Nach Art. 13 Abs. 1 des
Staatsbürgerschaftsgesetzes werden alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Staatsangehörigkeitsgesetzes (6. Februar 1992) ständig auf dem Territorium der
Russischen Föderation lebenden Staatsbürger der ehemaligen UdSSR als Bürger der
Russischen Föderation anerkannt, sofern sie nicht innerhalb eines Jahres nach diesem
Tag ihren Wunsch geäußert haben, nicht Staatsbürger der Russischen Föderation zu
werden. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes gelten am 30.
Dezember 1922 und später geborene Personen, die die Staatsbürgerschaft der
ehemaligen UdSSR verloren haben, als Staatsbürger der Russischen Föderation kraft
Geburt, wenn sie auf dem Territorium der Russischen Föderation geboren worden sind
(1. Alternative) oder ein Elternteil im Zeitpunkt der Geburt des Kindes Staatsbürger der
UdSSR war und ständig auf dem Territorium der Russischen Föderation gelebt hat (2.
Alternative - Einfügungen durch den Senat). Gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 2 des
Staatsbürgerschaftsgesetzes ist unter Territorium der Russischen Föderation in diesem
Fall das Territorium der Russischen Föderation nach dem Stand am Tag der Geburt zu
verstehen.
50
Eine Anerkennung der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation kraft Gesetzes
setzt danach in allen Fällen einen räumlichen Bezug zum Territorium der Russischen
51
Föderation voraus (ius soli). Dieser zentrale räumliche Bezug wird durch den ständigen
Wohnsitz oder die Geburt auf dem genannten Territorium vermittelt. Entweder ist es der
ständige Wohnsitz im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes
oder die Geburt des Anzuerkennenden auf dem Territorium der Russischen Föderation
oder es ist der ständige Wohnsitz eines Elternteils des Anzuerkennenden im Zeitpunkt
von dessen Geburt auf diesem Territorium. Fehlt es an einem derartigen räumlichen
Bezug (des Anzuerkennenden oder eines Elternteils im Zeitpunkt der Geburt des
Anzuerkennenden) kommt eine Anerkennung als Staatsangehöriger der Russischen
Föderation kraft Gesetzes nicht in Betracht.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 2008
52
- 12 A 4704/05 -, m. w. N.
53
Im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte für den erforderlichen räumlichen Bezug des
Klägers zu 1. bzw. seiner Eltern zum Territorium der Russischen Föderation weder
substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Der nichtehelich in der Kasachischen SSR
geborene Kläger zu 1. selbst und seine Mutter lebten nach seinen Angaben erst ab
1993 und nicht schon bei seiner Geburt oder im Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Staatsangehörigkeitsgesetzes der Russischen Föderation (6. Februar 1992) auf deren
Staatsgebiet.
54
Der Kläger zu 1. war nach dem Zerfall der Sowjetunion vielmehr zunächst
Staatsangehöriger der Republik Kasachstan nach Art. 3 Abs. 1 des am 1. März 1992 in
Kraft getretenen Gesetzes über die Staatsangehörigkeit der Republik Kasachstan vom
20. Dezember 1991. Danach sind Staatsangehörige der Republik Kasachstan unter
anderem die Personen, die am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes ständig in der
Republik Kasachstan wohnhaft sind.
55
Vgl. Weishaupt, in: Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht,
Kasachstan, Stand: 28. Februar 1995, S. 5 u. 8.
56
Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 1. März 1992 war der Kläger zu 1. noch
im Gebiet der aus der Kasachischen SSR hervorgegangenen, seit 1991 unabhängigen
Republik Kasachstan wohnhaft. Er verließ das Gebiet erst 1993 und erwarb ausweislich
des in seinen Inlandspass eingeklebten Einlegeblatts die Staatsangehörigkeit der
Russischen Föderation im Wege des vereinfachten, jedoch erklärungs- und damit im
Sinne des § 25 Abs. 1 RuStAG antragsabhängigen Registrierungsverfahrens im Jahr
1996.
57
Dass dieser Erwerb der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation nicht auf einer
freien Willensentscheidung des Klägers zu 1. beruhte, ist auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1
GG nicht ersichtlich. Der Kläger zu 1. musste sich entgegen des Vortrags seines
Prozessbevollmächtigten nach seinen eigenen Angaben nicht zwischen der
Eheschließung und der Staatsangehörigkeit entscheiden. Hätte der Kläger zu 1. auf den
Erwerb der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation im Jahr 1996 verzichtet, so
hätte dies lediglich zu einer Verzögerung der Eheschließung geführt, die nach Angaben
der Kläger davon abhängig gemacht wurde, dass der Kläger zu 1. seine
"statusrechtlichen Probleme" löse. Dazu hätte es des Erwerbs der Staatsangehörigkeit
der Russischen Föderation nicht bedurft, da er bereits die Staatsangehörigkeit der
Republik Kasachstan besaß.
58
Gleichwohl kann ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit beim Kläger zu 1. nach
§ 25 Abs. 1 Satz 1 RuStAG nicht festgestellt werden. Die Bestimmung des § 25 Abs. 1
RuStAG erfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der
Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt, nicht den Fall, dass der
Betroffene im Zeitpunkt des Antragserwerbs der ausländischen Staatsangehörigkeit
keine Kenntnis vom Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gehabt hat und hiervon
nach den gesamten Umständen des Falles auch keine Kenntnis hätte haben müssen.
59
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2008
60
- 5 C 28.07 -, NJW 2008, 2729.
61
Danach tritt ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bei einem auf eigenem
Antrag beruhenden Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit ein, wenn der
Antragserwerber spätestens im Zeitpunkt des Erwerbs der ausländischen
Staatsangehörigkeit positive Kenntnis vom Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit
hat.
62
Hat er keine positive Kenntnis, wirkt sich seine Unkenntnis nur dann zu seinen Lasten
aus, wenn er nach den gesamten Umständen des Falles die Kenntnis vom Besitz der
deutschen Staatsangehörigkeit nicht nur hätte haben können, sondern hätte haben
müssen, sich also für den Antragserwerber der Besitz der deutschen
Staatsangehörigkeit geradezu aufdrängen musste.
63
Vgl. auch zu Folgendem: OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 2008 - 12 A 4704/05 -.
64
Diese gesteigerte, über eine lediglich i.S.d. § 276 Abs. 2 BGB fahrlässige Unkenntnis
hinausgehende Anforderung kennzeichnet regelmäßig die grobe Fahrlässigkeit, bei der
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße verletzt wird und
dabei einfachste, ganz naheliegende Überlegungen unterlassen werden.
65
Vgl. zur groben Fahrlässigkeit etwa BVerwG, Urteil vom 12. August 2008 - 2 A 8.07 -,
m.w.N., Juris; Ziekow, VwVfG, 2006, § 48 Rn. 33 m.w.N.
66
Danach wird eine Tatsachengrundlage gefordert, aus der nicht nur die Möglichkeit des
Besitzes der deutschen Staatsangehörigkeit folgt, sondern aus der sich dieser Besitz
dem Antragserwerber ohne weiteres unmittelbar aufdrängt, wie es die Beklagte
sinngemäß für den Fall annimmt, dass der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit
auch nach der Parallelwertung in der vom Herkunftsland des Betreffenden geprägten
Laiensphäre offensichtlich gegeben ist.
67
Vorstehende Grundanforderung wird auch dadurch belegt, dass der Senat in seinem
durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2008 - 5 C 28.07 -,
a.a.O., aufgehobenen Beschluss vom 8. Juni 2007 - 12 A 2053/05 -, Juris, in Bezug auf
die damalige Klägerin zu 1. wegen ihrer Kenntnis des Schicksals ihrer Großeltern
väterlicherseits während des Zweiten Weltkriegs (1943 Einreise aus Weißrussland nach
Deutschland/M. , Einbürgerung (Deutsche Papiere/Dokumente), Weiterreise nach
Österreich, Geburt des Vaters am 1944 in Österreich, Repatriierung in die Sowjetunion)
hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit des Besitzes der deutschen
Staatsangehörigkeit bejaht hat.
68
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Juni 2007
69
- 12 A 2053/05 -, a.a.O., S. 21 des Beschlussabdrucks: "Weder die Klägerin zu 1. noch
ihr Vater haben in Abrede gestellt, dass ihr das Schicksal ihrer Großeltern
väterlicherseits während des Zweiten Weltkriegs (1943 Einreise aus Weißrussland nach
Deutschland/M. , Einbürgerung (Deutsche Papiere / Dokumente), Weiterreise nach
Österreich, Geburt des Vaters am 1944 in Österreich, Repatriierung in die Sowjetunion)
unbekannt geblieben ist; eine derartige Behauptung wäre angesichts der familiären
Verbundenheit auch nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Der Vater der Klägerin zu 1.
hat in seiner Stellungnahme vom 16. Januar 2006 denn auch lediglich behauptet, dass
der Klägerin zu 1. nicht bewusst gewesen sei, dass mit der Einbürgerung der Großeltern
zugleich der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verbunden gewesen sei. Die
danach bekannten und im Aufnahmeantrag der Klägerin zu 1. vom 10. August 1996
auch aufgeführten Umstände lieferten genügend konkrete Anhaltspunkte für eine
bestehende deutsche Staatsangehörigkeit. Wenn gleichwohl eine weitergehende
Aufklärung unterblieben ist, deren Ergebnis in den Kreis der Überlegungen bei der
Erklärung zum Erwerb der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation im April
1995 hätte einbezogen werden können, ist dies keine zwingend über eine erweiternde
Auslegung des § 25 Abs. 1 RuStAG aufzufangende Konfliktsituation."
70
Demgegenüber hat jedoch das Bundesverwaltungsgericht in seinem o.g. Urteil für die
Alternative des "hätte bekannt sein müssens" hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte
für die Möglichkeit des Besitzes der deutschen Staatsangehörigkeit gerade nicht
ausreichen lassen.
71
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 5 C
72
28.07 -, a.a.O., S. 11, 2. Abs. des Urteilsabdrucks:
73
"... Mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wäre es nicht vereinbar, § 25 Abs.
1 Satz 1 StAG (§ 25 Abs. 1 RuStAG) auch auf einen Fall wie den der Klägerin zu 1
anzuwenden, der - nach den bisher getroffenen und für das vorliegende Verfahren
bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - der (unterstellte) Besitz der
deutschen Staatsangehörigkeit nicht bekannt und bewusst gewesen ist und der ihnen
nach den gesamten Umständen des vorliegenden Falles auch nicht bekannt sein
musste. ...
74
.... Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zu 1 ihre - bis heute ungeklärte - deutsche
Staatsangehörigkeit nach ihrem Vater damals gekannt hat oder nach den gesamten
Umständen hätte kennen müssen, sind weder festgestellt noch erkennbar. ...", (S. 12, 1.
Absatz des Urteilsabdrucks).
75
Für die vom Bundesverwaltungsgericht getroffene Wertung der Unbeachtlichkeit von
tatsächlichen Anhaltspunkten, die (lediglich) die Möglichkeit des Besitzes der deutschen
Staatsangehörigkeit begründen, war offenbar auch eine an derartige Anhaltspunkte ggf.
anknüpfende - vom Senat ausdrücklich angesprochene -,
76
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Juni 2007
77
- 12 A 2053/05 -, a.a.O., S. 18 des Beschlussabdrucks,
78
Nachforschungsobliegenheit,
79
vgl. demgegenüber zur Beachtlichkeit der Nachforschungsobliegenheit im Falle
konkreter Anhaltspunkte, die die Möglichkeit der deutschen Staatsangehörigkeit
begründen, im Rahmen des zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Art. 3 Abs. 7
RuStAÄndG: BVerwG, Urteile vom 16. November 2006 - 5 C 18.06 -, NVwZ-RR 2007,
2003, - 5 C 14.06 - und - 5 C 16.06 -, beide in Juris,
80
nicht gefordert. Ihr wird keinerlei rechtliche Relevanz zuerkannt. Eine derartige Pflicht,
sich bei Anhaltspunkten für eine bloße Möglichkeit des Besitzes der deutschen
Staatsangehörigkeit weiter zu erkundigen, leitet das Bundesverwaltungsgericht auch
nicht aus den Grundsätzen zur groben Fahrlässigkeit - Verletzung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße sowie Unterlassung von
Überlegungen bzw. Missachtung von Verhaltenspflichten, die ganz nahe liegen oder im
gegebenen Fall einleuchten müssen - ab. Keine Bedeutung besitzt nach der Einlassung
des Bundesverwaltungsgerichts gleichermaßen die vom Senat ebenfalls
angesprochene hypothetische Willensbetätigung,
81
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Juni 2007
82
- 12 A 2053/05 -, a.a.O., S. 18 des Beschlussabdrucks:
83
"- vgl. etwa BSG, Urteil vom 22. Mai 1985
84
- 12 RK 20/84 -, VersR 1985, 1065 f.: wenn nicht anzunehmen ist, dass auch bei
Kenntnis der deutschen Staatsangehörigkeit die fremde erworben worden wäre;
85
- denkbar wäre, von einem derartigen Willen auch bereits dann auszugehen, wenn er
nicht auszuschließen ist, oder für einen derartigen Willen ein - festzulegender - Grad von
Wahrscheinlichkeit spricht",
86
die nach - selbständig tragender - Auffassung des Senats in seinem o.g. Beschluss die
Annahme eines Staatsangehörigkeitsverlustes nach § 25 Abs. 1 Satz 1 RuStAG/StAG
ebenfalls gerechtfertigt hatte.
87
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Juni 2007
88
- 12 A 2053/05 -, a.a.O., S.20/21: "Selbst wenn man davon ausginge, dass im Rahmen
des § 25 Abs. 1 RuStAG positive Kenntnis vom Bestehen der deutschen
Staatsangehörigkeit erforderlich ist, wäre im vorliegenden Fall mit dem Erwerb der
Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation seitens der Klägerin zu 1. der Verlust
ihrer deutschen Staatsangehörigkeit eingetreten.
89
Es kann nämlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu
1. im April 1995, hätte sie gewusst, dass sie deutsche Staatsangehörige ist, auf den
Erwerb der Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation verzichtet und die nach
ihrem Vorbringen damit verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis
zur - ungewissen, u.U. Jahre dauernden - Erlangung eines gesicherten Nachweises
gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und einer - ggf. getrennt von ihrem Mann -
erfolgenden Einreise hingenommen hätte."
90
Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Bezugspunktes der
positiven Kenntnis oder des "Kennen müssens" nicht differenziert zwischen der
Kenntnis von Tatsachen und der Rechtskenntnis, obwohl der Senat in seinem
Beschluss vom 8. Juni 2007 - 12 A 2053/05 -, a.a.O., auf Seite 18 des
Beschlussabdrucks auf einen diesbezüglichen Klärungsbedarf ausdrücklich
hingewiesen hat.
91
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Juni 2007
92
- 12 A 2053/05 -, a.a.O., S. 18 des Beschlussabdrucks.
93
Maßgebend soll nach dem Bundesverwaltungsgericht die "Kenntnis vom Besitz der
deutschen Staatsangehörigkeit" sein, oder es soll ausreichen, dass dieser Besitz dem
Betroffenen "hätte bekannt sein müssen". Sofern sich im Besitz des Betroffenen nicht
gerade eine Staatsangehörigkeitsurkunde der Bundesrepublik Deutschland befindet, in
der dem Betroffenen in einer ihm verständlichen Sprache die deutsche
Staatsangehörigkeit bescheinigt wird, und damit eine Kenntnis vom Besitz der
deutschen Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Inhalt der
Urkunde angenommen werden kann, setzt das Wissen um die eigene deutsche
Staatsangehörigkeit jedoch eine gewisse Rechtskenntnis voraus. Denn der Besitz der
deutschen Staatsangehörigkeit ist lediglich eine bei Vorliegen bestimmter
Voraussetzungen kraft deutschen Rechts eingetretene Rechtsfolge. Um zu der
Erkenntnis zu gelangen, deutscher Staatsangehöriger (geworden) zu sein, bedarf es
daher also auch der Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen des
Staatsangehörigkeitserwerbs, der sich etwa aus der Sicht eines russischen oder
kasachischen bzw. früher sowjetischen Staatsbürgers nach ausländischem (deutschen)
Recht vollzieht, und das Bewusstsein, dass bei Vorliegen der gesetzlich normierten
tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen die Rechtsfolge des
Staatsangehörigkeitserwerbs eintritt. Hierbei wird man sicherlich nicht eine exakte
Rechtskenntnis verlangen können, jedoch dürfte das für den Bereich der Fahrlässigkeit
geltende Niveau der "Parallelwertung in der Laiensphäre",
94
vgl. Ziekow, a.a.O., § 48 Rn. 32 f.,
95
nicht unterschritten werden. Da das Bundesverwaltungsgericht keinerlei
Nachforschungsobliegenheit angenommen hat, wirkt sich insoweit
96
- anders als im Rahmen des Erklärungserwerbs nach dem zwischenzeitlich außer Kraft
getretenen Art. 3 Abs. 7 RuStAÄndG: BVerwG, Urteile vom 16. November 2006 - 5 C
18.06 -, a.a.O., - 5 C 14.06 - und - 5 C 16.06 -, a.a.O. -
97
jede Unkenntnis der (deutschen) Rechtslage zugunsten des Betroffenen aus.
98
Bei der Bestimmung der Anforderungen an die Bewusstseinslage des Antragserwerbers
ist zudem die besondere Situation zu berücksichtigen, in der sich Antragserwerber
befinden, bei denen die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland auf der
Einbürgerung eines Familienmitglieds in das Deutsche Reich im Zuge der hier
dokumentierten Schleusung während des Zweiten Weltkriegs beruht. Die
Unsicherheiten, die sich insoweit aus der Nichtanerkennung derartiger Einbürgerungen
durch die Sowjetunion, der Frage der Fortgeltung derartiger Einbürgerungen, den
99
typischerweise bestehenden Nachweisproblemen und der Maßgeblichkeit einer aus der
Sicht des Antragserwerbers ausländischen Rechtsordnung resultieren, lassen die
Annahme, dem Antragserwerber hätte sich das (Fort-)Bestehen und die Innehabung der
deutschen Staatsangehörigkeit unmittelbar aufdrängen müssen, nach Auffassung des
Senats - gerade auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht unter
Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
hervorgehobenen Bedeutung der Vorhersehbarkeit eines Verlusts und der
erforderlichen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit - grundsätzlich nur dann
gerechtfertigt erscheinen, wenn diese Unsicherheiten im Zeitpunkt des Antragserwerbs
ausgeräumt waren und der Antragserwerber erwarten durfte, dass die Bundesrepublik
Deutschland das (Fort- )Bestehen und die Innehabung der deutschen
Staatsangehörigkeit ihm gegenüber anerkennt. Auch hierfür ist die Beklagte im Rahmen
der Geltendmachung des rechtsvernichtenden Vorgangs des Erwerbs einer
ausländischen Staatsangehörigkeit - anders als bei rechtsbegründenden Tatsachen -
darlegungs- und beweispflichtig.
Vgl. zur Darlegung und Beweislast: BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2006 - 5 C 3.05 - ,
DVBl. 2007, 194,
100
m. w. N.
101
Gemessen an diesen grundsätzlichen Erwägungen sind vorliegend zunächst keine
Umstände feststehend oder behauptet, aus denen mit der für die richterliche
Überzeugungsbildung notwendigen, vernünftige Zweifel ausschließenden
Wahrscheinlichkeit,
102
vgl. zu diesem Maßstab: BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2006, a.a.O.,
103
darauf geschlossen werden kann, dass der Kläger zu 1. im Zeitpunkt seines Erwerbs
der russischen Staatsangehörigkeit am 30. Mai 1996 positive Kenntnis vom Bestehen
auch seiner deutschen Staatsangehörigkeit gehabt hat.
104
Solche Umstände ergeben sich zunächst nicht aus den Angaben in dem am 14. Juni
2001 beim Bundesverwaltungsamt eingegangenen Antrag auf Aufnahme nach dem
Bundesvertriebenengesetz. Zwar ist in dem für den Kläger zu 1. ausgefüllten
Ergänzungsbogen S/Ehegatte unter Punkt 6.2 die Frage, ob der Ehegatte und/oder die
(Groß-)Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit besaß(en), bejaht und auf Seite 8
ebenso wie auf Seite 18 des Aufnahmeantrags seiner Ehefrau angegeben, dass seine
Mutter 1944 die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen und einen
Staatsangehörigkeitsnachweis bekommen habe. Zur Staatsangehörigkeit des Klägers
zu 1. ist allerdings unter Nr. 6.1 eingetragen: "Bürger Rußlands". Anhaltspunkte dafür,
dass er selbst bereits bei der Registrierung in der Russischen Föderation 1996 oder bei
Stellung des Aufnahmeantrags 2001 davon ausging, die deutsche Staatsangehörigkeit
besessen zu haben, sind aus den Angaben im Aufnahmeantrag nicht ersichtlich.
105
Das vom Kläger zu 1. nach Angaben der Beklagten beim Verwaltungsgericht Köln
angestrengte Beweissicherungsverfahren lässt schon deshalb keine Rückschlüsse auf
seine Kenntnis von seiner deutschen Staatsangehörigkeit im Jahr 1996 zu, weil das
Verfahren erst im Jahr 2004 betrieben wurde.
106
Selbst wenn der Kläger zu 1. bereits 1996 etwa aus Erzählungen seiner Mutter von ihrer
107
Einbürgerung in den deutschen Staatsverband im Jahr 1944 gewusst haben sollte, ließe
sich daraus nicht schließen, dass er im Zeitpunkt des Erwerbs der Staatsangehörigkeit
der Russischen Föderation 1996 auch Kenntnis oder zumindest einigermaßen konkrete
Vorstellungen davon hatte, dass seine nach der Umsiedlung seit dem Sommer 1945 in
der Sowjetunion lebende Mutter aufgrund der damaligen Einbürgerung auch noch im
Zeitpunkt seiner Geburt deutsche Staatsangehörige war und er als ihr nichtehelicher, in
der ehemaligen Sowjetunion im Jahr 1962 geborener Sohn ebenfalls die deutsche
Staatsangehörigkeit erworben hatte und diese nicht durch den Besitz der sowjetischen
Staatsangehörigkeit ausgeschlossen war. Eine solche Erkenntnis geht auch unter
Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten, dass dem sowjetischen Recht die
Vermittlung der Staatsangehörigkeit durch Abstammung nicht völlig fremd gewesen sei,
über eine Parallelwertung in der Laiensphäre hinaus. Sie setzt nämlich ein detailliertes
Wissen insbesondere um das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht und rechtliches
Abstraktionsvermögen voraus. Davon ist aber bei einem Nichtjuristen - namentlich,
wenn er in einem fremden Rechtssystem, noch dazu einem Staat, der von der
Unwirksamkeit der Staatsakte des nationalsozialistischen Deutschlands ausging,
aufgewachsen ist und nichts für eine besondere Vertrautheit mit den Regelungen des
deutschen Staatsangehörigkeitsrechts spricht -, gemeinhin nicht auszugehen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 1., der Lehrer ist, bereits vor dem Erwerb der
russischen Staatsangehörigkeit über ein solches Wissen verfügte, liegen nicht vor.
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht davon ausgegangen werden, die - unterstellte -
Kenntnis von der Einbürgerung seiner Mutter im Jahr 1944 habe eine
Nachforschungsobliegenheit des Klägers zu 1. begründet, deren Nichterfüllung den
Vorwurf rechtfertigen würde, der Kläger zu 1. habe sich der zwingenden Erkenntnis,
deutscher Staatsangehöriger zu sein, grob fahrlässig verschlossen. Ungeachtet des
Umstands, dass für den Verlusttatbestand des § 25 Abs. 1 RuStAG in Auslegung der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Nachforschungsobliegenheit
grundsätzlich keine rechtliche Relevanz haben dürfte (s.o.), hat auch unter dem
Gesichtspunkt der groben Fahrlässigkeit allein die Kenntnis von der Einbürgerung der
Mutter für den Kläger zu 1. kein hinreichender Anlass sein müssen, sich nach etwaigen
Auswirkungen dieser Einbürgerung auf seine Staatsangehörigkeit zu erkundigen. Der
Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Klägers zu 1. durch Geburt ist selbst bei
seiner Kenntnis von der Einbürgerung seiner Mutter im Jahr 1944 nach den
vorstehenden Erwägungen gerade keine ganz nahe liegende und einleuchtende
Überlegung gewesen, die sich dem Kläger zu 1. hätte aufdrängen müssen.
108
Einen Nachweis dafür, dass der Kläger zu 1. von seiner deutschen Staatsangehörigkeit
im Zeitpunkt des Erwerbs der russischen Staatsangehörigkeit am 30. Mai 1996 Kenntnis
gehabt oder Kenntnis hätte haben müssen, hat die Beklagte nicht erbracht.
109
Da als wahr unterstellt werden kann, dass dem Kläger zu 1. die Familiengeschichte
vermittelt wurde und er Kenntnis von der Einbürgerung seiner Mutter sowie ihrer
deutschen Staatsangehörigkeit hatte, bedarf es einer darauf gerichteten
Beweisaufnahme nicht und der entsprechende Beweisantrag der Beklagten auf
Vernehmung des Onkels und der Tante des Klägers zu 1. ist deshalb abzulehnen.
110
Zur Wahrunterstellung wegen Unerheblichkeit der vorgetragenen Tatsachen vgl.
BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1988 - 9 C 91.87 -, InfAuslR 1989, 135; Beschluss
vom 20. September 1993 - 4 B 125.93 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6.
August 1997 - A 12 S 213/97 -, VBlBW 1998, 101; OVG NRW, Beschluss vom 18. Juli
111
2007 - 8 A 1075/06.A -, NVwZ-RR 2006, 214.
Auch den Beweisangeboten der Beklagten zu ihrer Behauptung, dem Kläger zu 1. sei
schon vor dem Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit die Vererbbarkeit der
Staatsangehörigkeit bekannt gewesen und ihm seien keine Verlustgründe hinsichtlich
der deutschen Staatsangehörigkeit bekannt gewesen, ist angesichts des bereits
dargelegten Fehlens konkreter Anhaltspunkte für diese Behauptung insbesondere
bezogen auf eine damit von der Beklagten vorausgesetzte entsprechende
Rechtskenntnis des Klägers zu 1. nicht nachzugehen.
112
Besaß der Kläger zu 1. damit auch im Zeitpunkt der ehelichen Geburt seines Sohns, des
Klägers zu 2., die deutsche Staatsangehörigkeit, so hat der Kläger zu 2. diese durch
Geburt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG in der im Zeitpunkt seiner Geburt geltenden
Fassung des Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und
staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1993, BGBl. I, S. 1061,
erworben.
113
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
114
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
115
Die Revision wird im Hinblick auf das bereits gegen das Urteil des Senats 12 A 4704/05
vom 19. Dezember 2008 anhängige Revisionsverfahren mangels Vorliegens der
Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zugelassen.
116
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
117
118