Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.05.2002

OVG NRW: amnesty international, politische verfolgung, eritrea, anhörung, bundesamt, wahrscheinlichkeit, afrika, anerkennung, regierung, durchsuchung

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 A 2355/96.A
Datum:
15.05.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 A 2355/96.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 2 K 4543/94.A
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte bzw.
der Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe
leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der am 1. Juli 1967 geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Er verließ sein
Heimatland am 8. März 1993 und reiste am 29. März 1993 in die Bundesrepublik
Deutschland ein.
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Am 5. April 1993 beantragte er die Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung
führte er aus: Er habe in Asmara 13 Jahre die Schule besucht und seine
Schulausbildung mit dem Abitur abgeschlossen. Bis zu seiner Ausreise habe er bei
seiner Mutter gelebt. Sein Vater sei seit ca. 16 Jahren als Kämpfer für die ELF tätig. Er
selbst sei ebenfalls 18 Monate lang Mitglied der ElF gewesen. Er habe der Gruppe von
Abdullah Idris angehört. Für die ELF habe er Propaganda gemacht, Versammlungen
organisiert, agitiert und auch Geld gesammelt. Am 8. März 1993 sei die Wohnung seiner
Mutter von der eritreischen Polizei durchsucht worden. Er selbst sei zum Zeitpunkt der
Untersuchung nicht in der Wohnung gewesen. Die Polizei habe seine Mutter verhaftet.
Sie sei weiterhin in Eritrea inhaftiert, um sie auf diese Weise zu zwingen, der Polizei
seinen Aufenthaltsort anzugeben. Bei der Durchsuchung der Wohnung seien sein
Schulabschlusszeugnis, eine Mitgliedsbescheinigung der ELF und Propagandamaterial
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der ELF beschlagnahmt worden. Dies habe ein Freund und Nachbar namens Y. "von
außen" beobachtet. Dieser habe ihn gewarnt, so dass er, der Kläger, sich sofort
entschlossen habe, Eritrea zu verlassen. Wer die ELF-RC sei, wisse er nicht. Ein
Ahmed Mohammed Nasser sei ihm nicht bekannt. Er kenne nur den Führer der
Organisation, der er angehört habe. Weitere Organisationen der ELF seien etwa die
"ELF - Tegadlo Baytom" und die "ELF - Sewrawi Schenagili".
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte mit Bescheid
vom 29. November 1994 den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und
stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und
Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG nicht vorlägen. Außerdem drohte das
Bundesamt dem Kläger die Abschiebung nach Eritrea oder in einen anderen Staat, in
den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, an. Zur
Begründung führte das Bundesamt aus: Die geltend gemachte Vorverfolgung sei nicht
glaubhaft. Der Vortrag des Klägers enthalte Ungereimtheiten, die er nicht ausgeräumt
habe. Einfache Mitglieder der ELF, zu denen der Kläger gehöre, hätten bei einer
Rückkehr nach Eritrea keine Maßnahmen seitens der eritreischen Regierung zu
befürchten.
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Der Kläger hat am 15. Dezember 1994 Klage erhoben und weiter vorgetragen: Die vom
Bundesamt angeführten Ungereimtheiten in seinem Vortrag seien darauf
zurückzuführen, dass er Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gehabt
habe. Die Anhörung sei in amharischer Sprache, die er nur "rudimentär" spreche,
geführt worden. Er habe bei seiner Anhörung durch das Bundesamt die ELF-RC
genannt, weil es sich hierbei um die Organisation des von ihm bei der Anhörung
genannten Sewrawi Schemagili handele. Er kenne auch Ahmed Mohammed Nasser;
dieser sei ein Führer der ELF. Er habe ihn bei seiner Anhörung nur deshalb nicht mir der
ELF-RC in Verbindung bringen können, weil ihm diese Abkürzung nichts gesagt habe.
Mitglied der ELF sei er im Juli 1991 geworden. In der Partei habe er eine
"untergeordnete Bedeutung" gehabt. Nach Stellungnahmen von amnesty international
seien jedoch nicht nur Führungspersönlichkeiten der ELF, sondern auch einfache
Mitglieder der Partei bei einer Rückkehr nach Eritrea gefährdet. Der Nachbar und
Freund, der am 8. März 1993 die Durchsuchung der Wohnung seiner Mutter beobachtet
habe, habe gesehen, dass die Polizisten eine große Tasche mitgenommen hätten.
Deshalb sei ihm, dem Kläger, klar gewesen, dass Beweismaterial über seine Aktivitäten
für die ELF gefunden worden seien. Denn er habe in dieser Tasche seine persönlichen
Unterlagen, also etwa auch sein Schulabschlusszeugnis und die Bescheinigung über
seine Mitgliedschaft in der ELF, aufbewahrt. Im Rahmen seiner Möglichkeiten habe er
auch heute noch Kontakt zur ELF. Erst vor kurzem habe er Kenntnis von einer Gruppe in
Lübeck erhalten. Er sei Mitglied dieser Gruppe geworden und nehme an Aktivitäten der
Gruppe teil. An den monatlichen Versammlungen der Gruppe habe er teilgenommen,
soweit ihm hierzu eine Erlaubnis gemäß § 58 AsylVfG erteilt worden sei. Er habe
Mitgliedsbeiträge gezahlt und sich in schriftlicher Form über Aktivitäten der ELF
informiert. Größere Veranstaltungen der ELF in Deutschland seien zwar angekündigt,
aber bislang nicht durchgeführt worden.
5
Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom
29. November 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als
Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraus-setzungen des § 51
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Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat auf die Ausführungen in dem Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen.
10
Der Beteiligte hat keinen Antrag gestellt und nicht zur Klage Stellung genommen.
11
Die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist am 19. März 1996 von
11.10 bis 11.20 Uhr durchgeführt worden. Der Kläger und seine Prozessbevollmächtigte
sind erst nach Verkündung des angefochtenen Urteils erschienen, weil die
Prozessbevollmächtigte irrtümlich zur mündlichen Verhandlung am 19. März 1996,
12.15 Uhr, geladen worden ist.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und
ausgeführt: Die Angaben des Klägers zur vermeintlichen Vorverfolgung seien
unglaubhaft. Der Verweis des Klägers auf angebliche Verständigungsschwierigkeiten
bei seiner Anhörung durch das Bundesamt sei nicht überzeugend. Für einfache
Mitglieder der ELF, zu denen der Kläger gehöre, bestehe im Falle einer Rückkehr nach
Eritrea keine Verfolgungsgefahr.
13
Zur Begründung seiner mit Beschluss vom 5. August 1996 zugelassenen Berufung
wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: In
Eritrea habe er für die ELF Flugblätter, die er von einem Kontaktmann erhalten habe,
verteilt, und außerdem versucht, Menschen für die Partei zu werben, sowie ihm nahe
stehende Personen über die politischen Ereignisse in Eritrea informiert. Die
Versammlungen der ELF seien in Eritrea geheim durchgeführt worden und zwar in
Wohnungen von Parteimitgliedern. Ob seine Mutter noch inhaftiert sei, wisse er nicht. Er
habe auch weder zu anderen Verwandten noch zu seinem Freund Y. , der die
Durchsuchung der Wohnung seiner Mutter am 8. März 1993 beobachtet habe, herstellen
können. In Deutschland verteile er für die ELF Flugblätter, Zeitschriften und
Propagandamaterial. Außerdem zahle er an die Partei Mitgliedsbeiträge und organisiere
Veranstaltungen, insbesondere Seminare. Er habe an Demonstrationen und "vielen"
Veranstaltungen der Partei teilgenommen, zum Beispiel auch an Veranstaltungen in
Kassel. Am 19. Dezember 1999 habe er in Frankfurt anlässlich des Besuchs des
eritreischen Präsidenten an einer Demonstration der Exil-Eritreer teilgenommen. Beim
Ausländeramt habe er "durchaus öfter als ein Mal" die Erteilung einer Genehmigung
gemäß § 58 AsylVfG beantragt. Einige Male sei er ohne die erforderliche
ausländerrechtliche Erlaubnis zu Veranstaltungen der ELF gefahren. Die
Menschenrechtssituation in Eritrea habe sich 2001 dramatisch verschlechtert. Die
Verhältnisse dort seien katastrophal und unmenschlich.
14
Der Kläger beantragt,
15
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
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Die Beklagte und der Beteiligte stellen keine Anträge. Sie haben zur Berufung des
Klägers nicht Stellung genommen.
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Ausweislich der beigezogenen Ausländerakte des Klägers ist ihm am 5. Oktober 1995
eine Genehmigung gemäß § 58 AsylVfG für eine Reise nach Lübeck erteilt worden.
Weitere Genehmigung dieser Art oder Anträge auf Erteilung einer solchen
Genehmigung sind in der Ausländerakte nicht enthalten. Nach einer telefonischen
Auskunft der Stadt K. vom 15. Mai 2002 wären Anträge des Klägers gemäß § 58
AsylVfG, wenn er sie gestellt hätte, zur Ausländerakte genommen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der Ausländerbehörde K. Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe
20
Der Berichterstatter entscheidet gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO über die Berufung an
Stelle des Senats. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis hierzu erklärt.
21
Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das
Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG, die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind nicht erfüllt, Abschiebungshindernisse
gemäß § 53 AuslG liegen nicht vor und die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid
des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 29. November
1994 ist rechtmäßig.
22
Politisch Verfolgte genießen nach Art. 16 a Abs. 1 GG Asylrecht. Nach § 51 Abs. 1
AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben
oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen
Überzeugung bedroht ist. Diese Voraussetzungen sind deckungsgleich mit den
Voraussetzungen für die Anerkennung als politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16 a
Abs. 1 GG, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den
politischen Charakter der Verfolgung betrifft. Denn in dem Tatbestandsmerkmal
"Bedrohung" in § 51 Abs. 1 AuslG ist die politische Verfolgung als das diese Bedrohung
hervorrufende Geschehen eingeschlossen.
23
BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2001 - 9 C 21.00 -, 18. Januar 1994 - 9 C 48.92 -,
InfAuslR 1994, 196 (197 ff.), 26. Oktober 1993 - 9 C 50.92 u. a. -, InfAuslR 1994, 119
(123 f.), 3. November 1992 - 9 C 21.92 -, BVerwGE 91, 150 (154), und 18. Februar 1992
- 9 C 59.91 -, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1, S. 1 (3); OVG NRW, Beschlüsse vom
9. Januar 2002 - 19 A 3040/99.A -, und 5. Oktober 2001 - 19 A 3041/99.A -.
24
Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung. Ihr steht die Verfolgung
durch eine Organisation mit staatsähnlicher Herrschaftsgewalt gleich. Politisch ist eine
Verfolgung, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die in § 51 Abs. 1 AuslG genannten
Merkmale (asylerhebliche Merkmale) gezielt Rechtsverletzungen zugefügt worden sind
bzw. werden, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der
staatlichen Einheit ausgrenzen.
25
BVerfG, Beschlüsse vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515/89, 1827/89 -, NVwZ
1991, 768 (769), und 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, NVwZ 1990, 151 (152);
26
BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1991 - 9 C 154.90 -, InfAuslR 1991, 363 (363 f.).
Hat der Betroffene die politische Verfolgung nicht in eigener Person erlitten oder zu
befürchten, so kann sich die Gefahr einer politischen Verfolgung auch aus gegen Dritte
gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen
Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer
nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der
Gruppenverfolgung).
27
BVerwG, Urteile vom 30. April 1996 - 9 C 170.95 -, NVwZ 1996, 1110 (1111), und 5. Juli
1994 - 9 C 158.94 -, DVBl. 1994, 1409 (1410), jeweils m.w.N..
28
Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen des Art. 16 a Abs. 1 GG
und des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vor. Der Kläger ist nicht politisch verfolgt aus Eritrea
ausgereist und ihm droht auch nicht mit der erforderlichen beachtlichen
Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland.
29
Vorverfolgt ausgereist ist derjenige, der seinen Heimatstaat aus Furcht vor eingetretener
oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat. Letzteres ist der Fall,
wenn bei der Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohte.
Das ist anzunehmen, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein
größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Tatsachen.
30
BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 9 C 45.92 -, InfAuslR 1994, 201 (201), m.w.N.
31
Dabei ist es Sache des Klägers, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich
stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich die geltend gemachte (Vor-
)Verfolgung ergeben soll. Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht
gerecht. Es ist nicht glaubhaft, dass er vor seiner Ausreise aus Eritrea Mitglied der ELF
war und dass die behauptete Durchsuchung der Wohnung seiner Mutter am 8. März
1993 tatsächlich erfolgte. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers weist
Ungereimtheiten und Widersprüche auf, die er auch im zweitinstanzlichen Verfahren
nicht überzeugend aufgelöst hat.
32
Gegen die Behauptung des Klägers, er sei im Juli 1991 in Eritrea Mitglied der ELF
geworden, spricht zunächst, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nicht in der Lage war, in sich stimmige
Aussagen zu den einzelnen Gruppierungen der ELF zu machen. Während er auf die
Frage, ob es bei der ELF mehrere Gruppen gäbe, zunächst antwortete, dass (nur) drei
Organisationen, nämlich "Sagen, Meschajin und Afar", mit der ELF
"zusammenarbeiteten", behauptete er im weiteren Verlauf seiner Anhörung, dass es
"sehr viele Organisationen gäbe", und nannte als weitere "Organisationen" die "ELF -
Tegadlo Baytom" und die "ELF - Sewrawi Schemagili". Bei seiner Anhörung durch das
Bundesamt gab der Kläger auch keine plausible Erklärung dafür, dass er die
Bezeichnung ELF-RC und deren Führer Ahmed Mohammed Nasser nicht kannte. Nach
den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen handelt es sich bei der Abkürzung ELF-
RC um eine gebräuchliche Abkürzung dieser Gruppierung der ELF, die zudem eine der
ältesten Gruppierungen der ELF ist und besonders durch ihre Veröffentlichungen als
Gegner der PFDJ hervorgetreten ist.
33
Amnesty international, Stellungnahme an das Schleswig- Holsteinische OVG vom 17.
34
Januar 1995, unter Bezugnahme auf amnesty international, Eritrea,
Rückkehrgefährdung von Angehörigen der verschiedenen Fraktionen der ELF, Mai
1994.
Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger, der nach eigenen
Angaben in Eritrea das Abitur erworben hat, bereits vor seiner Ausreise nicht nur
politisch interessiert, sondern auch politisch aktiv gewesen sein will und dessen Vater
seit vielen Jahren als Kämpfer für die ELF tätig ist, bei seiner Anhörung durch das
Bundesamt weder die ELF-RC noch deren Führer kannte.
35
Unglaubhaft ist deshalb auch der - sinngemäße - Vortrag des Klägers im Schriftsatz
seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. April 1995, er habe bei seiner Anhörung durch
das Bundesamt nur deshalb angegeben, dass er den Namen Ahmed Mohammed
Nasser nicht kenne, weil er diesen Namen nicht mit der Abkürzung ELF-RC in
Verbindung habe bringen können. Im Übrigen lässt sich dieser Vortrag nicht damit in
Einklang bringen, dass der Kläger nach seinem weiteren Vortrag im Schriftsatz seiner
Prozessbevollmächtigten vom 19. April 1995 die ELF-RC bei seiner Anhörung durch
das Bundesamt genannt haben will. Denn bei der von ihm bei der Anhörung genannten
"ELF - Sewrawi Schemagili" soll es sich nach dem Vortrag des Klägers, wie sich - so
der Kläger - "erst später herausgestellt" habe, um die ELF- RC handeln. Sollte es sich
aber bei "ELF - Sewrawi Schemagili" tatsächlich um die ELF-RC handeln, was sich den
dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen nicht entnehmen lässt, so hätte der Kläger
bei seiner Anhörung durch das Bundesamt Ahmed Mohammed Nasser, den er nach
dem Inhalt des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. April 1995 bereits
bei seiner Anhörung durch das Bundesamt gekannt haben will, ohne weiteres der "ELF
- Sewrawi Schemagili" zuordnen können. Da dies nicht geschehen ist, spricht dies
dafür, dass er Ahmed Mohammed Nasser weder bei seiner Ausreise aus Eritrea noch
bei seiner Anhörung durch Bundesamt kannte und erst nach seiner Anhörung durch
Bundesamt erfahren hat, dass Ahmed Mohammed Nasser ein Führer der ELF-RC ist.
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Der Kläger macht auch ohne Erfolg geltend, dass es bei seiner Anhörung durch das
Bundesamt Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gegeben habe, weil
die Anhörung in amharischer Sprache, die er nur "rudimentär" spreche, und nicht in der
Sprache Tigrinia durchgeführt worden sei. Das Verwaltungsgericht hat in dem
angefochtenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass die behaupteten
Verständigungsschwierigkeiten unglaubhaft sind. Das Protokoll über die Anhörung
bietet für etwaige Verständigungsschwierigkeiten keinerlei Anhalt. Die ausführliche
Anhörung, bei der Gelegenheit zu Rückfragen seitens des Klägers bestand, erfolgte
über einen Zeitraum von zwei Stunden und das Protokoll ist dem Kläger über einen
Zeitraum von 25 Minuten vorgelesen und rückübersetzt worden. Nach der
Rückübersetzung machte der Kläger keine Vorbehalte hinsichtlich der nunmehr geltend
gemachten Verständigungsschwierigkeiten. Vielmehr bestätigte er ausdrücklich, dass
es bei der Rückübersetzung keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. Dafür
spricht im Übrigen auch, dass der Kläger bei der Rückübersetzung seine Angaben zur
Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung berichtigte und hinzufügte, dass das von ihm
angegebene Ziel der ELF, die Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien, ein früheres Ziel
der ELF gewesen sei, weil Eritrea bereits unabhängig geworden sei. Diese Berichtigung
und Ergänzung wären nicht möglich gewesen, wenn der Kläger den Inhalt des ihm in
amharischer Sprache übersetzten Anhörungsprotokolls nicht verstanden hätte.
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Gegen den behaupteten Eintritt in die ELF bereits vor seiner Ausreise aus Eritrea spricht
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weiter, dass der Kläger weder einen Mitgliedsausweis oder eine Bescheinigung
vorgelegt hat, aus der hervorgeht, dass er tatsächlich bereits im Juli 1991 in die Partei
eingetreten ist. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2002 - in
englischer Sprache - vorgelegte Bescheinigung der ELF vom 18. November 1996
enthält keine Angaben darüber, wann der Kläger Mitglieder der ELF geworden ist. Der
Bescheinigung vom 18. November 1996 lässt sich auch nicht schlüssig entnehmen,
dass der Kläger bereits vor seiner Ausreise Mitglied der ELF war. Zum Zeitpunkt der
Ausstellung der Bescheinigung war er nämlich nach seinem eigenen Vortrag der ELF in
Deutschland beigetreten.
Der Kläger selbst macht auch nicht geltend, dass die ELF in Eritrea keine
Mitgliedsausweise oder Bescheinigungen über die Mitgliedschaft ausstellt. Vielmehr
behauptet er, dass ihm eine solche Bescheinigung ausgestellt, diese jedoch von der
eritreischen Polizei bei der Durchsuchung der Wohnung seiner Mutter am 8. März 1993
beschlagnahmt worden sei. Dieser Vortrag ist wie der gesamte die vermeintliche
Wohnungsdurchsuchung betreffende Vortrag des Klägers unglaubhaft, weil er in einem
wesentlich Punkt unschlüssig und widersprüchlich ist.
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Der Kläger konnte trotz nachdrücklichen Befragens durch die Einzelentscheiderin des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nicht plausibel
dargelegten, wie er erfahren haben will, dass die Polizei bei der angeblichen
Durchsuchung sein Schulabschlusszeugnis, eine Mitgliedsbescheinigung der ELF und
"einiges Propagandamaterial der ELF" mitgenommen habe. Der Kläger selbst war nach
seinem Vortrag im Zeitpunkt der Durchsuchung nicht in der Wohnung seiner Mutter.
Seine Behauptung, sein Nachbar und Freund Y. habe ihm mitgeteilt, welche Unterlagen
die Polizei mitgenommen habe, ist nicht glaubhaft, weil der Nachbar und Freund nach
dem Vortrag des Klägers die Durchsuchung "von außen" beobachtet habe und der
Kläger trotz gezielter Nachfrage der Einzelentscheiderin nicht plausibel angeben
konnte, wie es dem Nachbar und Freund gleichwohl möglich gewesen sein soll
anzugeben, welche Unterlagen die Polizei mitgenommen haben soll.
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Unglaubhaft ist auch der Vortrag des Klägers im Schriftsatz seiner
Prozessbevollmächtigten vom 19. April 1995 und in der mündlichen Verhandlung vom
15. Mai 2002, sein Nachbar und Freund Y. habe ihm, als er ihn auf dem Weg zur
Wohnung seiner Mutter getroffen habe, mitgeteilt, dass die Polizisten nach der
Wohnungsdurchsuchung eine "größere Tasche" mitgenommen hätten. In dieser Tasche
hätten sich seine persönlichen Unterlagen und zwar auch die beim Bundesamt
genannten Unterlagen befunden. Deshalb könne er, der Kläger, sagen, welche
Unterlagen im Einzelnen von der Polizei mitgenommen worden seien. Bei diesem
Vortrag handelt es sich um gesteigertes Vorbringen, das nicht glaubhaft ist, weil eine
nachvollziehbare Erklärung des Klägers dafür fehlt, warum er diesen nunmehr
behaupteten Sachverhalt bei seiner Anhörung durch das Bundesamt nicht angegeben
hat, obwohl er hierzu nachdrücklich befragt worden ist. Er ist insbesondere, wie bereits
ausgeführt, gezielt danach befragt worden, wie er sich erklären könne, dass sein
Nachbar und Freund, der die Durchsuchung nach dem Vortrag des Klägers nur "von
außen" beobachtet habe, ihm gleichwohl mitteilen konnte, welche konkreten Unterlagen
die Polizei mitgenommen habe. Auf diese Frage hat der Kläger keine einleuchtende
Begründung gegeben.
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Gegen die behauptete Mitgliedschaft in der ELF bereits vor der Ausreise aus Eritrea
sprechen schließlich die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 15.
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Mai 2002 zu seinen angeblichen politischen Aktivitäten in seinem Heimatland. Die
Angaben hierzu sind trotz nachdrücklichen Befragens seiner Prozessbevollmächtigten
unsubstantiiert geblieben. Er hat lediglich ohne Angabe konkreter Einzelheiten
vorgetragen, dass er in Eritrea versucht habe, Menschen für die Partei zu werben, dass
er ihm nahe stehende Personen über die politischen Ereignisse in Eritrea informiert
habe und dass die Versammlungen der ELF geheim in Wohnungen von Mitgliedern der
Partei stattgefunden hätten. Wann und wie oft er an derartigen Versammlungen
teilgenommen haben will, hat der Kläger nicht im Einzelnen dargelegt. Soweit er
vorträgt, dass er in Eritrea Flugblätter verteilt habe, die er von einem Mitglied der ELF,
das sich als Geschäftsmann bezeichnet habe, um in den Sudan reisen zu können,
fehlen konkrete Angaben über den Inhalt der Flugblätter und Angaben dazu, wann, wo
und an wen er die Flugblätter verteilt haben will. Auf die Frage, wer Vorsitzender des
Ortsvereins der ELF, dem er angehört haben will, bzw. der Vorsitzende der ELF in
Asmara gewesen sei, gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung nur die Antwort,
dass die ELF ihren Sitz im Sudan habe. Den Namen des Vorsitzenden seines
Ortsvereins bzw. des Vorsitzenden der ELF in Asmara nannte er nicht. Er behauptete
auch nicht, dass die Ortsvereine der ELF in Eritrea keine Vorsitzenden haben.
Hat der Kläger damit Eritrea unverfolgt verlassen, so kommt die Anerkennung als
Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG und Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs.
1 AuslG nur dann in Betracht, wenn ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische
Verfolgung im Falle seiner Rückkehr droht. Das ist nicht der Fall. Dem Kläger ist eine
Rückkehr in ihr Heimatland zumutbar, weil bei zusammenfassender Wertung aller
Tatsachen und unter Berücksichtigung seines Vortrags die für eine politische
Verfolgung sprechenden Umstände nicht größeres Gewicht besitzen als die gegen eine
Verfolgung sprechenden Gesichtspunkte.
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Nach dem Vortrag des Klägers kommt als Anknüpfungspunkt für eine
Verfolgungsgefährdung im Falle einer Rückkehr allein die von ihm behauptete
exilpolitische Tätigkeit in Deutschland in Betracht. Sonstige Gesichtspunkte, aus denen
sich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer politischen Verfolgung
ergeben könnte, hat der Kläger nicht geltend gemacht.
44
Auf Grund seiner behaupteten exilpolitischen Tätigkeit für die ELF droht dem Kläger im
Falle seiner Rückkehr nach Eritrea jedoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die
Gefahr einer politischen Verfolgung.
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Seine exilpolitische Tätigkeit erschöpft sich darin, dass er in Deutschland entsprechend
den von ihm vorgelegten Mitgliedsausweisen der ELF und der Bescheinigung der ELF
vom 18. November 1996 Mitglied dieser Partei geworden ist. Eine sonstige
exilpolitische Tätigkeit für die Partei oder außerhalb der Partei lässt sich seinem Vortrag
nicht entnehmen.
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Unsubstantiiert ist der Vortrag des Klägers, er habe "einige Male" an
"Parteiversammlungen" teilgenommen. Wann dies im Einzelnen gewesen sein soll, hat
er nicht dargelegt. Seinen Vortrag, er nehme an den einmal im Monat stattfindenden
Versammlungen der Partei in Lübeck teil, hat der Kläger selbst dahin eingeschränkt,
dass eine Teilnahme an den Versammlungen nur "im Rahmen seiner Möglichkeiten"
erfolge. Soweit er die mangelnde Häufigkeit seiner Teilnahme an den monatlichen
Versammlungen damit begründet, dass von ihm gestellte Anträge gemäß § 58 Abs. 1
AsylVfG mehrfach abgelehnt worden seien, ist der Vortrag ungeachtet der telefonischen
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Auskunft der Stadt K. vom 15. Mai 2002 jedenfalls unsubstantiiert. Nach den
beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Ausländerbehörde hat der Kläger lediglich
einen Antrag gemäß § 58 Abs. 1 AsylVfG gestellt, dem am 5. Oktober 1995 entsprochen
wurde. Weitere Anträge des Klägers gemäß § 58 Abs. 1 AsylVfG sind in den
Verwaltungsvorgängen der Ausländerbehörde nicht enthalten. Soweit er behauptet, er
habe "durchaus öfter als ein Mal" entsprechende Anträge beim Ausländeramt gestellt,
fehlt ein substantiierter Vortrag dazu, wann und wie oft der Kläger weitere Anträge
gemäß § 58 Abs. 1 AsylVfG, die nicht aktenkundig geworden sind, gestellt haben will.
Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass er lediglich ein Mal,
nämlich 1995, und damit seit mehr als sechs Jahren nicht mehr an den monatlichen
Versammlungen der ELF in Lübeck teilgenommen hat. Denn auch aus der von ihm
vorgelegten Bescheinigung des Herrn I. D. vom 18. April 2002 geht nicht hervor, an
welchen konkreten Veranstaltungen der ELF der Kläger teilgenommen haben soll. Dort
heißt es zwar, der Kläger sei aktives Mitglied der ELF. In welcher konkreten Form er für
die Partei oder innerhalb der Partei tätig geworden sein soll, ergibt sich aus der
Bescheinigung nicht. Es wird lediglich ohne nähere Erläuterung mitgeteilt, dass der
Kläger als Mitglied der ELF an "verschiedenen" Veranstaltungen teilnehme und
mitwirke. Im Anschluss daran werden lediglich einige "Aktivitäten" der ELF, nicht aber
konkrete Tätigkeiten des Klägers angeführt. Auch aus der Bescheinigung der ELF vom
18. November 2002 heißt es lediglich, dass der Kläger "an active member", der Partei
sei. Konkrete Aktivitäten des Klägers werden in der Bescheinigung vom 18. November
1996 nicht angeführt.
Unsubstantiiert ist auch der Vortrag des Klägers, er verteile in Deutschland für die ELF
Flugblätter, Zeitschriften und "Propagandamaterial". Er hat weder dargelegt, um welche
Zeitschriften und Flugblätter bzw. welches "Propagandamaterial" es sich handelt, noch
vorgetragen, wann, wie oft und an wen konkret er Flugblätter, Zeitschriften und
"Propagandamaterial" verteilt haben will. Auch die von ihm vorgelegten
Bescheinigungen vom 18. November 1996 und 18. April 2002 enthalten hierüber keine
Angaben. Darüber hinaus waren seine diesbezüglichen Angaben in der mündlichen
Verhandlung am 15. Mai 2002 unsubstantiiert.
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Unsubstantiiert ist schließlich der Vortrag des Klägers, er habe am 19. Dezember 1999
in Frankfurt anlässlich des Besuchs des eritreischen Präsidenten an einer
Demonstration der Exil-Eritreer teilgenommen. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich in
dieser Behauptung. Einzelheiten der Demonstration, etwa des Verlaufs der
Demonstration und der konkreten Inhalte der Demonstration, hat er nicht dargelegt.
Konkrete weitere Demonstrationen, an denen er teilgenommen haben will, hat der
Kläger weder in der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2002 noch sonst genannt. In
der mündlichen Verhandlung hat er auf die Frage, wie oft er an Veranstaltungen der ELF
teilgenommen hat, lediglich geantwortet, er habe "an vielen Veranstaltungen, zum
Beispiel auch in Kassel," teilgenommen. Nähere Angaben sind nicht erfolgt. Soweit er in
der mündlichen Verhandlung außerdem geltend gemacht hat, dass er Veranstaltungen -
"meistens in Frankfurt" - organisiert habe, hat der Kläger hierzu ebenfalls keine näheren
Angaben gemacht.
49
Auf Grund der bloßen Mitgliedschaft in der ELF droht dem Kläger nicht mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer politischen Verfolgung.
50
Der Senat hat bereits mit seinem Beschluss vom 18. März 2002, mit dem der (weitere)
Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren zweiter
51
Instanz abgelehnt worden ist, ausgeführt, dass nach der Einschätzung des Auswärtigen
Amtes einfache Mitglieder der ELF nicht der Gefahr einer Verfolgung in Eritrea
ausgesetzt sind. Verfolgungsmaßnahmen seien allenfalls dann zu befürchten, wenn ein
Mitglied der ELF der eritreischen Regierung als gefährlicher bzw. besonders
hartnäckiger Oppositioneller erscheine, weil er etwa Mitglied der Führungsgruppe der
ELF sei.
Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 14. Oktober 2001, S. 7, Auskünfte an den
Hessischen VGH vom 8. Juni 2001, an das OVG Sachsen-Anhalt vom 14. Februar
2001, an den Hessischen VGH vom 7. Februar 2001, und an das VG Augsburg vom 1.
Dezember 2000, Lagebericht Eritrea vom 10. November 2000, S. 7, Auskünfte an das
VG Frankfurt/Main vom 26. Juli 2000, VG Ansbach vom 10. Februar 2000. und an das
VG K. vom 12. Oktober 1999
52
Hierzu gehört der Kläger, wie ausgeführt, nicht.
53
Sonstige Erkenntnisquellen, die auf eine beachtlich wahrscheinliche
Verfolgungsgefährdung des Klägers hindeuten könnten, liegen dem Senat nicht vor und
sind auch vom Kläger nicht aufgezeigt worden.
54
Das Institut für Afrika-Kunde kann nach seinen eigenen Ausführungen nicht verlässlich
beurteilen, ob und in welchen Fällen eine oppositionelle Betätigung die Gefahr einer
Verfolgung in Eritrea begründet. Auf Grund der einfachen Mitgliedschaft in der ELF ist
nach Einschätzung des Institutes für Afrika-Kunde eine Verfolgungsgefährdung nicht
wahrscheinlich, es sei denn, der Betreffende habe an militärischen Aktionen gegen die
eritreische Regierung teilgenommen.
55
Institut für Afrika-Kunde, Stellungnahmen an das VG Regensburg vom 9. Januar 2001,
an das VG München vom 3. Juni 2000, an das VG Frankfurt/Main vom 17. April 2000, an
das VG Regensburg vom 1. Dezember 1999, sowie an das VG Gießen vom 18.
November 1999 und 15. November 1999.
56
Auf eine Teilnahme an militärischen Aktionen gegen die eritreische Regierung beruft
der Kläger sich jedoch nicht.
57
Soweit das Institut für Afrika-Kunde unter Hinweis auf eine Annäherung der ELF,
insbesondere der ELF-RC, an die äthiopische Regierung und des Grenzkrieges
zwischen Eritrea und Äthiopien angenommen hat, dass eine
Verfolgungswahrscheinlichkeit von Mitgliedern der ELF nicht ausgeschlossen werden
könne,
58
Institut für Afrika-Kunde, Stellungnahmen an das VG Frankfurt/Main vom 17. April 2000,
das VG Regensburg vom 1. Dezember 1999, und an das Gießen vom 15. November
1999,
59
ist diese Einschätzung ungeachtet aller weiteren Zweifelsfragen jedenfalls überholt, weil
der Grenzkrieg seit Juni 2000 beendet ist.
60
Eine Verfolgungsgefahr für Regierungsgegner lässt sich nach der Einschätzung des
Instituts für Afrika-Kunde auch nicht aus der im September 2001 erfolgten und vom
Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 18. April 2002 angeführten
61
Verhaftung von 11 Mitgliedern der Regierungspartei PFDJ herleiten, die zu den
führenden Mitgliedern der Regierungspartei gehören und in einem offenen Brief Kritik an
der eritreischen Regierung übten. Erst wenn gegen die Verhafteten Anklage erhoben
wird und die Urteile gegen sie feststehen, kann nach Einschätzung des Institutes für
Afrika-Kunde prognostiziert werden, ob sich daraus Risiken für andere
Personengruppen herleiten lassen, die ähnlicher Vergehen beschuldigt werde.
Institut für Afrika-Kunde, Stellungnahme an das VG Darmstadt vom 24. Januar 2002.
62
Amnesty international ist nach mehreren aktuellen Stellungnahmen mangels
hinreichender Erkenntnisse nicht in der Lage, verlässlich einzuschätzen, ob bereits die
bloße Mitgliedschaft in der ELF, die Teilnahme an exilpolitischen Treffen von
Mitgliedern der ELF, oder das Verteilen von Flugblättern der Partei, das Betreuen von
Büchertischen oder sonstige untergeordnete Tätigkeiten für die ELF eine
Verfolgungsgefährdung begründen. Lediglich bei umfangreicher exilpolitischer Tätigkeit
ist nach amnesty international ein "Wachsen" der Verfolgungsgefahr nicht
auszuschließen.
63
Amnesty international, Stellungnahmen an das VG Regensburg vom 18. Juli 2001, an
das OVG Sachsen-Anhalt und an das VG Köln vom 28. Februar 2000.
64
Der Kläger hat jedoch, wie ausgeführt, nicht substantiiert dargelegt, dass er umfangreich
exilpolitisch für die ELF tätig war oder ist. Soweit er sich auf frühere Stellungnahmen
von amnesty international beruft, sind diese angesichts der angeführten aktuellen
Stellungnahmen dieser Organisation überholt.
65
Der Kläger beruft sich auch ohne Erfolg auf die von ihm vorgelegte Stellungnahme von
amnesty international an das VG Darmstadt vom 18. März 2002 und den Bericht Eritrea,
Abschied von der Zukunft, im ai-Journal aus Dezember 2001. Dort heißt es zwar, dass
die eritreische Regierung seit 2001 "verschärft" gegen Regierungskritiker vorgehe. Zur
Begründung wird darauf verwiesen, dass im Juli 2001 der Präsident der Studentenunion
der Universität Asmara 11 nach einer regierungskritischen Rede verhaftet worden sei,
dass etwa 2000 Studenten, die sich für seine Freilassung eingesetzt hätten, ebenfalls
verhaftet worden seien und erst im November 2001 die letzten Studenten aus der Haft
entlassen worden seien, und dass im September 2001 führenden Mitgliedern der
Regierungspartei PFDJ verhaftet worden seien, die im Mai 2001 mit vier weiteren
führenden Mitgliedern der PFDJ in einem offenen Brief Kritik an der eritreischen
Regierung übten. Die Darstellung dieser Ereignisse entspricht im Wesentlichen der
Darstellung in dem vom Kläger ebenfalls vorgelegten World Report 2002, Eritrea, von
Human Rights Watch. Ungeachtet der Frage, ob diese Ereignisse überhaupt geeignet
sind, bereits jetzt Rückschlüsse auf mögliche Rückkehrrisiken für bestimmte Personen
oder Personengruppen zu ziehen,
66
verneinend: Institut für Afrika-Kunde, Stellungnahme an das VG Darmstadt vom 24.
Januar 2002,
67
lässt sich aus diesen Ereignissen jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür
herleiten, dass nicht nur führende, sondern auch einfache Mitglied der ELF Übergriffe
seitens der eritreischen Regierung zu befürchten habe. Diese Schlussfolgerung wird
auch weder von amnesty international in der Stellungnahme vom 18. März 2002 und in
dem Bericht Eritrea, Abschied von der Zukunft, im ai-Journal aus Dezember 2001 noch
68
von Human Rights Watch in dem World Report 2002, Eritrea, gezogen. Die von amnesty
international und Human Rights Watch angeführten Ereignisse deuten unter
Zugrundelegung des Prognosemaßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit allenfalls
darauf hin, dass die eritreische Regierung gegen solche Personen und
Personengruppen vorgehen könnte, die sich in ähnlicher Weise wie die an den
genannten Ereignissen beteiligten Personen verhalten haben.
Vgl. auch Institut für Afrika-Kunde, Stellungnahme an das VG Darmstadt vom 24. Januar
2002.
69
Der Kläger macht jedoch nicht geltend, in einer solchen Weise exilpolitisch tätig
gewesen zu sein. Nach seinem Vortrag kann, wie ausgeführt, allein davon
ausgegangen werden, dass er lediglich (einfaches) Mitglied der ELF ist, sich aber nicht
für diese Partei nennenswert engagiert hat.
70
Soweit der Kläger geltend macht, dass in dem von ihm - in englischer Sprache -
vorgelegten Eritrea Country Report on Human Rights Practices for 1997 des U. S.
Department of State vom 30. Januar 1998 über die Verhaftung von Mitgliedern der ELF
berichtet werde, fehlt es an einer, auch aus dem Country Report nicht hervorgehenden,
näheren Darstellung der Zahl und Hintergründe der Verhaftung. Selbst wenn in Eritrea -
zumal in früheren Jahren (der Country Report betrifft Ereignisse in 1997) - Verhaftungen
von Mitgliedern der ELF erfolgt sein sollten, lässt sich daraus im Übrigen angesichts der
oben dargelegten Auskünfte und Lageberichte des Auswärtigen Amtes, der
Stellungnahmen von amnesty international und des Institutes für Afrika-Kunde sowie
dem World Report 2002, Eritrea, von Human Rights Watch nicht mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit eine aktuelle Verfolgungsgefahr aller einfachen Mitglieder der ELF
herleiten.
71
Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG liegen nicht vor. Wie sich aus dem zu Art.
16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG Ausgeführtem ergibt, bestehen für eine dem
Kläger drohende konkrete Gefahr der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG), einer staatlich zu
verantwortenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG,
Art. 3 EMRK), einer Beeinträchtigung des unbedingt zu schützenden
menschenrechtlichen Kerns der Religionsfreiheit (§ 53 Abs. 4 AuslG, Art. 9 EMRK) oder
für Leib, Leben und Freiheit aus individuellen Gründen (§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) keine
hinreichenden Anhaltspunkte. Der Kläger ist im Falle einer Rückkehr nach Eritrea auch
keiner extremen allgemeinen Gefahrenlage ausgesetzt, die ein Abschiebungshindernis
gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründet. Eine solche extreme allgemeine
Gefahrenlage ist gegeben, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in sein Heimatland
gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen
ausgeliefert wäre, weil er dort etwa keine Existenzmöglichkeiten fände, und wenn die
extreme allgemeine Gefahrenlage landesweit besteht oder ein Ausweichen nicht
möglich ist. Die Gefahr muss unmittelbar und mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen.
72
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1999 - 9 B 617.98 -, InfAuslR 1999, 265 (265),
und Urteil vom 2. September 1997 - 9 C 40.96 -, DVBl. 1998, 271 (273), jeweils m. w. N.
73
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Neben den bereits erörterten Gefahren,
die dem Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, ergibt sich auch unter
dem Aspekt einer fehlenden oder unzureichenden Lebensgrundlage im Falle einer
Rückkehr nach Eritrea kein Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1
74
AuslG.
In Eritrea besteht zwar ein Defizit an Nahrungsmitteln. Der Bedarf an Getreide war in
den letzten Jahren immer größer als die inländische Produktion, die durch verschiedene
Dürreperioden und infolge des Grenzkrieges zwischen Eritrea und Äthiopien zusätzlich
beeinträchtigt worden ist. Eritrea ist deshalb auf internationale Nahrungsmittelhilfe
angewiesen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zu
gewährleisten. Diese internationale Hilfe wird geleistet und hat zu einer Entspannung
der Situation geführt,
75
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea, Lagebericht vom August 2001, S. 32, unter
Hinweis auf einen Bericht des UNHCR vom 19. Juni 2001,
76
bzw. eine Krisensituation verhindert.
77
So Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 14. Oktober 2001, S. 9.
78
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist derzeit gewährleistet.
79
Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 14. Oktober 2001, S. 9, und Auskunft an das
OVG Sachsen-Anhalt vom 14. Februar 2001.
80
Vor diesem Hintergrund besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass es dem
Kläger nicht gelingen wird, seine Lebensgrundlage in Eritrea sicherzustellen. Er selbst
hat auch keine dahingehenden Gesichtspunkte substantiiert vorgetragen.
81
Die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 29. November 1994 genügt den Anforderungen der §§
34, 38 Abs. 1 AsylVfG. Abschiebungshindernisse gemäß §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 1 bis 4
und Abs. 6 Satz 1 AuslG, die der Androhung der Abschiebung nach Eritrea
entgegenstehen könnten, liegen aus den dargelegten Gründen nicht vor.
82
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
83
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht erfüllt sind.
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