Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.11.1996

OVG NRW (aussetzung, sicherheitsleistung, verwaltungsgericht, gemeinde, beurteilung, sicherheit, 1995, prüfung, bankbürgschaft, beschwerde)

Oberverwaltungsgericht NRW, 22 B 2682/96
Datum:
26.11.1996
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
22. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
22 B 2682/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 3 L 1518/96
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 350.090,50
DM festgesetzt.
Gründe:
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf
Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung des Gewerbesteuerbescheides
vom 8. Februar 1996 ohne Sicherheitsleistung zu Recht abgelehnt.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich der einstweilige
Rechtsschutz zur Erlangung einer Aussetzung nach § 361 Abs. 3 AO nach § 123 Abs. 1
VwGO richtet.
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Vgl. OVG Münster, Beschluß vom 22. Januar 1996 - 22 B 133/96 -; VGH Mannheim,
Beschluß vom 24. Februar 1992 - 2 S 42/92 -, VGHBW RSpDienst 1992, Beilage 5, B6
= BWVpr 1992, 183; VGH Mannheim, Beschluß vom 6. Dezember 1983 - 14 S 2599/83 -
, JURIS; BVerwG, Beschluß vom 27. November 1981 - 8 B 184.81 -, KStZ 1982, 34 =
DÖV 1982, 159 = NVwZ 1982, 193 = BBauBl 1982, 279 = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr.
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Ferner entspricht auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß ein
Anordnungsanspruch auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 3 AO ohne
Sicherheitsleistung nur dann in Betracht kommt, wenn insoweit die Voraussetzungen für
eine Ermessensschrumpfung zugunsten des Abgabepflichtigen vorliegen, der
Rechtsauffassung des Senats.
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Vgl. Beschlüsse des Senats vom 23. Oktober 1995 - 22 B 2251/95 und vom 13.
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Dezember 1993 - 22 B 2973/93 -, beide n.v.
Die Voraussetzungen für eine Ermessensschrumpfung sind im Falle der Antragstellerin
nicht glaubhaft gemacht.
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Bei dieser Beurteilung folgt der Senat dem Verwaltungsgericht nicht darin, daß eine
Interessenabwägung zwischen dem Sicherungsinteresse der Gemeinde und dem
Interesse des Steuerpflichtigen, die Aussetzung ohne Sicherheitsleistung zu erhalten,
keine Rolle spiele. Zwar ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, daß § 123
Abs. 1 VwGO für eine solche eigene Abwägung des Gerichts bei der Prüfung des
Anordnungsanspruches keinen Raum bietet. Es verkennt jedoch, daß es gerade diese
Abwägung ist, die von der Gemeinde bei der Ermessensentscheidung darüber, ob die
Aussetzung mit oder ohne Sicherheitsleistung zu gewähren ist, vorzunehmen ist und
aus der sich - auch für die Beurteilung durch das Gericht - ergibt, ob eine
Ermessensschrumpfung vorliegt oder nicht. Die Prüfung, ob der Behörde bei der
Entscheidung, ob sie die Aussetzung nach § 361 Abs. 3 Satz 1 AO mit oder ohne
Sicherheitsleistung vornimmt, noch ein Ermessensspielraum verbleibt oder nicht und ob
damit ein Anordnungsanspruch für eine Aussetzung ohne Sicherheitsleistung gegeben
ist, ist ohne die Wertung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten nicht
durchführbar.
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Diese Abwägung ergibt hier, daß für eine Ermessensschrumpfung zugunsten der
Antragstellerin nichts ersichtlich ist. Auf der einen Seite besteht hier ein hoher
Sicherungsbedarf der Gemeinde, da die Antragstellerin selbst vorträgt, sie sei nicht in
der Lage, die festgesetzte Gewerbesteuer zu entrichten und müsse ggf. Konkurs
anmelden. Dagegen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, daß sie nicht oder
nicht ohne Gefährdung ihres Betriebes in der Lage ist, die geforderte Sicherheit zu
erbringen. Der Antragsgegner hat insoweit bereits im ersten Rechtszug darauf
hingewiesen, daß die Sicherheit durch eine Bankbürgschaft erbracht werden könne.
Daß dies möglich sei, hat die Antragstellerin nicht bestritten, sondern sich auf die
allgemeine Ausführung beschränkt, daß es "nahezu ausgeschlossen [sei], daß eine
GmbH mit einem Stammkapital in Höhe von 50.000,-- DM eine Bankbürgschaft in Höhe
von 1,3 Mio. DM" erhalte. Konkretes dafür, daß sie erfolglos versucht habe, eine solche
Bürgschaft zu erhalten, hat die Antragstellerin jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft
gemacht.
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Ob das finanzgerichtliche Verfahren gegen die Gewerbesteuermeßbescheide Aussicht
auf Erfolg bietet oder nicht, ist bei der Entscheidung über das Verlangen nach einer
Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Folgebescheide unbeachtlich. Darüber zu
urteilen, steht weder der Gemeinde noch dem deren Entscheidung prüfenden
Verwaltungsgericht zu, sondern ist allein dem Finanzamt bzw. dem Finanzgericht bei
der Entscheidung darüber vorbehalten, ob es des Meßbescheid aussetzt und ob es
dabei eine Sicherheitsleistung ausschließt (§ 361 Abs. 3 Satz 3 AO, § 69 Abs. 3 Satz 1
2. Halbsatz und Abs. 2 Satz 6 FGO).
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OVG Münster, Beschluß vom 23. Oktober 1995 - 22 B 2251/95 -; VGH Mannheim,
Beschluß vom 24. Februar 1992 - 2 S 42/92 -, VGHBW RSpDienst 92, Beilage 5, B6 =
BWVpr 1992, 183; VGH Mannheim, Beschluß vom 6. Dezember 1983 - 14 S 2599/83 -,
JURIS.
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Die Frage nach den Erfolgsaussichten des Verfahrens gegen die
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Gewerbesteuermeßbescheide kann deshalb bei der Beurteilung, ob eine zur
Aussetzung ohne Sicherheit zwingende Ermessensschrumpfung vorliegt, keine Rolle
spielen. Sie muß vom Steuerschuldner, der in Hinblick auf die Erfolgsaussichten seines
gegen den Grundlagenbescheid gerichteten Rechtsmittels eine Aussetzung ohne
Sicherheitsleistung erreichen will, vielmehr an das Finanzamt gerichtet werden, um von
diesem eine nach § 361 Abs. 3 Satz 3 AO die Gemeinde bei der Aussetzung bindende
Entscheidung über den Ausschluß der Sicherheitsleistung zu erlangen.
Vgl. zur Prüfung der Erfolgsaussichten bei der Entscheidung des Finanzamtes über die
Sicherheitsleistung bei der Aussetzung auch Anwendungserlaß zur AO idF. des
Erlasses vom 27. Oktober 1995, BStBl I, 666, zu § 361, Nr. 5.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Wertfestsetzung auf §§ 20
Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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