Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2009

OVG NRW: anspruch auf rechtliches gehör, glaubhaftmachung, ausschluss, chancengleichheit, hauptsache, erlass, ausnahme, datum, rüge

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 635/09
Datum:
17.06.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 635/09
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 1 L 29/09
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser
selbst trägt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde mit dem Hauptantrag,
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unter Abänderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts dem
Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die beim
Polizeipräsidium B. am 7. August 2008 ausgeschriebene Stelle eines
Wachdienstführers in der Dienststelle ZA 11.1 - Leitstelle - „endgültig" mit dem
Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers auf diese Stelle
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist,
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sowie mit dem Hilfsantrag,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Besetzung
der vorgenannten Stelle mit dem Beigeladenen rückgängig zu machen, und dem
Antragsgegner sodann zu untersagen, diese Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen,
bis über die Bewerbung des Antragstellers auf diese Stelle unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist,
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bleibt insgesamt ohne Erfolg.
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Das den Hauptantrag betreffende Beschwerdevorbringen genügt bereits nicht den
gesetzlichen Darlegungsanforderungen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Der
Antragsteller hat sich insoweit nicht mit den entscheidungstragenden Gründen des
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angefochtenen Beschlusses auseinandergesetzt und nicht dargelegt, aus welchen
Gründen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist.
Seine Rüge, das Verwaltungsgericht habe gegen Hinweispflichten verstoßen und
seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es nicht auf die Unzulässigkeit des
„ursprünglichen" Antrags hingewiesen habe, ist unerheblich. Selbst wenn die
Behauptung des Antragstellers, das gerichtliche Verfahren sei fehlerhaft gewesen,
zutreffen sollte, sind damit die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten
einstweiligen Anordnung nicht dargetan. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht
regelmäßig nicht verpflichtet, die Beteiligten darauf hinzuweisen, welchen
Rechtsstandpunkt es voraussichtlich einnehmen wird.
Der erst im Beschwerdeverfahren gestellte Hilfsantrag ist zwar zulässig, aber
unbegründet.
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Der Zulässigkeit des Hilfsantrags steht § 91 Abs. 1 VwGO nicht entgegen. Insoweit kann
offen bleiben, ob überhaupt eine Antragsänderung im Sinne dieser Vorschrift
anzunehmen ist oder ob bereits das erstinstanzliche Antragsbegehren bei verständiger
Würdigung den im Beschwerdeverfahren nunmehr ausdrücklich gestellten Hilfsantrag
mit umfasst hat. Auch wenn hier von einer Antragsänderung auszugehen wäre, wäre
diese zulässig.
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Zwar wird vertreten, im Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse nach §§ 80, 80a und
123 VwGO sei gemäß § 146 Abs. 4 VwGO für eine Antragsänderung regelmäßig kein
Raum, weil die Beschwerde der Intention des Gesetzgebers zufolge nach § 146 Abs. 4
Satz 3 und 6 VwGO nur zulässig sei, soweit sie der Überprüfung der erstinstanzlichen
Entscheidung diene.
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Vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Oktober 2008, §
91 Rdnr. 2, m.w.N.
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Diese Argumentation würde jedoch hier einer Antragsänderung nicht entgegenstehen.
Das Verwaltungsgericht hat sich zu den Erfolgsaussichten des nunmehr im Hilfsantrag
zum Ausdruck gekommenen Antragsbegehrens geäußert. Durch den Hilfsantrag hat
sich der Streitstoff, der dem Beschluss des Verwaltungsgerichts zu Grunde liegt, mithin
nicht geändert.
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Sollte aufgrund des Hilfsantrags von einer Antragsänderung im Sinne des § 91 Abs. 1
VwGO auszugehen sein, wäre diese zulässig, weil sie sachdienlich wäre. Sie wäre
geeignet, den - unveränderten - Streitstoff zwischen den Beteiligten auszuräumen, und
würde den Rechtsstreit nicht auf neue Grundlagen stellen.
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Der Hilfsantrag ist auch nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die
angestrebte Übertragung eines Dienstpostens, auch eines Beförderungsdienstpostens
ist als Umsetzung zu qualifizieren. Wird der Beförderungsdienstposten einem anderen
Beamten übertragen, so führt das nicht zu einer Erledigung des Begehrens. Die
Umsetzung des Mitbewerbers kann vielmehr rückgängig gemacht und der
Beförderungsdienstposten anderweitig, z.B. mit dem Antragsteller, besetzt werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 2001 - 2 A 3/00 -, BVerwGE 115, 58 = DÖD 2001,
279, m.w.N.
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Der Hilfsantrag ist aber unbegründet. Der Antragsteller hat auch im
Beschwerdeverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, aufgrund derer sich ein
Anordnungsgrund ergibt (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Dessen hätte es aber bedurft. Es ist nicht selbstverständlich, dass es bis zum Abschluss
des Hauptsacheverfahrens einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung bedarf, wenn
die Umsetzung des Mitbewerbers keine vollendeten Tatsachen schafft, sondern - wie
ausgeführt - bei einem Erfolg in der Hauptsache wieder rückgängig gemacht werden
kann. Mangels jedweder Glaubhaftmachung solcher Umstände kann hier offen bleiben,
unter welchen Voraussetzungen im Falle der Übertragung eines
Beförderungsdienstpostens das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zugunsten eines
unterlegenen Mitbewerbers angenommen werden kann.
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Zur Vermeidung künftiger Rechtsstreitigkeiten sieht sich der Senat veranlasst, darauf
hinzuweisen, dass die der Umsetzung des Beigeladenen zu Grunde liegende
Auswahlentscheidung fehlerhaft sein dürfte.
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Das Prinzip der Bestenauslese (vgl. Art. 33 Abs. 2 GG) gilt auch für die Übertragung
eines Beförderungsdienstposten, jedenfalls dann, wenn er, wie hier, zwecks
Durchführung eines entsprechenden Auswahlverfahrens ausgeschrieben worden ist.
Das bedeutet, dass in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien
zurückgegriffen werden muss, die sich vorrangig aus aktuellen dienstlichen
Beurteilungen ergeben. Schon vor diesem Hintergrund dürfte der Ausschluss von
Bewerbern vom weiteren Auswahlverfahren allein mit der Begründung, sie hätten im
Zeitpunkt des Vorgesprächs der Auswahlkommission am 23. September 2008 noch
keine dreiwöchige Hospitation im angestrebten Bereich absolviert, mit dem Prinzip der
Besten-auslese nicht vereinbar sein. Zweifelhaft ist überdies, ob eine solche Hospitation
überhaupt ein taugliches Mittel darstellt, um zur Vorbereitung einer Besetzungs- bzw.
Auswahlentscheidung des Dienstherrn aussagekräftige zusätzliche Erkenntnisse über
die Eignung des jeweiligen Bewerbers für eine bestimmte Tätigkeit oder Funktion zu
gewinnen.
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Fraglich ist auch, ob die Chancengleichheit der Bewerber mit Blick auf die Forderung
einer bereits im Zeitpunkt des Vorgesprächs der Auswahlkommission am 23. September
2008 abgeschlossenen Hospitation hinreichend gewahrt worden ist oder ob der
Antragsgegner mit dieser Forderung sein Organisationsermessen sachwidrig
überschritten hat. Insoweit ist zu bedenken, dass die in Rede stehende Stelle für die
Beteiligten unerwartet frei geworden und erst am 7. August 2008 ausgeschrieben
worden ist.
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Bedenklich ist schließlich, dass Grundlage des Vorgesprächs der Auswahlkommission
vom 23. September 2008 sowie ihres Besetzungsvorschlags vom 13. Oktober 2008
lediglich Entwürfe der zum Stichtag 1. August 2008 erstellten dienstlichen
Regelbeurteilungen gewesen sein dürften. Die Regelbeurteilung des Beigeladenen ist
vom Erstbeurteiler am 10. November 2008 und vom Endbeurteiler am 12. November
2008 unterschrieben und dem Beigeladenen am 28. Januar 2009 bekannt gegeben
worden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei der
sich daraus ergebende Wert im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der begehrten
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Entscheidung zu halbieren ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).
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