Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.01.2004

OVG NRW: aufenthalt, asylverfahren, bundesamt, beschränkung, eltern, anerkennung, serbien, hessen, abschiebung, ausländer

Oberverwaltungsgericht NRW, 17 A 5234/00
Datum:
07.01.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 A 5234/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 9 K 5789/98
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten
werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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Der Rechtssache kommt die ihr beigemessene grundsätzliche Bedeutung, § 78 Abs. 3
Nr. 1 AsylVfG, nicht zu. Die Kläger halten für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob
sonstige humanitäre Gründe von einem vergleichbaren Gewicht wie die
Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen
Kindern im Sinne des § 51 AsylVfG auch dann gegeben sind, wenn die räumliche Nähe
der betroffenen chronisch erkrankten Asylbewerber zu den in einem anderen
Bundesland lebenden hilfsbereiten Verwandten eine seelische Entlastung und einen
generell, auch durch die Verhinderung der Verschlechterung gekennzeichneten
besseren Krankheitsverlauf erwarten lässt". Die Beantwortung dieser Frage wäre, ihre
Klärungsfähigkeit im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung oder der
Rechtsfortbildung zugrundegelegt, in einem Berufungsverfahren nicht
entscheidungserheblich.
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Nach § 51 AsylVfG ist unter den dort aufgeführten weiteren Voraussetzungen auf Antrag
des Ausländers der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren
minderjährigen ledigen Kindern oder sonstigen humanitären Gründen von
vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu
tragen. Diese Vorschrift ermöglicht die Änderung einer Zuweisungsentscheidung durch
länderübergreifende Umverteilung, solange der Aufenthalt des Ausländers der
Durchführung des Asylverfahrens dient, vgl. § 55 Abs. 1 AsylVfG. In der Rechtsprechung
des Senats ist geklärt, dass zur Durchführung des Asylverfahrens auch die Abwicklung
des asylverfahrensbedingten Aufenthaltes nach förmlichem Abschluss des
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Asylverfahrens und Erlöschen der Aufenthaltsgestattung gehört. Die
Zuweisungsentscheidung wird jedoch gegenstandslos, wenn dem Ausländer der
weitere Aufenthalt aus Gründen ermöglicht wird, die nicht mehr der Abwicklung des zur
Durchführung des Asylverfahrens gestatteten Aufenthaltes dienen. Damit entfällt auch
die durch die Zuweisung begründete räumliche Beschränkung des Aufenthaltes und ist
für eine Änderung durch Umverteilung nach § 51 AsylVfG kein Raum mehr. Für
räumliche Beschränkungen des weiteren Aufenthaltes und deren Änderung gelten nicht
mehr die Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes, sondern diejenigen des
Ausländergesetzes,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Dezember 1999 - 17 A 3994/98 -, NVwZ 2000, Beilage Nr.
7, 82; zur Rechtslage nach § 22 AsylVfG in der bis zum 30. Juni 1992 geltenden
Fassung: BVerwG, Urteil vom 31. März 1992 - 9 C 155/90 -, NVwZ 1993, 276.
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Die Zuweisungsentscheidungen der Kläger sind gegenstandslos geworden, weil ihr
Aufenthalt nach dem rechtskräftigen Abschluss aller Asylverfahren von der
Ausländerbehörde durch Duldungen asylverfahrensunabhängig geregelt worden ist.
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Für die 1994 geborene Klägerin zu 5. hat das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) nach Abschluss des
erstinstanzlichen Verfahrens mit Entscheidung vom 6. September 2001 - entsprechend
dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 11. Juli 2001 - 10 K
857/01.A - das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG
hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien) festgestellt. Die Klägerin zu 5.
enthält deswegen von der Ausländerbehörde Duldungen. Die übrigen Kläger, deren
Asylverfahren durch rechtskräftig gewordene Urteile vom 7. März 2001 negativ beendet
worden sind, werden ihrem Vorbringen zufolge gemäß Art. 6 GG geduldet.
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Die Auffassung der Kläger, ihre Duldungen seien als asylverfahrensabhängig zu
qualifizieren, weil deren Erteilung ihren Grund in der Feststellung eines
Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in der Person der Klägerin zu
5. hätte, ist verfehlt. Asylverfahrensabhängig sind nur solche Duldungen, die für die
notwendige Dauer der aufenthaltsrechtlichen Abwicklung eines erfolglosen
Asylverfahrens zum Zwecke der Abschiebung erteilt werden. Dagegen sind Duldungen,
die erteilt werden und ggfs. erteilt werden müssen, wenn nach Abschluss des
Asylverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht eingeleitet werden können
oder sollen, asylverfahrensunabhängig. Wenn der Aufenthalt des Ausländers nach
förmlichem Abschluss des Asylverfahrens auf absehbare Zeit nicht beendet werden
kann oder soll, geht es nicht mehr um die Abwicklung des für die Dauer des
Asylverfahrens gestatteten Aufenthaltes, sondern um die Regelung des weiteren
Aufenthaltes nach Vorschriften des Ausländergesetzes.
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So liegen die Dinge hier, weil die Ausländerbehörde der Klägerin zu 5. gemäß §§ 41
Abs. 2 Satz 2, 42 Satz 1 AsylVfG, 53 Abs. 6 Satz 1, 55 Abs. 2 AuslG Duldungen erteilt
und die übrigen Kläger im Interesse der Wahrung der Familieneinheit im Bundesgebiet
gemäß Art. 6 GG iVm § 55 Abs. 2 AuslG duldet. Dem Anliegen der Kläger, ihnen die
Übersiedlung in die Nähe ihrer Verwandten nach Hessen aufenthaltsrechtlich zu
ermöglichen, kann deswegen nicht mehr durch Umverteilung nach § 51 AsylVfG,
sondern nur noch durch die Änderung der aus § 56 Abs. 3 Satz 1 AuslG folgenden
räumlichen Beschränkung ihrer Duldungen auf das Land Nordrhein-Westfalen
Rechnung getragen werden.
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Auch eine Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels, §§ 78 Abs. 3 Nr. 3
AsylVfG, 138 Nr. 3 VwGO kommt nicht in Betracht. Da eine Umverteilung nach § 51
AsylVfG aus Rechtsgründen nicht mehr möglich ist, ist nicht entscheidungserheblich, ob
das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu den
Anforderungen an das Vorliegen dringender humanitärer Gründe im Sinne des § 51
AsylVfG dem Antrag auf Beweiserhebung durch Einholung eines medizinisch-
psychologischen Sachverständigengutachtens hätte stattgeben müssen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
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