Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.01.1998

OVG NRW (politische verfolgung, einreise, nachweis, antrag, grund, beweislast, kreis, verbindung, begründung, kläger)

Oberverwaltungsgericht NRW, 25 A 5687/97.A
Datum:
13.01.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 A 5687/97.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 15 K 2188/95.A
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Köln vom 4. Dezember 1997 wird abgelehnt. Die
Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Gründe: Der Antrag hat keinen Erfolg. Der vorliegenden Rechtssache kommt keine
grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Die in der
Antragsschrift sinngemäß als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob die
in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Asylprozeß entwickelte
Nachweiserleichterung für Vorgänge im Verfolgerland auch dann anzuwenden ist, wenn
der Asylantragsteller behauptet, nicht durch einen sicheren Drittstaat im Sinn des Art. 16
a Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit § 26 a Abs. 1 AsylVfG, sondern auf dem Luftweg
in das Bundesgebiet eingereist zu sein, ist ohne weiteres zu verneinen. Der
Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es hierzu nicht. In der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß an den Nachweis der
asylbegründenden Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Anforderungen
gestellt werden dürfen und keine unumstößliche Gewißheit verlangt werden darf,
sondern daß den eigenen Erklärungen des Asylsuchenden insoweit eine größere
Bedeutung beizumessen ist als dies in der sonstigen Prozeßpraxis der Fall ist. Der
Grund dafür liegt in dem sachtypischen Beweisnotstand des Asylbewerbers, der sich
daraus ergibt, daß unmittelbare Beweise im Verfolgerland in der Regel nicht erhoben
werden können. Für Vorgänge im Gastland ist hingegen grundsätzlich der volle
Nachweis zu fordern. BVerwG, Urteil vom 29. November 1977 - 1 C 33.71 -, BVerwGE
55, 82 (86); Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180 (181 f.). In der
Senatsrechtsprechung ist darüber hinaus geklärt, daß zu den asylbegründenden
Umständen, für die der Asylbewerber die materielle Beweislast trägt, auch die
tatsächlichen Voraussetzungen des Nichteingreifens der Drittstaatenregelung (Einreise
auf dem Luftweg) gehören. Urteil vom 30. September 1996 - 25 A 790/96.A -, NVwZ
1997, 1141 (1143) = DVBl. 1997, 919 = ZAR 1997, 97. Eine andere Sichtweise ist
insbesondere nicht deshalb geboten, weil die Drittstaatenregelung als Ausschlußgrund
für das Asylgrundrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG formuliert ist ("kann sich nicht berufen").
Aus dieser gesetzestechnischen Ausgestaltung folgt nicht, daß die in der
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Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Verteilung der materiellen
Beweislast in Asylverfahren auf die tatsächlichen Voraussetzungen der
Drittstaatenregelung nicht anwendbar wären. Insbesondere kann Art. 16 a Abs. 2 Satz 1
GG nicht als "Ausnahmevorschrift" vom Asylgrundrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG
angesehen werden. Denn nach dem Sinn und Zweck der Drittstaatenregelung soll
durch sie nur das bereits in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a. F. vorgegebene einschränkende
Merkmal der "Schutzlosigkeit" konkretisiert und damit der Kreis der Asylberechtigten auf
diejenigen politisch Verfolgten beschränkt werden, deren Bedarf an Schutz vor
politischer Verfolgung bei der Einreise nach Deutschland noch nicht entfallen war. Art.
16 a Abs. 1 und Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG zusammen umschreiben den Kreis der
Anspruchsberechtigten. BVerwG, Urteil vom 7. November 1995 - 9 C 73.95 -, BVerwGE
100, 23 (30 f.). Aus diesen Grundsätzen ergibt sich ohne weiteres, daß die vorstehend
bezeichnete Beweiserleichterung für Vorgänge im Heimatland auf die tatsächlichen
Voraussetzungen des Nichteingreifens der Drittstaatenregelung nicht anzuwenden ist.
Denn die Einreise in das Bundesgebiet ist kein Vorgang, der sich im Verfolgerland
abspielt und deshalb mit denjenigen Beweisschwierigkeiten verbunden ist, die für dort
entstandene Ausreisegründe typisch sind. Für den Nachweis einer Einreise auf dem
Luftweg ist der Asylantragsteller im allgemeinen nicht ausschließlich auf den eigenen
Sachvortrag angewiesen, sondern er kann selbst dann, wenn er nicht mehr im Besitz
von Reisedokumenten sein sollte, durch grenzschutzbehördliche Unterlagen,
Passagierlisten und gegebenenfalls Zeugen auch nachträglich noch den Beweis für
seine Behauptung führen. Im Ergebnis ebenso Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
(BayVGH), Beschluß vom 3. September 1996 - 19 AA 96.33922 -;
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG RP), Beschluß vom 20. August 1996 - 7
A 11994/96.OVG -. Unabhängig davon bleibt die Grundsatzrüge ohne Erfolg, weil sich
das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO
analog). Die Kläger könnten selbst dann ihre Anerkennung als Asylberechtigte nicht
beanspruchen, wenn ihre Berufung auf Art. 16 a Abs. 1 GG nicht nach Art. 16 a Abs. 2
GG in Verbindung mit § 26 a Abs. 1 AsylVfG ausgeschlossen wäre. Denn nach der mit
erfolgreichen Zulassungsrügen nicht angegriffenen Feststellung des
Verwaltungsgerichts zum Abschiebungsschutzanspruch nach § 51 Abs. 1 AuslG droht
den Klägern in der Türkei keine politische Verfolgung. Die angekündigte weitere
Begründung des Zulassungsantrags mußte nicht abgewartet werden, weil die Frist,
binnen derer nach § 78 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AsylVfG die Zulassungsgründe darzulegen
sind, abgelaufen ist. Deswegen kommt auch die Gewährung von Akteneinsicht nicht in
Betracht. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG
abgesehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1
AsylVfG. Dieser Beschluß ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar. Das Urteil des
Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).