Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.03.2009

OVG NRW: grobe fahrlässigkeit, dienstliche tätigkeit, zubehör, lehrer, schule, erstellung, stadt, dokumentation, schüler, sachschaden

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 3481/05
Datum:
11.03.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 A 3481/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 4731/04
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte
Land darf die Voll-streckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger steht als beamteter Lehrer an der Städtischen Ganztagsrealschule O. in O1.
im Dienst des beklagten Landes.
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Er unternahm am 3. Mai 2004 mit zwei Klassen der Jahrgangsstufe 10 eine
Abschlussfahrt nach N. . Gegen 6.20 Uhr wurde ihm am Bahnhof O1. sein Rucksack
gestohlen. In diesem befanden sich unter anderem eine am 11. Januar 2001 zum Preis
von 1.148,85 DM erworbene Digitalkamera Canon IXUS nebst Kameratasche, drei
Akkus und zwei Speicherkarten sowie ein Schweizer Multifunktionsmesser.
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Der Kläger hatte den Rucksack auf dem Bahnsteig beim Schnüren eines Schuhes
abgenommen und auf der ihm zugewandten Seite gegen seinen Koffer gelehnt. Bei der
Einfahrt des Zuges war er einen halben Schritt nach vorne getreten. Als er sein Gepäck
ergreifen wollte, stellte er den Diebstahl fest und meldete diesen am nächsten Tag bei
der Polizei in N. .
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Mit Schreiben vom 16. Mai 2004 zeigte der Kläger der Bezirksregierung E. den Verlust
des Rucksacks und seines Inhalts an. Er bat um Sachschadensersatz in Höhe des
Neuwerts der gestohlenen Gegenstände, den er für die Digitalkamera auf 587,45 Euro,
für deren Zubehör auf 130,- Euro und für das Multifunktionsmesser auf 45,- Euro
bezifferte. Insgesamt begehrte der Kläger die Zahlung eines Betrages von 2.117,44
Euro.
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Mit Bescheid vom 25. Mai 2004 lehnte die Bezirksregierung E. den Antrag teilweise ab.
Als dienstlich notwendig erkenne sie nur die unter den Nrn. 8 bis 15 aufgeführten
Positionen an. Nicht erstattungsfähig seien die Positionen Nrn. 1 bis 7, unter anderem
die Digitalkamera mit Zubehör und das Multifunktionsmesser. Der Kläger habe diese
Gegenstände nicht zur Dienstausübung benötigt. Insbesondere sei der Einsatz einer
privaten Kamera nur dann als dienstlich notwendig anzuerkennen, wenn der Schulleiter
die Nutzung vorher angeordnet habe.
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Der Kläger erhob am 11. Juni 2004 Widerspruch, zu dessen Begründung er unter
anderem auf ein Schreiben des Schulleiters vom 17. Juni 2004 verwies. Darin erklärte
der Schulleiter, der Kläger sei seit fast 15 Jahren für die Erstellung der Schülerzeitung
und der Abschlusszeitung der Jahrgangsstufe 10 verantwortlich. Er habe seine
Digitalkamera ständig zu schulischen Zwecken eingesetzt. Die Dokumentation von
Klassenfahrten sei üblich und selbstverständlich. Dies gelte vor allem bei
Abschlussfahrten, da über diese in der jeweiligen Abschlusszeitung berichtet werde.
Die Schule verfüge nur über eine Digitalkamera mit sehr geringer Auflösung und
Speicherkapazität. Diese Kamera sei in der Schule unentbehrlich gewesen und habe
den Bedarf nicht gedeckt, da seinerzeit fünf jeweils von zwei Lehrpersonen begleitete
Abschlussfahrten zeitgleich stattgefunden hätten. Bei dieser Sachlage habe der Kläger
seinen Pflichten als begleitender Lehrer und Leiter der Schülerzeitungs-AG nur durch
Mitnahme seiner eigenen Kamera nachkommen können.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2004 wies die Bezirksregierung E. den
Widerspruch im Hinblick auf die Positionen Nrn. 1 bis 7 zurück.
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Mit der am 20. Juli 2004 erhobenen Klage hat der Kläger sein Erstattungsbegehren
hinsichtlich dieser Positionen weiterverfolgt.
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Dem Schulleiter sei es rein tatsächlich nicht möglich, vor jeder Klassenfahrt
ausdrücklich die Mitnahme einer eigenen Kamera anzuordnen. Die Verwendung der
eigenen Kamera zur Dokumentation von Klassenfahrten habe einer generellen
Verfahrensweise entsprochen, die jeder Lehrkraft bekannt gewesen sei. Die Mitnahme
des Multifunktionsmessers sei aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, z.B.
bei der Versorgung von Verletzungen oder bei kleineren Verrichtungen wie dem Öffnen
von Koffern oder dem Richten von Schranktüren, dringend geboten gewesen.
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Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
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das beklagte Land unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E.
vom 25. Mai 2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2004 zu
verpflichten, ihm für die dort unter den Nrn. 1 bis 7 aufgeführten Gegenstände
Sachschadensersatz in Höhe von 1.156,95 Euro zu gewähren.
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Das beklagte Land hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Urteil vom 1. August 2005 hat das Verwaltungsgericht E. das beklagte Land unter
teilweiser Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, über den Antrag des
Klägers auf Sachschadensersatz in Höhe von 762,45 Euro unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage
abgewiesen. Die Digitalkamera nebst Zubehör und das Multifunktionsmesser erfüllten
entgegen der Auffassung des beklagten Landes die tatbestandlichen Voraussetzungen
des § 91 Abs. 1 LBG NRW. Aus den Angaben des Schulleiters in seiner Stellungnahme
vom 17. Juni 2004 ergebe sich, dass ein Lehrer in der dienstlichen Situation des
Klägers gewöhnlich eine Digitalkamera mit sich führe. Es sei nachvollziehbar, dass bei
der Abschlussfahrt einer 10. Klasse besonderer Wert auf eine Fotodokumentation gelegt
werde. Unschädlich sei, dass der Schulleiter den dienstlichen Einsatz der Kamera nicht
angeordnet habe. Zwar stelle sich ein Sachschaden grundsätzlich nicht als unmittelbare
Folge des Dienstes dar, wenn der Vorgesetzte die Verwendung eines privaten
Gegenstands lediglich gebilligt habe. Im vorliegenden Fall sei eine auf den Einzelfall
bezogene Anordnung des Schulleiters aber nur deswegen unterblieben, weil alle
Beteiligten seit langer Zeit von einer allgemeinen Genehmigung des dienstlichen
Gebrauchs der Kamera des Klägers ausgegangen seien. Der notwendige enge
Zusammenhang mit den Dienstaufgaben auf einer Klassenfahrt sei auch hinsichtlich
des Multifunktionsmessers gegeben. Das folge aus den vom Kläger aufgezeigten
Einsatzmöglichkeiten, insbesondere in Situationen, in denen keine anderweitige Hilfe
zu erlangen sei. Das Gericht könne dem Kläger den Sachschadensersatz allerdings
nicht unmittelbar zusprechen. § 91 Abs. 1 LBG NRW räume dem beklagten Land einen
weiten Ermessensspielraum ein. Hierbei dürfe es gegebenenfalls ein Mitverschulden
des Beamten an der Schadensentstehung sowie Wertminderungen durch Verwendung
und Abnutzung berücksichtigen.
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Gegen das ihm am 10. August 2005 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 8.
September 2005 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom
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24. Juli 2008, dem beklagten Land zugestellt am 29. Juli 2008, hat der Senat die
Berufung zugelassen. Er hat die Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. Oktober 2008
verlängert.
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Mit seiner am 9. Oktober 2008 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung trägt
das beklagte Land vor, die Nutzung einer privaten Digitalkamera sei zur
Dienstausübung objektiv nicht unabweisbar notwendig gewesen, zumal die
schuleigene Kamera zur Erstellung einer Fotodokumentation ausgereicht hätte und dem
Kläger hätte überlassen werden können. Auch im Hinblick auf ihren Neuwert habe sich
die Digitalkamera des Klägers nicht im Rahmen solcher Gegenstände gehalten, die
üblicherweise im Dienst mitgeführt würden. Bei dieser Sachlage setze eine
Einstandspflicht des Dienstherrn eine ausdrückliche schriftliche Anordnung der
dienstlichen Nutzung durch den Schulleiter voraus. Die bloße Billigung des Verhaltens
des Beamten genüge selbst dann nicht, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum
erstrecke. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger drei statt lediglich eines
Akkus mitgenommen habe. Auch das Multifunktionsmesser sei zur Dienstausübung
nicht erforderlich gewesen. In einer Großstadt wie N. sei keine Situation denkbar, die
nur mit Hilfe des Multifunktionsmessers hätte gemeistert werden können. Der Kläger
habe schließlich grob fahrlässig an der Entstehung des Schadens mitgewirkt.
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Angesichts des Wertes der in dem Rucksack befindlichen Gegenstände habe er ihn
keine Sekunde unbeaufsichtigt lassen dürfen.
Das beklagte Land beantragt,
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das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage in vollem Umfang
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Ergänzend führt er aus, die schuleigene Kamera habe erhebliche Mängel aufgewiesen.
Die Betriebsdauer der mitgeführten Akkus habe unter den Bedingungen einer
Klassenfahrt jeweils maximal zwei Tage betragen. Grobe Fahrlässigkeit sei ihm nicht
vorzuwerfen. Bei der Einfahrt des Zuges habe eine potentielle Gefahrensituation
bestanden, in der er seinen Aufsichtspflichten habe nachkommen müssen.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des beklagten Landes
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat über die Berufung ohne
mündliche Verhandlung (vgl. §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Berufung ist unbegründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass das beklagte Land über seinen Antrag auf
Sachschadensersatz für die Digitalkamera nebst Zubehör und das Multifunktionsmesser
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet. Soweit der
Bescheid der Bezirksregierung E. vom 25. Mai 2004 und ihr Widerspruchsbescheid vom
12. Juli 2004 dem entgegenstehen, sind sie rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen
(Landesbeamtengesetz - LBG NRW -) kann Ersatz für Sachschäden geleistet werden,
wenn in Ausübung des Dienstes Kleidungsstücke oder sonstige Gegenstände, die
üblicherweise im Dienst mitgeführt werden, abhanden gekommen sind. Das
Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass diese tatbestandlichen
Voraussetzungen im Hinblick auf die Digitalkamera nebst Zubehör und das Schweizer
Taschenmesser erfüllt sind.
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Die genannten Gegenstände sind dem Kläger in Ausübung des Dienstes abhanden
gekommen. In Ausübung des Dienstes tritt ein Sachschaden ein, wenn zwischen dem
schädigenden Ereignis und den Dienstverrichtungen des Beamten ein unmittelbarer
räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
14. Dezember 1993 - 6 A 1653/92 -, DÖD 1994, 168.
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Ein derartiger Zusammenhang liegt hier vor. Die streitbetroffenen Gegenstände wurden
dem Kläger während seiner Dienstverrichtungen bei der Begleitung einer Klassenfahrt
entwendet. Dabei übte der Kläger die unmittelbare Sachherrschaft über die
Digitalkamera nebst Zubehör und das Multifunktionsmesser aus. Sie befanden sich in
seinem Rucksack, den er in Reichweite neben sich abgestellt hatte.
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Es handelte sich auch um Gegenstände, die üblicherweise im Dienst mitgeführt werden.
Hierzu zählen nicht nur Gegenstände, die der Beamte zur Dienstausübung unmittelbar
benötigt. Das Regelbeispiel der Kleidungsstücke verdeutlicht, dass ein solcher finaler
Zusammenhang zwischen der beschädigten bzw. abhanden gekommenen Sache und
der Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben oder gar eine Anordnung der dienstlichen
Verwendung des Gegenstands durch den Dienstherrn nicht vorausgesetzt wird.
Vielmehr umfasst der Schutzbereich des § 91 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW auch
Gegenstände, die - wie etwa eine Uhr, ein Füllhalter, ein Schirm oder eine Geldbörse -
für die dienstliche Tätigkeit zwar nicht unabweisbar erforderlich sind, dabei aber
gewöhnlich vom Beamten mitgeführt werden. Dies beurteilt sich im Hinblick auf das
jeweils wahrgenommene Dienstgeschäft.
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Nach diesem Maßstab kommt es nicht darauf an, ob die Kamera des Klägers bei der
Abschlussfahrt unbedingt benötigt wurde. Entgegen der Auffassung des beklagten
Landes bedurfte es auch keiner Anordnung der dienstlichen Verwendung der Kamera
durch den Schulleiter, zumal es für eine derartige Anordnung keine Rechtsgrundlage
geben dürfte. Entscheidend ist vielmehr, dass ein Beamter in der konkreten dienstlichen
Situation des Klägers gewöhnlich eine eigene Digitalkamera bei sich hat. Es besteht ein
ohne weiteres nachvollziehbares Interesse daran, dass das Gemeinschaftserlebnis
einer mehrtägigen Klassenfahrt durch Fotos dokumentiert wird. In besonderem Maße gilt
dies für eine Abschlussfahrt, die für das Schulleben von hervorgehobener Bedeutung ist
und über die in der jeweiligen Abschlusszeitung berichtet wird. Der Senat hat daher
keinen Anlass, die schriftliche Aussage des Schulleiters vom 17. Juni 2004
anzuzweifeln, dass die Fotodokumentation von Klassen- und insbesondere
Abschlussfahrten durch Lehrkräfte an der Städtischen Ganztagsrealschule O. üblich und
selbstverständlich war.
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Abgesehen davon besteht im Streitfall eine Reihe von Besonderheiten, auf die bereits
das Verwaltungsgericht seine zusprechende Entscheidung mit Recht gestützt hat. So
trug der Kläger zur Zeit des Schadensfalles seit fast 15 Jahren die Verantwortung für die
Erstellung der Schülerzeitung und der Abschlusszeitungen der Jahrgangsstufe 10. Dass
ein Lehrer bei der Wahrnehmung derartiger Dienstgeschäfte auf eine eigene
Digitalkamera statt auf ein Gerät zurückgreift, wie es in der Schule des Klägers
vorgehalten wurde, lag nahe. Zum Einen deckte die schuleigene Kamera den
bestehenden Bedarf bei weitem nicht ab. Sie wurde in der Sozial- und Freizeitabteilung
der Schule benötigt und konnte nicht zeitgleich bei fünf Abschlussfahrten mit zehn
begleitenden Lehrpersonen Verwendung finden. Zum Anderen war die schuleigene
Kamera unbestritten veraltet und demzufolge von unzureichender Qualität. Wegen der
sehr geringen Auflösung der damit gefertigten Fotos und der ungenügenden
Speicherkapazität war sie für die Erstellung einer Fotodokumentation bei einer
Klassenfahrt kaum geeignet.
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Die Mitführung der Kamera des Klägers hielt sich auch im Hinblick auf deren Wert im
Rahmen des Üblichen. Besonders hochwertige Sachen sind allerdings in der Regel
keine Gegenstände, die gewöhnlich zum Dienst mitgebracht werden.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 6 A 1653/92 -, a.a.O.
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Die Digitalkamera des Klägers war jedoch nicht besonders hochwertig. Abzustellen ist
insoweit nicht auf den Anschaffungspreis, sondern auf den Wert im Zeitpunkt des
schädigenden Ereignisses. Der Wert der Digitalkamera am 3. Mai 2004 war deutlich
geringer als der Preis von 587,45 Euro, zu dem der Kläger das Gerät am 11. Januar
2001 erworben hatte. Eine erhebliche Wertminderung hatte die Kamera nicht nur wegen
der Abnutzung über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren, sondern vor allem
aufgrund des raschen Fortschritts der Digitalkameratechnik in dieser Zeit erfahren. Die
im Mai 2004 erhältlichen Digitalkameras waren den im Januar 2001 gängigen Geräten
technisch weit überlegen. Wegen dieser Entwicklung war die Kamera des Klägers
jedenfalls im Zeitpunkt ihres Abhandenkommens nicht wertvoller als eine vergleichbare
Fotoausrüstung mittlerer Art und Güte.
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Üblich war damit auch die Mitführung der Kameratasche, der drei Akkus und der zwei
Speicherkarten als Zubehör zur Digitalkamera. Der Einwand des beklagten Landes, ein
Akku und das dazugehörige Ladegerät hätten ausgereicht, greift nicht durch. Der Kläger
hat lebensnah dargelegt, dass ein durchschnittlich leistungsfähiger Akku seinerzeit nach
maximal zwei Tagen erschöpft gewesen wäre, weil eine Digitalkamera im Rahmen
einer Klassenfahrt unter anderem durch zahlreiche Blitzlichtaufnahmen, Löschvorgänge
und Bildbetrachtungen der Schüler in besonders hohem Maße beansprucht wird. Dass
der Kläger für diesen Fall zwei sofort einsetzbare Ersatzakkus mitgeführt hat, ist ohne
weiteres nachvollziehbar.
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Schließlich hält sich auch die Mitführung eines Multifunktionsmessers im Rahmen
dessen, was bei der Begleitung einer Klassenfahrt üblich ist. Erfahrungsgemäß treten
bei einer solchen Fahrt Schüler mit einer Vielzahl von kleineren Problemen an den
Lehrer heran, die mit einem Multifunktionswerkzeug umgehend bewältigt werden
können. Dieser vom Kläger anhand von Beispielen dargelegte Nutzen legte es nahe,
ein solches Werkzeug vorsorglich bereitzuhalten. Dass sämtliche denkbaren Probleme
in einer Großstadt wie N. auch auf andere Art und Weise gelöst werden können, ist ohne
Belang. Wie oben ausgeführt, umfasst der Schutzbereich des § 91 Abs. 1 Satz 1 LBG
NRW nicht nur Gegenstände, die zur Dienstausübung unabweisbar erforderlich sind.
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Die Frage, ob dem Kläger grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Schadensentstehung
vorzuwerfen ist, stellt sich im vorliegenden Berufungsverfahren nicht. Das angefochtene
Urteil beruht auf der Feststellung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 91
Abs. 1 LBG NRW für einen Sachschadensersatz in Bezug auf die Digitalkamera nebst
Zubehör und das Multifunktionsmesser erfüllt seien und das beklagte Land insoweit
eine Ermessensentscheidung nachzuholen habe. Erst bei der Ausübung des
Ermessens kann relevant werden, ob und gegebenenfalls inwieweit den Kläger ein
mitwirkendes Verschulden an der Herbeiführung des Schadens trifft. Das
Verwaltungsgericht hat diese Frage nicht entschieden, sondern lediglich in einem obiter
dictum die Einschätzung geäußert, grobe Fahrlässigkeit sei kaum anzunehmen. Zwecks
Vermeidung weiteren Streits weist der Senat darauf hin, dass er diese Einschätzung
teilt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10 und 711
der Zivilprozessordnung.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
und des § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes nicht gegeben sind.
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