Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.02.2001

OVG NRW: kosovo, vereinigtes königreich, staatliche verfolgung, emrk, abschiebung, menschenrechte, anhänger, bedrohung, begriff, unterliegen

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 388/01.A
Datum:
01.02.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 388/01.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 16a K 5799/99.A
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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Der vor dem Hintergrund eines Asylfolgeantrags gestellte Antrag auf Zulassung der
Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) und der
Abweichung (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) sind nicht gegeben bzw. nicht dargelegt
worden.
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Die vom Kläger behauptete Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma rechtfertigt nicht
die Durchführung eines Berufungsverfahrens. In der Rechtsprechung des Senats ist
geklärt, dass Roma, Ashkali und sonstige Minderheiten im Kosovo einer asylrelevanten
Verfolgung nicht unterliegen und auch eines individuellen Abschiebungsschutzes nicht
bedürfen, weil die Gebietsgewalt-Inhaber KFOR und UNMIK grundsätzlich auch im
Hinblick auf Minderheiten schutzwillig und schutzfähig sind und die immer noch
vorkommenden Übergriffe gegen Minderheiten im Einzelfall mangels Zurechenbarkeit
zur KFOR und UNMIK oder einer sonstigen - tatsächlich nicht vorhandenen -
Herrschaftsmacht keine unmittelbare staatliche Verfolgung darstellen.
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Vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 11. Januar 2001 - 13 A 98/01.A -, vom 8. Januar
2001 - 13 A 5782/00.A -, vom 5. Juli 2000 - 13 A 2586/00.A -, vom 22. Mai 2000 - 13 A
304/00.A -, vom 4. Mai 2000 - 13 A 307/00.A - und vom 10. April 2000 - 13 A 5387/99.A -
.
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In Übereinstimmung mit dem für Asylbegehren aus dem Kosovo stammender Personen
ebenfalls zuständigen 14. Senat des Gerichts geht der Senat davon aus, dass eine
staatliche Herrschaftsmacht im engeren Sinne zur Zeit effektiv im Kosovo nicht existiert,
dass die Ausübung staatlicher Machtbefugnisse ausschließlich in der Hand der
internationalen Verwaltung mit UNMIK und KFOR liegt und dass keine albanischen
Gruppierungen oder Organisationsstrukturen Träger der Staatshoheit sind oder eine
staatsähnliche Machtstellung im Sinne eines "Herrschaftsgefüges von gewisser
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Stabilität" (vgl. insoweit BVerfG, Beschluss vom 10. August 2000 - 2 BvR 260/98 u. 2
BvR 1353/98 -, AuAS 2000,187) haben. Der Zulassungsantrag gibt keine Veranlassung
zu einer anderen Wertung. Die Behauptung des Klägers, es hätten sich im Kosovo
albanische Parallelstrukturen gebildet, die Gewalt gegen Minderheiten ausübten, ist
durch nichts substantiiert oder belegt und entspricht auch nicht den aktuellen
Erkenntnisquellen. Das gilt auch mit Blick auf die angeführte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Januar 2001 - 13 A 5092/00.A -, vom 4. Dezember
2000 - 13 A 4794/00.A, vom 15. Januar 2001 - 14 A 103/01.A -; Nds. OVG, Beschluss
vom 16. November 2000 - 12 L 3935/00 -.
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Der Kläger behauptet nur, legt aber nicht dar, dass die Ausführungen des
Bundesverfassungsgerichtes in der angeführten Entscheidung zum Begriff der
"Staatlichkeit" politischer Verfolgung Anlass geben, die Bewertung des
Verwaltungsgerichts und der zuständigen Senate des beschließenden Gerichts erneut
zu überprüfen. Welche der vom Verwaltungsgericht und den zuständigen Senaten des
beschließenden Gerichts für die Situation von Minderheiten im Kosovo
zugrundegelegten Kriterien durch welche rechtlichen Bewertungen in der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichtes überhaupt in Frage gestellt werden, führt der Kläger
im Zulassungsantrag hingegen nicht aus. Im Kern wendet er sich gegen die Wertung
seines Asylbegehrens durch das Verwaltungsgericht. Die von einem Asylbewerber nicht
akzeptierte Wertung seines Asyl- und Abschiebungsschutzbegehrens durch das
Verwaltungsgericht rechtfertigt aber nicht die Zulassung der Berufung wegen
grundsätzlicher Bedeutung.
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Im Übrigen muss der Kläger im Augenblick nicht mit einer Abschiebung rechnen, weil
Angehörige ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo derzeit von
Rückführungsmaßnahmen nicht betroffen sind und sie nach einem Beschluss der
Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 24. November
2000 bis April 2001 geduldet werden.
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Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass auch die behauptete Abweichung des
Urteils des Verwaltungsgerichts von der genannten Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes nicht dargelegt worden ist. Der Kläger hat keinen vom
Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz aufgezeigt, der im Widerspruch zu einem
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde liegenden Rechtssatz
steht. Ein solcher Widerspruch ist dem Senat auch nicht erkennbar.
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Das Vorbringen des Klägers, es sei klärungsbedürftig, ob nach der Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 7. März 2000,
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vgl. Zulässigkeitsentscheidung vom 7. März 2000 - Beschwerdenummer 43844/98 (T.I.
./. Vereinigtes Königreich), InfAuslR 2000, 321,
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"die bisherige Einschätzung aufrechterhalten bleiben kann, dass auch
Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 AuslG den Minderheiten im Kosovo nicht zu
gewähren ist", rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung wegen
grundsätzlicher Bedeutung. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der für
Asylbegehren aus dem Kosovo stammender Personen zuständigen Senate des
Gerichts, dass Gewalttätigkeiten, Bedrohungen und Sachbeschädigungen, denen Roma
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und andere nichtalbanische Bevölkerungsgruppen im Kosovo ausgesetzt sind, einer
staatlichen Herrschaftsmacht weder direkt noch mittelbar zuzurechnen sind, und dass
die generelle Sicherheits- und Versorgungslage im Kosovo keinen individuellen
Abschiebungsschutz erforderlich macht. Die Gefährdungen, denen Roma im Kosovo als
ethnische Gruppe ausgesetzt sind, gebieten es trotz des Fehlens einer generellen
Regelung nach § 54 AuslG auch nicht, in verfassungskonformer erweiternder
Auslegung des Gesetzes dieser Bevölkerungsgruppe individuellen
Abschiebungsschutz zu gewähren, weil durch den auf Grund ministerieller Erlasse
bestehenden Abschiebungsstop für die ethnischen Minderheiten im Kosovo faktisch
eine einer generellen Regelung nach § 54 AuslG entsprechende Situation besteht.
Damit ist, worauf auch das Verwaltungsgericht hinweist, zugleich etwaigen sich aus Art.
3 EMRK ergebenden Abschiebungsbedürfnissen wegen der Bedrohung von ethnischen
Minderheiten durch Mitglieder oder Anhänger der UCK oder anderer Albaner in einer
Weise Rechnung getragen, die den Verpflichtungen aus der EMRK genügt.
Vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 10. Januar 2001, - 12 LA 323/01 -.
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