Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.01.2011

OVG NRW (persönliche eignung, entlassung, widerruf, verhalten, zweifel, prognose, antrag, eignung, verwaltungsgericht, beamtenverhältnis)

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 1527/10
Datum:
20.01.2011
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 1527/10
Schlagworte:
Studienreferendarin Beamtenverhältnis auf Widerruf Entlassung
Eignung
Leitsätze:
Erfolgloser Zulassungsantrag einer Studienreferendarin, die sich mit
ihrer Klage gegen ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf
Widerruf wendet.
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf bis 8.000 Euro
festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug ist
abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehend dargelegten
Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg; Zulassungsgründe im Sinne
des § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht dargelegt oder nicht gegeben.
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Das gilt zunächst für den von der Klägerin in den Vordergrund gerückten
Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Insoweit wäre es
notwendig darzulegen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts mit einem seine
Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben
Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
genannten Gerichte aufgestellten eben solchen Rechtssatz abweicht.
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Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2001 5 B 105.00 -, NJW 2001,
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2898; OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2010 - 6 A 1178/10 -, juris, mit
weiteren Nachweisen.
Dem genügen die Ausführungen im Zulassungsantrag nicht. Zu dessen Begründung
wird vorgetragen, das angegriffene Urteil weiche von der Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2009 - 6
A 3083/06 - ab. Diese sei auf den streitbefangenen Sachverhalt übertragbar. Darin habe
der Senat ausgeführt, dass die Entlassung eines Beamten auf Widerruf gerechtfertigt
sein könne, wenn der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb
der Befähigung für die angestrebte Laufbahn, aufgrund nachhaltig unzureichender
Leistungen aller Voraussicht nach nicht erreichen werde und die Fortsetzung der
Ausbildung damit sinnlos sei oder wenn absehbar sei, dass der Beamte die
persönlichen Eignungsanforderungen für die angestrebte Beamtenlaufbahn nicht
erfüllen werde. Dafür seien hinreichende Tatsachengrundlagen sowie
Leistungsanforderungen zu Grunde zu legen, deren Erfüllung von dem Beamten im
jeweiligen Stadium des Vorbereitungsdienstes erwartet werden dürfe. Feststellungen
hinsichtlich fachlicher Leistungsdefizite, die während einer nur halbjährigen
Ausbildungs- und Erprobungsphase eines Lehramtsanwärters getroffen werden
könnten, böten danach kein hinreichendes Fundament für die Prognose, er werde das
Ziel des Vorbereitungsdienstes nicht erreichen. Von den in der Entscheidung
formulierten Maßgaben sei das Verwaltungsgericht abgewichen, weil die Klägerin in der
Kürze der Zeit ihre fachlichen Qualitäten nicht habe unter Beweis stellen können.
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Damit wird - in Verkennung des Wesens der Divergenzrüge - keine Abweichung im
abstrakten Rechtssatz aufgezeigt, sondern geltend gemacht, das Verwaltungsgericht
habe die Vorgaben des vorbenannten Urteils vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 -
(lediglich) falsch angewendet. Mit derartigen Angriffen gegen die Tatsachenwürdigung
und Rechtsanwendung im Einzelfall kann eine Divergenzrüge nicht begründet werden.
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Das Antragsvorbringen weckt auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hinsichtlich dieses
Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten
Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des
Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in
substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht
gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung
ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon auf Grund des Antragsvorbringens in die
Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils bestehen.
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Solche Zweifel werden mit der Antragsschrift nicht dargelegt. Dies gilt zunächst für die
behauptete fehlerhafte Anwendung des Urteils vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 -.
Der Zulassungsantrag setzt den Annahmen des Verwaltungsgerichts,
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- die Vorgaben des genannten Urteils seien auf den Fall nicht übertragbar, weil bei der
Klägerin nicht fachliche Schwächen, sondern charakterliche und persönliche Defizite im
Vordergrund ständen, und
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- im Hinblick auf den der Prognose zugrunde liegenden "Beobachtungszeitraum"
verkenne die Klägerin einerseits, dass in die Betrachtung auch der Zeitraum vor dem
Wechsel des Studienseminars und der Ausbildungsschule einzubeziehen sei, und
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andererseits, dass bei der ihr vorgehaltenen mangelnden Ausbildungsbereitschaft und -
fähigkeit der zeitliche Umfang der bisherigen Ausbildung weniger wesentlich sei,
nichts Durchgreifendes entgegen. Mit dem Antrag wird auch nicht dargetan, dass der
Klägerin - anders, als in dem Urteil angenommen wird - in erster Linie fachliche
Schwächen angelastet worden wären; dies wäre angesichts der kaum erbrachten
fachlichen Leistungen wohl auch schwerlich möglich gewesen.
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Erfolglos macht die Klägerin weiter geltend, ihr sei zu Unrecht fehlende
Ausbildungsbereitschaft bzw. Ausbildungsfähigkeit unterstellt worden. Gemäß § 23 Abs.
4 Satz 1 BeamtStG können Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf jederzeit
entlassen werden. Gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG soll allerdings die Gelegenheit
zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben
werden. Für die Entlassung nach § 23 Abs. 4 BeamtStG genügt grundsätzlich jeder
sachliche Grund; es kommen sowohl Umstände in Betracht, die in der Person des
Beamten liegen (wie unzureichende fachliche Leistungen oder eine sonst fehlende
persönliche Eignung), als auch solche aus der Sphäre der Verwaltung. Bei der
Bewertung der hier in Rede stehenden persönlichen Eignung handelt es sich um einen
Akt wertender Erkenntnis, der gerichtlich nur darauf überprüft werden kann, ob der
Dienstherr den angewendeten Begriff und den gesetzlichen Rahmen des
Beurteilungsspielraums verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt
ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde
Erwägungen angestellt hat. Geht es um die Ableistung eines Vorbereitungsdienstes, der
- wie hier - als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu
qualifizieren ist, weil er auch Voraussetzung für die Ausübung eines Berufes außerhalb
des öffentlichen Dienstes ist, können Befähigung und Eignung nicht ausschließlich
unter Berücksichtigung der Anforderungen eines dem Beamten nach Ableistung des
Vorbereitungsdienstes und Ablegung der Prüfung zu übertragenden Amtes beurteilt
werden; vielmehr ist dann in erster Linie auf die Anforderungen des
Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf und des angestrebten
Berufes abzustellen. Bei der Prognose, ob von dem betreffenden Beamten eine für
erforderlich gehaltene Änderung zum Besseren erwartet werden kann, ist zu
berücksichtigen, dass die Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst mit weitreichenden
Konsequenzen für die weitere berufliche Existenz des Betroffenen verbunden ist, so
dass eine sorgfältige Ermittlung und Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden
Umstände unerlässlich ist.
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Vgl. insgesamt BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1981 2 C 48.78 -, BVerwGE 62,
267; OVG NRW, Urteil vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 -, NWVBl
2010, 183, mit weiteren Nachweisen.
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Der Zulassungsantrag macht gemessen daran nicht erkennbar, dass die
Entlassungsentscheidung rechtsfehlerhaft ist. Wenn die Klägerin - wie sie geltend macht
- durchgehend, unter anderem in allen Schriftsätzen, ihre Ausbildungsbereitschaft zum
Ausdruck gebracht hat, ist das eine bloße Bekundung und belegt nicht, dass sie diese in
eine entsprechende Einstellung und ein entsprechendes Verhalten umzusetzen in der
Lage war. Im Gegensatz zu den Gegebenheiten des Sachverhalts, der dem Urteil des
Senats vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 - zugrunde lag, war bei der Klägerin auch
keine Verhaltensänderung im Hinblick auf eine anfangs mängelbehaftete Arbeitshaltung
zu erkennen. Das Gegenteil ist richtig: Eine Verhaltensänderung ist in ihrem Fall trotz
des Wechsels des Studienseminars und der Ausbildungsschule und trotz des bereits im
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Frühjahr eingeleiteten Entlassungsverfahrens und der in diesem Zusammenhang
gegebenen Hinweise nicht eingetreten. Nachdem bereits nach der Zuweisung zum
Studienseminar für Lehrämter an Schulen in O. (Ausbildungsschule H. -C. -
Gymnasium, E. ) die Defizite der Klägerin als so gewichtig erachtet worden waren,
dass seitens des beklagten Landes die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis für
erforderlich gehalten worden war, verständigten sich die Beteiligten vergleichsweise
darauf, der Klägerin in L. (Studienseminar für Lehrämter an Schulen L. ,
Ausbildungsschule Gymnasium I. ) einen Neuanfang zu ermöglichen. Seitens der
Bezirksregierung war dabei - unter anderem in dem Dienstgespräch vom 24. April 2009
- deutlich gemacht worden, dass eine Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst erfolgen
werde, wenn die Klägerin ihr Verhalten nicht ändere. Wie in einer Reihe von
Stellungnahmen (etwa Bericht des Hauptseminarleiters StD T. vom 17. September
2009; Bericht der Fachleiterin Kunst StRin K. vom 21. September 2009; Bericht des
Schulleiters OStD T1. vom 22. September 2009; Anmerkungen der StRin L1. vom
16. August 2009) zum Ausdruck kommt, wurden jedoch auch in L. binnen kurzer Zeit
die bereits in O. bzw. E. zutage getretenen Defizite festgestellt. Hervorgehoben
werden in den Stellungnahmen unter anderem fehlende Einsichtsfähigkeit,
Beratungsresistenz, Mängel im kommunikativen Verhalten, mangelnde Bereitschaft, die
im Ausbildungsverhältnis gebotenen Verhaltensweisen und Dienstpflichten zu
akzeptieren, unzulängliche Teamfähigkeit und unkollegiales Verhalten, Unpünktlichkeit
und Unzuverlässigkeit. In der Tat werden einzelne dieser Defizite durch die vom
Verwaltungsgericht beispielhaft hervorgehobenen Passagen aus dem Schreiben der
Klägerin vom 20. Januar 2010 im Verfahren 2 L 2013/09 eindrucksvoll bestätigt, in dem
es zu dem Vorwurf der Unpünktlichkeit heißt: "Ich komme nie zu spät. Wenn es aber
tatsächlich vorkommt, dann war zum Beispiel das Zeitraster (...) unrealistisch".
Auch wenn es zutrifft, dass die Klägerin bereits als Lehrerin gearbeitet hat, gerne als
Lehrerin arbeiten möchte und für die Ausbildung finanzielle Belastungen auf sich
genommen hat, rechtfertigt das nicht die Annahme, dass sie bei einem dritten Anlauf in
der Lage sein könnte, sich die nötige Einstellung für die Ausbildung anzueignen und ein
entsprechendes Verhalten an den Tag zu legen. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass
sie ein vorausgegangenes Studium seinerzeit erfolgreich abgeschlossen hat. Wenn die
Klägerin weiter darauf verweist, sie habe bislang erst eine Unterrichtsstunde
abgehalten, werden damit Rechtsfehler der Entlassungsentscheidung schon deshalb
nicht aufgezeigt, weil für diese fachliche Defizite nicht maßgebend waren. Im Übrigen
wird jener Umstand seitens der Ausbildungsschule gerade beklagt und darauf
zurückgeführt, dass die Klägerin sich mehrfach kurzfristig krank gemeldet, schon in
Vorgesprächen unzureichende Konzepte vorgelegt oder Absprachen mit Ausbildern
unterlaufen habe. Insgesamt ist es im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass
die Klägerin ihr Verhalten anders einschätzt als die zur Beurteilung berufenen
Personen. In keiner Weise werden die Feststellungen des angegriffenen Urteils dadurch
in Zweifel gezogen, dass - wie vorgetragen wird - die Klägerin sich bei Nachfragen und
Anregungen falsch verstanden und gegenüber anderen Referendaren einseitig unter
Druck gesetzt gefühlt hat.
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Die Fehlerhaftigkeit der behördlichen Prognose belegt es schließlich nicht, wenn es
richtig sein sollte, dass das Gericht die Prognose des Dienstherrn teilt, wonach der
Klägerin aufgrund fehlender Einsichtsfähigkeit die Gabe abhanden gekommen ist, eine
Verhaltensänderung bei sich selbst herbeizuführen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wirft
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auch der Hinweis auf die erforderliche Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nicht
auf. Zwar trifft es zu, dass die Entlassung eines Beamten auf Widerruf zu den
personellen Maßnahmen i.S.d. § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 LGG zählt, an denen die
Gleichstellungsbeauftragte mitzuwirken hat.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 -, a.a.O.;
Beschluss vom 1. Juni 2010 - 6 A 470/08 -, IÖD 2010, 219.
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Die erforderliche Beteiligung ist ausweislich der Verwaltungsvorgänge (Blatt 302 f. der
Personalakten Unterordner A) indessen unter dem 19. Oktober 2009 erfolgt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Das Urteil des
Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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