Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 04.12.1997

OVG NRW (politische verfolgung, amnesty international, bundesrepublik deutschland, angola, verfolgung, ehemann, auskunft, zeitpunkt, international, 1995)

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 89/92.A
Datum:
04.12.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 89/92.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 8 K 12207/89
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger
vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist ebenso wie ihr Ehemann angolanische Staatsangehörige.
2
Der am 1957 geborene Ehemann der Klägerin, Herr A. K. K., reiste am 12. November
1984 mit dem Flugzeug aus Angola in die Bundesrepublik Deutschland ein und
beantragte am 20. November 1984 Asyl. Durch Bescheid des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) vom 27. August 1985
wurde der Ehemann der Klägerin als Asylberechtigter anerkannt. Dieser Bescheid
wurde auf die Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (künftig:
Bundesbeauftragter) durch das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.
September 1987 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln - 8 K 11041/85 -
aufgehoben. Es wurde festgestellt, daß der Ehemann der Klägerin nicht asylberechtigt
ist.
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Die Beschwerde des Ehemannes der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung
wurde durch Beschluß des erkennenden Gerichts vom 23. November 1987 - 19 B
22402/87 - zurückgewiesen.
4
Die Klägerin wurde am 29. Dezember 1966 in Q.-M./D. Z. (Angola) geboren. Sie
heiratete am 30. Juli 1983 ihren jetzigen Ehemann. Nach ihren Angaben wurde das
erste gemeinsame Kind S. P. K. am 2. April 1983 geboren. Ein weiteres Kind, P. K. K.,
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wurde am 16. Oktober 1987 in H. geboren. Laut Bescheid des Versorgungsamtes D.
vom 10. November 1995 - 51-76-34-11148-5 - ist dieses Kind wegen Lernbehinderung,
Sprachentwicklungsstörung sowie mit Ventil versorgtem Hydrocephalus zu 80 v. H.
behindert. Inzwischen wurden folgende weitere Kinder in H. geboren: Sohn M. K. K. am
29. März 1992, Tochter M. S. K. am 16. November 1993 und Tochter C.-F. K. am 20.
April 1995.
Die Klägerin reiste am 14. Oktober 1986 mit der Nichte ihres Ehemannes T. N. D., deren
Asylverfahren inzwischen abgeschlossen ist - 8 K 11294/89 VG Köln -, mit dem
Flugzeug aus Angola in die Bundesrepublik Deutschland ein. In ihrem Paß war ihr
Familienstand mit "ledig" angegeben. Am 16. Oktober 1986 beantragte sie, da ihr
Ehemann bereits im E.-R.K. wohnte, beim Ausländeramt des E-R.-K. Asyl. Zur
Begründung gab sie an: Ihr Ehemann habe bereits vor zwei Jahren Angola aus
politischen Gründen verlassen. Dies sei den zuständigen Stellen in Angola aufgefallen.
Aufgrund der Flucht ihres Ehemannes habe sie in Angola Schwierigkeiten bekommen.
Es seien laufend Sicherheitsbeamte bei ihr erschienen und hätten nach ihrem Mann
gefragt. Da der Druck der Sicherheitsbehörden auf sie immer größer geworden sei und
sie auch habe festgenommen werden sollen, habe sie das Land verlassen.
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Zur weiteren Begründung ihres Asylantrages trug ihr damaliger
Verfahrensbevollmächtigter, Rechtsanwalt Dr. P. aus D., mit Schreiben vom 29. Oktober
1986 gegenüber dem Ausländeramt des E.-R.-K. vor: Nach der Flucht ihres Ehemannes
aus Angola sei die Klägerin von den Sicherheitsbehörden dreimal zu Verhören verhaftet
worden. Beim letzten Verhör sei ihr von den Beamten erklärt worden, daß sie in den
nächsten Tagen erneut zu dem Sicherheitsbüro gebracht werde, damit man über ihr
Schicksal entscheide. Im September 1986 seien einige Mitglieder der Familie ihres
Ehemannes, und zwar dessen Schwester, mit deren Kind sie eingereist sei, und zwei
Vettern verhaftet worden. Kurz darauf habe ihr ein anderer Vetter ihres Ehemannes zur
Flucht verholfen.
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Bei ihrer Anhörung im Rahmen der Vorprüfung am 21. Dezember 1988 gab die Klägerin
an: Sie sei dreimal verhaftet worden. Das erste Mal sei sie gefragt worden, wo ihr
Ehemann sei. Als sie dies nicht habe sagen wollen, sei sie ausgezogen und mit einer
Peitsche geschlagen worden. Ihre erste Verhaftung habe einen Tag gedauert. Als sie
nach Hause gekommen sei, habe ihr ihr Onkel gesagt, daß die Sicherheitsbeamten ihr
Kind mitgenommen hätten. Sie hätten in der ganzen Stadt vergeblich nach dem Kind
gesucht. Es sei ihnen gesagt worden, sie hätten kein Recht, nach dem Kind zu suchen,
weil der Vater des Kindes ein Konterrevolutionär sei. Beim zweiten Mal habe man ihr
ein brennendes Holzstück an das Bein gehalten und ihr Verbrennungen beigebracht.
Sie habe davon noch zwei große Narben. Beim dritten Mal sei sie geschlagen und
vergewaltigt worden. Sie sei oft von zwei oder drei Personen geschlagen worden, um zu
verhindern, daß sie in eine Ecke des Raumes fliehen könne. Beim zweiten und dritten
Mal sei sie jeweils eine Woche im Gefängnis gewesen. An die genauen Daten könne
sie sich nicht erinnern. Die beiden ersten Verhaftungen seien im Jahre 1985 gewesen,
die letzte im September 1986. Auch die Schwester ihres Mannes sei im Gefängnis
gewesen ebenso wie zwei Vettern. Zum Beweis für die Richtigkeit ihres Vorbringens
reichte die Klägerin ein Attest des Arztes Dr. I. aus B. vom 28. Dezember 1988 (BA Heft
2, Bl. 29) nach.
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Durch Bescheid vom 1. Februar 1989, den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der
Klägerin zugestellt am 9. Juni 1989, lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin ab.
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Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Es sei bereits zweifelhaft, ob es sich bei
der Antragstellerin um die Ehefrau des Herrn A. K. K. handele, da der zuletzt Genannte
in einem Freilassungsbefehl und die Klägerin in ihrem Paß als ledig bezeichnet worden
seien. Deshalb bestünden auch Bedenken, ob die Klägerin überhaupt in die
Nachforschungen der angolanischen Behörden nach dem Verbleib des Herrn K. K.
einbezogen worden sei. Die Behauptung der Klägerin und des Herrn K. K., seine ganze
Familie werde in Angola verfolgt, gehe offensichtlich fehl, weil Herr K. K. in seinem
Asylverfahren (8 K 11041/85 VG Köln) selbst vorgetragen habe, daß der Vetter, der ihm
zur Flucht verholfen habe, bei der angolanischen Botschaft in Portugal beschäftigt sei.
Auch der Umstand, daß dieser Vetter die Fluchtvorbereitungen ohne Beteiligung der
Klägerin oder des Herrn K. K. getroffen haben solle, zeige, daß in Angola gegen die
jeweiligen Personen keinerlei Vorbehalte bestünden. Folge man den Angaben zur
Beschaffung der jeweiligen Sichtvermerke, dann seien diese aufgrund einer an die
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Verbalnote des angolanischen
Außenministeriums erteilt worden. Herr K. K. sei danach mit einem offiziellen Auftrag
aus seiner Heimat ausgereist. Gegen eine Verfolgung des Herrn K. K. und somit auch
der Klägerin selbst spreche, daß Herr K. K. in seinem Asylverfahren die Art seiner
Betätigung für die UNITA unterschiedlich dargestellt habe. Habe diese Tätigkeit nach
seinen Angaben zunächst darin bestanden, daß er Auskünfte über die wöchentliche
Sitzung der JMPLA an die UNITA weitergegeben habe, habe er später angegeben, er
sei von der UNITA aufgefordert worden, in Luanda heimlich Propagandamaterial bzw.
Flugblätter zu verteilen und Parolen an die Mauern und Hauswände zu malen. Dieser
widersprüchliche Vortrag finde seine Erklärung darin, daß Herr K. K. die behaupteten
Ereignisse insgesamt nicht erlebt habe. Geradezu lebensfremd sei die Behauptung des
Herrn K. K., wonach er aus Angola diverse Papiere mitgebracht habe. Denn dieses
hätte ein völlig unnötiges Risiko bedeutet. Nach alledem stehe fest, daß Herr K. K. von
Verfolgungsmaßnahmen der angolanischen Behörden zu keiner Zeit betroffen gewesen
sei. Auch die Bezugnahme der Klägerin auf eine Verfolgung ihres Ehemannes sei somit
wahrheitswidrig vorgetragen worden. Dies werde dadurch bestätigt, daß die Klägerin
die angeblich erlittenen Verfolgungen im Laufe des Verfahrens gesteigert habe. Wäre
die Klägerin tatsächlich von den behaupteten Maßnahmen betroffen gewesen, hätte sie
dies bereits anläßlich der Asylbeantragung bei der Ausländerbehörde des E.-R.-K.
vorgetragen.
Gleichzeitig mit dem Ablehnungsbescheid wurde der Klägerin die Ordnungsverfügung
des Funktionsvorgängers des Beklagten zu 2), des Oberkreisdirektors des E.-R.-K., vom
7. Juni 1989 zugestellt, durch die sie unter Begründung der Fristsetzung aufgefordert
wurde, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats ab
Bestandskraft des Ablehnungsbescheides zu verlassen, und ihr für den Fall, daß sie
nicht freiwillig ausreise, die zwangsweise Abschiebung angedroht wurde. Im übrigen
stellte der Oberkreisdirektor des E.-R.-K. fest, daß § 14 Abs. 1 AuslG 1965 der
Entscheidung nicht entgegenstehe, da nach umfassender Prüfung des Sachverhalts
kein Zweifel daran bestehe, daß weder das Leben der Klägerin noch ihre Freiheit
wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder ihrer Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung in ihrem
Heimatland bedroht sei.
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Daraufhin hat die Klägerin am 5. Juli 1989 Klage erhoben und zur Begründung im
wesentlichen vorgetragen: Das Bundesamt habe zu Unrecht ihr Vorbringen als
unglaubhaft angesehen. Daß sie seit dem 30. Juli 1983 verheiratet sei, ergebe sich aus
der überreichten Heiratsurkunde. Ihr Ehemann sei in dem Freilassungsbefehl vom 15.
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März 1984 noch als ledig bezeichnet worden, weil er kurz nach ihrer Heirat verhaftet
worden sei und nicht mehr den geänderten Personalausweis erhalten habe. In ihrem
Paß sei zur Verschleierung ihres plötzlichen Ausreisebedürfnisses angegeben worden,
daß sie ledig sei. Das Bundesamt habe auch zu Unrecht daraus, daß ihrem Ehemann
ein im Staatsdienst stehender Vetter zur Flucht verholfen habe, geschlossen, daß die
Familie ihres Ehemannes in Angola nicht verfolgt worden sei. In Schwarzafrika sei, was
das Bundsamt nicht bedacht habe, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Familien
besonders groß. Im übrigen habe das Bundesamt zu Unrecht unterstellt, daß den
angolanischen Behörden die familiäre Verbundenheit des fraglichen Vetters mit ihrem
Ehemann bekannt geworden sei. Auch daraus, daß der Vetter ihres Ehemannes die
Fluchtvorbereitungen für ihn und sie ohne ihre Beteiligung getroffen habe, könne nicht
geschlossen werden, daß gegen sie keinerlei Vorbehalte bestanden hätten. Gerade die
Bedrohung ihres Ehemannes und ihre eigene hätten die Fluchthilfe notwendig gemacht.
Es sei möglich, daß der Vetter ihres Ehemannes bei dessen und bei ihrer Flucht einen
Angehörigen des angolanischen Außenministeriums eingeschaltet habe. Daraus, daß
ihr Ehemann ordnungsgemäß ausgereist sei, könne aber nicht geschlossen werden,
daß er seine Heimat in offiziellem Auftrag verlassen habe. Das Bundesamt sei in dem
angefochtenen Bescheid zu Unrecht davon ausgegangen, daß ihr Ehemann und auch
sie selbst nicht verfolgt worden seien, obwohl ihr Ehemann zunächst als
Asylberechtigter anerkannt und der Bescheid des Bundesamtes nur deshalb
aufgehoben worden sei, weil das Verwaltungsgericht das Verfolgungsschicksal ihres
Ehemannes als in die in Angola bestehende Bürgerkriegssituation eingebettet und
deshalb als nicht asylrelevant gewertet habe. Diese Rechtsprechung, auf die sich das
Verwaltungsgericht gestützt habe, sei im übrigen aufgrund der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, das die Bewertung von Bürgerkriegssituationen auf ihren
berechtigten Kern zurückgeführt habe, überholt. Das Vorbringen ihres Ehemannes sei
auch nicht widersprüchlich. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, daß sich
die Ausländerbehörden bei der Befragung von Asylbewerbern darauf beschränkten
festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Unbeachtlichkeit eines Asylantrages
vorliegen. Daß ihr Ehemann die Papiere, aus denen sich u. a. sein Gefängnisaufenthalt
ergebe, bei seiner Flucht mitgenommen habe, habe er nie behauptet. Aus der Vorlage
der fraglichen Papiere könnten daher gegen das Vorbringen ihres Ehemannes und ihr
eigenes Vorbringen keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Soweit ihr
vorgehalten werde, daß sie ihr Verfolgungsschicksal nicht schon bei der Stellung ihres
Asylantrages ausführlich dargestellt habe, gelte ebenfalls, daß das Ausländeramt des
E.-R.-K. an einer detaillierten Aufklärung ihres Verfolgungsschicksals bei der
Asylantragstellung nicht interessiert gewesen sei. Da sie nach alledem vorverfolgt
ausgereist sei, könne ihr Asylschutz nur dann versagt werden, wenn eine erneute
politische Verfolgung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne.
Hiervon könne jedoch trotz des zwischenzeitlich abgeschlossenen Waffenstillstandes
keine Rede sein.
Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu 1) unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 1.
Februar 1989 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen,
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2. die Ordnungsverfügung des Oberkreisdirektors des E.-R.-K. vom 7. Juni 1989
aufzuheben.
14
Die Beklagten haben schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und
zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Es könne dahingestellt bleiben, ob die
Klägerin im Zeitpunkt der Ausreise aus Angola einer Verfolgung aus asylerheblichen
Gründen ausgesetzt gewesen sei; denn jedenfalls könne mit hinreichender Sicherheit
ausgeschlossen werden, daß ihr im Falle der Rückkehr heute und in absehbarer
Zukunft eine solche Verfolgung drohe. Denn der in Angola entbrannte Bürgerkrieg sei
durch das im Mai 1991 abgeschlossene Friedensabkommen beendet worden. Die
Klägerin könne sich auch nicht auf asylrechtlich beachtliche Nachfluchtgründe berufen.
Zunächst lasse sich nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit
feststellen, daß die Klägerin bei einer Rückkehr nach Angola wegen eines möglichen
Verstoßes gegen Ausreisebestimmungen oder wegen der Asylantragstellung
schwerwiegende staatliche Repressalien befürchten müßte. Dies gelte auch, soweit
Rückkehrer seitens der Regierung als ehemalige Oppositionelle eingestuft würden. Die
Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990. Obwohl das Bundesamt insoweit keine
Entscheidung getroffen habe, sei diese Feststellung gemäß §§ 7 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs.
6 Satz 3 AsylVfG 1991 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Klägerin erfülle
die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 nicht, da für eine Bedrohung ihres
Lebens oder ihrer Freiheit jedenfalls nach der Entspannung der politischen Lage in
Angola nichts ersichtlich sei. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) sei gleichfalls
unbegründet. Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer
auf § 28 AsylVfG 1982 gestützten Ordnungsverfügung sei, wie sich insbesondere aus §
8 a Abs. 2 AsylVfG 1991 ergebe, der Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen
Entscheidung. Abschiebungshindernisse stünden der Ordnungsverfügung nicht
entgegen. Ein formelles Aufenthaltsrecht der Klägerin bestehe mangels einer erteilten
Aufenthaltserlaubnis oder Duldung ebensowenig wie ein Rechtsanspruch auf
Ermöglichung des Aufenthalts. Es gebe derzeit auch keine allgemeine Praxis der
Ausländerbehörden, den Aufenthalt angolanischer Staatsangehöriger nach Ablehnung
des Asylantrages weiterhin zu dulden. Insbesondere könne sich die Klägerin nicht mit
Erfolg auf Nr. 4.4 der sog. "Altfallregelung" des Innenministers des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 19. Juni 1990 berufen, weil ihr Ehemann selbst nicht zu den
bleibeberechtigten Ausländern gehöre. Eine Aufenthaltserlaubnis sei ihm nicht erteilt
worden. Ob ihm ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem
"Altfallerlaß" zustehe, könne gerichtlich nicht mehr beurteilt werden, weil dieser Erlaß
seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes 1990 keine Gültigkeit mehr habe und
inzwischen auch gemäß Nr. 7 des Runderlasses des Innenministeriums des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 26. Februar 1991 aufgehoben worden sei. Erst recht könne
die Klägerin als Ehefrau keine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung aus abgeleitetem
Recht beanspruchen. Nach der im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung anzuwendenden Übergangsregelung für ehemalige Asylbewerber des §
100 AuslG 1990 stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltsbefugnis zu, weil sie sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des genannten
Ausländergesetzes nicht seit mindestens acht Jahren im Bundesgebiet aufgehalten
habe. Schließlich lasse auch die Bemessung der Ausreisefrist keinen Ermessensfehler
erkennen.
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Auf Antrag der Klägerin hat der früher zuständig gewesene 22. Senat des erkennenden
Gerichts durch Beschluß vom 29. Juni 1992 - 22 A 89/92.A - die Berufung gegen das
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Urteil des Verwaltungsgerichts gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG 1982 iVm § 138 Nr. 1
VwGO wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts zugelassen.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung im wesentlichen vor: Das
Rechtsschutzinteresse bestehe fort. Seitens des Ausländeramtes des E.-R.-K. sei ihr
zwar in den Jahren 1994/95 angeboten worden, ihr eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen,
wenn sie ihren Asylantrag zurücknehme. Dies habe sie jedoch abgelehnt, da ihr im
Falle einer Anerkennung als Asylberechtigte eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu
erteilen wäre. Das angefochtene Urteil setze sich mit ihrem Vorbringen zu ihrem
Verfolgungsschicksal nicht auseinander, sondern verneine einen Anspruch auf
Anerkennung als Asylberechtigte ausschließlich mit der Begründung, aufgrund des am
31. Mai 1991 unterzeichneten Friedensabkommens für Angola gebe es dort derzeit
prinzipiell keine politische Verfolgung mehr. Die erschreckende Realitätsblindheit dieser
Behauptung bedürfe inzwischen keiner Begründung mehr. Der durch das
Friedensabkommen vom 31. Mai 1991 im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung
gerade erst eingeleitete Friedensprozeß habe nach dem Abkommen selbst erst
aufgrund der für Ende 1992 vorgesehenen Wahlen zum Abschluß kommen sollen. Die
Wahlen hätten jedoch den Bürgerkrieg in schlimmeren Formen wiederaufflammen
lassen als vor dem Abschluß des Friedensabkommens. Diese Fehleinschätzung dürfe
sich in bezug auf das neue Friedensabkommen vom November 1994 nicht wiederholen.
Realität sei, daß die Umsetzung dieses Friedensabkommens bisher weit hinter dem
vereinbarten Terminplan zurückgeblieben und daß die Verfolgung wirklicher oder
vermeintlicher UNITA-Anhänger durch die angolanischen Behörden weiterhin an der
Tagesordnung sei. Folge man der Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß auch über
die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 zu
entscheiden sei, obwohl das Bundesamt insoweit keine Entscheidung getroffen habe,
müsse dies auch für das Berufungsverfahren gelten. Daß die Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG 1990 vorlägen, ergebe sich aus dem bereits Ausgeführten. Da sie als
Asylberechtigte anzuerkennen sei, müsse bereits aus diesem Grunde die
Ordnungsverfügung des Oberkreisdirektors des E.-R.-K. aufgehoben werden. Da
maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der Zeitpunkt der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sei, ergebe sich ihre Berechtigung, sich im
Bundesgebiet aufzuhalten, auch aus folgenden Gesichtspunkten: Entgegen der Ansicht
des Verwaltungsgerichts habe sie aufgrund der Nr. 4.4 der sog. Altfallregelung gemäß
Runderlaß des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. Juni 1990
Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Gemäß § 95 Abs. 1 AuslG 1990
blieben die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes getroffenen ausländerrechtlichen
Maßnahmen wirksam. Damit blieben auch die durch die Altfallregelung begründeten
Ansprüche, in ihrem und im Fall ihres Ehemannes auf Aufenthaltsgenehmigung,
hilfsweise Duldung, bestehen und seien zu erfüllen. Es müsse davon ausgegangen
werden, daß die notwendige medizinische Versorgung ihres zu 80 v. H. behinderten
Kindes P. in Angola nicht gewährleistet wäre. Sei mithin die Belassung des Kindes im
Bundesgebiet zum Schutze seines Lebens unabweisbar notwendig, so gelte dies
wegen des Schutzes der Familie (Art. 6 GG) auch für sie selbst. Sie habe zumindest
einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus dringenden humanitären
Gründen (§ 30 AuslG 1990). Im übrigen sei sie inzwischen der Stadt Hagen zugewiesen
worden, so daß die Zuständigkeit des Oberkreisdirektors des E.-R.-K. bzw. jetzt des
Beklagten zu 2) als Ausländerbehörde für sie entfallen sei.
19
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Beweisantrag vom
4. Dezember 1997 schriftlich zu den Gerichtsakten überreicht des Inhalts,
20
eine Auskunft des Direktors der Kinderchirurgischen Klinik der Städtischen Kliniken D.,
B.-straße .., D., über den am 7. Juni 1989 bestehenden Gesundheitszustand ihres
Sohnes P. K. K. einzuholen,
21
und es in das Ermessen des Senats gestellt, ob über diesen Antrag sogleich oder erst
mit der Endentscheidung befunden wird. Im übrigen beantragt die Klägerin,
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1. das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu 1) unter Aufhebung des
Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 1.
Februar 1989 zu verpflichten, sie, die Klägerin, als Asylberechtigte anzuerkennen sowie
die Beklagte zu 1) ferner zu verpflichten festzustellen, daß in ihrer, der Klägerin, Person
die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,
23
2. die Ordnungsverfügung des Funktionsvorgängers des Beklagten zu 2) vom 7. Juni
1989 aufzuheben.
24
Die übrigen Beteiligten haben keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
25
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und des Sachverhalts im übrigen
wird auf die Gerichtsakten, die von beiden Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgänge, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu 1) bezüglich des
Ehemannes der Klägerin, die Gerichtsakten 8 K 11041/85 VG Köln (Ehemann der
Klägerin) und 8 K 11249/89 VG Köln (Nichte des Ehemannes der Klägerin) Bezug
genommen. Hinsichtlich der im übrigen verwerteten Erkenntnisse wird auf die den
Beteiligten bekannte Erkenntnismittelliste "Angola" (Stand: Oktober 1997) verwiesen.
26
Entscheidungsgründe:
27
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen
die Beklagte zu 1) auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG oder
Feststellung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
1990 nicht zu. Auch die Ordnungsverfügung des Oberkreisdirektors des E.-R.-K. vom 7.
Juni 1989, des Funktionsvorgängers des Beklagten zu 2), ist nicht zu beanstanden.
28
Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1993 stellt das Gericht in Streitigkeiten nach diesem
Gesetz, d. h. soweit es um die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung
des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 geht, auf die Sach-
und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - nur diese Alternative
kommt hier in Betracht - ab.
29
Danach ist das Begehren der Klägerin, die Beklagte zu 1) zu ihrer Anerkennung als
Asylberechtigte zu verpflichten, unbegründet.
30
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Verfolgt im Sinne
dieser Vorschrift ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in
Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung
oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, (asylerhebliche
Merkmale) gefährdet oder verletzt werden. Es muß sich um gezielte staatliche oder
jedenfalls dem Staat zuzurechnende Rechtsverletzungen handeln, die den einzelnen
ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit
31
ausgrenzen und die ihn landesweit in eine ausweglose, d. h. seinen weiteren Verbleib
im Lande - unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten - nicht zulassende Lage bringen. Die
Verfolgungsmaßnahme kann dem einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches
Merkmal gekennzeichneten Gruppe - und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem
einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit - gelten.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1989 - BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315,
333 ff., und 23. Januar 1991 - BvR 1902/85 und 515, 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 =
NVwZ 1991, 768 = DVBl. 1991, 531; Urteil des Senats vom 21. August 1997 - 1 A
3866/92.A -.
32
Nach dem durch den Zufluchtgedanken geprägten, also auf dem Kausalzusammenhang
Verfolgung-Flucht-Asyl beruhenden normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für
die Beurteilung, ob ein Asylsuchender asylberechtigt ist, unterschiedliche Maßstäbe je
nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar
drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die
Bundesrepublik Deutschland gekommen ist. Im erstgenannten Fall ist Asyl zu
gewähren, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung - den gleichen oder einen
ähnlichen Verfolgungsanlaß betreffend - nicht hinreichend sicher sein kann. Andernfalls
kann ein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn dem Asylbewerber bei seiner Rückkehr
politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
33
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 10. Juli 1989 - BvR 502, 1000, 961/86 -, aaO, S. 345 f.;
BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1997 - 9 C 9.96 -, DVBl. 1997, 908.
34
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat der Asylsuchende seine Gründe für
eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er muß unter Angabe
genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als
wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die erfolgte Verfolgung ergibt. Bei den in
die eigene Sphäre des Asylsuchenden fallenden Ereignissen, insbesondere seinen
persönlichen Erlebnissen, muß der Asylsuchende eine Schilderung geben, die geeignet
ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen. Bleibt der Kläger hinsichtlich dieser eigenen
Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern
eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen.
35
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 1984 - 9 C 141.83 -, InfAuslR 1984, 292, 293.
36
Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit
des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals zu verschaffen. Ein
sachtypischer Beweisnotstand ist im Rahmen der Überzeugungsbildung zu
berücksichtigen.
37
Vgl. Hailbronner, aaO, Teil B 1, Art. 16 a GG RdNr. 255 ff., m. w. N.
38
In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe und unter Würdigung der in das Verfahren
eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens der Klägerin kann der Senat weder
feststellen, daß die Klägerin ihr Heimatland auf der Flucht vor politischer Verfolgung
verlassen hat, noch mit der danach erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit
feststellen, daß ihr bei Rückkehr in ihre Heimat politische Verfolgung droht.
39
Seine Überzeugung, daß die Klägerin Angola unverfolgt verlassen hat, stützt der Senat
40
auf folgende Überlegungen:
Die Klägerin hat zwar bei ihrer Anhörung im Rahmen der Vorprüfung am 21. Dezember
1988 detailreich dargelegt, daß sie mehrfach von den angolanischen
Sicherheitsbeamten schwer geschlagen und einmal vergewaltigt worden sei. Der Senat
hält dieses Vorbringen der Klägerin zu ihrem eigenen Verfolgungsschicksal jedoch aus
folgenden Gründen für unglaubhaft:
41
1. Zunächst hat die Klägerin ihr Vorbringen immer mehr gesteigert. Kurz nach ihrer
Einreise hat sie am 16. Oktober 1986 lediglich angegeben: Den zuständigen Stellen in
Angola sei aufgefallen, daß ihr Ehemann das Land verlassen habe. Sie habe daher in
Angola Schwierigkeiten bekommen. Es seien laufend die Sicherheitsbehörden bei ihr
erschienen und hätten Nachfrage nach ihrem Ehemann gehalten. Der Druck der
Sicherheitsbehörden auf sie sei immer intensiver geworden. Sie habe dann
festgenommen werden sollen und sei gesucht worden. Daraufhin habe sie das Land
verlassen. Von irgendwelchen Verhaftungen, geschweige Mißhandlungen ist insoweit
noch keine Rede.
42
Insofern ist der Klägerin zwar zuzugestehen, daß bei der ersten Vernehmung oder bei
der ersten Äußerung zu den Gründen für die Flucht nicht sofort ein lückenloser und in
jeder Hinsicht schlüssiger und substantiierter Sachvortrag erwartet werden kann, der
später keinen Ergänzungen mehr zugänglich wäre.
43
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 29. Januar 1991 - 2 BvR 1384/90 -, InfAuslR 1991, 171;
Hailbronner, aaO, Teil B 1, Art. 16 a GG, RdNr. 258.
44
Das Verfolgungsschicksal muß jedoch regelmäßig - soll es dem Grunde nach als
glaubhaft einschätzbar sein - in seinem Kern dargelegt werden.
45
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 12. März 1992 - 2 BvR 721/91 -, InfAuslR 1992, 231, 233;
BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 -, InfAuslR 1991, 310, 311; Urteil des
Senats vom 21. August 1997 - 1 A 3866/92.A -.
46
Daß sie gefoltert und vergewaltigt worden und daß ihr ein Kind entführt worden sei, ist
ihren Angaben beim Ausländeramt des E.-R.-K. aber nicht einmal ansatzweise zu
entnehmen. Gleiches gilt für den Inhalt des Schreibens vom 29. Oktober 1986, mit dem
die Klägerin durch ihren damaligen Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. P.
aus D., dem Ausländeramt des E-R.-K. u. a. mitteilen ließ, daß sie dreimal zu Verhören
verhaftet worden sei und daß beim letzten Mal ihr von dem Beamten erklärt worden sei,
sie werde in den nächsten Tagen erneut zum Sicherheitsbüro gebracht. Darin liegt
gegenüber dem ersten Vorbringen insoweit eine Konkretisierung, als nunmehr immerhin
Verhaftungen erwähnt werden. Auch mit diesem Schreiben erfolgte aber noch keinerlei
Hinweis auf irgendwelche Mißhandlungen oder die Kindesentführung. Hätte die
Klägerin derartige Maßnahmen erlitten, so hätte nichts näher gelegen, sie zur Stützung
ihres Asylbegehrens jedenfalls dann vorzubringen, wenn etwa zwei Wochen nach der
Flucht ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird. Schon der Umstand, daß die Klägerin
derartigen Vortrag nicht zeitnah zu ihrer Ausreise aus Angola gehalten, vielmehr erst
etwa zwei Jahre später Maßnahmen erwähnt hat, die ihrer Art und Intensität nach
geeignet sind, einschlägige Anforderungen an die Rechtsgutbeeinträchtigung
(Verfolgungshandlung) zu erfüllen, weckt durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit
dieses Vorbringens. Dies gilt umso mehr als die anwaltlich vertretene Klägerin nicht von
47
sich aus Anlaß gesehen hat, Erklärungen dazu abzugeben, aus welchen Gründen sie
erstmals Ende 1988 den Versuch unternommen hat, einen schlüssigen Vortrag zu ihrem
Verfolgungsschicksal zu halten. Entsprechende Erklärungen sind hier nicht etwa nur auf
Vorhalt zu erwarten gewesen. Es wird vielmehr zugrundegelegt, daß ein Asylsuchender
von Anfang an die Wahrheit - wenn auch gegebenenfalls lückenhaft - sagt. Wenn der
entsprechende erste Vortrag - als wahr unterstellt - nichts Erhebliches enthält, ist es
allein Sache des Asylbewerbers, von sich aus schlüssige Erklärungen dazu abzugeben,
weshalb der "schlüssige" Vortrag - wie hier - "verspätet" erfolgt ist. Mit einem angeblich
fehlenden Interesse der Ausländerbehörde an der Kenntnisnahme von
Verfolgungsschicksalen ist eine derartige Erklärung nicht geleistet. Dies rechtfertigt die
Würdigung des Vortrags der Klägerin vor dem Bundesamt als nicht der Wahrheit
entsprechenden Versuch, mit Hilfe von möglichst konkret geschilderten
Foltermaßnahmen bis hin zur Kindesentführung ihrem Asylbegehren eine zuvor
fehlende Stütze zu verschaffen.
2. Gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin spricht ferner, daß ihr Ehemann, obwohl zu
ihm (nach dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bekräftigten
Vorbringen) über einen Vetter von Beginn seiner Flucht an ein gewisser Kontakt
bestanden hat, während seines gesamten Asylverfahrens von ihren schweren
Folterungen und der Wegnahme des gemeinsamen Kindes nichts erwähnt hat. Wenn
dieses alles tatsächlich geschehen wäre, hätte ihn die Klägerin nach Überzeugung des
Senats, auf welchem Wege auch immer, unterrichtet und hätte der Ehemann der
Klägerin dieses zur Stützung seines Asylbegehrens vorgetragen.
48
3. Gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin spricht des weiteren, daß nicht
nachvollziehbar ist, weshalb die angolanischen Sicherheitsbehörden angesichts der
unter Berücksichtigung des seinerzeit in Angola herrschenden Bürgerkrieges
verhältnismäßig geringen Vergehens ihres Ehemannes seit dessen Flucht im November
1984 bis September 1986 so intensiv nach ihm geforscht haben sollen. Im übrigen ist
auch unglaubhaft, daß die angolanischen Sicherheitsbehörden nicht längst gewußt
haben, daß ihr - mit dem Flugzeug ausgereister - Ehemann das Land verlassen hatte
und wo er sich befand. Die Klägerin, die letztmalig im September 1986 gefoltert worden
sein will, hat bei ihrer Einreise im Oktober 1986 selbst angegeben, den angolanischen
Behörden sei inzwischen bekannt, daß sich ihr Ehemann in der Bundesrepublik
Deutschland aufhalte.
49
4. Darüber hinaus ist auch unglaubhaft, daß die Klägerin drei schwere Folterungen über
sich hat ergehen lassen, ohne den Aufenthaltsort ihres Ehemannes zu verraten. Denn
ihr Ehemann befand sich damals schon lange in der Bundesrepublik Deutschland in
Sicherheit, so daß sie seinen Aufenthaltsort, ohne ihn zu gefährden, ohne weiteres hätte
angeben können.
50
5. Schließlich ist die Schilderung ihrer (angeblichen) Folterungen nicht frei von
Widersprüchen. Zunächst einmal hat die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem
Bundesamt und bei ihrer Anhörung vor dem Senat von zwei Narben an den Beinen
gesprochen, während im Attest des Arztes Dr. I. vom 28. Dezember 1988 von einer
Narbe auf dem Rücken und einer Narbe am Bein die Rede ist. Zum anderen ist nicht
nachvollziehbar, daß die Klägerin die Peitsche, mit der sie bei ihrer letzten Folterung
geschlagen worden sein will, bis in das kleinste Detail schildern konnte, während sie
zum Aussehen der Peitsche bei den ersten beiden Folterungen keinerlei Angaben
machen konnte.
51
Auch im Hinblick auf das Vorbringen ihres Ehemannes im Rahmen seines
Asylverfahrens kann nicht von einer Verfolgung der Klägerin ausgegangen werden.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Ehemann der Klägerin in der behaupteten
Weise verfolgt worden ist. Gegen eine Verfolgung ihres Ehemannes bestehen deshalb
gewisse Bedenken, weil die angeblich von ihm begangenen Vergehen relativ
unbedeutend gewesen sind und sein Vorbringen insoweit auch widersprüchlich ist.
Letztlich kommt es auf eine Verfolgung des Ehemannes der Klägerin nicht an. Es mag
zwar sein, daß zum maßgeblichen Zeitpunkt der Flucht der Klägerin angolanische
Staatsangehörige, die mit der UNITA in Verbindung gebracht wurden, mit Maßnahmen
durch die Sicherheitsbehörden zu rechnen hatten.
52
Vgl. Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das OVG NW vom 2. Juli 1986 und an das
Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht vom 23. Oktober 1986.
53
Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß generell auch gegen
Familienangehörige vorgegangen worden ist. Dies gilt um so mehr, wenn - wie hier - der
Angehörige sich schon längere Zeit außer Landes befunden hat und von ihm daher
gegenwärtig keine Gefahr mehr ausgegangen ist. Auch amnesty international geht
lediglich davon aus, daß a k t i v e Mitglieder von UNITA Verfolgungsmaßnahmen
ausgesetzt gewesen sind.
54
Vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Köln vom 11. Dezember 1986.
55
Nachprüfbare Informationen über eine Sippenhaft liegen nicht vor.
56
Vgl. Auskünfte von amnesty international an das VG Köln vom 14. März 1989 und vom
Auswärtigen Amt ebenfalls an das VG Köln vom 20. März 1989.
57
Soweit laut amnesty international eine Reihe von Fällen bekannt ist, in denen
Familienangehörige von UNITA-Mitgliedern aufgrund ihrer verwandtschaftlichen
Beziehungen verfolgt wurden, werden nähere Umstände nicht mitgeteilt.
58
Vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Ansbach vom 19. Juni 1991 und
Lagebericht des Referats für politische Flüchtlinge (Angola) vom 20. September 1991.
59
Auch die von der Klägerin selbst nach Verlassen ihres Heimatstaates aus eigenem
Entschluß geschaffenen, sog. subjektiven Nachfluchtgründe wie die illegale bzw. unter
falschen Angaben erfolgte Ausreise aus Angola, der unerlaubte Aufenthalt im
Bundesgebiet und die Asylantragstellung führen schon deshalb nicht zur Anerkennung
als Asylberechtigte, weil diese Gründe unbeachtlich sind. Denn es ist nicht erkennbar,
daß diese selbst geschaffenen Nachfluchttatbestände auf einer latenten
Gefährdungslage beruhen oder sich als Ausdruck und Fortführung einer schon während
des Aufenthalts im Heimatland vorhandenen und erkennbar betätigten festen
Überzeugung darstellen.
60
Vgl. zu diesen Voraussetzungen für die Beachtlichkeit selbst geschaffener
Nachfluchtgründe: BVerfG, Beschluß vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -,
BVerfGE 74, 51; BVerwG, Urteile vom 30. August 1988 - 9 C 80.87 -, BVerwGE 80, 131,
und vom 17. Januar 1989 - 9 C 56.88 -, BVerwGE 81, 170.
61
Das Begehren auf Verpflichtung der Beklagten zu 1) festzustellen, daß in der Person der
Klägerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorliegen, ist ebenfalls nicht
begründet.
62
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Feststellung des
Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 auch Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens, obwohl das Bundesamt eine solche Entscheidung bisher nicht
getroffen hat. Dieses Begehren ist vielmehr mit der im Asylverfahrensgesetz 1991
unmittelbar vorgenommenen Erweiterung des Streitgegenstandes eines schon zum
damaligen Zeitpunkt anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die
Anerkennung als Asylberechtigter diesem gemäß § 43 Nr. 2 Satz 1 iVm § 7 Abs. 1
AsylVfG 1991 zugewachsen.
63
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -, NVwZ 1992, 892; OVG NW,
Urteil vom 16. November 1995 - 20 A 3402/91.A -.
64
Dieser Rechtslage hat die Klägerin ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat angepaßt.
65
Nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben
werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,
Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder
seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Bezüglich der Anforderungen an die
Bejahung einer politischen Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 gilt
insbesondere in bezug auf Verfolgungshandlung, geschütztes Rechtsgut und
politischen Charakter der Verfolgung dasselbe wie für die politische Verfolgung iSd Art.
16 a Abs. 1 GG. Auch die Differenzierung der Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe gilt
entsprechend.
66
Vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -, aaO, vom 26. Oktober
1993 - 9 C 50.92 u. a. -, NVwZ 1994, 500 und vom 18. Januar 1994 - 9 C 48.92 -, DVBl.
1994, 531 = NVwZ 1994, 497.
67
Da die Klägerin, wie ausgeführt, Angola unverfolgt verlassen hat, könnte ihr Begehren
nur Erfolg haben, wenn ihr bei ihrer Rückkehr politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht. Bei der Beurteilung, ob einem Ausländer politische
Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, ist eine "qualifizierende"
Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten
Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit
einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden
"zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts" die
für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb
gegenüber den dagegen sprechenden Umständen überwiegen. Die Verfolgung muß in
diesem Sinne überwiegend wahrscheinlich sein. Entscheidend ist dabei, ob aus der
Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des
Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den
Heimatstaat als unzumutbar erscheint.
68
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162, 169, m. w.
N.
69
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
70
Eine Gefahr für de Klägerin könnte sich allenfalls aus der Sympathie ihres Ehemannes
für die UNITA ergeben. Denn die Klägerin hat selbst nie behauptet, Mitglied oder
Sympathisantin der UNITA zu sein. Es ist bereits zweifelhaft, ob selbst der Ehemann der
Klägerin bei einer Rückkehr nach Angola gefährdet wäre. Erst recht gilt dies für die
Klägerin. Denn die Lage in Angola hat sich zwischenzeitlich grundlegend geändert, so
daß jedenfalls der Klägerin bei ihrer Rückkehr keine politische Verfolgung mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Die allgemeine politische Lage und militärische
Situation in Angola sieht nunmehr folgendermaßen aus:
71
Nach einem 16 Jahre dauernden Bürgerkrieg - im wesentlichen - zwischen der MPLA
(Volksbewegung zur Befreiung Angolas) und der UNITA (Union für Totale
Unabhängigkeit Angolas), in dem Kuba und die Sowjetunion die MPLA, Südafrika und
die USA die UNITA unterstützten, kam es Ende Mai 1991 zur Unterzeichnung eines
Friedensabkommens. Das Einparteienregime, das seit der Unabhängigkeit (1975)
bestand, verlor weitgehend seinen repressiven Charakter und leitete den Übergang zu
einer Mehrparteiendemokratie ein.
72
Vgl. Auskunft des Instituts für Afrika-Kunde an das VG Ansbach vom 20. Februar 1992;
Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Angola vom 30. Juli 1992.
73
Nach verschiedenen Rückschlägen unternahmen die Bürgerkriegsparteien einen
erneuten Versuch, den Bürgerkrieg zu beenden. Am 20. November 1994 wurde in der
sambischen Hauptstadt Lusaka ein Abkommen zur Umsetzung des früher
geschlossenen Friedensvertrages unterzeichnet (sog. Lusaka- Protokoll).
74
Vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Göttingen vom 14. November 1995.
75
Dieser Vertrag zielte auf einen Waffenstillstand, die Demobilisierung der Truppen
(namentlich der UNITA), die Integration der Rebellentruppen und regulären Armee bei
drastischer Verminderung der unter Waffen stehenden Verbände und schließlich eine
Wiederholung der Wahlen von 1992 nebst Einführung einer demokratisch legitimierten
Regierung.
76
Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Angola vom 29. Dezember 1995;
Auskunft des Instituts für Afrika-Kunde an das VG Aachen vom 18. Dezember 1995.
77
Die Vereinten Nationen unterstützten diesen Friedensprozeß nachhaltig. Mit der
Resolution des Sicherheitsrates 976/95 vom 8. Februar 1995 wurde UNAVEM III
eingesetzt, das die Stationierung von 7.000 Blauhelm-Soldaten und 600 Militär- und
Polizeibeobachtern vorsah.
78
Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Angola vom 1. Juni 1995.
79
Dem steht nicht entgegen, daß es seitens der MPLA und der UNITA immer wieder zu
Übergriffen kommt.
80
Vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Göttingen vom 14. November 1995.
81
Nach Krisen im August und Dezember 1995 wurde das Lusaka- Protokoll umgesetzt,
82
und die vorgesehenen Truppen der Vereinten Nationen wurden in Angola stationiert.
Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Ansbach vom 2. Februar 1996.
83
Die Umsetzung des Lusaka-Protokolls und des Friedensprozesses verlaufen insgesamt
sehr schleppend.
84
Vgl. Auskunft des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen an das VG
Frankfurt/Oder vom 28. August 1996.
85
Die Vereinten Nationen - UNAVEM III - bestätigten jedoch am 13. Dezember 1996: Der
militärische Teil des Lusaka-Protokolls sei abgeschlossen. Allerdings müßten die noch
offenen politischen Fragen gelöst werden. Insgesamt sei die Basis für einen dauerhaften
Frieden in den letzten Monaten deutlich konsolidiert. Angola sei nicht mehr Schauplatz
eines Bürgerkrieges, sondern ein Land in einer Nach-Konflikt- Situation.
86
Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Angola vom 15. Januar 1997.
87
Allerdings bereitet die Bildung der vorgesehenen Regierung der Einheit und Nationalen
Versöhnung immer noch Schwierigkeiten.
88
Vgl. Internationales Afrikaforum 1997, S. 46.
89
Eine unmittelbare politische Verfolgung findet in Angola nicht statt.
90
Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Angola vom 15. Januar 1997.
91
Die Angehörigen der UNITA, die im Laufe des Friedensprozesses den Weg in die
Hauptstadt gefunden haben, bewegen sich frei und ungehindert in Luanda, und zwar
auch dann, wenn sie sich für die UNITA in Deutschland betätigt haben.
92
Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Arnsberg vom 10. April 1996.
93
Zwar kann nach Einschätzung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten
Nationen beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren (Herkunftsregion, ethnische
Zugehörigkeit, tatsächliche oder vermutete Sympathie oder aktive Unterstützung der
UNITA) eine politische Verfolgung des Betroffenen nicht ausgeschlossen werden.
94
Vgl. Auskunft des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen an das VG
Frankfurt/Oder vom 28. August 1996.
95
Damit sind die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990, soweit es sich - wie hier -
um Asylbewerber handelt, die Angola unverfolgt verlassen haben, jedoch nicht erfüllt.
Denn auch der Hohe Flüchtlingskommissar vertritt nicht die Auffassung, daß - worauf es
im vorliegenden Zusammenhang allein ankommt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit
für eine politische Verfolgung von Mitgliedern oder Sympathisanten der UNITA besteht.
96
Allerdings wird von amnesty international - jedoch nur aufgrund der politischen Lage
und ohne konkrete Fälle zu nennen - die Gefahr einer Verfolgung wegen des Verdachts
einer Mitgliedschaft oder Zusammenarbeit mit der UNITA höher eingeschätzt.
97
Vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Aachen vom 27. Juni 1996.
98
Aber auch amnesty international kommt lediglich zu dem Ergebnis, es könne nicht
ausgeschlossen werden, daß Personen, die in den Verdacht geraten sind, z. B.
aufgrund ihrer Ethnie, ihrer Herkunftsregion oder aufgrund familiärer Vorbelastungen der
UNITA anzugehören oder diese zu unterstützten, Opfer von politischer Verfolgung
werden.
99
Vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Aachen vom 25. Juni 1996.
100
Soweit amnesty international konkrete Fälle einer Verfolgung von UNITA-Anhängern
oder Sympathisanten nennt, handelt es sich um herausgehobene Personen. Im übrigen
schließt amnesty international weithin lediglich aufgrund der gespannten Lage in
Angola auf eine allgemeine Gefährdung nach Angola zurückkehrender Personen.
101
Vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Göttingen vom 14. November 1995.
102
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Auskunft von amnesty international an das
Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 29. September 1997. Diese Auskunft ist in der
den Beteiligten übersandten Erkenntnisliste zwar noch nicht aufgeführt, dem
Prozeßbevollmächtigten der Klägerin jedoch bekannt und von ihm selbst in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat in den Prozeß eingeführt worden. Aus dieser
Auskunft ergibt sich, daß sich die Lage in Angola wieder verschlechtert hat. Daß die
Klägerin bei ihrer Rückkehr nach Angola mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer
Verfolgung zu rechnen hat, läßt sich der Auskunft jedoch nicht entnehmen.
103
Die Auffassung, daß für Mitglieder oder Sympathisanten der UNITA keine beachtliche
Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung gegeben ist, wird auch von anderen
Gerichten geteilt.
104
Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Oktober 1996 - 8 A 12432/96 -; Nds. OVG,
Urteil vom 3. Mai 1996 - 1 L 5833/95 -; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. April 1995 -
2 L 10/94 -; Hess. VGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - 13 UE 4758/88 -; OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Dezember 1991 - 13 A 10402/89.OVG -.
105
Es läßt sich auch nicht feststellen, daß der Klägerin wegen illegaler Ausreise, ihres
Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und/oder Asylantragstellung politische
Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Für die Vergangenheit hat dies
der früher für Angola zuständig gewesene 22. Senat des erkennenden Gerichts
hinsichtlich des Überschreitens der höchst zulässigen Aufenthaltsdauer und der
Asylantragstellung bereits festgestellt.
106
Vgl. OVG NW, Urteil vom 23. November 1989 - 22 A 10143/89.A -.
107
Die dem Senat vorliegenden neueren Erkenntnisse geben zu einer anderen Beurteilung
keinen Anlaß. Dem Auswärtigen Amt ist keine Verfolgung zurückgekehrter Angolaner
bekannt.
108
Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Angola vom 15. Januar 1997.
109
Dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen liegen keine Erkenntnisse
110
vor, die belegen würden, daß angolanische Staatsangehörige eine politische
Verfolgung in Angola a l l e i n e aufgrund einer illegalen Ausreise aus Angola oder
eines länger als erlaubten Auslandsaufenthaltes oder des Umstandes der
Asylantragstellung zu befürchten hätten. Dem steht nicht entgegen, daß alle Angolaner
bei einer Einreise über Grenzübergangsstellen an See- und Flughäfen einer Kontrolle
durch die maßgeblichen Behörden unterliegen und es in Einzelfällen im
Zusammenhang mit asylrelevanten Faktoren zu einer politischen Verfolgung bzw.
konkreten Gefährdung kommen kann.
Vgl. Auskunft des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen an das
Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder vom 28. August 1996.
111
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung nur wegen illegaler
Ausreise, unerlaubten Aufenthalts im Ausland oder Asylantragstellung besteht danach
nicht.
112
Auch amnesty international hat sich dahin geäußert, daß keine aktuellen Fälle von
Verfolgung von Rückkehrern u. a. wegen eines möglichen Verstoßes gegen
Ausreisebestimmungen, langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland
oder Asylantragstellung bekannt seien.
113
Vgl. Auskunft von amnesty international an das Verwaltungsgericht Aachen vom 25.
Juni 1996.
114
Ferner sehen die Missionschefs der EU-Mitgliedsstaaten in Luanda/Angola bei
Rückkehr nach Angola keine Gefahren:
115
"Wer politisches Asyl beantragt hat, gilt nicht als Straftäter, und Rückkehrer werden
deswegen nicht behelligt. Es entgeht der Aufmerksamkeit der angolanischen Behörden
nicht und wird gelegentlich auch offen von ihnen zugegeben, daß die überwiegende
Mehrheit der Asylanträge aus wirtschaftlichen und sozialen und nicht aus politischen
Gründen gestellt wird. Die Abschiebung nach Angola oder die Rückkehr nach einem
langjährigen Aufenthalt im Ausland kann zu einer längeren Befragung durch die Polizei
am Flughafen führen. Es ist jedoch kein Fall bekannt, in dem ein Rückkehrer in Angola
tatsächlicher politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre."
116
Vgl. Gemeinsamer Bericht der Missionschefs der EU-Mitgliedstaaten in Luanda/Angola
über die Lage in Angola, soweit sie Personen, die politisches Asyl beantragen, sowie
die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Heimatländer betrifft (CIREA-Bericht
- Stand: Dezember 1994).
117
Die Auffassung, daß illegale Ausreise, unerlaubter Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland und Asylantragstellung nicht zu einer politischen Verfolgung führen, wird
auch übereinstimmend von anderen Gerichten vertreten.
118
Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 3. Mai 1996 - 1 L 5833/95 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 6.
September 1995 - A 13 S 665/93 -; zum Ganzen: Urteil des Senats vom 21. August 1997
- 1 A 5903/95.A - .
119
Ob der Klägerin Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG 1990 zustehen, ist nicht zu
prüfen. In bezug auf diese Vorschrift enthält das Asylverfahrensgesetz keine dem
120
erwähnten § 7 Abs. 1 AsylVfG 1991 (§ 13 Abs. 1 AsylVfG 1992/93) vergleichbare
Vorschrift, so daß diese Frage nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
Vgl. insoweit ausdrücklich BVerwG, Beschlüsse vom 12. Oktober 1993 - 9 B 613.93 -,
ZAR 1994, 141 = EzAR 631 Nr. 27, und vom 17. Juli 1995 - 9 B 116.95 -; OVG NW,
Urteil vom 16. November 1995 - 20 A 3402/91.A -.
121
Der angefochtene Bescheid des Oberkreisdirektors des E.-R.- K. vom 7. Juni 1989 ist
ebenfalls rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
122
Hinsichtlich der Begründetheit der Anfechtungsklage ist insoweit auf den Zeitpunkt der
letzten Behördenentscheidung abzustellen.
123
Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1987 - 9 C 254.86 -, BVerwGE 78, 243 = DÖV
1988, 168; Urteil des Senats vom 21. August 1997 - 1 A 3866/92.A -.
124
Insbesondere gilt § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1993, wonach das Gericht in Streitigkeiten
nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung abstellt, nicht für Ausreiseaufforderungen und Abschiebungsandrohungen,
die noch auf der Grundlage des früheren Rechts ergangen sind.
125
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1993 - 9 C 21.93 -, DÖV 1994, 219.
126
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht aus
§ 8 a Abs. 2 AsylVfG 1991, wonach das Recht des Ausländers unberührt bleibt, sich
nach der Anhörung im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung auf Tatsachen und Umstände zu
berufen, die nach Abs. 1 unberücksichtigt geblieben sind. Diese Vorschrift regelt die
Präklusion asylrechtlichen und ausländerrechtlichen Vorbringens,
127
vgl. Kanein/Renner, Ausländerrecht, Komm., 6. Aufl. Teil 3, § 25 AsylVfG RdNr. 9 ff.
128
nicht die Frage des für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen
Zeitpunktes. Der gegenteiligen, aufgrund der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts überholten Auffassung des 18. Senats des erkennenden
Gerichts
129
vgl. OVG NW, Beschlüsse vom 23. Mai 1991 - 18 B 22532/90 - und vom 28. Februar
1991 - 18 E 180/91.A -
130
schließt sich der Senat nicht an.
131
Gemäß des seinerzeit geltenden § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1982 hatte die
Ausländerbehörde, falls das Bundesamt den Asylantrag abgelehnt hatte, den Ausländer
unverzüglich zur Ausreise aufzufordern, ihm eine Ausreisefrist zu setzen und ihm für den
Fall, daß er nicht fristgerecht ausreise, die Abschiebung anzudrohen. Eine eigene
Entscheidungsbefugnis hat die Ausländerbehörde insoweit nicht gehabt. Aus dem
insoweit eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1982 ergibt sich, daß der
Ausländerbehörde für den Erlaß der Ausreiseaufforderung und der
Abschiebungsandrohung kein Ermessen eingeräumt war. Sie war dazu gesetzlich
verpflichtet und hatte daher grundsätzlich nicht dem Ergebnis einer ihr aufgetragenen
132
eigenen aufenthaltsrechtlichen Prüfung zu folgen, sondern allein dem asylversagenden
Bescheid des Bundesamtes.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1987 - 9 C 254.86 -, aaO.
133
Daß in der Abschiebungsandrohung nicht der Staat bezeichnet worden ist, in den die
Klägerin abgeschoben werden sollte, ist unerheblich. Gemäß § 28 AsylVfG 1982, der
die Abschiebungsandrohung eigenständig geregelt hat,
134
vgl. Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz (GK-AsylVfG), II-§ 34 RdNr. 1
135
hat im Gegensatz zu § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1993 iVm § 50 Abs. 2 AuslG 1990 die
Angabe des Ziellandes nicht zu den unverzichtbaren Bestandteilen einer
Abschiebungsandrohung gehört.
136
Vgl. GK-AsylVfG, Stand: Januar 1990, II - § 28 a. F. RdNr. 19 unter Hinweis auf VGH
Bad-Württ., Urteil vom 1. Dezember 1983 - A 13 S 994/83 -, VBlBW 1984, 152, 154;
Urteil des Senats vom 21. August 1997 - 1 A 3866/92.A -.
137
Ermessensfehler bei der Bemessung der Ausreisefrist sind nicht ersichtlich. Auch ist die
Ausreisefrist mit dem Hinweis darauf, sie sei ausreichend bemessen, um der Klägerin
die Regelung ihrer persönlichen Angelegenheiten zu ermöglichen, hinreichend
begründet.
138
Vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 4. März 1983 - 1 B 18.83 -, Buchholz 402.24 § 13
AuslG Nr. 6.
139
Auch die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG 1982 haben nicht
vorgelegen. Danach gilt Satz 1 der genannten Vorschrift nicht, wenn
140
1. der Ausländer aus anderen Gründen berechtigt ist, sich im Geltungsbereich dieses
Gesetzes aufzuhalten, 2. dem Ausländer ungeachtet der Ablehnung seines
Asylantrages der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht wird.
141
Daß die Klägerin zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberkreisdirektors des E.-R.-K.
am 7. Juni 1989 iSd § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG 1982 aus anderen als
asylabhängigen Gründen zum Aufenthalt berechtigt gewesen ist, kann ohne weiteres
ausgeschlossen werden, da ein entsprechender "Titel" nicht ersichtlich ist. Ein etwaiger
Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis reicht insoweit noch nicht aus.
142
Vgl. GK-AsylVfG, Stand: Januar 1990, II-§ 28 RdNr. 80.
143
Der Klägerin wurde aber auch nicht iSd § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG 1982 der
Aufenthalt ermöglicht. Das wäre dann der Fall gewesen, wenn dem Erlaß einer
Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung Abschiebungshindernisse oder
Duldungsgründe entgegengestanden hätten. Denn das Nichtbestehen von
Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen war Rechtmäßigkeitsvoraussetzung
für die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.
144
Vgl. zur gleichlautenden Vorschrift des § 28 AsylVfG 1991: BVerwG, Urteil vom 28. März
1995 - 9 C 227.94 -, Buchholz 402.25 § 78 AsylVfG Nr. 1.
145
Nach der damaligen Rechtslage kam ein Abschiebungshindernis gemäß § 14 Abs. 1
Satz 1 AuslG 1965 in Betracht. Bei § 14 AuslG 1965 handelt es sich um die
Vorgängervorschrift des § 51 Abs. 1 AuslG 1990.
146
Vgl. Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht (GK-AuslR), Stand: September
1996, § 51 RdNr. 1 f.
147
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG 1965 durfte ein Ausländer nicht in einen Staat
abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse,
Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen
Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht war. Das Vorliegen der
Voraussetzungen dieser Vorschrift hat der Oberkreisdirektor des E-R.-K., wie sich aus
der angefochtenen Ordnungsverfügung ergibt, geprüft und verneint. Dafür, daß diese
Entscheidung zu beanstanden ist, bestehen keine Anhaltspunkte. Daß im vorliegenden
Zusammenhang im Gegensatz zu der Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter auf
den Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung abzustellen ist, gibt zu einer
anderen Beurteilung keinen Anlaß, weil insoweit auch damals angesichts des am 4.
Februar 1989 in Kraft getretenen Amnestiegesetzes eine politische Verfolgung wegen
Sympathien für die UNITA und/oder wegen des illegalen Verbleibs im Ausland bzw. der
Asylantragstellung für eine Frau wie die Klägerin nicht beachtlich wahrscheinlich
gewesen ist.
148
Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Köln vom 20. März 1989.
149
Die Ausländerbehörde hatte bei ihrer Entscheidung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
AsylVfG 1982 auch Abschiebungshindernisse zu berücksichtigen, die sich aus
ministeriellen Erlassen ergaben.
150
Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1987 - 9 C 3.87 -, Buchholz 402.25 § 28 AsylVfG
Nr. 12.
151
Ein derartiger Erlaß, auf den sich die Klägerin berufen könnte, hat zum hier
maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Ordnungsverfügung vom 7.
Juni 1989 jedoch nicht bestanden. Die Dienstbesprechung über ausländerrechtliche
Angelegenheiten vom 20. Februar 1986 im Innenministerium des Landes Nordrhein-
Westfalen
152
vgl. Asylbewerber-Altfälle, InfAuslR 1986, 340
153
bezog sich nur auf Fälle, in denen die Asylanträge vor dem Jahre 1978 gestellt worden
waren. Der Ehemann der Klägerin ist jedoch erst im Jahre 1984 in die Bundesrepublik
Deutschland eingereist, die Klägerin sogar erst im Jahre 1986.
154
Die sog. Altfallregelung gemäß Runderlaß des Innenministers des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 19. Juni 1990, MBl. NW S. 972, greift bereits deshalb nicht ein, weil
diese Regelung erst nach dem - hier maßgeblichen - Zeitpunkt des Erlasses der
Ordnungsverfügung vom 7. Juni 1989 getroffen worden ist.
155
Im übrigen bestand für die Ausländerbehörde zu Überlegungen auf der Grundlage des §
28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG 1982 nur Anlaß, wenn sich ihr im Einzelfall auch ohne
156
Anhörung
vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 3 AsylVfG 1982: BVerwG, Beschluß vom
15. April 1983 - 9 B 10762.81 -, Buchholz 402.25 § 28 AsylVfG Nr. 3
157
aufgrund besonderer Umstände die Prüfung der Frage aufdrängen mußte, ob der
Asylsuchende vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bewahrt werden sollte.
158
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 11. April 1989 - 9 C 60.88 -, BVerwGE 82, 1, 5; GK-
AsylVfG, Stand: Januar 1990, II-§ 28 RdNr. 97.
159
Für die Ausländerbehörde bestand grundsätzlich kein Anlaß, in Richtung auf denkbare
Umstände, die allein den Lebensbereich des Ausländers betrafen, von ihm aber im
Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht worden waren, von Amts wegen zu
ermitteln.
160
Vgl. GK-AsylVfG, aaO, RdNr. 97.
161
Derartige besondere Umstände waren seinerzeit noch nicht ersichtlich.
162
Eine Abschiebung wäre allerdings nicht in Betracht gekommen, wenn seinerzeit schon
die schwere Erkrankung des Kindes P. bekannt gewesen wäre. Aufgrund der Art und
Schwere der Erkrankung dieses Kindes geht der Senat davon aus, daß "das Kind schon
damals in einem Zustand war, der es auf eine störungsfreie Funktion des ihm
implantierten Ventils und damit auf eine spezielle neurochirurgische Versorgung
lebenslang angewiesen sein ließ, die in Angola nicht gewährleistet gewesen wäre". Der
von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch Überreichung des Schriftsatzes
ihres Prozeßbevollmächtigten vom 4. Dezember 1997 beantragten Einholung einer
Auskunft des Direktors der Kinderchirurgischen Klinik der Städtischen Kliniken D.
bedurfte es daher nicht. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß dem Ausländeramt des E-R.-
K. diese schwere Erkrankung des Kindes P. bekannt gewesen ist. Aus den
Verwaltungsvorgängen des Ausländeramtes des E-R.-K. ergibt sich nur, daß die
Klägerin am 18. Dezember 1987 mitgeteilt hat, ihr Kind befinde sich seit dem 8.
November 1987 für voraussichtlich zwei Monate in der Kinderklinik in H. in stationärer
Behandlung (Beiakte Heft 1, Bl. 74). Über die Art der Erkrankung läßt sich dieser
Mitteilung nichts entnehmen. Darauf, ob dem Sozialamt der Stadt B., in der die Klägerin
mit ihrer Familie damals gelebt hat, die schwere Erkrankung des Kindes P. bekannt
gewesen ist, kommt es nicht an. Ein derartiges Wissen könnte dem Ausländeramt des
E-R.-K. nicht zugerechnet werden. Für das Ausländeramt des E-R.-K. bestand daher im
Juni 1989, also 1 1/2 Jahre nach der erwähnten Mitteilung vom 18. Dezember 1987,
kein Anlaß zu der Annahme, das Kind sei immer noch so schwer erkrankt, daß eine
Abschiebung nicht in Betracht komme. Daß heute von einer sehr schweren Erkrankung
des Kindes P. bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen
Ordnungsverfügung ausgegangen werden muß, ist unerheblich. Denn asylunabhängige
Aufenthaltsrechte und Abschiebungshindernisse, die erst nach Erlaß der
Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung entstanden oder bekannt geworden
waren, hatten und haben für die Entscheidung im Anfechtungsrechtsstreit gegen die
ausländerbehördliche Maßnahme gemäß § 28 Abs. 1 AsylVfG 1982 keine Bedeutung
und waren ggf. gesondert geltend zu machen.
163
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 11. April 1989 - 9 C 60.88 -, aaO, S. 5.
164
Der der Ausländerbehörde bei Erlaß der Ordnungsverfügung allein bekannte Umstand,
daß die Klägerin Mutter eines Kleinkindes gewesen ist, stellte keinen hinreichenden
Anlaß dar, in die Prüfung einzutreten, ob die Klägerin vor aufenthaltsbeendenden
Maßnahmen, insbesondere vor einer Abschiebung nach Angola, bewahrt werden sollte.
Denn die katastrophale Lage in Angola, insbesondere die Gefährdung von Kleinkindern,
war damals den Behörden noch nicht bekannt. Die Lage in Angola ist vielmehr erst im
Laufe zahlreicher Asylverfahren bekannt geworden. Im übrigen hat die Klägerin zu
keiner Zeit auf ihre Gefährdung und die ihres damals mit ihr in der Bundesrepublik
Deutschland lebenden Kindes P. wegen der wirtschaftlichen Lage in Angola
hingewiesen. Daß für sie und ihr Kind bei einer Rückkehr nach Angola wegen der
dortigen Lage eine konkrete Gefährdung bestanden hätte, ist auch nicht ersichtlich, da
die Klägerin, wie sich bei ihrer Anhörung vor dem Senat ergeben hat, Angehörige in
Angola gehabt hat und deshalb nicht völlig auf sich gestellt gewesen wäre. Im übrigen
war der Asylantrag ihres Ehemannes seinerzeit bereits rechtskräftig abgelehnt, so daß
die Klägerin mit ihm hätte ausreisen können.
165
Daß die Klägerin nachträglich der Stadt H. zugewiesen worden ist, ist im vorliegenden
Zusammenhang ebenfalls unerheblich, da, wie ausgeführt, auf den Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung abzustellen ist.
166
Allerdings kommt, worauf der Senat ausdrücklich hinweist, eine Abschiebung der
Klägerin im Hinblick auf die schwere Erkrankung ihres Kindes P. zur Zeit nicht in
Betracht, da eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß dem genannten
Kind im Falle der Rückkehr nach Angola zumindest iSd § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990
eine konkrete Gefahr für Leib und Leben
167
vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG
1990 Nr. 1 = NVwZ 1996, 199 = DVBl. 1996, 203 = DÖV 1996, 250 und - 9 C 15.95 -,
Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 2 = NVwZ 1996, 476; vom 4. Juni 1996 - 9 C
134.95 -, InfAuslR 1996, 289 und vom 19. November 1996 - 1 C 6.95 -, InfAuslR 1997,
193 = NVwZ 1997, 685; Urteil des Senats vom 21. August 1997 - 1 A 5903/95.A -,
168
droht.
169
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Anordnung ihrer
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10 und 711 Satz 2 ZPO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
170
Für eine Zulassung der Revision fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen.
171