Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.10.2000

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Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 1281/00
Datum:
26.10.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 1281/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 L 1733/00
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit
Ausnahme außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, die dieser
selbst zu tragen hat.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 4.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde ist nicht zuzulassen. Der von dem Antragsgegner geltend gemachte
Zulassungsgrund des § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) greift nicht durch.
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Die gerichtliche Prüfung im Zulassungsverfahren richtet sich an den in dem Antrag auf
Zulassung der Beschwerde angesprochenen Gesichtspunkten aus.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
Beschlüsse vom 9. Juli 1997 -12 A 2047/97 -, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1997,
1342, und vom 20. Oktober 1998 - 18 B 69/98 -.
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Danach ergeben sich keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht
dem Antragsgegner zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt
hat, die Stelle eines Oberstudiendirektors/einer Oberstudiendirektorin als Leiter/in eines
voll ausgebauten Gymnasiums für das G. -S. -Gymnasium in D. mit dem Beigeladenen
zu besetzen.
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Der Antragsgegner macht geltend: Die Erstellung einer aktuellen dienstlichen
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Beurteilung für die Antragstellerin sei nicht erforderlich gewesen. Die Durchführung
eines entsprechenden Beurteilungsverfahrens habe keinen Sinn gehabt. Es bestünden
keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin, eine Studiendirektorin - als
Fachleiterin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben - der Besoldungsgruppe A 15
BBesO, das größere Gewicht der dem Beigeladenen erteilten dienstlichen Beurteilung
mit dem Gesamturteil "Die Leistungen entsprechen den Anforderungen im besonderen
Maße (sehr gut)" ausgleichen könne. Der Beigeladene bekleidet das Amt eines
Studiendirektors - als des ständigen Vertreters des Leiters eines voll ausgebauten
Gymnasiums - der Besoldungsgruppe A 15 Fn. 7 BBesO. Eine besondere Eignung der
Antragstellerin für die Beförderungsstelle sei nach dem Inhalt ihrer Personalakte und
nach einem Leistungsbericht des stellvertretenden Schulleiters vom 2000 nicht zu
erkennen. Auch müsse die Frage, ob der Bewerber mit dem statusrechtlichen
niedrigeren Amt (die Antragstellerin) eine besondere Eignung für das angestrebte Amt
aufweise, nicht zwingend immer im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung überprüft
werden. Dies lasse sich schon aus der bisherigen Tätigkeit des Bewerbers ableiten.
Wenn der Aspekt der besonderen Eignung für das angestrebte Amt bereits zum
Ausgleich des statusrechtlichen Vorsprungs des Mitbewerbers geführt habe, könne er
nicht nochmals bei der eigentlichen Beförderungsent-cheidung herangezogen werden.
Die Ämter der Antragstellerin und des Beigeladenen unterschieden sich ihrer
funktionalen Bedeutung nach auch nicht nur geringfügig.
Daraus lassen sich ernstliche Zweifel daran, dass das Verwal-tungsgericht eine den
Erlass der einstweiligen Anordnung recht-fertigende Fehlerhaftigkeit des
Stellenbesetzungsverfahrens zu Recht bejaht hat, nicht herleiten.
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Eine dienstliche Beurteilung dient vornehmlich dem Zweck, Grund-lage für am
Leistungsgrundsatz orientierte Entscheidungen über die Verwendung der Beamten,
insbesondere auf Beförderungsdienst-posten, und über ihr dienstliches Fortkommen,
insbesondere ihre Beförderung, zu sein.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Urteile
vom 30. April 1981 - 2 C 8.79 -, DVBl 1981, 1062, und vom 26. August 1993 - 2 C 37.91
-, Zeitschrift für Beamtenrecht 1994, 54.
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Dies kommt auch in Tz. 1.2 der hier einschlägigen "Richtlinien für die dienstliche
Beurteilung von Lehrerinnen und Lehrern" des Kultusministeriums vom 25. Mai 1992,
GABl. NW. I 118, zum Aus-druck. Bei der Festlegung des Verfahrens zur Erstellung
dienst-licher Beurteilungen und deren Inhalts ist der Dienstherr inner-halb der durch das
einschlägige Gesetzes- und Verordnungsrecht gezogenen Grenzen weitgehend frei.
Deshalb ist es um so bedeut-samer, dass er das gewählte Beurteilungssystem
tatsächlich gleichmäßig auf alle Beamten anwendet, die bei beamtenrecht-lichen
Entscheidungen über ihre Verwendung und über ihr dienst-liches Fortkommen
miteinander in Wettbewerb treten können.
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Vgl. BVerwG, ständige Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 2. März 2000 - 2 C 7.99 -,
Dokumentarische Berichte, Ausgabe B 2000, 211, m.w.N.
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Dagegen hat der Antragsgegner im vorliegenden Fall verstoßen. Gemäß Tz. 3.1.3 der
erwähnten Beurteilungsrichtlinien sind Lehrerinnen und Lehrer vor einer Beförderung zu
beurteilen. Demgemäß ist der Beigeladene aus Anlass seiner Bewerbung mit Datum
vom 19 dienstlich beurteilt worden. Bei der Antragstellerin hat der Dienstherr dies nicht
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getan und sich damit seinen Beurteilungsrichtlinien zuwider verhalten. Nach dem
Akteninhalt ist auch im Übrigen eine aktuelle dienstliche Beurteilung für die
Antragstellerin nicht vorhanden (vgl. Tz. 3.4 der Beurteilungsrichtlinien). Hiernach fehlt
es an einer hinreichenden Grundlage für einen im Rahmen des Stellenbeset-
zungsverfahrens vorzunehmenden Qualifikationsvergleich zwischen der Antragstellerin
und dem Beigeladenen mit der Folge, dass das Auswahlverfahren nicht den rechtlichen
Anforderungen entspre-chend durchgeführt worden ist.
Dem Antragsgegner ist nicht darin zu folgen, er habe unter den von ihm angenommenen
besonderen Umständen des Falles von einer dienstlichen Beurteilung der
Antragstellerin absehen dürfen. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass
ihre Bewerbung von vornherein aussichtslos ist. Wie das Verwaltungsgericht aus-
geführt hat, kann das im Allgemeinen größere Gewicht der dien-stlichen Beurteilung des
Inhabers eines höherwertigen Amtes gegenüber der gleichlautenden dienstlichen
Beurteilung eines Mitbewerbers im Einzelfall durch die besondere Eignung des
Mitbewerbers für das angestrebte Amt ausgeglichen werden.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. April 1996 - 6 B 709/96 - und vom 2. Oktober 1997
- 6 B 1661/97 - (ständige Rechtsprechung).
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Ob die Antragstellerin nach diesen Maßgaben als gleich gut qualifiziert wie der
Beigeladene anzusehen ist, wäre aber nur auf der Grundlage der nach Tz. 3.1.3 der
Beurteilungsrichtlinien vorgeschriebenen dienstlichen Beurteilung zu beantworten
gewesen. In dieser wäre neben den inhaltlichen Anforderungen nach Tz. 4.3.2 der
Beurteilungsrichtlinien auch die Tauglichkeit der Antragstellerin in Bezug auf die für die
Wahrnehmung der Funktion einer Schulleiterin erforderlichen Qualifikationen (z.B.
Fähigkeit zur Menschenführung, Organisations- und Koordinationsvermögen,
Kooperationsfähigkeit) prognostisch einzuschätzen gewesen (vgl. Tz. 4.7 der
Beurteilungsricht- linien). Die Verneinung einer besonderen Eignung der Antrag-
stellerin für die Beförderungsstelle bereits "im Vorfeld" ohne dieses in den
Beurteilungsrichtlinien vorgesehene Verfahren verkürzt den Anspruch der
Antragstellerin auf ein faires Auswahlverfahren in unzulässiger Weise. Welches
Ergebnis eine aktuelle dienstliche Beurteilung für sie haben wird, steht nicht etwa
bereits mit negativem Ausgang für ihre Bewerberung fest, sondern bleibt abzuwarten.
Falls danach die Antragstellerin und der Beigeladene als gleichgut qualifiziert
anzusehen wären, wäre der Antragsgegner bei der dann gebotenen Auswahl im
Ermessens-wege entgegen seiner Ansicht auch nicht gehindert, der Antrag-stellerin
unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Eignung für das angestrebte Amt den
Vorzug zu geben.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Oktober 1997 - 6 B 1661/97 -.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der
Billigkeit, dass der Beigeladene eigene außergerichtliche Kosten selbst trägt, weil er
keinen Antrag gestellt und sich somit dem Risiko der Auferlegung von Kosten nicht
ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 des
Gerichtskostengesetzes.
18
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrages wird der Beschluss des
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Verwaltungsgerichts rechtskräftig.