Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.09.1996

OVG NRW (wohnhaus, kläger, gebäude, öffentliches interesse, produktionsverhältnisse, denkmalpflege, baukunst, bezug, teil, eignung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 196/94
Datum:
12.09.1996
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 196/94
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 14 K 3021/92
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Eintragungsbescheid des Beklagten vom 30. Juli 1991 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des F. vom 6. Mai
1992 und der Änderung vom 26. August 1993 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Kläger wenden sich gegen die Eintragung ihres Wohnhauses mit Stallgebäude in
die Denkmalliste der Stadt Q. .
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Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks in Q. - H. , N. Straße 45, Gemarkung H. ,
Flur 11, Flurstück 2110. Bei den aufstehenden Gebäuden handelt es sich um Teile einer
ehemaligen geschlossenen Hofanlage. Zur N. Straße hin steht das giebelständige
eingeschossige Wohnhaus, dessen Traufwände vollständig mit Teerpappe verkleidet
sind. An dem zur Straße hin vorgezogenen Dach befindet sich ein vor der oberen
Giebelspitze hängendes Balkengerüst, ein sog. Schwebegiebel. An das Wohnhaus
schließt sich rückwärtig ein langgestrecktes Stallgebäude aus Fachwerk mit
Backsteingefachen und durchgezapften Ankerbalken an. Die beiden Gebäude stoßen
nicht unmittelbar aneinander. Der Zwischenraum der in einem stumpfen Winkel
zueinander ausgerichteten Gebäude beträgt an der breitesten, zum Weg hin gelegenen
Stelle etwa 3 m, an der schmalsten zum Hof gelegenen Stelle etwa 1 m. Er ist mit einem
sog. Zwickel aus neuerer Zeit geschlossen. Die übrigen Bauten des Hofes sind neueren
Ursprungs.
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Nach Anhörung der Kläger und nachdem das Benehmen des Rheinischen Amtes für
Denkmalpflege hergestellt war, trug der Beklagte "die Hofanlage" am 30. Juli 1991 in
die Denkmalliste der Stadt Q. ein und erteilte den Klägern über die Eintragung unter
dem selben Datum einen Bescheid.
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Die Eintragung lautet:
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"Hofanlage
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um 1800, Anfang 20. Jahrhundert; geschlossene Hofanlage zur Straße giebelständiges,
eingeschossiges Wohnhaus, im Kern wohl aus Fachwerk, die Außenfronten verputzt
bzw. verkleidet, das vorgezogene Dach mit Sprenggiebel; das äußere Erscheinungsbild
datiert Anfang 20. Jahrhundert, im Kern möglicherweise älter; rückwärtig anschließend
Fachwerkscheune mit Backsteingefachen und durchgezapften Ankerbalken um 1800,
zum Hof hin verändert; die übrigen Wirtschaftsgebäude ausschließlich aus dem 20.
Jahrhundert und zum Teil stark überproportioniert; aufgrund der starken Veränderungen
nicht von Denkmalwert."
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Am 12. August 1991 erhoben die Kläger Widerspruch gegen die Eintragung mit der
Begründung, die Hofanlage besitze keine Bedeutung für die Geschichte des Menschen.
Sie verdeutliche auch nicht in besonderer Weise die Arbeits- und
Produktionsverhältnisse im Raum H. . Der Stall sei abbruchreif.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1992 wies der Oberkreisdirektor des F. den
Widerspruch als unbegründet zurück und führte in Anlehnung an die Stellungnahme des
Rheinischen Amtes für Denkmalpflege aus, sowohl hinsichtlich des giebelständigen
Wohnhauses als auch beim rückwärtig daran angefügten langgezogenen
Fachwerkbaukörper sei die Denkmaleigenschaft gegeben. Die Fachwerkhofanlage sei
in ihrer Architekturform von hoher Bedeutung für die Entwicklungsgeschichte der
ländlichen Bauentwicklung im 17. und 18. Jahrhundert in diesem Gebiet. Insbesondere
das Wohngebäude mit dem vor der oberen Giebelspitze hängenden Balkengerüst als
sog. Schwebegiebel sei eine besondere Bauform. Diese sei ursprünglich häufig
anzutreffen gewesen und habe die Dorflandschaft entscheidend geprägt. Die
inzwischen außerordentlich selten gewordene Bauform sei im vorliegenden Fall sehr
gut erhalten. In Verbindung mit dem vorderen Wohnhaus sei auch der rückwärtig
angefügte langgestreckte Wirtschaftsflügel aus Fachwerk von hoher Aussagekraft in
bezug auf die frühere Nutzung dieses Hofes. Er sei Relikt einer einst verstärkten
Viehhaltung, wie sie heute für das H. Gebiet nicht mehr kennzeichnend sei. Der Hof
verkörpere daher in besonderer Weise die geschichtliche Entwicklung des Q. Raumes
und auch der H. Ortssituation. Ein wesentliches Stück Bau-, Orts- und
Landwirtschaftsgeschichte sei hier anschaulich erhalten geblieben. Aus
wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und ortsgeschichtlichen sowie
städtebaulichen Gründen sei das Objekt erhaltenswert.
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Die Kläger haben am 1. Juni 1992 Klage erhoben. In der Ortsbesichtigung des
Verwaltungsgerichts am 26. August 1993 hat der Beklagte klargestellt, daß nur das
Wohnhaus und die rückwärtig angrenzende Fachwerkscheune in die Denkmalliste
eingetragen sind, nicht aber die übrigen Wirtschaftsgebäude.
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Die Kläger haben vorgetragen: Der Hofanlage komme keine geschichtliche Bedeutung
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zu, weil sie niemals Einfluß auf die Ortsgeschichte Q. oder H. bzw. auf die
Landesgeschichte ausgeübt habe. Außerdem befinde sich der Stallrest in einem
außerordentlich schlechten Zustand; seine Restaurierung bedeute eine völlig neue
Konstruktion. Der Schwebegiebel am Wohnhaus könne für sich genommen keine
Denkmaleigenschaft begründen, weil er weder herausgehoben noch kunstvoll gestaltet
sei. Auch seien in der näheren Umgebung der Hofanlage weitere, zum Teil erheblich
besser erhaltene Höfe, an die ebenfalls Stallgebäude angebaut seien, vorhanden. Die
Erhaltung des Stalles sei nicht möglich, weil es an einer geeigneten Nutzung fehle.
Die Kläger haben beantragt,
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den Eintragungsbescheid vom 30. Juli 1991 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des F. vom 6. Mai 1992 und der
Abänderung vom 26. August 1993 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat zur Begründung auf die Ausführungen des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege
verwiesen und ergänzend vorgetragen, das Objekt sei im Zusammenwirken mit dem
benachbarten denkmalwerten Hof, für den das denkmalschutzrechtliche Verfahren
eingeleitet sei, auch aus städtebaulicher Sicht denkmalwürdig, da es die dörfliche
Struktur veranschauliche.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen, dem
Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 9. Dezember 1993 zugestellten Urteil, auf
dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
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Die Kläger haben am 6. Januar 1994 Berufung eingelegt.
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Zur Begründung tragen sie vor: Die Gebäude hätten keinen Denkmalwert. Die
Originalbausubstanz sei nicht mehr zu erhalten. Das Stallgebäude sei abgängig. Es
lasse sich auch keine Nutzung finden.
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Die Kläger beantragen,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er führt unter Berufung auf das Rheinische Amt für Denkmalpflege aus: In der weiteren
Umgebung H. seien nur wenige Zeugnisse des besonderen Bautypes eines
eingeschossigen Fachwerkhauses mit Schwebegiebel erhalten. Bei dem großen
Wandel der Baustruktur seit Mitte des 19. Jahrhunderts in dieser Landschaft, der den
traditionellen Holzfachwerkbau ablöste und allmählich gegen Massivbauten
austauschte sowie in der gewaltigen Umstrukturierung der überlieferten Bausubstanz in
der Nachkriegszeit hätten die erhaltenen Fachwerkbauten bis zum frühen 19.
Jahrhundert einen erheblichen Stellenwert in der historischen Bedeutung für diese
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Landschaft, für die Bauentwicklung und für die Identität der einzelnen Dörfer. Das
Gebäude sei in seiner Gesamtheit mit dem angefügten eingeschossigen
Wirtschaftsflügel zu betrachten. In dieser Betrachtung überwögen die
Konstruktionsformen des gesamten Gebäudekubus, die hier in ihren wesentlichen
historischen Aussagen zur ursprünglichen Gestaltgebung des Hauses wie auch zu
seiner grundrißmäßigen ursprünglichen Nutzung bewahrt geblieben seien. Wichtiges
zusätzliches Kriterium sei die Gestaltgebung des zur Straße weisenden hölzernen
Schwebegiebels als Teil der Gesamtkonstruktion des Hauses. Dies stelle eine
Besonderheit dar, die für die frühere Gestaltgebung des Dorfes gerade in der hier
anzusprechenden städtebaulichen Einbindung von erheblicher ortsgeschichtlicher
Bedeutung sei. Es sei hier eine repräsentative bäuerliche Architekturform mit einem
Schaugiebel überliefert, die für H. einzigartig sei und insofern wichtiger
Bedeutungsträger der älteren inzwischen weitgehend verlorenen Dorfgestalt geworden
sei.
Mit dem rückwärtig angefügten eingeschossigen Wirtschaftsgebäude aus Holzfachwerk
sei noch ein wesentlicher Teil der ursprünglichen landwirtschaftlichen Funktionsabläufe
zwischen Wohnen und Viehhaltung bewahrt geblieben. Für diesen
Funktionszusammenhang sei die Erscheinungsform dieses Wirtschaftsflügels mit seiner
Aufteilung im Fassadenaufbau wie auch der inneren Räumlichkeit wichtig. Dieses
Gebäude sei nicht Einzeldenkmal; sein Denkmalwert ergebe sich als Teil des restlichen
Bauernhofes zusammen mit dem vorderen Wohngebäude.
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Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 13. August 1996 in Augenschein
genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift
Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der vom Beklagten überreichten Unterlagen und
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht
abgewiesen. Der Eintragungsbescheid des Beklagten vom 30. Juli 1991 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des F. vom 6. Mai 1992 und der
Änderung vom 26. August 1993 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten
(vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er war deshalb aufzuheben.
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Wohnhaus und Stallgebäude der Kläger waren nicht in die Denkmalliste einzutragen,
weil es sich nicht um Denkmäler handelt. Nach § 2 Abs. 1 DSchG NW sind Denkmäler
Sachen, Mehrheiten von Sachen und Teile von Sachen, an deren Erhaltung und
Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Ein solches Interesse besteht danach, wenn
die Sachen bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen
oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die
Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder
städtebauliche Gründe sprechen. Eine Sache ist im vorgenannten Sinne bedeutend,
wenn ihr eine besondere Eignung zum Aufzeigen und Erforschen einer bestimmten
Entwicklung zukommt. Erforderlich ist, daß die Sache einen nicht unerheblichen
Dokumentationswert für mindestens eines der im Gesetz aufgeführten Bezugsmerkmale
hat. Es sollen insoweit aber nicht nur die klassischen Denkmäler geschützt werden,
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sondern auch solche Objekte, die unterhalb dieser Schwelle in besonderer Weise
Ausdruck der Entwicklung von Land und Leuten sind, wozu auch Sachen von nur
örtlicher Ausstrahlung gehören können. Das Tatbestandsmerkmal "bedeutend" hat in
diesem Sinne vor allem die Funktion, aus dem Bereich des Denkmalschutzes etwa
auch solche Gegenstände auszuschließen, die zwar einen historischen oder
städtebaulichen Bezug haben, jedoch deshalb nicht von Bedeutung sind, weil es sich
um Massenprodukte handelt.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 14. August 1991 - 7 A 1048/89 -.
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Gemessen an diesen Kriterien sind Wohnhaus und Stallgebäude nicht denkmalwert.
Sie sind weder für die Geschichte des Menschen, noch für Städte und Siedlungen oder
für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse von Bedeutung.
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Bedeutend für die Geschichte des Menschen - etwa im Hinblick auf den vom Beklagten
angesprochenen Aspekt der Architekturgeschichte - ist eine Sache nur dann, wenn ihr
eine besondere - d.h. eine über "Massenprodukte" hinausgehende - Eignung zum
Aufzeigen und Erforschen der Entwicklung der Baukunst zukommt.
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Vgl. OVG NW, Urteil vom 30. Juli 1993 - 7 A 1038/92 -.
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Insoweit ist an den Zustand anzuknüpfen, den das Objekt im Zeitpunkt der
Unterschutzstellung hat. Nur was im Zeitpunkt der Unterschutzstellung an
Originalsubstanz noch vorhanden ist und für sich bzw. in Verbindung mit der übrigen
Bausubstanz die besondere Eignung zum Aufzeigen und Erforschen der Entwicklung
der Baukunst hat, kann Anknüpfungspunkt für eine Unterschutzstellung unter diesem
Gesichtspunkt sein.
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Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Wohnhauses mit Stallgebäude nicht
erfüllt.
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Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß gerade das Wohnhaus mit seinen deutlichen
Veränderungen des Erscheinungsbildes zu den "wenigen Zeugnissen des besonderen
Bautyps eines eingeschossigen Fachwerkhauses mit Schwebegiebel" - so der Beklagte
- gehört, lassen sich weder den Unterlagen des Beklagten noch den Darlegungen im
gerichtlichen Verfahren entnehmen; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Nach dem
Inhalt der Eintragung in die Denkmalliste steht nicht einmal fest, daß der konstruktive
Teil des Gebäudes aus Fachwerk besteht. Dort wird das Gebäude nur als
"giebelständiges, eingeschossiges Wohnhaus, im Kern wohl aus Fachwerk"
beschrieben und anschließend weiter ausgeführt "das äußere Erscheinungsbild datiert
Anfang 20. Jahrhunderts, im Kern möglicherweise älter". Auch im Rahmen des
Ortstermins des Verwaltungsgerichts konnte der Vertreter des S. Amtes für
Denkmalpflege nur darlegen, daß das Haus vom Typus her aus dem 17. und 18.
Jahrhundert stammt. Steht somit noch nicht einmal fest, daß das Wohnhaus in seiner
originalen Kernsubstanz noch erhalten ist, und nimmt man hinzu, daß das äußere
Erscheinungsbild des Hauses durch die traufseitige Verkleidung mit Teerpappe und das
Aufbringen neuzeitlichen Außenputzes auf die straßenseitige Giebelwand selbst nach
den Angaben des Beklagten einem Haus "datiert Anfang 20. Jahrhundert" entspricht, ist
eine Eignung des Wohnhauses als Zeitdokument der Baukunst einer früheren Epoche
nicht zu erkennen.
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Der Schwebegiebel für sich genommen vermag den Denkmalwert des Wohnhauses
ebenfalls nicht zu begründen. Nach den dem Senat von den Klägern und dem
Beklagten vorgelegten Lichtbildern, die Gegenstand der Erörterung in der mündlichen
Verhandlung waren, und dem vom Berichterstatter im Ortstermin gewonnenen, den
übrigen Mitgliedern des Senats vermittelten Eindruck von der Örtlichkeit sowie auch der
Einschätzung des S. Amtes für Denkmalpflege handelt es sich bei dem Schwebegiebel
nicht um ein Original aus dem 17./18. Jahrhundert. Seine einzelnen Bauteile sind
insgesamt ausgetauscht. Es steht nicht einmal fest, ob der heute vorhandene
Schwebegiebel der ursprünglichen Konstruktion entspricht. Zwar spricht einiges dafür,
daß der Ansatz der Balkenverbindungen durch die Konstruktion des Hauses bei jeder
Erneuerung der Bauteile vorgeprägt war. Indessen wurde die ursprüngliche
Schwebegiebelform aus konstruktiven Gründen dazu verwandt, um das vorkragende
Dach abzustützen; er hat sich also aus statischen Bedürfnissen entwickelt.
Demgegenüber erfüllt der Schwebegiebel in seiner heutigen Form selbst nach den
Ausführungen des Beklagten diesen konstruktiven Zweck nicht mehr. Vielmehr steht
nunmehr die Zierform im Vordergrund, so daß nicht erkennbar ist, welche besondere
architekturgeschichtliche Aussage er noch zur Baukunst des 17./18. Jahrhunderts treffen
soll.
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Daß das Stallgebäude für sich genommen bedeutend für die (Architektur-)Geschichte
des Menschen ist, ist fernliegend. Es besteht kein Anhalt, daß das Gebäude einen
Dokumentationswert für die Baukunst des 17./18. Jahrhunderts hat. Auch hier steht nicht
einmal das Errichtungsdatum fest. Der Beklagte schließt lediglich aus der Art und der
Abstände der Hölzer, daß die Konstruktion "im Kern auch noch aus dem 18. Jahrhundert
stammt". Selbst wenn man dieser Vermutung folgte, ist ein baugeschichtlicher
Aussagewert des von der Originalsubstanz nur noch erhaltenen Fachwerkgerippes, das
zudem nunmehr jedenfalls an der Straßenseite auf einem Metallband ruht, nicht zu
erkennen. Eine Fachwerkkonstruktion ist nicht allein schon an sich denkmalwert.
Vielmehr muß dem Fachwerk auch eine besondere Eignung zum Aufzeigen und
Erforschen der Entwicklung der Baukunst zukommen. Dafür besteht kein Anhalt.
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Soweit der Beklagte den Denkmalwert des Wohnhauses einschließlich Stallgebäude
aus einem Dokumentationswert für die Entwicklung der Arbeits- und
Produktionsverhältnisse herleitet, weil hieran die ursprünglichen landwirtschaftlichen
Funktionsabläufe zwischen Wohnen und Viehhaltung abgelesen werden können,
vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Zwar können auch landwirtschaftlich
genutzte Anlagen die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse
dokumentieren. So kann z.B. ein Bauernhaus in der für die vergangenen Jahrhunderte
typischen Ständerbauweise bedeutend für die Entwicklung der landwirtschaftlichen
Arbeits- und Produktionsverhältnisse sein.
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Vgl. OVG NW, Urteil vom 10. Juni 1985 - 11 A 960/84 -, BRS 44 Nr. 123; Urteil vom 21.
März 1994 - 7 A 1422/87 -.
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Ein entsprechender Aussagewert kommt den Gebäuden der Kläger indessen nicht zu.
Ein Funktionszusammenhang zwischen Wohnen und Viehhaltung ist vielen
landwirtschaftlichen Gebäuden eigen. Soweit solche Gebäude keinen bestimmten
Typus verkörpern, sondern sich ihre Aussagekraft auf die allgemeine Erkenntnis
beschränkt, daß mit dem landwirtschaftlichen Wohnen auch häufig eine baulich hiervon
getrennte Viehhaltung verbunden war, reicht dies für die Annahme eines bedeutenden
Aussagewerts für die Entwicklung der landwirtschaftlichen Arbeits- und
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Produktionsverhältnisse nicht aus.
Das Wohnhaus mit Stallgebäude ist schließlich auch nicht bedeutend für Städte und
Siedlungen. In diesem Sinne kommt einer Sache Bedeutung zu, wenn sie durch ihre
Anordnung und Lage in der Örtlichkeit, durch ihre Gestaltung für sich allein oder in
Verbindung mit anderen Anlagen den historischen Entwicklungsprozeß einer Stadt oder
Siedlung in nicht unerheblicher Weise dokumentiert. Das Tatbestandsmerkmal
"bedeutend" dient auch in diesem Zusammenhang vor allem dazu, aus dem Bereich
des Denkmalschutzes Sachen auszuschließen, die zwar einen historischen oder
städtebaulichen Bezug haben, jedoch deshalb nicht von Bedeutung sind, weil es sich
um Massenprodukte handelt.
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Vgl. OVG NW, Urteil vom 14. August 1991 - 7 A 1048/89 -; Urteil vom 18. April 1994 - 7
A 3718/92 -.
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Ein erheblicher Dokumentationswert der Gebäude für die Siedlungsgeschichte des
Ortes H. ist nicht belegt. Entgegen der Auffassung des S. Amtes für Denkmalpflege in
seinem Schreiben vom 15.2.1995, der sich der Beklagte angeschlossen hat, hat nicht
schon jeder erhaltene Fachwerkbau bis zum frühen 18. Jahrhundert einen erheblichen
Stellenwert für die betroffene Landschaft und die Identität der einzelnen Dörfer. Auch
unter nur ortsgeschichtlichen Aspekten muß ein Fachwerkbau - dessen innere Struktur (
beim Wohnhaus) und Alter (bei beiden Gebäuden) hier ohnehin im Dunkeln liegt - die
konkrete örtliche Entwicklung in ihrer spezifischen Struktur dokumentieren können.
Insoweit ist die allerdings am betroffenen Objekt noch ablesbare Eigenschaft, daß hier
in einem ehemaligen Dorf ein Wohnhaus neben einem zur Viehhaltung genutzten
Wirtschaftsgebäude steht, wie bereits angesprochen, so banal, daß sie aus sich heraus
einen auch nur örtlichen Denkmalwert nicht zu begründen vermag. Ebensowenig lassen
die im Gerichtsverfahren wiederholt angesprochene Nachbarschaft einer weiteren
Hofanlage und die konkrete Anordnung der Gebäude entlang des Weges mit der
Flurstücksbezeichnung 872/3 greifbare Anhaltspunkte für eine nicht unerhebliche
Bedeutung des Objekts für den historischen Entwicklungsprozeß des Dorfes H.
erkennen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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