Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.07.2003

OVG NRW: jugendhilfe, betriebskosten, verfügung, zuschuss, kirche, verwaltungskosten, kündigung, ergänzung, haushalt, verwaltungsakt

Oberverwaltungsgericht NRW, 16 A 2822/01
Datum:
10.07.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 A 2822/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 7 K 2705/00
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Januar
2002 verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 2. Juli 1999 auf
Bewilligung eines Zuschusses zu den Betriebskosten seiner
Kindertageseinrichtung "S. " für das Jahr 2000 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge
tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden,
wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung
in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger betreibt seit 1991 die Kindertagesstätte "S. " in C. P. und erhält
Betriebskostenzuschüsse nach dem Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder - GTK -.
Die Einrichtung ist in der Jugendhilfeplanung des Beklagten fortlaufend berücksichtigt.
Nach den im Zwei- bzw. Dreijahresrhythmus fortgeschriebenen Jugendhilfeplänen trägt
sie zur Deckung des Bedarfs an Kindergarten- und Hortplätzen bei.
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In den Jahren 1991 und 1995 bis 1998 gewährte der Beklagte dem Kläger
antragsgemäß zusätzliche Zuschüsse zu dem nach § 18 GTK verbleibenden
Eigenanteil an den Betriebskosten. Auf den mit Schreiben vom 21. September 1998
gestellten Antrag auf Gewährung eines entsprechenden Zuschusses für das Jahr 1999
teilte er dem Kläger mit Schreiben vom 18. November 1999 mit, der Rat habe sich nicht
in der Lage gesehen, in den Haushalt für 1999, der ein Sparhaushalt sei, einen
freiwilligen Anteil zu den Betriebskosten der Einrichtung einzustellen.
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Bereits zuvor hatte der Kläger mit Schreiben vom 2. Juli 1999 einen Zuschuss in Höhe
des Trägeranteils für das Jahr 2000 beantragt. Der mit diesem Antrag befasste
Jugendhilfeausschuss beschloss, die Angelegenheit bis zu den allgemeinen
Haushaltsberatungen zu vertagen. In dem Protokoll der Sitzung vom 19. August 1999
heißt es: "Werden im Haushaltsplan 2000 Mittel für den beantragten Zuschuss
bereitgestellt, soll die Verwaltung entsprechende Zahlungen leisten." Hierüber setzte
der Beklagte den Kläger in Kenntnis; zugleich kündigte er an, er werde auf die
Angelegenheit nach Verabschiedung des Haushalts zurückkommen.
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Der Kläger vertrat mit Schreiben vom 22. November 1999 die Auffassung, die
Versagung der Förderung für das Jahr 1999 verstoße gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz, weil der Kirche seit Jahren ein freiwilliger Zuschuss
gewährt werde und der B. sogar eine 103 %-ige Förderung vertraglich zugesagt sei. Mit
seinem an den Finanzausschuss gerichteten Schreiben vom 13. Januar 2000 bat er
nochmals um Übernahme des Trägeranteils für das Jahr 2000 und führte hierzu aus, die
Vereinsmitglieder erbrächten bereits erhebliche Eigenleistungen durch die
ehrenamtliche Erfüllung von Vereinsaufgaben; die Verwaltungskosten i.H.v. 3 %
finanzierten die Eltern durch Vereinsbeiträge zwischen 50,- DM und 75,- DM. Der
Eigenanteil an den Betriebskosten führe zu einer zusätzlichen Belastung von ca. 60,-
DM pro Monat und Kind. Damit würde ein Kindertagesstättenplatz in der S. 110,- DM bis
135,- DM mehr kosten als in vergleichbaren Einrichtungen der Kommune, der Kirche
oder der B. ; dies stelle eine Ungleichbehandlung dar. Eine Reaktion des Beklagten auf
dieses Schreiben erfolgte nicht.
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Der Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 2000 war am 3. Februar 2000 Gegenstand
der Beratungen des Jugendhilfeausschusses. Der Ausschuss stellte einen
Änderungsantrag, der sich auf die Planung eines Jugendtreffs im nördlichen Stadtgebiet
bezog; weitere Änderungen beantragte er nicht. Der sodann beschlossene Haushalt
wies neben freiwilligen Zuschüssen an sonstige Träger der freien Jugendhilfe
vertragliche Betriebskostenzuschüsse für zwei Träger von Kindertageseinrichtungen
aus, und zwar für die B. in Höhe von 167.000 DM (107.300 DM + 59.700 DM) und für die
f. Kirche in Höhe von 731.000 DM. Die zugrunde liegenden Verträge mit der B. , C. ×. X.
e.V., C. , waren am 25. November/ 11. Dezember 1991 und 12./18. April 1995
geschlossen worden, der Vertrag mit dem f. Kirchenkreis W. am 22.
September/13.Oktober 1988. Auf die Verträge wird Bezug genommen. Freiwillige
Betriebskostenzuschüsse für Kindertageseinrichtungen sah der Haushalt darüber
hinaus nicht vor, ebensowenig sonstige Mittel zur Verfügung des
Jugendhilfeausschusses.
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Der Kläger hat am 25. Juli 2000 die vorliegende, auf Übernahme des Trägeranteils für
das Jahr 2000 gerichtete Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen: Es
verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass der Beklagte anderen freien
Kindergartenträgern freiwillige Leistungen gewähre, ihm derartige Leistungen aber
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vorenthalte. Soweit die Förderung anderer Träger auf vertraglichen Vereinbarungen
beruhe, hätte der Beklagte prüfen müssen, ob die seinerzeit für den Vertragsschluss
maßgeblichen Gründe weiterhin Geltung beanspruchen bzw. ob diese Verträge
gekündigt werden könnten. Zu Gunsten des Klägers sei außer dem Grundsatz der
Trägervielfalt auch zu berücksichtigen, dass seine Mitglieder ohnehin schon durch ihre
Beiträge die Verwaltungskosten aufbringen müssten. Über Spendeneinnahmen verfüge
er nicht. Die Umstellung der Berechnung der Sachkostenpauschalen zum 1. Januar
1999 habe zudem zu einer Einbuße von ca. 50.000,- DM geführt. Sein
Betreuungsangebot sei in C. P. einmalig; während einer Öffnungszeit von 6.30 Uhr bis
16.30 Uhr würden Kinder im Alter zwischen 0,3 und 14 Jahren betreut.
Der Kläger hat beantragt, 1. den Beklagten zu verpflichten, den Trägeranteil für das Jahr
2000 von 4 % in Höhe von insgesamt 46.642,- DM zu übernehmen,
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2. hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über den Förderantrag für das Jahr 2000
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden,
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3. äußerst hilfsweise, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet gewesen ist, eine
ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Gewährung eines
Trägeranteiles für das Jahr 2000 von 4 % in Höhe von 46.642,- DM unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er hat vorgetragen: In der Vergangenheit seien dem Kläger freiwillige Zuschüsse
gewährt worden, wenn die Haushaltslage dies zugelassen und ein entsprechender
Einzelbeschluss des Rates vorgelegen habe. Der freiwillige Förderanteil werde in
einem entsprechenden Haushaltstitel jeweils einrichtungs- bzw. trägerbezogen
ausgewiesen. Finanzielle Mittel für den begehrten Zuschuss stünden im Jahr 2000
wegen der angespannten Haushaltslage jedoch nicht zur Verfügung; die Beratungen
des Jugendhilfeausschusses hätten deshalb zu dem Ergebnis geführt, dass freiwillige
Förderungen nicht erfolgen könnten. Eine Ungleichbehandlung liege nicht vor. Der
einzige Träger, der außer dem Kläger freiwillige Leistungen beantragt habe, der Verein
Eltern-T. -Gruppe e.V., erhalte ebenfalls seit 1999 keine freiwilligen Zuschüsse mehr.
Die Förderung des F. Kirchenkreises W. und der B. beruhe auf vertraglichen
Vereinbarungen, für deren Abschluss sachliche Gründe ausschlaggebend gewesen
seien. Der gesetzliche Betriebskostenzuschuss falle bei beiden Trägern geringer aus
als bei dem Kläger. Der Kirchenkreis, mit dem bereits seit 1974 vertragliche
Vereinbarungen bestünden und der zwölf Tageseinrichtungen in C. P. betreibe, erhalte
vertragliche Zuschüsse in Höhe der Hälfte des verbleibenden Eigenanteils an den
Betriebskosten, zur Zeit 10 %. Ohne den Vertrag wäre wegen rückläufiger
Steuereinnahmen der Kirche der Fortbestand der Einrichtungen gefährdet gewesen. Die
B. , die zwei Einrichtungen betreibe, erhalte einen vertraglichen Zuschuss in Höhe des
gesetzlichen Trägeranteils zuzüglich weiterer 3 % der anerkennungsfähigen
Personalkosten als Verwaltungskostenpauschale. Der Vertrag vom 12./18. April 1995
sei geschlossen worden, um kurzfristig den gesetzlichen Rechtsanspruch auf einen
Kindergartenplatz erfüllen zu können. Zudem sei die B. Träger der einzigen Hort-
Einrichtung i.S.v. § 3 GTK in C. P. . Da die Stadt an diese Verträge langfristig gebunden
sei, sei eine Kostenreduzierung hier nicht möglich. Der Kläger müsse sich darauf
verweisen lassen, seine Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und freiwilligen
Zuwendungen Dritter zur Deckung des Eigenanteils einzusetzen. Ferner sei zu
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berücksichtigen, dass der Kläger bedingt durch die Gruppenstruktur sehr hohe
Personalkosten habe und demzufolge in Relation zur Zahl der betreuten Kinder nach
dem bis zum Jahr 2000 geltenden Recht höhere Sachkostenpauschalen erhalten habe
als andere Einrichtungen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die im
gerichtlichen Verfahren vom Beklagten mitgeteilten (Ermessens-)Erwägungen seien
gemäß § 114 Satz 2 VwGO zu berücksichtigen und frei von Rechtsfehlern. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
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Während des Berufungszulassungsverfahrens hat der Beklagte unter Aufgabe seines
bisherigen Rechtsstandpunktes, dass die Entscheidung über eine beantragte Förderung
nicht durch Verwaltungsakt erfolge, den Antrag des Klägers auf Gewährung freiwilliger
Zuschüsse durch Bescheid vom 17. Januar 2002 abgelehnt. Hierzu hat er ausgeführt:
Der Rat habe sich im Rahmen der allgemeinen Haushaltsberatungen mit dem Antrag
befasst, sich wegen der angespannten Haushaltslage aber nicht in der Lage gesehen,
Mittel für eine über die gesetzliche Förderung hinausgehende Bezuschussung
bereitzustellen. Angesichts dessen habe der Jugendhilfeausschuss keine freiwilligen
Zuwendungen gewähren können. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch des
Klägers hat der Beklagte nicht entschieden.
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Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor: Die
Entscheidung des Beklagten, dem Kläger keinen freiwilligen Betriebskostenzuschuss
zur Verfügung zu stellen, erweise sich als ermessensfehlerhaft. Es sei zweifelhaft, ob
das Vorbringen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren nach § 114 Satz 2 VwGO zu
berücksichtigen sei. Darüber hinaus verstoße die einseitige Bevorzugung anderer
Träger gegen Art. 3 Abs. 1 GG; die langfristige vertragliche Regelung, deren
Wirksamkeit in Frage stehe, nehme die in jedem Haushaltsjahr zu treffende
Ermessensentscheidung unzulässig vorweg. Soweit ursprünglich sachliche Gründe für
den Abschluss von Verträgen mit anderen Einrichtungsträgern bestanden haben sollten,
seien diese zwischenzeitlich entfallen; dies hätte durch Kündigung oder
Vertragsanpassung berücksichtigt werden müssen. Der Kläger habe ein mindestens
ebenso berechtigtes Interesse an Planungssicherheit wie die durch vertragliche
Vereinbarungen begünstigten Träger, die über eine erheblich höhere Finanzkraft
verfügten. Als "ärmste Trägerform" könne eine Elterninitiative mit einer lediglich 96 %-
igen Förderung eine Tagesstätte nicht betreiben. Ausgehend davon, dass nach den
Grundsätzen des Jugendhilferechts bei gleich geeigneten Maßnahmen derjenigen der
Vorzug zu geben sei, die sich stärker an den Interessen der Betroffenen orientiere, sei
die besondere Öffnungszeit der Tagesstätte des Klägers zu berücksichtigen.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und
17
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 17. Januar 2002 zu
verpflichten, den 4 %-igen Trägeranteil an den Betriebskosten der
Kindertageseinrichtung "S. " für das Jahr 2000 in Höhe von insgesamt 46.642,- DM
(23.847,68 EUR) zu übernehmen,
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hilfsweise, den Bescheid des Beklagten vom 17. Januar 2002 aufzuheben und
festzustellen, dass die Nichtübernahme des Trägeranteils für das Jahr 2000 rechtswidrig
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gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt vor: Die Ermessenserwägungen, die er in zulässiger Weise in seinem Bescheid
vom 17. Januar 2002 und zuvor bereits im Rahmen seines Vorbringens im gerichtlichen
Verfahren nachgeholt habe, seien rechtlich nicht zu beanstanden. Eine
Ungleichbehandlung liege nicht vor; als Vergleichsgruppe sei insofern auf diejenigen
Träger abzustellen, mit denen ebenfalls keine vertraglichen Vereinbarungen bestünden.
Die Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Antragstellern orientiere sich an
der jugendpolitischen Konzeption, am Bedarf für die Einrichtung und deren Bedeutung
für die Bevölkerung. Sachgerecht sei insbesondere die Unterstützung der Einrichtung
der B. ; falls die früheren Förderungsgründe zwischenzeitlich weggefallen sein sollten,
sei dies gegenüber dem Kläger unbeachtlich. Auch die starke Nachfrage nach den
Betreuungsplätzen in den Einrichtungen des Kirchenkreises W. stelle ein sachgerechtes
Differenzierungskriterium dar. Wegen rückläufiger Kirchensteuereinnahmen sei der
Bestand dieser Einrichtungen und damit zugleich die sinnvolle Verwendung der zum
Bau dieser Einrichtungen gewährten öffentlichen Mittel gefährdet gewesen. Ein
sachliches Differenzierungskriterium sei darüber hinaus die unterschiedliche
pädagogische Ausrichtung privat-gemeinnütziger gegenüber kirchlichen
Organisationen. Dass gemäß § 74 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch -
Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) die unterschiedlichen Eigenleistungen zu
berücksichtigen seien, habe nicht gegen eine Förderung des Kirchenkreises
gesprochen, da dessen monetäre Ausgangssituation derjenigen des Klägers
vergleichbar gewesen sei. Ein weiterer sachlicher Differenzierungsgrund sei die
angespannte Haushaltslage des Beklagten gewesen. Vor diesem Hintergrund habe der
Jugendhilfeausschuss die Bereitstellung freiwilliger Zuschüsse nicht für notwendig
erachtet; gleichwohl habe er den Antrag des Klägers dem Rat vorgelegt, der im Rahmen
des ihm zustehenden Auswahlermessens zu Lasten des Klägers entschieden habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge einschließlich der ab 1993
geltenden Jugendhilfepläne und des die Jugendhilfe betreffenden Teils des
Haushaltsplans sowie die beizogenen Gerichtsakten 7 K 1658/01 und 7 K 1781/01 VG
Minden Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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Die Klage ist mit dem Hauptantrag als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt.
VwGO statthaft, da die begehrte Handlung des Beklagten, wie dieser inzwischen selbst
einräumt, einen Verwaltungsakt darstellt. Die Auszahlung der vom Kläger letztlich
erstrebten Fördermittel erfordert zunächst eine Entscheidung darüber, ob, in welcher
Form und in welchem Umfang eine Förderung gewährt wird. Hierbei handelt es sich um
einen Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X
-.
26
Vgl. Steffan, in: Kunkel (Hrsg.), Kinder- und Jugendhilfe, Lehr- und Praxiskommentar
27
(LPK- SGB VIII), 2. Aufl., 2003, § 74 Rn. 42; Hauck, in: Stähr (Hrsg.), SGB VIII, Stand:
I/2003, § 74 Rn. 13; Schellhorn, SGB VIII, KJHG, 2. Aufl., 2000, § 74 Rn. 14; anderer
Ansicht, jedoch ohne überzeugende Begründung: OVG Schl.-H., Urteil vom 30.
September 1998 - 2 L 32/98 -, NordÖR 1999, 208.
Dessen Geltung für die behördliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Kinder- und
Jugendhilferechts, zu dem auch die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen zählt
(§§ 2 Abs. 2 Nr. 3, 22 SGB VIII), folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 8 des
Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - SGB I -.
28
Nachdem der Beklagte über den bereits im Juli 1999 gestellten Antrag nicht in der
gebotenen Form entschieden hatte, konnte der Kläger die Verpflichtungsklage
abweichend von § 68 Abs. 1 und 2 VwGO gemäß § 75 VwGO auch ohne vorherige
Durchführung eines Vorverfahrens erheben. Der sodann ergangene
Ablehnungsbescheid vom 17. Januar 2002 war in das Verfahren einzubeziehen, ohne
dass es insoweit der Durchführung eines Vorverfahrens bedurft hätte.
29
Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1983 - 5 C 114.81 -, BVerwGE 66, 342 (344).
30
Das Verpflichtungsbegehren ist ebenso wie das von diesem umfasste
Bescheidungsbegehren nicht deshalb unzulässig, weil der Beklagte tatsächlich oder
rechtlich gehindert wäre, dem auf den Trägeranteil für das Jahr 2000 bezogenen
Zuschussbegehren jetzt noch zu entsprechen. Das Bundesverwaltungsgericht geht in
derartigen Fällen ohne weiteres von der Zulässigkeit des auf Verpflichtung bzw.
Neubescheidung gerichteten Begehrens aus.
31
Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. April 2002 - 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226, und - 5 C
23.01 -, FEVS 54, 97.
32
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats.
33
Vgl. Urteile vom 5. Dezember 1995 - 16 A 5462/94 -, OVGE 45, 158 = NWVBl. 1996,
310, und vom 15. Januar 1997 - 16 A 2389/96 -, FEVS 47, 394 (395).
34
Hieran ist festzuhalten. Anders als sonstige Zuwendungen (Subventionen), deren
Vergabe häufig allein auf der Bereitstellung von Fördermitteln in einem Bundes- oder
Landeshaushalt und auf hierzu erlassenen Förderrichtlinien beruht,
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vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2002 - 3 C 54.01 -, DVBl. 2003, 139 (140),
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so dass ein Förderbegehren gegenstandslos werden kann, wenn die im Haushaltsplan
für die betreffende Maßnahme vorgesehenen Mittel aufgebraucht sind,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 1999 - 16 A 5154/98 -, S. 10 des
Urteilsabdrucks, und Beschluss vom 29. Dezember 1998 - 16 B 2252/98 - ,
38
hat die in Rede stehende Förderung in § 74 SGB VIII eine gesetzliche Grundlage. Der
Ablauf des Haushaltsjahres führt nicht zur Erledigung eines hierauf gerichteten
Antrages; im Falle einer rechtswidrigen Nichtleistung ist der Jugendhilfeträger vielmehr
verpflichtet, in einem Folgejahr die erforderlichen Mittel in den Haushalt einzustellen.
Soweit - wie mit dem Verpflichtungsbegehren geltend gemacht - ein gesetzlicher
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Anspruch auf die begehrten Leistungen besteht, liegt dies auf der Hand; denn der
Bestand eines Anspruchs wird durch das Fehlen entsprechender Haushaltsmittel nicht
berührt (vgl. auch § 78 Abs. 3 Satz 3 GO NRW). Entsprechendes muss aber auch
gelten, soweit die Entscheidung über die Förderung im Ermessen der Behörde steht.
Das schließt nämlich nicht aus, dass die Förderung hinsichtlich eines Bedarfs bewilligt
wird, der in einem anderen als dem laufenden Haushaltsjahr entstanden ist. Wenngleich
die Möglichkeit zur Änderung des Haushaltsplans mit Ablauf des betreffenden
Kalenderjahres endet (vgl. §§ 80 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 4 GO NRW), ist der
Jugendhilfeträger in jedem Jahr erneut gehalten, zur Förderung der freien Jugendhilfe
nach § 74 SGB VIII die Mittel in den jeweiligen Haushalt einzustellen, die erforderlich
sind, um seiner jugendhilferechtlichen Gesamtverantwortung (§ 79 SGB VIII) gerecht zu
werden. Weder aus den Regelungen des SGB VIII noch aus den Regelungen über das
gemeindliche Haushaltswesen folgt, dass Zuwendungen nur für solche Aufwendungen
gewährt werden dürften, die dem Zuwendungsempfänger im selben Jahr entstanden
sind. Wortlaut und Sinn der insoweit maßgeblichen Bestimmungen geben keinen
Anlass zu einem derartigen Verständnis. § 74 SGB VIII soll dem Jugendhilfeträger ein
möglichst weites Spektrum von Förderungsmöglichkeiten eröffnen, um so
einzelfallbezogen sachgerechte Entscheidungen unter Berücksichtigung der örtlichen
Gegebenheiten, insbesondere des konkreten Jugendhilfebedarfs und -angebots, zu
gewährleisten. Zu den nach § 74 SGB VIII anerkanntermaßen in Betracht kommenden
Formen der finanziellen Förderung zählt neben der Festbetrags- und Anteilsförderung
auch die Fehlbetragsfinanzierung.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2002 - 5 C 23.01 -, FEVS 54, 97 (98); Wiesner, SGB
VIII, 2. Aufl., 2000, § 74 Rn. 10 ff.; Steffan, in: LPK- SGB VIII, § 74 Rn. 3.
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Bei einem Verständnis, das eine Konnexität zwischen Bedarfsentstehung und
Haushaltsjahr voraussetzt, wäre eine Fehlbetragsfinanzierung bei ganzjährig
betriebenen Jugendhilfeeinrichtungen aber praktisch nahezu ausgeschlossen, weil die
exakte rechnerische Ermittlung eines etwaigen Fehlbetrages regelmäßig erst nach
Erstellung der jährlichen Betriebskostenabrechnung möglich ist.
41
Gegen die Annahme der Erledigung eines auf § 74 SGB VIII gestützten
Förderungsbegehrens mit Ablauf des Haushaltsjahres spricht schließlich auch, dass der
beklagte Träger der öffentlichen Jugendhilfe sowohl für die Bereitstellung der Mittel als
auch für deren Verteilung zuständig ist. Wenn ein Rechtsfehler - wie hier vom Kläger
geltend gemacht - bereits in der fehlenden Bereitstellung von Haushaltsmitteln durch
den Rat, nicht erst in der fehlerhaften Verteilung dieser Mittel besteht, hat der Rat es
selbst in der Hand, den Rechtsfehler notfalls durch Umschichtung oder Aufstockung der
in einem späteren Jahr anzusetzenden Mittel zu beheben.
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Die Verpflichtungsklage ist teilweise begründet. Die Versagung der Förderung ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Mangels Spruchreife kann der Beklagte aber nicht zur Bewilligung des beantragten
Förderbetrages, sondern lediglich zur Neubescheidung verpflichtet werden (§ 113 Abs.
5 Satz 2 VwGO).
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Als Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch kommt nur § 74
SGB VIII in Betracht. Das Begehren des Klägers zielt nicht auf die Gewährung eines
Betriebskostenzuschusses nach § 18 GTK ab; der darauf gerichtete Anspruch, auf den
der Beklagte bereits Vorauszahlungen geleistet hat, ist Gegenstand eines
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eigenständigen Bewilligungsverfahrens. Hinsichtlich der hier streitbefangenen, über den
landesgesetzlich normierten Anspruch hinausgehenden Förderung findet § 74 SGB VIII
Anwendung. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 18 Abs. 1 und 4 Satz 1 GTK die
Betriebskosten einer von einer Elterninitiative betriebenen Tageseinrichtung durch
Zuschüsse des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe in Höhe von 96 % und im
Übrigen, also in Höhe von 4 %, durch Eigenleistungen gedeckt werden. Ungeachtet der
Frage, ob der Landesgesetzgeber die Kompetenz besitzt, einen bundesrechtlich
geregelten Anspruch zu begrenzen, ist § 18 Abs. 4 Satz 1 GTK nicht zu entnehmen,
dass hierdurch ein auf jeden Fall von dem Träger neben den Verwaltungskosten
aufzubringender Eigenanteil von 4 % der Betriebskosten festgeschrieben und eine
weiter gehende Förderung ausgeschlossen werden sollte. Derartiges folgt nicht daraus,
dass statt des in § 18 Abs. 4 Satz 1 GTK a.F. vorgesehenen Zuschusses in Höhe von
"mindestens 95 %" im maßgeblichen Streitjahr gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 GTK in der
Fassung des Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1998 (GV NRW S. 704) ein auf
(exakt) 96 % fixierter Zuschuss zu gewähren war. Denn aus § 18a Abs. 2 GTK, der
zeitgleich mit der Änderung des § 18 GTK eingefügt wurde und eine stufenweise
Erhöhung der Zuschüsse vorsieht, wird deutlich, dass der Landesgesetzgeber eine
höhere prozentuale Förderung für wünschenswert, aber nicht sofort realisierbar hielt.
Diese Auslegung wird durch die Begründung des Gesetzentwurfs bestätigt; danach
diente die Änderung des § 18 GTK nur der Klarstellung, dass eine weiter gehende
Förderung ihre Grundlage nicht im Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder hat und
demzufolge eine Refinanzierung durch das Land insoweit nicht erfolgt.
Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 12/3271, S. 19.
45
Die Entscheidung des Beklagten, die vom Kläger begehrte Förderung zu versagen,
steht mit § 74 SGB VIII nicht in Einklang. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sollen die
Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der
Jugendhilfe fördern, wenn die in Nr. 1 bis 5 genannten Voraussetzungen vorliegen. Als
Träger einer seit vielen Jahren existierenden, nach § 18 GTK geförderten und in den
Jugendhilfeplan des Beklagten aufgenommenen Tageseinrichtung für Kinder erfüllt der
Kläger diese Voraussetzungen. Über Art und Höhe der Förderung entscheidet der
Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach
pflichtgemäßem Ermessen (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII); bei der Ausübung des
Ermessens sind die besonderen jugendhilferechtlichen Vorgaben, namentlich das
jugendhilferechtliche Gleichbehandlungsgebot (§ 74 Abs. 5 SGB VIII), die Orientierung
an den Interessen der Betroffenen (§ 74 Abs. 4 SGB VIII) und der Grundsatz der
Trägervielfalt (§ 3 Abs. 1 SGB VIII), zu beachten.
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Die Versagung der beantragten Mittel begegnet schon in formeller Hinsicht Bedenken.
Nach § 71 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hat der Jugendhilfeausschuss im
Rahmen der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel über Förderanträge freier
Jugendhilfeträger zu entscheiden. Es erscheint zweifelhaft, ob die vorliegend gewählte
Verfahrensweise hiermit in Einklang steht. Der Jugendhilfeausschuss des Beklagten hat
die Angelegenheit durch Beschluss vom 19. August 1999 bis zu den allgemeinen
Haushaltsberatungen vertagt und es dem Rat überlassen, ob Mittel für eine Förderung
des Klägers in Bezug auf den Trägeranteil zur Verfügung gestellt werden sollten; er hat
damit keine eigene Entscheidung über den Antrag des Klägers getroffen. Mit Rücksicht
auf die Ausgestaltung des Haushaltsplans hätte er eine solche Entscheidung auch gar
nicht treffen können. Nach der vom Beklagten in beiden mündlichen Verhandlungen
geschilderten und für das Jahr 2000 durch den Haushaltsplan belegten
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Vorgehensweise trifft der Rat die Entscheidungen über Förderanträge durch Aufnahme
einrichtungs- bzw. trägerbezogener Haushaltstitel in den Haushaltsplan jeweils selbst,
ohne dem Jugendhilfeausschuss in diesem Bereich eine Entscheidungsbefugnis zu
belassen. Der Senat hat Bedenken, ob diese Praxis mit der in § 71 SGB VIII geregelten
internen Aufgabenverteilung zwischen Jugendhilfeausschuss und Rat zu vereinbaren
ist. Danach hat der Jugendhilfeausschuss in Fragen der Jugendhilfe nicht nur ein
Anhörungs- und Antragsrecht (§ 71 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII), das hier durch die Vorlage
des Entwurfs der Haushaltssatzung in der Ausschusssitzung am 3. Februar 2000
gewahrt wurde, sondern im Rahmen der von der Vertretungskörperschaft
bereitgestellten Mittel, der von ihr erlassenen Satzung und der von ihr gefassten
Beschlüsse ein eigenes Beschlussrecht (§ 71 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII), das
insbesondere die Verteilung der vom Rat für Zwecke der Förderung der freien
Jugendhilfe bereitgestellten Haushaltsmittel betrifft (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII). Da die
von der politischen Vertretungskörperschaft gefassten Beschlüsse in Fragen der
Jugendhilfe, seien sie haushaltsrechtlicher, sonstiger normativer oder schlicht
jugendpolitischer Natur, im Grundsatz dem Beschlussrecht des Ausschusses vorgehen,
gewinnt dieses seine konkrete Gestalt und Reichweite allerdings erst im
Zusammenspiel mit dem Kommunalverfassungsrecht der Länder und der dort
konstituierten Haushalts-, Beschluss- und Satzungsgewalt der politischen
Vertretungskörperschaft. Letztere ist befugt, bestimmte jugendpolitische Schwerpunkte
zu setzen und dem Ausschuss diesbezügliche Vorgaben zu machen, etwa Mittel für
bestimmte Zwecke zu binden.
Vgl. Schellhorn, SGB VIII, KJHG, § 74 Rn. 27 und § 71 Rn. 18.
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Dem Jugendhilfeausschuss muss in Fragen der Jugendhilfe aber ein
Entscheidungsbereich von "substantiellem Gewicht" verbleiben.
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So BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1994 - 5 C 30.91 -, BVerwGE 97, 223 (229 f.).
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Daran fehlt es, wenn der Rat durch entsprechende Bestimmungen in der
Haushaltssatzung eine Entscheidung des Jugendhilfeausschusses über die Verteilung
der Mittel zur Förderung der freien Jugendhilfe insgesamt vorwegnimmt oder vereitelt.
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Vgl. Wiesner, SGB VIII, § 74 Rn. 39; Steffan, in: LPK-SGB VIII, § 74 Rn. 28.
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Hiernach könnte die Behandlung des Förderantrags des Klägers durch Rat und
Jugendhilfeausschuss allenfalls dann zu rechtfertigen sein, wenn die Ausgestaltung der
Haushaltsansätze für die Kindertageseinrichtungen nicht als Auswahlentscheidung
zwischen den einzelnen um eine Förderung nachsuchenden Trägern solcher
Einrichtungen, sondern lediglich als Ausdruck einer finanziellen bzw.
jugendhilferechtlichen Schwerpunktsetzung anzusehen sein sollte. Dafür mag
sprechen, dass der Haushaltsplan für keine andere Kindertageseinrichtung freiwillige,
sondern ausschließlich gesetzliche und vertragliche Betriebskostenzuschüsse vorsieht.
Letztlich kann die Frage, ob die gesetzlichen Vorgaben für die Zuständigkeitsverteilung
eingehalten worden sind, aber dahingestellt bleiben, weil es hierauf nicht entscheidend
ankommt.
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Die Versagung der beantragten Förderung hält nämlich deshalb einer rechtlichen
Überprüfung nicht stand, weil der Beklagte das ihm als Träger der öffentlichen
Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
54
Ermessen besteht in Bezug auf die ergänzende Förderung einer bereits nach § 18 GTK
bezuschussten Kindertageseinrichtung sowohl hinsichtlich der Entscheidung, ob der
Träger eine solche Förderung überhaupt erhält (§ 74 Abs. 1 SGB VIII), als auch
hinsichtlich der Entscheidung über Art und Höhe der Förderung (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB
VIII). Das Ermessen ist nicht in der Weise gebunden, dass dem Förderantrag dem
Grunde nach entsprochen werden müsste. Dem durch die Soll-Bestimmung in § 74 Abs.
1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII dem Träger der freien Jugendhilfe bei Vorliegen der
gesetzlichen Voraussetzungen im Regelfall eingeräumten Rechtsanspruch auf
Förderung,
55
vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 1997 - 16 A 2389/96 -, FEVS 47, 394 (395);
Preis/Steffan, Anspruchsrechte, Planungspflichten und Fördergrundsätze im Kinder- und
Jugendhilferecht, FuR 1993, 185 (188); a.A. OVG Berlin, Beschluss vom 14. Oktober
1998 - 6 S 94.98 -, FEVS 49, 368 (372),
56
trägt bereits das nordrhein-westfälische Landesrecht Rechnung. Das Gesetz über
Tageseinrichtungen für Kinder gewährleistet, dass Träger von Tageseinrichtungen
durch gesetzlich festgelegte Zuschüsse zu den Betriebskosten finanziell gefördert
werden; die Höhe der Förderung berücksichtigt - wenngleich notwendigerweise in
generalisierender Form - die rechtlichen Vorgaben des SGB VIII. So wird etwa bei der
Bemessung der Eigenleistungen nach der unterschiedlichen Finanzkraft verschiedener
Arten von Trägern differenziert, und Selbsthilfeinitiativen, bei denen regelmäßig eine
besondere Orientierung an den Interessen der Betroffenen anzunehmen ist, werden in
höherem Maße unterstützt (vgl. § 74 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 und § 4 Abs. 3 SGB VIII sowie
§ 18 Abs. 2 und 4 GTK). Einen Anspruch auf eine finanzielle Vollförderung sieht das
Landesrecht nicht vor. Eine solche ist auch bundesrechtlich nicht geboten.
57
Hiervon geht auch das BVerwG aus, vgl. Urteil vom 25. April 2002 - 5 C 18.01 -,
BVerwGE 116, 226 (233); vgl. auch Stähr, Führt der Rechtsanspruch auf einen
Kindergartenplatz zu einem Rechtsanspruch der freien Träger auf Finanzierung?, ZfJ
1998, 24 ff.; im Ergebnis ebenso: VGH C. .-Württ., Urteil vom 21. August 2002 - 2 S
2106/00 -, Juris, unter Hinweis auf das Urteil des BVerfG vom 18. Juli 1967 - 2 BvF
3,4,5,6,7,8/62; 2 BvR 139,140,334,335/62 -, BVerfGE 22, 180 (207 f.).
58
Dies folgt aus § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII, wonach der Regelanspruch auf
Förderung voraussetzt, dass der Träger der freien Jugendhilfe eine angemessene
Eigenleistung erbringt. Eine auf Kindergärten bezogene Ausnahme von diesem
Grundsatz sieht das Gesetz weder in § 74 noch in den §§ 22 ff. SGB VIII vor.
59
Anders wohl Nds. OVG, Beschluss vom 16. Juni 1997 - 4 M 1219/97 -, FEVS 48, 213
(216 ff.).
60
Besteht demnach keine gesetzliche Pflicht, eine bereits nach den landesrechtlichen
Vorschriften bezuschusste Kindertageseinrichtung zusätzlich nach § 74 Abs. 1 Satz 1
SGB VIII finanziell zu fördern, steht die Entscheidung über das "Ob" und das "Wie" der
begehrten Förderung im Ermessen des Beklagten. Die Ausübung des Ermessens ist
einer gerichtlichen Überprüfung in den Grenzen des § 114 Satz 1 VwGO zugänglich. Es
handelt sich nicht um eine der gerichtlichen Kontrolle entzogene politische
Entscheidung. Insbesondere die kinder- und jugendhilferechtlichen Bindungen, die der
Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu beachten hat, schließen eine Entscheidung nach
61
freiem politischen Belieben aus.
Gegenstand der Prüfung, ob die Ermessensentscheidung frei von Rechtsfehlern ist, sind
hier ausschließlich die in dem Bescheid vom 17. Januar 2002 wiedergegebenen
Ermessenserwägungen. Auch unter Berücksichtigung von § 114 Satz 2 VwGO, wonach
die Verwaltungsbehörde Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes
auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann, sind weder die
Ausführungen des Beklagten im erstinstanzlichen Klageverfahren noch die
Ausführungen seiner Prozessbevollmächtigten in der Berufungserwiderung in den Blick
zu nehmen. Der Einbeziehung des erstinstanzlichen Beklagtenvorbringens steht schon
entgegen, dass § 114 Satz 2 VwGO nur den Fall der Ergänzung einer bereits
vorhandenen Ermessensbegründung, nicht aber die vollständige Nachholung oder die
Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe erfasst.
62
Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Juni 1997 - 3 C 22.96 -, BVerwGE 105, 55 (59), und vom
5. Mai 1998 - 1 C 17.97 -, BVerwGE 106, 351 (365), und Beschluss vom 14. Januar
1999 - 6 B 133.98 -, NJW 1999, 2912; OVG NRW, Urteil vom 18. Juni 2002 - 15 A
1958/01 -, NWVBl. 2002, 384 (388).
63
Da der Beklagte zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch keinen
Verwaltungsakt erlassen hatte, kam eine Ergänzung der "Ermessenserwägungen
hinsichtlich des Verwaltungsaktes" seinerzeit nicht in Betracht. Nachdem der Beklagte
während des zweitinstanzlichen Verfahrens den Antrag des Klägers nunmehr durch
Bescheid vom 17. Januar 2002 abgelehnt hat, scheidet ein Rückgriff auf die
erstinstanzliche Klageerwiderung ebenfalls aus. Denn der Beklagte muss sich an dem
Inhalt des Bescheides festhalten lassen, den er ersichtlich zu dem Zweck erlassen hat,
den bis dahin vorliegenden Begründungsmangel seiner Entscheidung zu heilen.
Erwägungen, die in einem solchen Bescheid, der gerade der Nachholung einer bislang
fehlenden Ermessensbegründung dienen soll, nicht angesprochen werden, sind nicht
als für die Ermessensausübung maßgeblich zugrundezulegen.
64
Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der anwaltlichen Ausführungen im
Berufungsverfahren, und zwar auch dann, wenn man entsprechend dem Vortrag des
Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
annimmt, dass die Berufungserwiderungsschrift, die eher auf eine Verteidigung der
angefochtenen Entscheidung zu zielen scheint, als Ergänzung der
Ermessenserwägungen i.S.v. § 114 Satz 2 VwGO zu verstehen sein soll. Das
anwaltliche Vorbringen im Berufungsverfahren kann nicht als Ermessensergänzung
gewertet werden, weil hierzu nur der nach dem jeweiligen Fachrecht zuständige
Entscheidungsträger befugt ist. § 114 Satz 2 VwGO regelt lediglich, dass einer
Ergänzung von Ermessenserwägungen prozessuale Hindernisse nicht entgegenstehen;
die Frage, ob das Nachschieben von Gründen in der Sache zulässig ist, beantwortet
sich hingegen nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht und dem
Verwaltungsverfahrensrecht.
65
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 -, BVerwGE 106, 351 (364).
66
Entsprechend den obigen Ausführungen zur Zuständigkeit kommt eine Ergänzung der
Ermessensbegründung daher nur hinsichtlich solcher Erwägungen in Betracht, die
Gegenstand der - damaligen oder neuerlichen - Befassung des
Jugendhilfeausschusses bzw. des Rates mit dem Förderantrag waren. Die auf
67
Anforderung des Senats vom Beklagten vorgelegten diesbezüglichen Unterlagen geben
indessen keinen Anhalt dafür, dass die in der Berufungserwiderungsschrift neu
angesprochenen Aspekte von den genannten Gremien erwogen worden wären. Dies
macht der Beklagte auch nicht geltend.
Die in dem angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Ermessenserwägungen, die
danach allein in den Blick zu nehmen sind, sind, wenn man sie wörtlich versteht, bereits
deshalb fehlerhaft, weil sie auf der unzutreffenden Annahme beruhen, es stünden keine
Mittel für freiwillige Zuwendungen an freie Jugendhilfeträger zur Verfügung. Dabei wird
der Begriff der freiwilligen Zuwendungen als Gegenbegriff zu den gesetzlichen
Zuschüssen verwendet. Tatsächlich weist der vom Beklagten auszugsweise vorgelegte
Haushaltsplan 2000 unter den Gliederungspunkten 45 "Jugendhilfe nach dem KJHG"
und 46 "Einrichtungen der Jugendhilfe" aber durchaus Haushaltsansätze auf, die keine
gesetzlichen Zuschüsse, sondern im Ermessen stehende Zuwendungen zur Förderung
der freien Jugendhilfe i.S.v. § 74 SGB VIII betreffen, z.B. Zuschüsse an Jugendverbände
und sonstige Träger für Kinder- und Jugenderholung (Haushaltsstelle 1.451.7170.02.0:
36.000 DM), Zuschüsse an Jugendverbände und sonstige Träger für internationale
Jugendbegegnungen (1.451.7170.03.9: 4.000 DM); Zuschüsse an Jugendverbände und
sonstige Träger für Mitarbeiterfortbildung (1.451.7170.04.7: 2.000 DM), Zuschuss für die
kirchliche Ehe- und Lebensberatungsstelle in I. /C. P. (1.453.7170.03.5: 1.000 DM),
Zuschüsse an Einrichtungen der Jugendarbeit (Haushaltsstelle 460, Deutsches
Jugendherbergswerk, Kinderschutzbund, Jugendverbände, Verein "X. ", insgesamt
116.700,- DM), Zuschüsse an einen f. Kindergarten für Sprachförderung
(1.464.6108.03.0: 8.000 DM) und Betriebskostenzuschüsse zugunsten der
Kindertageseinrichtungen der f. Kirche (1.464.7171.03.7: 731.000 DM) sowie der B.
(1.464.7171.05.3: 59.700 DM und 1.464.7171.11.8: 107.300 DM). Auch die
letztgenannten, im Haushaltsplan als "Betriebskostenzuschüsse - vertraglicher Anteil -"
bezeichneten Mittel haben als Maßnahmen zur Förderung der freien Jugendhilfe ihre
rechtliche Grundlage in § 74 SGB VIII. Dass sie aufgrund öffentlich-rechtlicher Verträge,
nicht aufgrund jährlicher Bewilligungsentscheidungen gewährt werden, ändert daran
nichts.
68
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Juni 2001 - 12 A 3045/99 -, FEVS 53, 175 (176 f.).
69
Insgesamt sah der Haushaltsplan 2000 demnach Mittel zur Förderung der freien
Jugendhilfe in Höhe von mehr als 1.000.000 DM vor, so dass die Aussage in dem
Bescheid vom 17. Januar 2002, Haushaltsmittel für freiwillige Zuwendungen an freie
Jugendhilfeträger hätten nicht bereitgestellt werden können, unzutreffend ist.
70
Vor dem Hintergrund der bei Erlass dieses Bescheides im gerichtlichen Verfahren
bereits ausgetauschten Argumente liegt es allerdings trotz der weit gefassten
Formulierung näher, dass der Beklagte lediglich zum Ausdruck bringen wollte, es
stünden keine Mittel zur Verfügung, um Kindertageseinrichtungen über gesetzliche und
vertragliche Leistungspflichten hinaus zu fördern. Doch auch wenn man den Bescheid
vom 17. Januar 2002 in diesem Sinne versteht, hält er einer rechtlichen Überprüfung
nicht stand. Da die für die Förderung der freien Jugendhilfe insgesamt verfügbaren
Haushaltsmittel den Rahmen der nach § 74 Abs. 3 SGB VIII zu treffenden
Ermessensentscheidung vorgeben, hätte auch erwogen werden müssen, ob und in
welchem Umfang durch Einsparungen im Bereich der sonstigen Jugendhilfe, für die ca.
160.000 DM vorgesehen waren, Mittel hätten freigesetzt werden können, um so eine
Ungleichbehandlung zwischen vertraglich abgesicherten und nicht vertraglich
71
abgesicherten Trägern von Kindertageseinrichtungen zu vermeiden oder zumindest
abzumildern. Dass derartige Überlegungen angestellt worden wären, lässt die
Begründung des angefochtenen Bescheides nicht erkennen.
Auch unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beklagten in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat kann nicht angenommen werden, dass für eine solche
Abwägung kein Raum gewesen wäre. Denn nicht allen für die Förderung anderer
Träger der freien Jugendhilfe vorgesehenen Haushaltsansätzen standen entsprechende
rechtliche Verpflichtungen gegenüber. Soweit der Beklagte zur Förderung insbesondere
nach den §§ 12, 74 Abs. 1 SGB VIII gesetzlich verpflichtet war, handelt es sich jeweils
nur um dem Grunde nach bestehende Ansprüche, so dass bezüglich der Höhe der
Fördermittel gleichwohl noch eine abwägende Entscheidung möglich war. Vertragliche
Bindungen bestanden nach Angaben des Beklagten nur teilweise. Soweit die
Leistungen auf Richtlinien beruhten, die vom Jugendhilfeausschuss beschlossen und
vom Rat genehmigt worden waren, hätte wegen der Knappheit der verfügbaren
Haushaltsmittel in Betracht gezogen werden müssen, die betreffenden Richtlinien zu
ändern. Hierzu war der Beklagte befugt, da es sich um von ihm selbst gesetzte
Richtlinien handelte.
72
Obgleich die danach verbleibenden Entscheidungsspielräume gering gewesen sein
mögen, beruhte die Versagung der beantragten Förderung des Klägers letztlich nicht
darauf, dass dem Antrag wegen fehlender Haushaltsmittel nicht entsprochen werden
konnte, sondern darauf, dass der Kläger nicht berücksichtigt werden sollte. Diese
Auswahlentscheidung hätte sich an den Maßstäben des Kinder- und Jugendhilferechts
orientieren müssen.
73
Vgl. zu diesen Maßstäben: BVerwG, Urteil vom 25. April 2002 - 5 C 18.01 -, BVerwGE
116, 226 (231 ff.).
74
Dass dies geschehen ist, lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen. Eine
Auswahlentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen muss vielmehr nachgeholt
werden.
75
Zugleich mit Blick auf diese erneute Ermessensentscheidung bleibt festzuhalten, dass
die Versagung der Förderung sich nicht deshalb als ermessensfehlerhaft erweist, weil
der Beklagte eine Kündigung der mit der f. Kirche und der B. geschlossenen Verträge
nicht erwogen hat. Das jugendhilferechtliche Gleichbehandlungsgebot (§ 74 Abs. 5
SGB VIII) gebietet, bei der Entscheidung über die Verteilung von Fördermitteln auf die
Träger gleichartiger Maßnahmen auch bestehende Möglichkeiten einer Kündigung von
Verträgen in Erwägung zu ziehen, die mit einzelnen dieser Träger geschlossen wurden.
76
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Juni 2001 - 12 A 3045/99 -, FEVS 53, 175 (177).
77
Das hat der Beklagte - anscheinend bis heute - nicht getan. Bezogen auf das hier in
Rede stehende Jahr 2000 wird dies indessen noch nicht entscheidungserheblich. Der
Vertrag mit dem F. Kirchenkreis war nach seinem § 9 zunächst bis zum 31. Dezember
1998 geschlossen. Er verlängert sich um jeweils drei Jahre, falls er nicht ein Jahr vorher
schriftlich gekündigt wird; eine solche Kündigung ist auch hinsichtlich einzelner
Kindergärten möglich. Die Kündigung hätte demnach bereits bis zum Ende des Jahres
1997 erklärt werden müssen, wenn sie schon für das Haushaltsjahr 2000 hätte wirksam
werden sollen. Es kann indessen nicht angenommen werden, dass eine Notwendigkeit,
78
den Vertrag zu kündigen, schon im Jahr 1997 abzusehen war; hiergegen spricht, dass
der Beklagte die freiwillige Förderung von Kindertageseinrichtungen erst im Jahr 1999
eingestellt hat. Die mit der B. bestehenden Verträge konnten mit Wirkung für das Jahr
2000 noch nicht gekündigt werden. Der den Kinderhort betreffende, im Jahr 1991
geschlossene Vertrag lief zunächst bis zum 31. Dezember 2001; seither ist er jährlich
kündbar (vgl. § 5 des Vertrages). Der im Jahr 1995 für eine Dauer von 33 Jahren
geschlossene Vertrag über die Errichtung und den Betrieb einer Kindertageseinrichtung
sieht eine Kündigungsmöglichkeit nur für den Fall der Verletzung vertraglicher Pflichten
oder schwerer dauerhafter Zerwürfnisse vor (vgl. § 8 des Vertrages).
Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass der Beklagte schon durch den
Abschluss der genannten Verträge seinen finanziellen Handlungsspielraum sachwidrig
derart eingeschränkt hätte, dass jede jetzige Ermessensentscheidung, die diese
vertraglichen Verpflichtungen als Differenzierungskriterium berücksichtigt, deshalb
ihrerseits fehlerhaft erscheinen müsste. Allerdings setzt sich - ebenso wie eine
gleichheits- und damit rechtswidrige Verteilung der Mittel im Haushaltsplan die
Rechtswidrigkeit der nachfolgenden Verteilungsentscheidung zur Folge hat -,
79
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Juni 2001 - 12 A 3045/99 -, FEVS 53, 175 (177),
80
auch eine in der Vergangenheit fehlerhaft getroffene Entscheidung, durch die die
Ermessensausübung für spätere Haushaltsjahre in rechtswidriger Weise
vorweggenommen wird, in jeder daraus folgenden Entscheidung fort. Die in der
mündlichen Verhandlung ergänzend erläuterten Umstände lassen den Abschluss der
Verträge jedoch als nicht sachwidrig erscheinen.
81
Ein nachvollziehbares Bedürfnis für die vertragliche Absicherung der von dem f.
Kirchenkreis betriebenen Kindergärten folgt ohne weiteres daraus, dass deutlich mehr
als die Hälfte der in C. P. vorhandenen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft steht.
Mithin musste der Beklagte auch mit Blick auf seine jugendhilferechtliche
Gesamtverantwortung ein Interesse daran haben, diesen vor allem für die
flächendeckende wohnortnahe Versorgung bedeutsamen Bestand längerfristig zu
erhalten. Da die Kirche immerhin noch erhebliche Eigenleistungen zu tragen hat,
nämlich 10 % der Betriebskosten sowie die Verwaltungskosten, lässt sich keine
unangemessene Begünstigung dieses Trägers feststellen.
82
Als problematisch mögen hingegen zunächst die Verträge mit der B. erscheinen. Dies
gilt vor allem für die vertragliche Regelung über den Umfang der Förderung. Die B. hat
letztlich nur geringe finanzielle Eigenleistungen zu erbringen, weil der Beklagte sich zu
einer Förderung in Höhe von 100 % der Personal- und Sachkosten zuzüglich eines
Aufschlages zur Deckung der Verwaltungskosten verpflichtet hat. Beim Träger
verbleiben danach allenfalls ein sehr kleiner Anteil der Verwaltungskosten sowie
Kosten für Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Diese Bedenken greifen aber letztlich
nicht durch. Die Vereinbarung einer derart hohen öffentlichen Förderung verstößt nicht
gegen das Gesetz. Zwar knüpft § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII den Anspruch auf eine
Förderung daran, dass der Träger angemessene Eigenleistungen erbringt; dies schließt
eine freiwillige Förderung trotz fehlender oder nur geringfügiger Eigenleistungen aber
nicht zwingend aus. Jedenfalls unter Berücksichtigung der in der mündlichen
Verhandlung vom Beklagten abgegebenen Erläuterungen beruhte der Abschluss der
Verträge auch nicht auf sachwidrigen Erwägungen. Hinsichtlich des Vertrages aus dem
Jahr 1991 folgt dies daraus, dass die Einrichtung eines Kinderhorts mit Anbindung an
83
das Schulzentrum Nord politisch gewollt war, aber nur ein Träger, nämlich die B. , bereit
war, das Projekt zu verwirklichen, und dies auch nur zu den genannten Bedingungen.
Der Vertrag aus dem Jahr 1995, der sich auf den Betrieb einer damals neu zu
errichtenden Kindertagesstätte bezieht, war untrennbar mit dem Abschluss eines
Erbbaurechtsvertrages verbunden und bedingte deshalb eine Vertragslaufzeit, die über
den Zeitraum hinausreicht, für dessen Dauer die Entwicklung der Finanzlage der Stadt
vorauszusehen war. Der Beklagte war auch nicht gehalten, unter den Trägern, die bereit
waren, die Tagesstätte zu errichten und zu betreiben, denjenigen auszuwählen, der die
geringste öffentliche Förderung verlangte; derartigen wirtschaftlichen Überlegungen
räumt das SGB VIII keinen hervorgehobenen Stellenwert ein. Vor dem Hintergrund,
dass kein Träger gewillt war, eine geringere als eine 100 %-ige Förderung zu
akzeptieren, vermag der Senat in der darüber hinaus zu Gunsten der B. vereinbarten
Förderung in Höhe von 3 % der Personalkosten keine unangemessene und daher
ermessensfehlerhafte Bevorzugung der B. zu Lasten anderer Träger der freien
Jugendhilfe zu erkennen, wenn - wie der Beklagte schlüssig vorgetragen hat - die
Entscheidung deshalb für die B. ausgefallen ist, weil deren pädagogisches Konzept
dem Jugendhilfeausschuss besonders zusagte.
Im Hinblick auf die Neubescheidung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die
Erwägungen, mit denen der Beklagte seine Entscheidung gegen eine freiwillige
Förderung des Klägers im gerichtlichen Verfahren zu begründen versucht hat, nicht frei
von Ermessensfehlern sind. Unzutreffend sind zunächst seine Ausführungen zur
Berechnung der Sachkostenpauschale; die diesbezügliche Rechtsänderung trat
nämlich bereits am 1. Januar 1999 in Kraft (vgl. Art. 2 der Verordnung zur Änderung der
Verordnung zur Regelung der Gruppenstärken und über die Betriebskosten nach dem
Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder, Betriebskostenverordnung - BKVO -, vom
17. Dezember 1998, GV NRW S. 706). Soweit der Beklagte die Auswahlentscheidung
mit Blick auf das jugendhilferechtliche Gleichbehandlungsgebot begründet hat, sind die
Erwägungen ebenfalls nicht fehlerfrei. Nach § 74 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII sind bei der
Förderung gleichartiger Maßnahmen mehrerer Träger unter Berücksichtigung ihrer
Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Der Beklagte geht zu
Unrecht davon aus, dass es bereits an der Vergleichbarkeit der von dem Kläger und den
beiden geförderten Trägern betriebenen Tageseinrichtungen fehle. Maßnahmen freier
Träger sind bereits dann gleichartig i.S.v. § 74 Abs. 5 SGB VIII, wenn es sich von der
Zielrichtung her um eine im wesentlichen vergleichbare Tätigkeit auf dem Gebiet der
Jugendhilfe handelt.
84
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Dezember 1995 - 16 A 5462/94 -, OVGE 45, 158 (159) =
NWVBl. 1996, 310 (311).
85
Soweit der Beklagte vorgetragen hat, die B. sei besonders förderungswürdig, weil sie
den einzigen Hort betreibe, trifft dies allenfalls bei formaler Betrachtung zu, die aber
nicht ausschlaggebend sein kann. Aus dem Jugendhilfeplan geht hervor, dass die
Einrichtung des Klägers nicht nur die Aufgabe eines Kindergartens i.S.v. § 2 GTK,
sondern auch eines Horts i.S.v. § 3 GTK erfüllt, so dass eine vergleichbare Tätigkeit
vorliegt. Das Vorhandensein von Verträgen ist für die Frage der Gleichartigkeit
irrelevant.
86
Das Argument, es bestehe eine große Nachfrage nach Kindergartenplätzen in
kirchlichen Einrichtungen, ist zwar nach § 74 Abs. 4 SGB VIII beachtlich. Es ist aber
nichts dafür vorgetragen worden, dass die vom Kläger angebotenen Plätze in
87
geringerem Maße auf Nachfrage stoßen; die durchgängig hohe Auslastung der
Einrichtung und die ungewöhnlich langen Öffnungszeiten sprechen für das Gegenteil.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2002 - 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226 (232).
88
Der Beklagte ist nach alldem zu verpflichten, den Förderantrag neu zu bescheiden und
dabei die dargelegte Rechtsauffassung des Senats zu beachten. Eine Verpflichtung zur
Übernahme des Trägeranteils, wie sie der Kläger darüber hinaus erstrebt, kann
hingegen nicht erfolgen. Denn das Ermessen des Beklagten ist nicht in der Weise
reduziert, dass nur eine Förderung in Höhe des vom Kläger begehrten Betrages
rechtmäßig wäre. Anhaltspunkte hierfür sind nicht erkennbar. Der Hilfsantrag kommt
nicht zum Tragen, da er ersichtlich nur für den Fall gestellt ist, dass der Hauptantrag
wegen einer Erledigung des Förderbegehrens unzulässig ist.
89
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO. Dabei
erscheint dem Senat das Unterliegen des Klägers hinsichtlich des
Verpflichtungsbegehrens mit einem Drittel der Kosten angemessen bewertet. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§
708 Nr. 11 und 711 ZPO.
90
Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht vorliegen.
91