Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.07.2002

OVG NRW: trennung, abschiebung, behandlung, familie, aufenthalt, psychiatrie, asylverfahren, beendigung, alter, unmöglichkeit

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 1326/02
Datum:
17.07.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 1326/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 L 2679/02
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000,-- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.
2
Die Beschwerde der Antragsteller zu 2. und 3. ist mangels eines von ihnen geführten
erstinstanzlichen Verfahrens bereits unzulässig. Hierzu sei lediglich vorsorglich
angemerkt, dass insoweit aus den nachstehenden Gründen ein Anordnungsanspruch
wohl nicht glaubhaft gemacht worden sein dürfte.
3
Die mit der Beschwerde bezüglich des Antragstellers zu 1. bislang dargelegten Gründe,
4
- vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 15. März 2002 - 18 B 338/02 -
5
die vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur zu prüfen sind, vermögen die
tragenden Gründe der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, auf die Bezug genomen
wird, nicht in Frage zustellen und führen deshalb nicht zu ihrer Abänderung oder
Aufhebung.
6
Der Antragsteller zu 1. hat weiterhin keinen Anordnungsanspruch, der sich allein wegen
Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen aus § 55 Abs. 4 AuslG iVm
Art. 6 GG ergeben könnte, glaubhaft gemacht.
7
Art. 6 GG, dessen Schutzbereich sich nicht auf Deutsche beschränkt, gewährt zwar
unmittelbar keinen Anspruch auf Aufenthalt im Bundesgebiet. Er verpflichtet aber als
8
wertentscheidende Grundsatznorm die zuständigen Behörden und Gerichte, bei der
Entscheidung über den weiteren Aufenthalt eines Ausländers die bestehenden
familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise zu
berücksichtigen, die der Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz in Art. 6 dem
Schutz von Ehe und Familie beimisst. Der Schutzumfang ist abhängig von den
Umständen des Einzelfalles, insbesondere von der Intensität der familiären
Beziehungen, dem Alter der Kinder, der Betreuungsbedürftigkeit einzelner
Familienmitglieder und der voraussichtlichen Dauer der bevorstehenden Trennung.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59 =
InfAuslR 2000, 67 = AuAS 2000, 34 = EZAR 622 Nr. 37; BVerwG, Urteil vom 21.
September 1999 - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93 = DVBl. 2000,
419 = EZAR 043 Nr. 41 = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 23.
9
Erfasst wird von dem Schutzbereich des Art. 6 GG auch ein im Bundesgebiet lebendes
Familienmitglied, das über kein Aufenthaltsrecht verfügt sondern nur vorübergehend
geduldet wird, und von dem der Ausländer durch eine Beendigung seines Aufenthaltes
getrennt wird. In diesen Fällen hat die verfassungsrechtliche Pflicht, Ehe und Familie zu
schützen und zu fördern, allerdings ein geringeres Gewicht als in den Fällen, in denen
sich ein Familienmitglied aufgrund einer ihm erteilten Aufenthaltsgenehmigung
berechtigt im Bundesgebiet aufhält.
10
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. November 1999 - 19 B 1599/98 -; OVG
Mecklenburg- Vorpommern, Beschluss vom 19. Januar 1998 - 3 M 111/97 -, InfAuslR
1998, 343 = NVwZ 1998, Beil. Nr. 8, 82.
11
Denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht ohne weiteres verpflichtet,
ausländischen Ehegatten, von denen keiner ein Bleiberecht für Deutschland hat und die
beide ausreisepflichtig sind, die Führung der Ehe in Deutschland zu ermöglichen.
12
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 1999 - 1 B 2.99 -, InfAuslR 1999, 330 =
Buchholz 402.240 § 50 AuslG Nr. 5.
13
Von dem Vorstehenden ausgehend steht dem Antragsteller zu 1., der insofern
darlegungs- und beweispflichtig ist, ein sich aus Art. 6 GG ergebendes Bleiberecht, das
seiner Abschiebung derzeit entgegenstehen könnte, nicht zu. Maßgeblich ist hierbei,
dass die Trennung von seiner Ehefrau nur vorübergehend sein wird. Die Dauer der
Trennung wird nämlich allein von der Reisefähigkeit abhängen. Insofern ist weder
ersichtlich noch glaubhaft gemacht worden, dass die Reisefähigkeit der Ehefrau in
absehbarer Zeit nicht wieder herstellbar sein wird. Im Gegenteil deutet die Verlegung
der Ehefrau von der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie des A. - Krankenhauses
in eine offene Station auf eine Besserung des Gesundheitszustandes hin. Mit Blick
darauf wird sich sowieso bald die Frage stellen, ob eine ggf. notwendige weitere
Behandlung der Ehefrau in deren Heimatland erfolgen kann, auf dessen medizinischen
und therapeutischen Standard sie sich grundsätzlich verweisen lassen muss.
14
Vgl. Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2000 - 18 B 1520/00 -.
15
Es sind nach Aktenlage bisher jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass
eine eventuell notwendig werdende weitere Behandlung der Ehefrau nicht im
Heimatland erfolgen kann und deshalb im Falle einer Abschiebung des Antragstellers
16
zu 1. eine längere und deshalb möglicherweise unzumutbare Trennung der
Familienmitglieder zu erwarten ist, wobei es hierzu bezüglich der Ehefrau ohnehin einer
Feststellung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bedürfte, für die - darauf sei vorsorglich
hingewiesen - der Antragsgegner nicht zuständig wäre, wenn auch die Ehefrau ein
Asylverfahren betrieben haben sollte.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf den §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
17
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
18