Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 06.01.2011

OVG NRW (steuer, der rat, zweifel, richtigkeit, antrag, steuerfestsetzung, satzung, wirtschaftlichkeit, begriff, nachprüfung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 A 2290/10
Datum:
06.01.2011
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 A 2290/10
Tenor:
Die Berufung wird zugelassen, soweit die Klage gegen die im
angefochtenen Steuerbescheid ver-fügte Aufforderung zur sofortigen
Zahlung abgewie-sen wurde. Im Übrigen wird der Zulassungsantrag
abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens, soweit der Antrag
abgelehnt wurde.
Der Streitwert für das Antragsverfahren, soweit der Antrag abgelehnt
wurde, wird auf 3.308,50 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Zulassungsantrag hat Erfolg, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen das
Zahlungsgebot ("Sofort fällig") abgewiesen hat. Dagegen bestehen ernstliche Zweifel
an der Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung VwGO -). Das
Gebot ist nämlich rechtswidrig und muss aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO). Die Steuer wird 14 Tage nach Bekanntgabe des Steuerbescheides fällig (§ 13
Abs. 3 Satz 2 der Vergnügungssteuersatzung der Stadt X. vom 18. Dezember 2002
in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 19. März 2008 - VStS -).
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat im Übrigen, nämlich soweit die
Steuerfestsetzung betroffen ist, keinen Erfolg, weil die geltend gemachten
Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen oder bereits nicht
hinreichend dargelegt im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) bestehen aus den in der Antragsbegründung aufgeführten Gründen nicht.
Kein tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des
angegriffenen Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.
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Die Auffassung, vorliegend werde mit Blick auf die einschlägigen
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Satzungsbestimmungen in unzulässiger Weise das Halten der Geräte besteuert, an
keiner Stelle der Satzung sei zu erkennen, dass der Spieler steuerpflichtig gemacht
werde, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Diese
Auffassung verkennt den Unterschied zwischen Steuerpflichtigem und Steuerträger: Der
Geräteaufsteller darf der Vergnügungssteuerpflicht unterworfen werden, maßgeblich ist
alleine, dass die Steuer auf den Steuerträger, den sich vergnügenden Spieler,
abgewälzt werden kann. Das ist, wie später ausgeführt werden wird, der Fall.
Die Satzung sieht keine unzulässige Pauschsteuer für Geldspielgeräte vor. Zwar
benutzt die Vergnügungssteuersatzung diesen Begriff in § 4 Abs. 1 Nr. 2 VStS und in
der Überschrift des III. Abschnitts. Wie aber die Regelung der Geldspielgerätesteuer in §
8 Abs. 1 VStS ergibt, handelt es sich in Wirklichkeit um eine Steuer nach dem Maßstab
des Einspielergebnisses, der nach herkömmlichem Sprachgebrauch in Abgrenzung
zum Stückzahlmaßstab gerade kein Pauschsteuermaßstab ist. Eine vom
rechtstechnisch üblichen Sprachgebrauch abweichende Begrifflichkeit einer Satzung
führt nicht zur Nichtigkeit der Regelung.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils werden auch nicht mit den
Ausführungen zur vermeintlichen Unbestimmtheit des Besteuerungszeitraums geweckt.
Bei verständiger Auslegung der Satzung ist der Kalendermonat der
Besteuerungszeitraum, und zwar - wie der Begriff "angefangener" verdeutlicht - auch
dann, wenn das Gerät nur einen Teil des Monats gehalten wird.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2010 - 14a A 1400/10 -,
NRWE Rn. 16.
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Gegen die Wahl dieses Besteuerungszeitraums bestehen nicht deshalb Bedenken, weil
er mit Rücksicht auf die dann schwierigere Saldierung von negativen mit positiven
Einspielergebnisses willkürlich wäre. Die Auffassung verkennt die Bedeutung der
Saldierungsmöglichkeit. Es gibt keinen Rechtssatz, dass eine
Vergnügungssteuersatzung eine Verrechnung von negativen mit positiven
Einspielergebnissen vorsehen muss. Der eigentliche Besteuerungsgrund ist die im
Vergnügungsaufwand der Spieler zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit.
Deshalb ist der sachgerechteste Maßstab der individuelle, wirkliche
Vergnügungsaufwand. Daraus ergibt sich, dass das Defizit eines Spielgerätes, das
entsteht, wenn mehr als Gewinn ausgeschüttet wird als an Spieleinsätzen eingeworfen
wurde, zwar den - vergnügungssteuerlich unerheblichen - Gewinn des Aufstellers
mindert, aber keine Vergnügungssteuerlast "unter Null" bei den gewinnenden Spielern
auslöst, die auf andere, nicht gewinnende Spieler übertragen werden könnte. Daher
besteht verfassungsrechtlich nach dem Grundsatz gleicher Zuteilung steuerrechtlicher
Lasten (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) keine Verpflichtung, das defizitäre
Einspielergebnis eines Gerätes mit dem positiven Einspielergebnis desselben Gerätes
aus einem anderen Besteuerungszeitraum oder eines anderen Gerätes aus demselben
Besteuerungszeitraum vergnügungssteuerlich zu verrechnen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Januar 2010 14 A 2385/09 -, NRWE
Rn. 8 ff.
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Zu Unrecht meint die Klägerin, die durch die Steueranmeldung bewirkte
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b
des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG - i.V.m. § 168
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Satz 1 der Abgabenordnung - AO -) erfordere im Fall späterer Neufestsetzung der
Steuer durch Bescheid eine ausdrückliche Aufhebung der Anmeldung. Anzumerken ist -
was die Klägerin hier aber nicht rügt -, dass die §§ 8 Abs. 2 Satz 3, 13 Abs. 2 Satz 3
VStS der Steueranmeldung eine unzulässige Eigenschaft unter unbestimmten
Voraussetzungen beimessen und daher nichtig sind. Dies ist aber nur
entscheidungserheblich, wenn eine Steueranmeldung angefochten wird, der die
nichtige Norm unbestimmt und fehlerhaft die Rechtsqualität einer vorbehaltlosen
Steuerfestsetzung beimisst. Demgegenüber ist die Teilnichtigkeit
entscheidungsunerheblich für einen erlassenen Steuerbescheid, mit dem die Steuer
festgesetzt wird, sei es - wie hier - nach erfolgter, sei es nach nicht erfolgter
Steueranmeldung. Mit einer solchen Festsetzung gibt die Behörde zu erkennen, dass
sie das Steuerrechtsverhältnis in Bezug auf Steuerfestsetzung und Leistungsgebot - bei
erfolgter Steueranmeldung wie hier unter deren Ersetzung - nur durch den
Steuerbescheid geregelt wissen will, und zwar, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes
bestimmt ist, ohne Vorbehalt der Nachprüfung.
Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2010 - 14a A
1400/10 -, NRWE Rn. 4 f., 12 f.
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Einer ausdrücklichen Aufhebung der hier nicht streitgegenständlichen Steueranmeldung
bedurfte es daher nicht.
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Ernstliche Zweifel werden nicht begründet, weil vermeintlich ein unzulässiger
Stückzahlmaßstab für Geldspielgeräte vorgesehen sei. Der dies in der Tat unzulässiger
Weise regelnde frühere § 8a ist durch § 2 der 2. Änderungssatzung vom 20. Dezember
2007 auch für den hier in Rede stehenden Besteuerungszeitraum aufgehoben worden.
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Ernstliche Zweifel werden nicht deshalb begründet, weil die Klägerin eine differenzierte
Steuersatzregelung für die Aufstellorte Spielhallen einerseits und Gaststätten
andererseits für unzulässig hält. Der Satzungsgeber darf bei einem am Einspielergebnis
orientierten Steuermaßstab die Geldspielgeräte gleich besteuern, er muss es aber nicht.
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Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 -,
NRWE Rn. 107 ff.
16
Warum dies europarechtlich unzulässig sein soll, erschließt sich dem Senat nicht.
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Die in § 2 VStS geregelten steuerfreien Veranstaltungen stellen keine unzulässige
Ungleichbehandlung gegenüber gewerblichen Geldspielgeräteaufstellern dar. Das
Halten von Geldspielgeräten erfüllt nämlich angesichts der restriktiven
Aufstellbedingungen des § 1 der Spielverordnung nicht den Begriff der steuerfreien
Veranstaltung im Sinne des § 2 Abs. 1 VStS. Namentlich wäre der Betrieb einer
Spielhalle durch eine der privilegierten Organisationen (Gewerkschaften, politische
Parteien und Organisationen, Religionsgemeinschaften) nach Sinn und Zweck des
Befreiungstatbestandes nicht steuerfrei.
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Der Maßstab des Einspielergebnisses ist zulässig.
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Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 -,
NRWE Rn. 83 f.
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Die Einwände der Klägerin geben, auch wenn ihr die ständige Rechtsprechung missfällt
und sie eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema für nötig hält, dem Senat
keine Veranlassung, der Frage erneut nach zu gehen.
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Die hier erhobene Steuer ist auch, was auf Grund der Eigenschaft der Steuer, örtliche
Aufwandsteuer zu sein, erforderlich ist, auf den eigentlichen Steuerträger, den Spieler,
abwälzbar. Insoweit genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem
Sinne, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner
Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit
seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann. Die rechtliche Gewähr,
dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen erhält, der nach der
Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss dem
Steuerschuldner nicht geboten werden. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine
Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist,
auch wenn eine Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt. Bei der Kalkulation
seiner Selbstkosten sind dem Automatenaufsteller zwar durch die Vorgaben in der
Spielverordnung Grenzen gesetzt. Dies bedeutet aber nicht, dass ihm keine anderen
Maßnahmen bleiben, um die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens aufrecht zu
erhalten. Für eine kalkulatorische Überwälzung ist dabei nicht die absolute Höhe der
Steuer ausschlaggebend, sondern die Möglichkeit, die Steuer in die Kosten
einzubeziehen. Es handelt sich hierbei um einen wirtschaftlichen Vorgang, wobei das
Gesetz es dem Steuerschuldner überlässt, die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens
auch unter Berücksichtigung des Steuerbetrages zu wahren.
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Diese wirtschaftliche Möglichkeit ist gegeben, wie sich aus den folgenden
Ausführungen zur fehlenden Erdrosselungswirkung der Steuer ergibt.
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Vgl. im Einzelnen zur Abwälzbarkeit der Steuer OVG NRW, Urteil vom 23.
Juni 2010 - 14 A 597/09 -, NRWE Rn. 126 ff.
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Die Steuer stellt keinen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
dar, weil sie nicht erdrosselnd wirkt. Sie führt nämlich nicht dazu, dass die betroffenen
Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht
mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer
Lebensführung zu machen. Das ergibt sich aus den überzeugenden und durch das
Antragsvorbringen nicht erschütterten Ausführungen des Verwaltungsgerichts,
namentlich dazu, dass trotz angeblicher Erdrosselungswirkung die Eröffnung weiterer
Spielhallen in X. beantragt wurde. Mit dem bloßen Verweis auf "ihren bisherigen
Vortrag einschließlich der Ausführungen ihres Geschäftsführers in der mündlichen
Verhandlung" werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils
nicht hinreichend dargelegt.
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Gegen den in der Vergnügungssteuersatzung für die Besteuerung der Geldspielgeräte
gewählten Steuermaßstab und Steuersatz bestehen nicht deshalb Bedenken, weil der
Rat diese ermessensfehlerhaft bestimmt hätte. Die Wirksamkeit der gemeindlichen
Vergnügungssteuersatzung hängt mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung
weder von einer im Rahmen des Satzungserlasses vorgenommenen
Zusammenstellung von Abwägungsmaterial noch von der Fehlerfreiheit des
Abwägungsvorgangs ab, sondern von der Vereinbarkeit der Satzungsregelung im
Ergebnis mit höherrangigem Recht. Es gibt keine einfachgesetzliche oder
verfassungsrechtliche Bestimmung, die es gebietet, Datenmaterial dazu zu sammeln
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und in einem Abwägungsprozess zu gewichten. Die Kontrolle satzungsrechtlicher
Abgabenregelungen beschränkt sich mit Blick auf das kommunale
Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG auf die Vereinbarkeit der Festsetzungen
mit höherrangigem Recht, umfasst aber nicht die Überprüfung nach der Art von
ermessensgeleiteten Verwaltungsakten (vgl. § 114 VwGO) mit der Folge, dass jeder
vermeintliche Kalkulationsirrtum als "Ermessensfehler" (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
KAG i.V.m. § 5 der Abgabenordnung - AO -) angesehen werden kann.
Vgl. dazu im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 -,
NRWE Rn. 51 f.
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Die Rechtssache weist nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder
rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, weil die
aufgeworfenen Fragen auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens mit der
erforderlichen Sicherheit im für den Zulassungsantrag negativen Sinne beantwortet
werden können.
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Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) der
Rechtssache ist nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin benennt keine in einem
Berufungsverfahren klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage.
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Die Kostenentscheidung, soweit der Antrag abgelehnt wurde, beruht auf § 154 Abs. 2
VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 des
Gerichtskostengesetzes.
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