Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.05.2003

OVG NRW: politische verfolgung, auskunft, abschiebung, bundesamt für flüchtlinge, ausländer, gefahr, botschaft, demokratische republik kongo, wahrscheinlichkeit, bevölkerung

Oberverwaltungsgericht NRW, 4 A 3414/01.A
Datum:
23.05.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 A 3414/01.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 3 K 226/94.A
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird, soweit das Verfahren nicht eingestellt
worden ist, geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger
vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte durch das angefochtene Urteil verpflichtet
festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG in Bezug auf die
Demokratische Republik Kongo (DRK) vorliegen, und insoweit den entgegenstehenden
Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
aufgehoben. Dagegen wendet der Beteiligte sich mit der Berufung und beantragt, die
Klage abzuweisen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das
angefochtene Urteil und die Gerichtsakte nebst Beiakten Bezug genommen.
3
II.
4
Der Senat kann über die Berufung gemäß § 130 a der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für begründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist zuvor Gelegenheit
zur Stellungnahme gegeben worden.
5
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil entgegen der Ansicht des
Verwaltungsgerichts die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, sei es in
unmittelbarer, sei es in entsprechender Anwendung, nicht vorliegen.
6
Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen
anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche
konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift hebt allein auf das
Bestehen einer konkreten, individuellen Gefahr für die genannten Rechtsgüter ab ohne
Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist. Allerdings genügt
für die Annahme einer "konkreten Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift nicht die bloße
Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist
der Begriff der "Gefahr" im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Ansatz kein anderer
als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab angelegte der "beachtlichen
Wahrscheinlichkeit", wobei allerdings das Element der "Konkretheit" der Gefahr für
"diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen individuell
bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation statuiert, die außerdem landesweit
gegeben sein muss.
7
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. März 1997 - 9 B 627.96 -,(juris); Urteil vom 29. März
1996 - 9 C 116.95 -, NVwZ 1996, Beilage Nr. 8, S. 57; Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C
15.95 -, NVwZ 1996, 476.
8
Für einen Asylbewerber, der bereits in Deutschland an einer Krankheit leidet, kann ein
Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in direkter Anwendung
vorliegen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die drohende Verschlimmerung
der Erkrankung im Zielstaat zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben
führt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die
drohende Verschlimmerung einer bei dem Betroffenen bereits vorhandenen Krankheit
wegen ihrer nur unzureichenden medizinischen Behandlung im Zielstaat der
Abschiebung ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen
kann. Die Gründe für die unzureichende medizinische Behandlung im Zielstaat sind
insoweit grundsätzlich ohne Belang. Sie können ihre Ursache auch in einer schlechten
sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Situation im Heimatland haben,
9
BVerwG, Beschluss vom 26. November 1998 - 9 B 1075.98 -, (n.v.); Urteil vom 27. April
1998 - 9 C 13.97 -, NVwZ 1998, 973 m. w. N.,
10
die dazu führt, dass dem Betroffenen die finanziellen Mittel für eine Behandlung nicht
zur Verfügung stehen.
11
Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 -, EzAR 043 Nr. 56; OVG
Hamburg, Beschluss vom 13. Oktober 2000 - 3 Bs 369/99 -, NVwZ 2001, Beilage Nr. 3,
31 = InfAuslR 2001, 132; OVG Koblenz, Urteil vom 3. April 1998 - 10 A 10902/97 -,
NVwZ 1998, Beilage Nr. 8, 85, 86; VG Augsburg, Urteil vom 25. Februar 1999 - Au 7 K
98.30453/Au 7 K 98.31120 -, NVwZ 2000, Beilage Nr. 1, 7,9; VG Osnabrück, Urteil vom
12
15. November 1999 - 5 A 458/99 -, Asylmagazin 2000, 38 (Ls).
Krankheitsbedingte Gefahren, die sich allein als Folge der Abschiebung und nicht
wegen der Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ergeben können, sind hingegen
vom Anwendungsbereich des § 53 AuslG - und damit auch von dem des § 53 Abs. 6
Satz 1 AuslG - ausgenommen, weil es sich insoweit nicht um zielstaatsbezogene
Abschiebungshindernisse handelt.
13
BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 - 9 C 8.99 -, NVwZ 2000, S. 206 (m. w. N.).
14
Nach § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG werden allerdings Gefahren, denen die Bevölkerung
oder die Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, in dem Staat allgemein
ausgesetzt ist, bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt. Nach dieser
Bestimmung kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären
Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland
anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von
sonstigen Ausländergruppen allgemein oder in einzelne Zielländer für längstens 6
Monate ausgesetzt wird (Satz 1); für längere Aussetzungen bedarf es des
Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern (Satz 2). Beruft sich der
einzelne Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG,
kann er Abschiebungsschutz regelmäßig also nur im Rahmen eines generellen
Abschiebungsstopps nach § 54 AuslG erhalten.
15
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen das Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die Verwaltungsgerichte im
Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz
2 AuslG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht,
ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in
verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zusprechen, wenn
die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht
verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem
sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Nur dann gebieten es
die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer
trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 2, § 54 AuslG
Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren.
16
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, NVwZ 2001, 1420 (m.w.N.);
Beschluss vom 26. Januar 1999 - 9 B 617.98 -, NVwZ 1999, 668; Urteil vom 8.
Dezember 1998 - 9 C 4.98 -, NVwZ 1999, 666.
17
Ob eine aus einer allgemeinen Gefahr erwachsene extreme Gefahrenlage vorliegt, ist
stets mit Blick auf sämtliche einem Ausländer drohenden Gefahren zu beurteilen. Dabei
geht es allerdings nicht um eine "mathematische" oder "statistische" Summierung von
Einzelgefahren; vielmehr ist jeweils eine einzelfallbezogene umfassende Bewertung der
aus der allgemeinen Gefahr für den Ausländer folgenden Gesamtgefährdungslage
vorzunehmen, um auf dieser Grundlage über das Vorliegen einer extremen
Gefahrenlage entscheiden zu können.
18
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. März 1999 - 9 B 866.98 -, Buchholz 402.240 § 53
AuslG Nr. 17; Urteil vom 19. November 1996 - 1 C 6.95 -, NVwZ 1997, 685.
19
Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen
Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die
begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen
allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
des Eintritts der drohenden Gefahren ist gegenüber dem im Asylrecht entwickelten
Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer
extremen Gefahrenlage allerdings ein strengerer Maßstab anzulegen; die allgemeine
Gefahr muss sich für den jeweiligen Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit
verwirklichen. Nur dann rechtfertigt sich die Annahme eines aus den Grundrechten
folgenden zwingenden Abschiebungshindernisses, das die gesetzliche Sperrwirkung
des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG beseitigen kann.
20
Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. November 1996 - 1 C 6.95 -, aaO, und vom 12. Juli 2001 -
1 C 5.01 -, NVwZ 2002, 101.
21
Geboten ist die verfassungskonforme Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG immer
dann, wenn der einzelne extrem gefährdete Asylbewerber ansonsten gänzlich schutzlos
bliebe, d.h. wenn seine Abschiebung in den Zielstaat ohne Eingreifen des Bundesamts
oder der Verwaltungsgerichte tatsächlich vollzogen würde. Die verfassungskonforme
Anwendung ist mit Rücksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept aber auch dann
zulässig, wenn der Abschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 oder 6
Satz 1 oder § 54 AuslG fallende - Hindernisse entgegenstehen, diese aber dem
Ausländer nach der Rechtswirkung keinen gleichwertigen Schutz bieten. Ein
anderweitiger Schutz ist deshalb nur dann gleichwertig, wenn er dem entspricht, den der
Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hätte oder den er bei
Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Die Zuerkennung von
Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG setzt somit neben dem Vorliegen einer extremen Gefahrenlage das
Nichtbestehen eines anderweitigen gleichwertigen Abschiebungsschutzes voraus.
22
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, aaO.
23
Nach den vorstehenden Ausführungen liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung
von Abschiebungsschutz nicht vor.
24
Eine Erkrankung oder sonstige Gründe, die einer Abschiebung in unmittelbarer
Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG entgegenstehen könnten, sind vorliegend
nicht ersichtlich.
25
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können
Abschiebungshindernisse im Sinne dieser Vorschrift allerdings auch dann vorliegen,
wenn bei einer Rückkehr in die DRK politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht.
26
BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199, und Beschluss vom
19. April 2002 - 1 B 406.01 -.
27
Eine solche Gefahr besteht für den Kläger nicht.
28
Der Kläger trägt vor, er sei Mitarbeiter der Zeitschrift "Eveil". Diese Zeitschrift erscheine
in einer Auflage von 150-200 Exemplaren und werde unter den Exilkongolesen verteilt.
29
Darüber hinaus werde jeweils ein Exemplar an die kongolesische Botschaft sowie an
Ministerien der Bundesrepublik versandt. Ein Mitarbeiter der Zeitung habe mehrere
Exemplare an dessen Bruder in die DRK verschickt, damit dieser sie kopieren und
verteilen könne. Der Bruder sei "aufgrund der Zeitung" festgenommen worden. Auch
habe die kongolesische Botschaft in Deutschland auf den Inhalt der Zeitung scharf
reagiert. Im Übrigen habe er auch noch Artikel in der Zeitschrift "Lµ.autre Afrique"
verfasst, in denen er sich kritisch mit der damaligen Regierung unter Laurent Kabila
auseinandergesetzt habe. Diesem Vorbringen sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen,
die den Schluss rechtfertigen, der Kläger werde aufgrund der gegenwärtigen
Verhältnisse in der DRK bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aus
politischen Gründen verfolgt. Zu Gunsten des Klägers kann auch unterstellt werden,
dass sein politisches Engagement in Deutschland den Regierungsstellen in L. bekannt
geworden ist. Denn nach der Überzeugung des Senats besteht nach der gegenwärtigen
Erkenntnislage keine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung
zurückkehrender Asylbewerber etwa aufgrund einer Asylantragstellung und der bloßen
Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei. Das trifft auch für darüber hinausgehende
normale Parteiaktivitäten zu, wie etwa der Teilnahme an gegen die Kabila- Regierungen
gerichteten Demonstrationen und Kundgebungen - wie sie auch vom Kläger geltend
gemacht werden -, selbst wenn dabei für die Öffentlichkeit bestimmte regimekritische
Flugblätter verteilt und Resolutionen verfasst werden. Entsprechendes gilt ferner für das
Verfassen von Zeitungsartikeln oder Schreiben an Regierungsstellen bzw. an den
jeweiligen Präsidenten, auch wenn in diesen eine Gegnerschaft zum bestehenden
Regime zum Ausdruck gebracht wird. Denn alle diese Aktivitäten werden von den
kongolesischen Regierungsstellen dahin gewertet werden, dass sie in erster Linie
asyltaktischen Überlegungen entspringen, um ein Bleiberecht im Ausland zu erreichen.
Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich viele der heutigen
Regierungsmitglieder selbst jahrelang im Exil aufgehalten haben und durchaus
einzuschätzen vermögen, dass ein regimekritisches Verhalten im Ausland häufig
lediglich dem Ziel dient, ein Bleiberecht zu erhalten.
Vgl. in diesem Zusammenhang: AA, Auskunft vom 6. Oktober 2000 an den VGH
Mannheim und Auskunft vom 13. Oktober 1999 an das VG Stuttgart.
30
Dieser Einschätzung des Senats entspricht, dass auch die kongolesische Botschaft in
Deutschland sich in der Vergangenheit generell nicht negativ zu in Europa Asyl
beantragenden kongolesischen Staatsangehörigen geäußert hat. Vielmehr wird in der
Asylanerkennung lediglich die Gestattung des Aufenthalts und die damit verbundene
Gewährung von wirtschaftlichen Vorteilen, nicht jedoch die die Entscheidung tragende
Feststellung gesehen, dass der jeweils anerkannte Asylbewerber in seinem Heimatland
als politisch verfolgt gilt.
31
AA, Auskunft vom 6. Oktober 2000 an den VGH Mannheim; vgl. in diesem
Zusammenhang auch AA, Auskunft vom 13. Oktober 1999 an das VG Stuttgart, nach der
die am Flughafen Nµ.E. mit Rückkehrern befassten Beamten allgemein der Auffassung
seien, ihre kongolesischen Landsleute hätten lediglich ihr Glück im Ausland versucht.
32
Nach den Lageberichten des Auswärtigen Amts bleiben abgeschobene Asylbewerber
unbehelligt. Sie können nach Kontrolle durch die zuständigen Behörden am Flughafen
Nµ.E. /L. , die vornehmlich der Feststellung der Staatsangehörigkeit und eventueller
Verbindungen zu Rebellengruppen dient, das Flughafengelände verlassen und zu ihren
Familienangehörigen gelangen. Entgegenstehende Berichte haben sich nicht
33
bewahrheitet.
Vgl. dazu Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 05. Mai 2001 und vom 23.
November 2001, zu IV. "Rückkehrfragen"; ferner Auskunft des Auswärtigen Amts vom
28. März 2002 an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.
34
Mit Blick auf die vom Kläger vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten ist insbesondere
von Bedeutung, dass die gegenwärtige Regierung, was die Kritik an dem jetzigen
Präsidenten J. Kabila betrifft, bis zu einem gewissen Grade tolerant ist. Es wird über
weniger politische Gefangene berichtet als zur Zeit des Präsidenten L. D. Kabila;
allerdings gibt es immer noch einige politische Häftlinge und immer noch kann es in
Einzelfällen zu an die politische Überzeugung anknüpfenden Festnahmen kommen.
35
AA, Auskunft vom 28. März 2002 an das VG Gelsenkirchen.
36
Es mag deshalb zutreffen, dass, wie sich anhand des Datums des Schriftsatzes des
Klägers (vom 13. August 1998) ergibt, es zu Zeiten der Regierung von L.D. Kabila zu
der behaupteten Verhaftung "auf Grund der Zeitung" - die näheren Umstände und die
Folgen der Verhaftung sind nicht vorgetragen worden - gekommen ist; zu Gunsten des
Klägers kann jedoch aus diesem Vorfall nichts hergeleitet werden. Denn nach neueren
Angaben des Auswärtigen Amts werden exilpolitische Aktivitäten von Kongolesen,
soweit sie nicht in Belgien oder Frankreich stattfinden, in der DRK nicht wahr- bzw.
ernstgenommen, und zwar weder in der politischen Landschaft noch von der Regierung
und ihren Sicherheitsdiensten. Sofern kongolesische Stellen von exilpolitischen
Aktivitäten ihrer Landsleute Kenntnis erhalten, betrachten sie diese nicht als ernst zu
nehmende Opposition.
37
Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts vom 18. Juli 2002 an VG Münster.
38
Angesichts dieser Erkenntnislage mag es auch zutreffen, dass die Botschaft der DRK in
Deutschland die vom Kläger behauptete "scharfe Reaktion" gezeigt hat, für das
Verhalten der Behörden in der DRK wird dies nicht maßgeblich sein. Es kommt hinzu,
dass nach der Schilderung des Klägers völlig offen ist, in welcher Form die "Reaktion"
erfolgt ist und ob überhaupt der Kläger ihr Adressat war.
39
Letztlich führt auch der Hinweis des Klägers auf die Stellungnahmen von ai vom 27. Mai
2002 gegenüber dem VG München und dem VG Hamburg nicht weiter. Ihnen sind keine
Anhaltspunkte zu entnehmen, die den Schluss auf eine mit erheblicher
Wahrscheinlichkeit eintretende Verfolgung von Asylbewerbern bei Rückkehr in die DRK
zulassen. Soweit sich die Stellungnahmen zu einer möglichen Gefährdung von
Mitgliedern sog. Rebellenorganisationen (MLC, RCD-ML und RCD-N) verhält, ist dies
für den Kläger ohne Bedeutung. Denn er gehört einer solchen Organisation nicht an.
Hinsichtlich einer Gefährdung von zurückkehrenden Asylbewerbern, die in Deutschland
exilpolitisch tätig gewesen sind, werden von ai allein Vermutungen geäußert. Auch
räumt ai ein, keine konkreten Erkenntnisse zu der Situation von zurückkehrenden
Asylbewerbern bei der Einreise über den Flughafen L. zu besitzen. Die Einschätzung
des Senats zu einer Gefährdung von Asylbewerbern, die in die DRK zurückkehren,
werden somit nicht in Frage gestellt.
40
Schutz vor Abschiebung kann hier auch nicht in verfassungskonformer Anwendung des
§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG - und damit über den nach Satz 2 der Vorschrift begrenzten
41
Anwendungsbereich hinaus - gewährt werden.
Zurückkehrende Asylbewerber würden nicht unmittelbar nach ihrer Rückkehr in die
DRK auf Grund der dort herrschenden allgemeinen Lebensbedingungen (§ 53 Abs. 6
Satz 2 AuslG) in eine extreme Gefährdungslage geraten, die sie mit der erforderlichen
hohen Wahrscheinlichkeit dem sicheren Tode oder schwersten Verletzungen ausliefern
würde. Da eine Abschiebung nur auf dem Luftwege über den Flughafen von L. erfolgen
kann, beschränkt der Senat die Prüfung der Lebensbedingungen auf den Großraum
dieser Stadt, in der die Situation ohnehin besser ist als in den übrigen Landesteilen, wie
im Folgenden ausgeführt wird.
42
Es lässt sich nicht feststellen, dass ein abgeschobener Asylbewerber im Großraum L.
mangels jeglicher Lebensgrundlage in eine extreme Gefahrenlage geriete und dem
baldigen
43
vgl. zur notwendigen Unmittelbarkeit der Rechtsgutbeeinträchtigung BVerwG,
Beschluss vom 26. Januar 1999 - 9 B 617.98 -, NVwZ 1999, 668,
44
sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Diese Einschätzung gilt für den Normalfall eines
im Wesentlichen gesunden Menschen, der sich nach seiner Abschiebung auf Grund
seines längeren Aufenthalts in Deutschland in einem guten Ernährungszustand
befindet.
45
Es ist nach den vorliegenden Erkenntnissen zwar nicht zweifelhaft, dass - auf das
gesamte Staatsgebiet bezogen - die wirtschaftliche Lage verheerend und die
Grundversorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet ist. Die seit August 1998
andauernden Kämpfe haben nach und nach die gesamte Infrastruktur des
zentralafrikanischen Landes zerstört. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 90 %. Auch
innerhalb der Großfamilie, in der traditionell gegenseitig Hilfe geleistet wird, gelingt es
nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen. So stellt der
UNHCR,
46
Stellungnahme vom 8. März 2001 gegenüber dem VG München,
47
fest, dass sich seit Ausbruch der kriegerischen Auseinandersetzungen im August 1998
die wirtschaftliche Situation in L. und in der DRK im Allgemeinen kontinuierlich und
ernstlich verschlechtert habe. Die vorhandenen Nahrungsmittellieferungen deckten
nurmehr ca. 60 % des Bedarfs. Schätzungen zufolge litten etwa 2 Millionen Kongolesen
in lebensbedrohlicher Weise unter dieser Lebensmittelknappheit. Nach einer Studie der
Nichtregierungsorganisation International Rescue Committee vom Mai 2000 seien allein
im Osten der DRK seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im August 1998
mindestens 1,7 Millionen Menschen (ca. 600.000 davon Kinder unter 5 Jahren)
entweder unmittelbar auf Grund der Kriegsereignisse oder in zwei Drittel der Fälle auf
Grund ihrer Folgen gestorben. Die Versorgungslage ist, so stellt der UNHCR in seiner
Stellungnahme,
48
vom 22. April 2002 gegenüber dem VG Gelsenkirchen,
49
fest, in allen Landesteilen und insbesondere im Nordosten des Landes prekär.
50
Für die Region L. kann aber festgestellt werden, dass sich die Versorgungslage
51
zwischenzeitlich deutlich gebessert hat, wie sich aus Folgendem ergibt: Während das
Auswärtige Amt im Mai 2001,
Lagebericht vom 5. Mai 2001 (S. 22),
52
noch ausführte, dass sich die schon zu Beginn des Jahres 2000 angespannte
Versorgungslage in L. weiter verschlechtert habe, teilte es später mit,
53
Lagebericht vom 23. November 2001 (S. 21,22),
54
dass nach einer im September 2001 veröffentlichten Untersuchung der
landwirtschaftlichen Fakultät der Universität L. die Versorgung mit Lebensmitteln für die
Bevölkerung in L. zwar schwierig sei, jedoch dank verschiedener Überlebensstrategien
- so trügen z.B. vor allem Frauen und Kinder mit Kleinsthandel zum Familienunterhalt
bei - in der Bevölkerung keine akute Unterversorgung wie etwa in anderen
Hungergebieten Afrikas herrsche. Die gleiche Einschätzung sei Ende September 2001
vom Büro der Welternährungsorganisation FAO in L. zu erhalten gewesen. Die
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in L. ,
55
Auskunft vom 24. Oktober 2001 an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge,
56
stellt fest, dass es trotz einer Arbeitslosenquote von etwa 90 % dem überwiegenden Teil
der Bevölkerung Kinshasas weiterhin gelinge, den Lebensunterhalt zu finanzieren. Die
sich aus der Not entwickelnden Mechanismen des Überlebens seien vielgestaltig und
auf die von Fall zu Fall ganz unterschiedlichen Verhältnisse zugeschnitten. So nehme
die privat betriebene urbane Agrarwirtschaft (Gemüseanbau und Kleintierhaltung) eine
zentrale Stellung ein. Es werde auf allen möglichen Freiflächen angebaut, selbst wenn
diese nicht im Eigentum des Betreffenden stünden. Ein wichtiges Betätigungsfeld sei
auch der Kleinhandel. Nach Schätzungen namhafter kongolesischer
Menschenrechtsorganisationen sei der Prozentsatz der Bevölkerung, der an den Folgen
einer akuten Unterernährung sterbe, in der Hauptstadt L. als eher niedrig anzusetzen.
Betroffen seien insbesondere nur Kinder bis zum Alter von 5 Jahren. Diese
Einschätzung findet ihre Entsprechung in dem Ende September 2001 veröffentlichten,
von der Botschaft angeführten Bericht der Organisation der Vereinten Nationen für
Ackerbau und Ernährung (FAO). Danach waren in den Armutsvierteln L. und T.
Kinshasas im Februar 2001 12 % der Kinder unter 5 Jahren latent unterernährt. Unter
akuter Unterernährung litten 2,6 % dieser Bevölkerungsgruppe. Im übrigen sind national
und international tätige Hilfsorganisationen mit der Unterstützung und Förderung
zahlreicher Geberländer ebenso wie kirchliche und sonstige karitativ tätige Verbände
und Einrichtungen bemüht, durch Projekte im Wirtschafts-, Sozial- und
Gesundheitsbereich schwerwiegenden Versorgungsmissständen zu begegnen und der
Not leidenden Bevölkerung in der DRK zu helfen.
57
Somit lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die allgemein beschriebene
katastrophale Versorgungslage in erster Linie die Rebellengebiete und insbesondere
die östlichen Landesteile, nicht aber in gleicher Weise den Großraum L. betrifft. In
diesem Sinne auch die erwähnte Stellungsnahme des UNHCR vom 22. April 2002
gegenüber dem VG Gelsenkirchen
58
Nach alledem ist es für den Senat nachvollziehbar, dass das Auswärtige Amt,
59
Auskunft vom 28. März 2002 an das VG Gelsenkirchen,
60
insoweit noch über die Einschätzung im Lagebericht vom 23. November 2001
hinausgehend, feststellt, es bestehe auf Grund der Versorgungslage mit
Nahrungsmitteln in L. und Umgebung weder für männliche noch für weibliche Personen
die konkrete Gefahr, aus Mangel an Nahrungsmitteln nicht überleben zu können. Auch
der UNHCR,
61
Stellungnahme vom 22. April 2002 gegenüber dem VG Gelsenkirchen,
62
geht nicht davon aus, dass Asylbewerber alsbald nach ihrer Rückkehr vom Hungertod
bedroht sind. Er weist darauf hin, dass viele Menschen in der DRK häufig von der "Hand
in den Mund" leben und dass bei der Beurteilung der aus dieser Situation sich
ergebenden Gefährdungslage individuelle Faktoren eine entscheidende Rolle spielen.
Jedenfalls ist, und dies gilt auch für allein stehende Frauen oder sogar für Mütter mit
minderjährigen Kindern - auch Kleinkindern -, regelmäßig von einer noch
ausreichenden Versorgungslage auszugehen, die die Annahme eines mit hoher
Wahrscheinlichkeit alsbald nach der Rückkehr nach L. drohenden Hungertodes
verbietet. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass nach der Stellungnahme der
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in L. ,
63
Stellungnahme vom 24. Oktober 2001 an das Bundesamt,
64
kirchliche Einrichtungen oder karitativ tätige Hilfsorganisationen sowie verschiedene
private Einrichtungen im Notfall Hilfestellung leisten; auch verhindere eine in christlicher
Verbundenheit gelebte Nachbarschaftshilfe, dass Not leidende Menschen in der Straße
ihr Heil suchen müssten.
65
Der Senat übersieht allerdings nicht, dass sich die Situation für zurückkehrende
Asylbewerber, etwa wenn diese nicht auf die Hilfe einer Großfamilie rechnen können,
jedenfalls zunächst schwieriger darstellen kann, als dies bei Personen der Fall ist, die
schon länger in L. leben. Er ist nach der Auskunftslage aber der Überzeugung, dass sich
diese Anfangsschwierigkeiten mit Unterstützung der genannten Einrichtungen und
Organisationen überwinden lassen und deshalb eine extreme Gefahrenlage, wie sie
hier für die Gewährung von Abschiebungsschutz erforderlich wäre, nicht besteht.
66
Auch die in L. bestehende medizinische Versorgungslage rechtfertigt nicht die Annahme
des Bestehens einer extremen Gefährdungslage. Die daraus erwachsenden Gefahren
drohen grundsätzlich der gesamten Bevölkerung bzw. bestimmten Gruppen innerhalb
der Bevölkerung und unterfallen damit ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 53
Abs. 6 Satz 2 AuslG.
67
Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1998 -9 C 4.98 -, aaO.
68
Allerdings befindet sich das Gesundheitswesen in der DRK allgemein in einem sehr
schlechten Zustand. Die staatlichen Krankenhäuser sind heruntergewirtschaftet oder
aber geplündert. Die staatlichen Krankenhäuser sind auf Grund ihrer geringen Anzahl,
ihrer schlechten Ausstattung und in Folge der unzureichenden hygienischen
Verhältnisse nicht in der Lage, im erforderlichen Umfang - insbesondere bei
komplizierten Eingriffen - die Kranken im ausreichenden Maß zu versorgen. Die
69
ärztliche Versorgung ist in L. jedoch grundsätzlich gewährleistet. Das Schweizerische
Bundesamt für Flüchtlinge,
Bericht vom 5. Oktober 2001 über die medizinische Infrastruktur und Behandlung in L.
(im Folgenden: Schweizerisches Bundesamt),
70
berichtet, dass es in L. 1.500 medizinische Einrichtungen gibt. Zwar sind davon viele
rein profitorientiert. Auch ist der Großteil der medizinischen Einrichtungen in L. schlecht
ausgerüstet und erhält - mit Ausnahme der konfessionellen medizinischen
Einrichtungen - keine Hilfe vom Ausland. Andererseits sind aber im Bereich der
medizinischen Versorgung häufig Organisationen der großen Kirchen, so der
Heilsarmee, der katholischen Kirche, der Kirche von Christus im Kongo und der
kimbanguistischen Kirche tätig. Diesen gehören in L. mehr als 70 % der
Gesundheitszentren sowie einige Spitäler. Zusammengefasst stellt der Bericht fest, die
medizinische Infrastruktur in L. weise große Unterschiede auf, von rein profitorientierten
Einrichtungen mit ungenügend ausgebildetem Personal bis hin zu gut geführten
Spitälern mit Spezialisten. Die meisten Krankheiten können in L. behandelt werden. Das
gilt zum Beispiel für Diabetes mellitus 2 mit Bluthochdruck, Asthma und
Bronchialerkrankungen, Epilepsie, Geschlechtskrankheiten, Pneumopathie, Typhus und
auch Röteln.
71
Lagebericht vom 23. November 2001, S. 22,23; Schweizerisches Bundesamt, S. 8 ff.
72
Nach den Erkenntnissen ist auch die Versorgung mit Medikamenten gesichert. In letzter
Zeit sind in L. über 100 Apotheken neu eröffnet worden. Im Allgemeinen sind die
Apotheken zwar relativ einfach ausgestattet. Auch wenn Mangel an gewissen
Basisprodukten wie zum Beispiel HIV- und Blutgruppentests besteht, so sind
Medikamente gegen Malaria-, Tuberkulose-, Rheuma-, Husten- und
Durchfallerkrankungen und auch Anämiepräparate sowie Antibiotika aber einfach zu
erhalten.
73
Schweizerisches Bundesamt, S. 6,7.
74
Allerdings besteht weder ein Krankenversicherungssystem noch eine freie staatliche
Gesundheitsfürsorge. Bei abhängig Beschäftigten zahlen in der Regel die Arbeitgeber
die Behandlungskosten. Angesichts der Arbeitslosenquote von über 90 % dürfte dies
auf einen Rückkehrer jedoch nur ausnahmsweise zutreffen. In den anderen Fällen
müssen die Behandlungskosten von der Großfamilie aufgebracht werden. Nur für
zahlungskräftige Patienten - was ebenfalls als Ausnahmefall einzustufen ist - stehen
hinreichend ausgestattete private Krankenhäuser und fachkundige Ärzte zur Verfügung.
75
Lagebericht vom 23. November 2001, S. 22.
76
Angesichts dieser Situation wird die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung
indes im Wesentlichen von so genannten Nicht-Regierungsorganisationen, u.a. den
Kirchen, getragen. Wenngleich die Patienten bzw. ihre Angehörigen auch hier für die
Behandlung aufkommen müssen, sind die Kosten jedoch deutlich niedriger als etwa in
Deutschland, weil von den Kirchen im Wesentlichen essentielle Medikamente
eingesetzt werden,
77
Auskunft des Missionsärztlichen Instituts Würzburg vom 6. November 2000 an das VG
78
München.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Kranke, die über keine
ausreichenden finanziellen Mittel verfügen, nach übereinstimmender Auskunft
verschiedener durch die Deutsche Botschaft befragter Ärzte in L. bereits aus ethischen
Gründen nicht ohne medizinische Erstversorgung entlassen werden.
79
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 24. Oktober 2001 an das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.
80
Zusammenfassend ist der Senat der Überzeugung, dass trotz der schlechten
wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen in der DRK infolge der mangelhaften
Versorgungslage sowohl hinsichtlich der Ernährung als auch der medizinischen
Verhältnisse auch unter Berücksichtigung der teilweise äußerst beengten
Wohnungsverhältnisse eine extreme Gefahrenlage nicht besteht.
81
Schließlich kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 53
Abs. 6 Satz 1 AuslG auch nicht wegen einer nach Rückkehr in die DRK möglicherweise
drohenden Malariaerkrankung zugebilligt werden.
82
Das Risiko an Malaria, insbesondere der gefährlichen Form der Malaria tropica, zu
erkranken, ist in der DRK sehr hoch,
83
Prof. Dr. E. vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg, Stellungnahme
vom 02. April 2002 gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge (im Folgenden: Prof. Dr. E. ),
84
wobei L. , auf das der Senat - wie oben dargelegt - bei der zu treffenden Entscheidung
über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen abstellt, in einem Gebiet mit hohem
Malaria-Risiko liegt,
85
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Kins-hasa, Auskunft vom 09. Februar 2001
an das OVG Lüneburg.
86
So ist Malaria eine der häufigsten und tödlichsten Krankheiten in der DRK, an der z.B.
im Jahre 2000 etwa 200.000 Menschen starben,
87
Schweizerisches Bundesamt, S. 11,
88
wobei der Krankheitsverlauf bei kleinen Kindern häufiger zu schwereren Verläufen führt
als bei Heranwachsenden und Erwachsenen.
89
Prof. Dr. E. ; vgl. auch Schweizerisches Bundesamt, wonach von den genannten
Todesfällen des Jahres 2000 40.000 Kinder, also ein Fünftel, betroffen waren und im
ersten Drittel des Jahres 47 % der Todesfälle in der Pädiatrie von L. auf Malaria
zurückzuführen waren.
90
Somit ist eine größere Zahl von Menschen von der Malaria-Erkrankung betroffen mit der
Folge, dass insoweit die "Sperre" des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG eingreift und
Abschiebungsschutz nur gewährt werden kann, wenn jedem Rückkehrer mit hoher
Wahrscheinlichkeit droht, alsbald nach seiner Ankunft in der DRK an dieser Krankheit
91
zu sterben. Das ist jedoch nicht der Fall.
Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer nach einem längeren Aufenthalt im
nicht von Malaria bedrohten Ausland die durch ihr Aufwachsen in der DRK erworbene
Semi-Immunität, die einen gewissen Schutz gegen einen schweren, gegebenenfalls
zum Tode führenden Verlauf der Malaria bewirkt, verloren haben bzw. hier geborene
und aufgewachsene Kinder diesen Schutz erst gar nicht haben erwerben können.
Während beim Erwachsenen, der einen soliden Semi-Schutz aufbauen konnte, auf
Grund eines anzunehmenden "inmunologischen Gedächtnisses" schwere Malaria-
Attacken wahrscheinlich viel weniger als beim Kind zu befürchten sind, ist der
Schweregrad der Malaria-Erkrankung bei nicht geschützten Kongolesen aller
Altersgruppen mit dem von einheimischen Kindern vergleichbar, d.h. bei fehlender oder
nicht früh einsetzender Behandlung besteht die nicht unbeträchtliche Gefahr eines
tödlichen Ausgangs.
92
Gutachten Dr. med. K. , Universitätsklinikum Heidelberg, vom 9. Februar und 15.
Oktober 2001 an den VGH Mannheim (im Folgenden: Dr. K. ); Prof. Dr. E. ;
Missionsärztliches Institut Würzburg, Gutachten vom 04. und 26. Januar 2001 an das
OVG Lüneburg.
93
Kinder sind auf Grund erhöhter Vulnerabilität in Folge spezifischer
Immunkonstellationen im besonderen Maße gefährdet, zumal eine Impfung gegen
Malaria nicht möglich und eine Malaria-Chemoprophylaxe schon wegen der
Nebenwirkungsproblematik auf Dauer nicht durchführbar ist. Schließlich genügt ein
einzelner infektiöser Stich, um eine tödlich verlaufende Malaria auszulösen.
94
Dr. K. .
95
Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass ein längerer Aufenthalt außerhalb der
DRK und insbesondere die Geburt und das Aufwachsen in Deutschland das Risiko, bei
einer Rückkehr an Malaria zu erkranken, erheblich verstärkt.
96
Vgl. dazu, dass die Verstärkung einer Gefahrenlage nichts an der Sperrwirkung des §
53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ändert, weil es sich insoweit nur um typische Auswirkungen der
oben angenommenen allgemeinen Gefahrenlage handelt: BVerwG, Urteil vom 12. Juli
2001 - 1 C 5.01 -, NVwZ 2002, 101.
97
Auch bei einer Erkrankung gibt es aber jedenfalls in L. hinreichende Möglichkeiten
ärztlicher Hilfe und in ausreichender Menge Medikamente gegen die Malaria.
98
Prof. Dr. E. ; Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, L. , Auskünfte vom 20. April
2001 an das OVG Lüneburg und vom 18. Mai 2001 an den VGH Mannheim.
99
Bei rechtzeitigem Erkennen der Krankheit und Behandlung mit den entsprechenden
Medikamenten tendiert die Sterblichkeitsrate gegen Null.
100
Prof. Dr. E. .
101
Prof. Dr. E. und Dr. K. stimmen darin überein, dass ausschlaggebend für eine wirksame
Bekämpfung die alsbaldige Verabreichung entsprechender Medikamente ist. Entgegen
der Ansicht von Dr. K. geht allerdings Prof. Dr. E. davon aus, das auch bei Erkrankten,
102
die nicht semi-immun sind, in der Regel eine frühe Diagnose und Behandlung erfolgt. In
einem Land wie der DRK würden alle Krankheitszeichen als Malaria betrachtet und als
solche behandelt, auch wenn es sich um ganz andere Erkrankungen handele. In der
Realität sei es so, dass bei Kopfschmerzen, Frieren und anderen Erscheinungen eine
Malaria - Behandlung in der Regel unverzüglich eingeleitet werde. Die Ansicht von Prof.
Dr. E. überzeugt, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei der Malaria - Erkrankung,
wie dargelegt, um eine der am häufigsten vorkommenden und damit "gut bekannten"
Erkrankungen in der DRK handelt. Letztlich liegt es aber auch im
Verantwortungsbereich der Rückkehrer bei einer notwendigen Behandlung darauf
hinzuweisen, dass ein Semi - Schutz nicht mehr vorhanden bzw. noch nicht erworben
ist.
Der Senat geht auch davon aus, dass die Kosten für die notwendigen Medikamente zur
Behandlung einer Malaria - Erkrankung,
103
vgl. die Übersicht der verfügbaren Medikamente unter Angabe der Preise im Bericht des
Schweizerischen Bundesamtes, Seite 16; ferner Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland, L. , Auskunft vom 18. Mai 2001 an den VGH Mannheim,
104
aufgebracht werden können oder bei einer absoluten Mittellosigkeit - insbesondere von
allein stehenden Müttern -,
105
vgl. in diesem Zusammenhang ai, Auskunft vom 12. Februar 2001 an das VG München,
106
von anderen Stellen aus ethischen Gründen zur Verfügung gestellt werden (s. o.).
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch nach der Einschätzung von Dr. K. selbst in
den Fällen, in denen eine Malaria nicht sofort erkannt wird, der schwere Verlauf der
Malaria innerhalb kürzester Zeit zwar eintreten kann, aber nicht muss, wobei von diesen
schweren Erkrankungsfällen ca. jeder vierte tödlich verläuft.
107
Damit ist keine extreme Gefährdungslage gegeben, bei der für jeden Rückkehrer
angenommen werden muss, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar nach der
Rückkehr in die DRK an Malaria sterben wird.
108
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß
§ 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige
Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 10 und 711 ZPO.
109
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 130a Satz 2, 125
Abs. 2 Satz 4, 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
110