Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.04.1997

OVG NRW (bandscheibenvorfall, gutachten, eintritt des schadens, physikalische therapie, ursache, unfall, einwirkung, ergebnis, ehemann, untersuchung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 4667/95
Datum:
11.04.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 4667/95
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 23 K 2744/93
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 8.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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Die im Jahre 19 geborene Klägerin ist Lehrerin im Dienst des beklagten Landes. Am 10.
Oktober 19 unterrichtete sie eine Doppelstunde "Bewegungswerkstatt Tanz" in der
Turnhalle ihrer Schule. Dabei führte sie - nach ihren Angaben auf dem "blanken und
ungedämmten" Hallenboden - eine Rolle vorwärts und unmittelbar anschließend eine
Rolle rückwärts vor. Sie verspürte dabei einen starken stechenden Schmerz in der
Wirbelsäule. Es traten Bewegungseinschränkungen im Oberkörper und im Hals-Kopf-
Bereich ein. Die Schüler bemerkten dies nicht; die Klägerin machte sie nicht darauf
aufmerksam. Nach Beendigung des Unterrichts stellte sich eine so starke schmerzhafte
Bewegungseinschränkung ein, daß die Klägerin den Kopf nicht mehr bewegen konnte.
Nach einer ambulanten orthopädischen Behandlung durch den Arzt für Orthopädie Dr. ,
durch die Ärzte für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie und Physikalische Therapie
und Dr. sowie durch den Heilpraktiker Albrecht, der von den Ärzten für Radiologie und
Nuklearmedizin Dr. , und Dr. eine Computerthomographie erstellen ließ, wurde die
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Klägerin vom 28. November 19 bis zum 5. Dezember 19 stationär in der Neurologischen
Klinik der Krankenanstalten , Anstalten (Chefarzt: Prof. Dr. ), medikamentös sowie mit
Krankengymnastik und Wärmeanwendungen behandelt. Als die Beschwerden sich
nicht besserten und eine Kernspintomographie einen Bandscheibenvorfall C5/6 ergab,
wurde die Klägerin am 5. Dezember 19 in die Neurochirurgische Klinik der
Krankenanstalten (Chefarzt: Prof. Dr. ) verlegt wo am 10. Dezember 19 eine
Bandscheibenoperation durchgeführt wurde. Sie war seit dem 1. September 19 wieder
voll dienstfähig.
Die Klägerin zeigte dem Regierungspräsidenten (RP) unter dem 30. Oktober 19 an, sie
habe am 10. Oktober 19 einen Dienstunfall erlitten. Der RP lehnte es mit Bescheid vom
19. November 19 ab, den Unfall als Dienstunfall anzuerkennen. Er führte aus: Dem
Unfallhergang komme nur eine untergeordnete Rolle im Sinne eines "letzten Tropfens,
der das Maß zum Überlaufen brachte", zu. Es sei davon auszugehen, daß die
Wirbelsäule der Klägerin vorgeschädigt gewesen sei. Bei einer völlig intakten
Wirbelsäule würden normalerweise beim Demonstrieren einer Rolle vorwärts in
Verbindung mit einer Rolle rückwärts keine derartigen Beschwerden ausgelöst.
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Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend: Ihr Körperschaden beruhe auf
einer äußeren Einwirkung. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, daß ein
Bandscheibenvorfall bei einer derartigen Turnübung lediglich bei einer vorgeschädigten
Wirbelsäule entstehe, gebe es nicht. Der Dienstherr habe eine Vorschädigung ihrer
Wirbelsäule nicht nachgewiesen. Die Sofortsymptomatik nach dem Unfall - gravierende
Bewegungs- beeinträchtigungen und Schmerzen im Oberkörper und Kopfbereich -
spreche vielmehr dafür, daß der Bandscheibenvorfall auf den Unfall zurückzuführen sei.
Den Arztbriefen der Dres. , und vom 6. November 19 , des Chefarztes Prof. Dr. vom 16.
Dezember 19 und des Chefarztes Prof. Dr. vom 15. Januar 19 sei nichts über
Vorschäden der Wirbelsäule zu entnehmen. Der Körperschaden eines Lehrers durch
eine ungeschickte Bewegung bei einer Turnübung sei als Dienstunfall anzusehen.
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Der RP forderte ein schriftliches amtsärztliches Gutachten des Gesundheitsamtes an.
Die Amtsärztin Dr. holte ein schriftliches neurochirurgisches Gutachten des Chefarztes
Prof. Dr. vom 8. Januar 19 ein und kam in ihrem Gutachten vom 9. Februar 19 zu dem
Ergebnis, die Turnübung der Klägerin könne nicht als wesentliche Ursache des
Bandscheibenvorfalls gewertet werden.
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Der RP wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. März 19 mit
der Begründung zurück: Der bei der Klägerin festgestellte Bandscheibenvorfall im
Bereich der Halswirbelsäule (C5/6) sei nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 9.
Februar 19 nicht Folge eines Dienstunfalls. Die Rolle vorwärts auf dem blanken
Hallenfußboden sei sicher eine Belastung für die Halswirbelsäule, jedoch nur eine
Gelegenheitsursache für den Bandscheibenvorfall gewesen.
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Die Klägerin hat Klage erhoben und über ihr Widerspruchsvorbringen hinaus geltend
gemacht: Es sei nicht nachvollziehbar, daß eine mäßig degenerativ veränderte
Bandscheibe, wie sie bei einer Mehrheit der Bevölkerung vorkomme, den
Auslösungsfaktor für den Bandscheibenvorfall dargestellt habe. Vielmehr lasse sich die
Gesundheitsbeschädigung nur auf ihre Tätigkeit als Sportlehrerin, also auf die
Ausübung ihres Berufes, zurückführen. Ein Dienstunfall liege auch dann vor, wenn der
Körperschaden eines Lehrers durch eine ungeschickte Bewegung bei einer Turnübung
während der Turnstunde eingetreten sei, und vermutlich habe sie die Turnübung
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unglücklich demonstriert. Ohne diese äußere Einwirkung und bei normaler
Beanspruchung der Wirbelsäule wäre es nicht zu dem Bandscheibenvorfall gekommen.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. November 19 und des
Widerspruchsbescheides vom 8. März 19 zu verpflichten, den am 10. Oktober 19 in der
Turnhalle der Städtischen Gesamtschule erlittenen Unfall als Dienstunfall
anzuerkennen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat sich auf die Begründung der angefochtenen Bescheide bezogen; die äußere
Einwirkung - die Turnübung der Klägerin - sei nach dem amtsärztlichen Gutachten vom
9. Februar 19 in Verbindung mit dem neurochirurgischen Gutachten von Prof. Dr. vom 8.
Januar 19 nicht wesentlich mitwirkende Teilursache der eingetretenen Verletzung.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und
zur Begründung ausgeführt: Ein Dienstunfall habe nicht vorgelegen. Der
Bandscheibenvorfall beruhe, wie Prof. Dr. in dem Gutachten vom 8. Januar 19
festgestellt habe, überwiegend auf einer degenerativ bedingten Vorschädigung. Bei der
neuropathologischen Untersuchung des anläßlich der Operation gewonnenen Gewebes
habe sich ergeben, daß das Bandscheibengewebe mäßig degeneriert gewesen sei; der
Bandscheibenvorfall in Höhe C5/6 sei überwiegend auf degenerative Veränderungen
zurückzuführen gewesen. Ein Anlaß für die Einholung eines gerichtlichen
Sachverständigengutachtens habe nicht bestanden. Die von der Klägerin erhobenen
Einwände ließen nicht den Schluß zu, daß die Ergebnisse des medizinischen
Gutachtens vom 8. Januar 19 aufgrund einer unzureichenden Verfahrensweise
gewonnen worden oder aus anderen Gründen unzutreffend seien.
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Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend: Sie gehe davon aus, daß entgegen dem
Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. vom 8. Januar 19 eine neuropathologische
Gewebeuntersuchung nicht vorgenommen worden sei. Dr. , der Assistent von Prof. Dr. ,
habe ihrem Ehemann nach der Operation gesagt, eine derartige Untersuchung sei
versäumt worden. Das könnten sowohl Dr. als auch ihr Ehemann bezeugen. Das
Ergebnis einer derartigen Untersuchung sei ihr auch nie mitgeteilt worden. Im übrigen
habe sich Prof. Dr. bei der Zusammenfassung seiner Feststellungen nur auf die Rolle
vorwärts bezogen und die Rolle rückwärts fehlerhaft nicht berücksichtigt. Die wesentlich
intensivere Belastung durch zwei hintereinander ausgeführte Rollen auf dem blanken
und ungedämmten Hallenboden könne auch bei einer nicht vorgeschädigten
Halswirbelsäule zu einem Bandscheibenvorfall führen. Der Schmerz, den sie bei der
Rolle vorwärts verspürt habe, habe sich bei der Rolle rückwärts noch verstärkt. Gegen
die Annahme einer Vorschädigung spreche auch, daß die weiteren Bandscheiben sich
als unauffällig dargestellt hätten. Etwaige degenerative Veränderungen seien
möglicherweise erst durch den Unfall in Gang gesetzt worden. Erhebliche
Unsicherheiten des Gutachtens von Prof. Dr. ergäben sich auch aus seinen
Ausführungen, die primär durchgeführten Untersuchungen mittels
Computertomographie und Röntgen-Nativ-Diagnostik der Halswirbelsäule hätten ihm
zur Beurteilung leider nicht zur Verfügung gestanden. Dem Gutachten von Prof. Dr.
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lasse sich nicht entnehmen, daß die Turnübung als "letzter Tropfen das Faß zum
Überlaufen brachte". Die Stellungnahme der Amtsärztin vom 9. Februar 19 könne nicht
ein noch einzuholendes Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen
ersetzen. Gerade die Frage des Zusammentreffens von anlagebedingten Leiden und
einer äußeren Einwirkung bedürfe zu ihrer Beurteilung besonderer praktischer
Erfahrungen.
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem im ersten Rechtszug gestellten
Klageantrag zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Urteils
und auf sein erstinstanzliches Vorbringen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Streitakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
Bezug genommen.
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II.
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Der Senat weist die Berufung gemäß § 130a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluß zurück, weil er sie einstimmig für
unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Das
Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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Der bei der Klägerin nach der von ihr vorgeführten Rolle vorwärts und der
anschließenden Rolle rückwärts in der Doppelstunde "Bewegungswerkstatt Tanz"
aufgetretene Bandscheibenvorfall beruht nicht auf einem Dienstunfall im Sinne des § 31
Abs. 1 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes. Ein Dienstunfall ist nach dieser
Vorschrift ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich
bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder
infolge des Dienstes eingetreten ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), der
sich der Senat angeschlossen hat,
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vgl. etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.
November 1994 - 6 A 2621/93 -, Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder,
ES/C II 3.1 Nr. 54,
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sind als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen
Dienstunfallversorgung nur solche für den eingetretenen Schaden ursächliche
Bedingungen anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach
natürlicher Betrachtungsweise zu dem Eintritt des Schadens wesentlich mitgewirkt
haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im
Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum
Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im
Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den
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Eintritt des Erfolges hatte. Alle übrigen Bedingungen, namentlich die sogenannten
Gelegenheitsursachen, scheiden als Ursache im Rechtssinne aus. Hier mag die Rolle
vorwärts mit anschließender Rolle rückwärts zwar nicht nur eine Gelegenheitsursache
im Sinne des von der Klägerin zitierten "letzten Tropfens, der das Faß zum Überlaufen
brachte", gewesen sein. Jedenfalls hatte die Turnübung aber - was für die Verneinung
eines Dienstunfalls ausreicht - nicht annähernd die gleiche Bedeutung für den
Bandscheibenvorfall wie die bereits vorhandenen degenerativen Veränderungen an der
Halswirbelsäule der Klägerin. Diese Verschleißerscheinungen hatten einen
überragenden Anteil.
Das ergibt sich aus dem vom RP eingeholten schriftlichen Gutachten der Amtsärztin Dr.
, Gesundheitsamt der Stadt , vom 9. Februar 19 . Die Amtsärztin ist insbesondere unter
Verwertung des schriftlichen Gutachtens von Prof. Dr. vom 8. Januar 19 , dem sie sich
auch aufgrund der vorliegenden morphologischen und histologischen Befunde, der
Röntgendiagnostik und Computertomographie angeschlossen hat, zu dem Ergebnis
gelangt, daß die Turnübung nicht die alleinige Ursache für den Bandscheibenvorfall
gewesen sei. Das Bandscheibengewebe sowie der Röntgenbefund mit einer
Chondrose (einer degenerativen Veränderung an den knorpeligen Teilen der
Zwischenwirbelscheibe) zeigten Verschleißerscheinungen. Die ausgeführte Rolle
vorwärts könne daher nicht als wesentliche Ursache des Bandscheibenvorfalls gewertet
werden. Damit hat die Amtsärztin zum Ausdruck gebracht, daß der Bandscheibenvorfall
überwiegend auf degenerative Veränderungen des Bandscheibengewebes
zurückzuführen ist. Dieser in dem Gutachten von Prof. Dr. vom 8. Januar 19
ausdrücklich enthaltenen Feststellung hat sie sich aufgrund eigener Bewertung
angeschlossen.
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Der Senat sieht keinen Grund, diesem amtsärztlichen Gutachten nicht zu folgen.
Zunächst ist der Klägerin nicht darin zuzustimmen, eine amtsärztliche Begutachtung
reiche nicht aus, da ein Amtsarzt nicht über die notwendigen praktischen Erfahrungen
bei Fragen des Zusammentreffens eines anlagebedingten Leidens und einer äußeren
Einwirkung verfüge. Zum einen ist bei einem Amtsarzt, soweit es, wie hier, um Fragen
des Dienstrechts aus medizinischer Sicht geht, im Gegenteil spezieller zusätzlicher
Sachverstand zu unterstellen.
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Vgl. BVerwG, Beschluß vom 20. Januar 1976 - I DB 16.75 -, Zeitschrift für Beamtenrecht
1976, 163.
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Zum anderen hat die Amtsärztin zur Absicherung ihrer Feststellungen das
neurochirurgische Gutachten von Prof. Dr. vom 8. Januar 19 angefordert und verwertet.
Daß das Ergebnis ihres Gutachtens, der Bandscheibenvorfall bei der Klägerin sei
überwiegend auf degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule zurückzuführen,
jedenfalls hiernach eine genügend breite Grundlage hat, ist entgegen der Ansicht der
Klägerin zu bejahen. Des weiteren weist das Gutachten von Prof. Dr. , dessen
Feststellungen sich die Amtsärztin angeschlossen hat, entgegen der Auffassung der
Klägerin weder Diskrepanzen noch eine unzureichende Verfahrensweise noch sonstige
Unzulänglichkeiten auf.
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Die Überzeugungskraft des amtsärztlichen Gutachtens vom 9. Februar 19 wird nicht
dadurch gemindert, daß darin und in dem erwähnten Gutachten von Prof. Dr. lediglich
die Rolle vorwärts als Unfallhergang bezeichnet wird. Damit ist die anschließende Rolle
rückwärts nicht, wie die Klägerin meint, fehlerhaft außer Acht gelassen worden. Prof. Dr.
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, auf den die Amtsärztin sich bezieht, ist vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, daß der
Bandscheibenvorfall bereits durch die Rolle vorwärts ausgelöst wurde (Seite 7 seines
Gutachtens). Auf Seite 2 seines Gutachtens führt er aus, die Klägerin habe bereits nach
der Rolle vorwärts einen einschießenden Schmerz verspürt, der durch die direkt
anschließende Rolle rückwärts noch einmal verstärkt worden sei. Demnach ist der dem
Unfall zugrundeliegende Sachverhalt von beiden Ärzten nicht verkannt worden.
In diesem Zusammenhang geht auch das Argument der Klägerin fehl, eine derartige
Turnübung könne - zumal offenbar ohne Matte auf dem blanken Hallenboden ausgeführt
- auch bei jemandem, dessen Wirbelsäule nicht vorgeschädigt sei, zu einem
Bandscheibenschaden führen. Das mag - je nach den Umständen des Einzelfalles -
durchaus sein, wenn die Übung nicht mit der erforderlichen sachgemäßen
Körperhaltung durchgeführt wird. Es spricht auch einiges dafür, daß das hier der Fall
war. Die Klägerin trägt hierzu vor, sie habe die Turnübung vermutlich unglücklich
demonstriert, und Prof. Dr. konstatiert, die Klägerin sei mit nicht vollständig
vornübergebeugtem Kopf und leichter Rotationsstellung auf den nicht abgedämmten
Hallenboden aufgetroffen. Diese verunglückte Vorführung der Klägerin in ihrer Funktion
als Sportlehrerin hat Prof. Dr. somit berücksichtigt, den Bandscheibenvorfall aber
dennoch - u.a. unter Hinweis darauf, daß bei den zunächst durchgeführten ambulanten
Untersuchungen keine Zeichen einer knöchernen Verletzung gefunden worden waren -
überwiegend auf die degenerativen Veränderungen des Bandscheibengewebes
zurückgeführt.
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Soweit die Klägerin den Passus in dem Gutachten vom 8. Januar 19 :
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"Das bei der Operation gewonnene Bandscheibengewebe wurde neuropathologisch
untersucht. Hierbei fand sich mäßiggradig degenerativ verändertes und herdförmig
sequestriertes Bandscheibengewebe."
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für unwahr hält, weil eine derartige Untersuchung in Wirklichkeit gar nicht durchgeführt
worden sei, ist dem nicht zu folgen. Die Klägerin stützt sich hierzu auf eine angebliche
Äußerung des Stationsarztes Dr. gegenüber ihrem Ehemann, wonach die
neuropathologische Gewebeuntersuchung versäumt worden sei. Es kann zu Gunsten
der Klägerin als richtig unterstellt werden, daß Dr. das ein paar Tage nach der Operation
zu ihrem Ehemann im Zusammenhang mit dessen Frage nach dem Ergebnis der
neuropathologischen Gewebeuntersuchung gesagt hat und daß der Ehemann Dr. nicht
lediglich mißverstanden hat. Selbst wenn diese Äußerung gefallen ist, besagt das noch
nicht, daß die in dem Gutachten vom 8. Januar 19 angeführte neuropathologische
Untersuchung in Wirklichkeit nicht stattgefunden hat. Das gilt unabhängig davon, daß
Dr. das Gutachten ebenfalls unterzeichnet hat. Jedenfalls kann die behauptete
Äußerung des Stationsarztes auch darauf beruhen, daß er sich insoweit geirrt hat. Das
gilt um so mehr, als dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen ist, daß Dr. bei
dem Gespräch mit ihrem Ehemann die Krankenunterlagen zur Hand hatte. Die von der
Klägerin beantragte Vernehmung Dr. s und ihres Ehemannes hierzu als Zeugen ist
somit nicht geboten.
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Bedenken gegen die Richtigkeit der ärztlichen Feststellung, der Bandscheibenvorfall sei
überwiegend auf die Vorschädigung der Halswirbelsäule zurückzuführen, ergeben sich
auch nicht aus dem Satz in dem Gutachten vom 8. Januar 19 :
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"Leider lagen die primär durchgeführten Untersuchungen mittels Computertomographie
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und Röntgen-Nativ- Diagnostik der HWS nicht zur Beurteilung vor."
Zum einen sah sich Prof. Dr. dennoch zu den in seinem Gutachten enthaltenen
Feststellungen in der Lage. Zum anderen hat sich die Amtsärztin - insbesondere
aufgrund der morphologischen und histologischen Befunde, der Röntgendiagnostik und
Computertomographie - in ihrem Gutachten vom 9. Februar 19 den Feststellungen von
Prof. Dr. angeschlossen. Schließlich wird die Überzeugung des Senats von der
Richtigkeit der amtsärztlichen Feststellung, der Bandscheibenvorfall sei überwiegend
auf die degenerativen Veränderungen des Bandscheibengewebes zurückzuführen,
auch nicht durch das Vorbringen der Klägerin erschüttert, gegen die Annahme einer
Vorschädigung ihrer Wirbelsäule spreche, daß die weiteren Bandscheiben sich als
unauffällig dargestellt hatten und daß in den Arztbriefen vom 6. November 19 , vom 16.
Dezember 19 und vom 15. Januar 19 Vorschädigungen nicht erwähnt worden seien.
Unabhängig davon, ob die Kernspintomographie in der Neurologischen Klinik der
Krankenanstalten Gilead, bei der ein sequestrierter Bandscheibenvorfall festgestellt
wurde, bereits hinreichend sichere Rückschlüsse auf eine Vorschädigung der
Halswirbelsäule zuließ, bestand jedenfalls kein erkennbarer Anlaß, hierauf in den
Arztbriefen vom 16. Dezember 19 und 15. Januar 19 hinzuweisen. Die Ärzte für
Radiologie und Nuklearmedizin Dr. ,Dr. und Dr. hatten in ihrem Arztbrief vom 6.
November 19 erst den Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall geäußert. Soweit die
Klägerin darauf verweist, etwaige degenerative Veränderungen seien möglicherweise
erst durch die Turnübung in Gang gesetzt worden, handelt es sich um eine reine
Vermutung von ihrer Seite, der nicht nochmals nachzugehen war.
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Der von der Klägerin beantragten Einholung eines gerichtlichen
Sachverständigengutachtens bedurfte es hiernach nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozeßordnung.
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Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO noch die des § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes hierfür gegeben sind.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes.
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