Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.04.2007

OVG NRW: bebauungsplan, gemeinde, satzung, zukunft, stadt, rückwirkung, ergänzung, auszug, inkraftsetzung, inkraftsetzen

Oberverwaltungsgericht NRW, 10 A 3607/06
Datum:
25.04.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 A 3607/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 10 K 4669/03
Tenor:
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 23. August 2006 wird
abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 78.637,50
EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des
Verwaltungsgerichts (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auf
Grund des Antragsvorbringens nicht. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht
stattgeben.
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Der Beklagte macht zur Begründung seines Zulassungsantrages geltend, der vom
Verwaltungsgericht gerügte Mangel sei inzwischen behoben. Das Verwaltungsgericht
habe die rückwirkende Heilung des fehlenden Beitritts durch das erste ergänzende
Verfahren und den dieses Verfahren abschließenden Ratsbeschluss vom 23. August
2005 für unwirksam angesehen, weil sich die Wirkung der Heilung auf die
Vergangenheit beschränkt habe. Die Stadt D. -S. sei der Auflage der
Landesbaubehörde S1. vom 3. März 1969 durch Ratsbeschluss vom 2. November 2006
(erneut) beigetreten. Der Beitritt sei wirksam im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs.
4 BauGB erfolgt. Die Ratsbeschlüsse vom 2. November 2006 erfassten gerade auch die
Kritik des Verwaltungsgerichts. Zurzeit und für die absehbare Zukunft steuere nur der
Bebauungsplan Nr. 36 das städtebauliche Geschehen. Ob, wann und mit welchem
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Inhalt er von dem Bebauungsplan Nr. 163 abgelöst werde, sei angesichts der
Ergebnisoffenheit jenes ergänzenden Verfahrens nicht abzusehen.
Dieses Vorbringen und der Ratsbeschluss vom 2. November 2006 führen nicht zur
Zulassung der Berufung.
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Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung in erster Linie darauf gestützt, dass ein
Interesse an der Planerhaltung nicht anzuerkennen sei. Es hat, ausgehend von der
ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
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Beschluss vom 23. Juni 1992 - 4 NB 26.92 -, BRS 54 Nr. 22 m.w.N.,
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zutreffend dargelegt, dass ein solches Interesse nur dann gerechtfertigt ist, wenn die
Satzung nach wie vor dem planerischen Willen der Gemeinde entspricht und auch - trotz
möglicherweise geänderter Umstände - noch abwägungsgerecht ist. Der
Heilungsregelung des § 214 Abs. 4 BauGB liegt der Gedanke der Planerhaltung zu
Grunde. Die Regelung soll die Gemeinde aber nicht in die Lage versetzen, eine Norm in
Kraft zu setzen, deren Regelungsgehalt zweifelhaft geworden ist. Eine Änderung der
Sach- und Rechtslage muss einer erneuten sachlichen Entscheidung zugeführt werden.
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Zu keinem anderen Ergebnis führt das - eine andere Fragestellung betreffende - Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1998 - 4 C 14.97 -, BRS 60 Nr. 223,
auf das der Beklagte in der Zulassungsbegründung nochmals abstellt. In dieser
Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht zur Frage der Erforderlichkeit einer
erneuten sachlichen Entscheidung keinen abweichenden Rechtssatz aufgestellt.
Vielmehr hat es seine - ebenfalls ständige - Rechtsprechung bekräftigt, dass das Gesetz
der Gemeinde gerade auch ein rückwirkendes Inkraftsetzen einer Satzung ermöglichen
will, um auf Grund der nicht wirksamen Satzung ergangenen anderweitigen
Entscheidungen und Maßnahmen nachträglich eine einwandfreie rechtliche Grundlage
zu verschaffen. Bereits in der erstgenannten Entscheidung hatte das
Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass ein Fall einer rückwirkenden Inkraftsetzung
nicht bereits deshalb einer erneuten Abwägung bedarf, weil es sich um eine
Rückwirkung handele, davon aber die Frage zu trennen sei, ob inzwischen weiteres
Abwägungsmaterial entstanden und zu berücksichtigen sei.
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Ausgehend von diesen Grundsätzen hätten die veränderten Umstände einer erneuten
sachlichen Entscheidung zugeführt werden müssen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu
dargelegt, dass die Stadt D. -S. die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 163 gerade für
notwendig gehalten hat, weil sich die vorhandenen Konfliktlagen und
Problemstellungen mit der bisherigen Bauleitplanung (Bebauungsplans Nr. 36
einschließlich 1. bis 3. Änderung und 1. Ergänzung) nicht mehr lösen ließen. In der
Begründung zum Bebauungsplan Nr. 163 heißt es, dass die Entwicklung im
Einzelhandelsbereich eine Neuplanung erforderlich mache. Auch die Konfliktlage im
östlichen Planbereich bzw. im Bereich der angrenzenden unbeplanten Flächen bedürfe
einer grundlegenden Aufarbeitung und lasse sich mit dem alten Plan nicht mehr
hinreichend bewältigen. Wegen der Komplexität der zu regelnden städtebaulichen
Inhalte habe sich die Durchführung vereinfachter Änderungsverfahren als nicht
anwendbar erwiesen. Das Zulassungsvorbringen verhält sich hierzu nicht und bietet
daher für eine andere Bewertung keinen Anlass.
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Die fehlende erneute sachliche Entscheidung ist auch nicht durch Ratsbeschluss vom 2.
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November 2006 nachgeholt worden. Dieser Ratsbeschluss enthält keine erneute
Abwägungsentscheidung. Nach dem vorgelegten Auszug aus der Niederschrift über die
Sitzung des Rates hat der Rat lediglich nochmals beschlossen, den Auflagen im
Genehmigungsbescheid zum Bebauungsplan beizutreten. Eine erneute Abwägung ist
nicht erfolgt und wird auch in der Zulassungsbegründung nicht vorgetragen. Der
Beklagte führt in der Sache allein aus, nunmehr - nach Aufhebung des Bebauungsplans
Nr. 163 - steuere für die absehbare Zukunft nur der Bebauungsplan Nr. 36 das
städtebauliche Geschehen. Dieses Vorbringen betrifft aber lediglich die weitere
Begründung des angefochtenen Urteils, dass eine Planung, die wegen veränderter
tatsächlicher und rechtlicher Gegebenheiten nicht mehr realisiert werden solle und
könne, nicht abwägungsgerecht sei und daher auch nicht allein mit Wirkung für die
Vergangenheit in Kraft gesetzt werden könne.
Die Ausführungen in der Sitzungsvorlage zur Begründung für die Durchführung des
ergänzenden Verfahrens, der Beitrittsbeschluss führe zu keiner Änderung der durch den
Bebauungsplan Nr. 36 hervorgerufenen Sach- und Interessenlage und der
Bebauungsplan Nr. 36 sei weiterhin in der Lage, das städtebauliche Geschehen bis
zum Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 163 zu regeln, können eine
Abwägungsentscheidung durch den Rat selbst nicht ersetzen. Im Übrigen teilt der Senat
die im Verfahren 10 B 2590/06. NE geäußerte Einschätzung des Klägers, dass das
Vorgehen des Rates ausschließlich dazu dienen soll, das Vorhaben des Klägers bzw.
weitere Vorhaben im Plangebiet zu verhindern, obwohl die zeitliche Höchstgrenze des §
17 Abs. 2 BauGB abgelaufen ist. Ansonsten entspricht der Beitrittsbeschluss aber - wie
aus den vorstehenden Erwägungen folgt - ersichtlich nicht mehr dem Planungswillen
der Gemeinde. Ist der Satzungsbeschluss bereits aus diesen Gründen unwirksam,
kommt es auf die weiteren Bedenken des Klägers hinsichtlich der Wirksamkeit des
Beschlusses nicht mehr an.
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Der ergänzende Einwand in der Zulassungsschrift, auch bei einer Beurteilung nach § 34
BauGB sei das Vorhaben planungsrechtlich unzulässig, weil die Erschließung nicht
gesichert sei, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht
hat ausgeführt, das Vorhaben solle unmittelbar an der Straße X.- --ring , einer
Kreisstraße, realisiert werden. Diese sei nach ihrer Größe geeignet, den durch das
Vorhaben hervorgerufenen Erschließungsverkehr aufzunehmen. Dass es zu
Hauptverkehrszeiten möglicherweise zu Stockungen im Verkehrsfluss kommen könne,
sei nicht ersichtlich und nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch
unerheblich. Die Zulassungsbegründung enthält keine substantiierten Anhaltspunkte für
eine abweichende Bewertung.
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Aus den dargelegten Gründen weist die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen
oder rechtlichen Schwierigkeiten (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.
Besondere Schwierigkeiten liegen dann vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits im
Hinblick auf die vom Rechtsmittelführer vorgetragenen Einwände gegen die
erstinstanzliche Entscheidung als offen erscheint; die geltend gemachten rechtlichen
oder tatsächlichen Schwierigkeiten müssen für das Entscheidungsergebnis von
Bedeutung sein. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Weder in rechtlicher noch in
tatsächlicher Hinsicht weist der Fall Besonderheiten auf, die die Erfolgsaussichten des
Rechtsstreits als offen erscheinen lassen könnten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit der Ablehnung des
Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5
Satz 4 VwGO.
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