Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.04.2005

OVG NRW: abschreibung, verzinsung, fraktion, satzung, ausschuss, kritik, verrechnung, betriebswirtschaftslehre, raumordnung, behandlung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 3120/03
13.04.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
9. Senat
Urteil
9 A 3120/03
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 13 K 3411/99
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Die Klage gegen die Heranziehung zu Entwässerungsgebühren für das
Jahr 1999 wird abgewiesen.
Unter Einbeziehung der teilweise rechtskräftig gewordenen
Kostenentscheidungen im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Juni
2003 und im Beschluss des Senats vom 29. Oktober 2004 werden die
Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge wie folgt verteilt: Von den
Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin 72 % der bis zur
erstinstanzlichen teilweisen Klagerücknahme und 67 % der danach
entstandenen Kosten; im Übrigen trägt der Beklagte die Kosten. Von den
Kosten der zweiten Instanz trägt der Beklagte 33 % der
außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens und die
Gerichtskosten des Zulassungsverfahrens; die Klägerin trägt die übrigen
außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens und die gesamten
Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin, die das Verfahren zugleich als Erbin ihres während des gerichtlichen
Verfahrens verstorbenen Ehemannes führt, ist Eigentümerin des bebauten Grundstücks E.--
-straße 3 in H. . Für das Jahr 1999 wurden sie und ihr Ehemann durch
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Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 5. Februar 1999 zu
Benutzungsgebühren herangezogen. Namentlich handelte es sich dabei um
Entwässerungsgebühren, Abfallentsorgungsgebühren und Straßenreinigungsgebühren.
Wegen der Gebührenhöhe im Einzelnen und der Höhe der jeweils zugrundegelegten
Gebührensätze wird auf den genannten Bescheid Bezug genommen.
Der von der Klägerin und ihrem Ehemann gegen den Grundbesitzabgabenbescheid
bezüglich sämtlicher Benutzungsgebühren erhobene Widerspruch blieb erfolglos.
Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht haben die Klägerin und ihr
Ehemann die Klage zurückgenommen, soweit diese die Heranziehung zu
Straßenreinigungsgebühren betraf. Im übrigen haben sie beantragt,
den Heranziehungsbescheid vom 5. Februar 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 8.
Juni 1999 hinsichtlich der Entwässerungs- und Abfallbeseitigungsgebühren aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt,
soweit die Klägerin und ihr Ehemann hinsichtlich der Straßenreinigungsgebühren die
Klage zurückgenommen haben. Im Übrigen hat es den Grundbesitzabgabenbescheid vom
5. Februar 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 1999 hinsichtlich der
Entwässerungs- und Abfallbeseitigungsgebühren aufgehoben. Bezüglich der
Entwässerungsgebühren hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die den angefochtenen
Bescheiden zugrundeliegende Entwässerungsgebührensatzung sei keine wirksame
Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung. Die in der einschlägigen Satzung
festgeschriebenen Gebührensätze seien unter Verstoß gegen das
Kostenüberschreitungsverbot zu hoch festgesetzt worden. Die
Gebührenbedarfsberechnung enthalte in mehrfacher Hinsicht nicht ansatzfähige Kosten.
Zu Unrecht seien im Rahmen des Personalkostenansatzes ein Versorgungskostenanteil in
Höhe von ca. 146.000,-- DM eingestellt worden. Den Aufwendungen für
Versorgungsleistungen an Ruhestandsbeamte und deren Hinterbliebene fehle es an der
notwendigen Betriebsbedingtheit. Denn diese Ausgaben dienten, im Gegensatz zu
Leistungen für die in der gebührenfinanzierten Einrichtung im Kalkulationszeitraum
beschäftigten Beamten, nicht dazu, die Leistung der Mitarbeiter in der Einrichtung zu
erhalten.
Ferner sei der in die Gebührenbedarfsberechnung eingestellte Personalkostenansatz
insoweit überhöht, als Kostenanteile für Dezernenten in Höhe von maximal 40.000,-- DM
enthalten seien. Kosten für sogenannte Leitungsorgane der Gemeinde (Rat, Bürgermeister,
Dezernenten) gehörten nicht zu den ansatzfähigen Verwaltungsgemeinkosten, weil deren
Tätigkeit der allgemeinen Verwaltung zuzuordnen und demgemäß auch mit Mitteln des
allgemeinen Haushalts zu finanzieren sei.
Schließlich führe der vom Beklagten gewählte methodische Ansatz von Abschreibungen
nach dem Wiederbeschaffungszeitwert in Verbindung mit kalkulatorischen Zinsen vom
Anschaffungsrestwert zum Nominalzins von 8 % zu einer rechtlich unzulässigen
Überdeckung. Bei Anwendung dieser Methode werde die Geldentwertungsrate zweifach
erfasst. Diese doppelte Verrechnung der allgemeinen Preissteigerungsrate widerspreche
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den im Gebührenrecht geltenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen.
Der Senat hat auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen, soweit das
Verwaltungsgericht der Klage gegen die Heranziehung zu Entwässerungsgebühren
stattgegeben hat, und hinsichtlich der Abfallbeseitigungsgebühren den Zulassungsantrag
abgelehnt.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor: Die in die
Gebührenbedarfsberechnung eingestellten kalkulatorischen Kosten seien der Höhe nach
nicht zu beanstanden. Sie entsprächen der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung,
wonach eine Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert und eine Verzinsung des
Anschaffungsrestwertes mit einem Nominalzinssatz von bis zu 8 % zulässig sei. Hierbei
komme es zwangsläufig dazu, dass die Geldentwertung doppelt erfasst werde. Dies sei
jedoch wegen der unterschiedlichen Funktionen von Abschreibung und Verzinsung
erforderlich und durch die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) nicht ausgeschlossen. Vielmehr räume § 6 Abs. 2 Satz 2
KAG NRW den Gemeinden ausdrücklich eine angemessene Verzinsung ein. Auch seien
die Aufwendungen für Versorgungsleistungen zutreffend in die Gebührenkalkulation
aufgenommen worden. Die Versorgungsansprüche aller Mitarbeiter der Einrichtung würden
durch Leistungen des Arbeitgebers mit aufgebaut. Schließlich seien auch die Kosten für
Leitungsorgane nicht zu beanstanden. Nach der Betriebssatzung des
Abwasserentsorgungsbetriebs Gelsenkanal seien den städtischen
Vertretungskörperschaften direkte Entscheidungskompetenzen zugewiesen. Der
Oberbürgermeister, die Dezernenten für Planen, Bauen und Umwelt und der
Stadtkämmerer seien in das Verfahren der Willensbildung über die
Vertretungskörperschaften eingebunden.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage gegen die Heranziehung zu
Entwässerungsgebühren für das Jahr 1999 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und vertieft die darin enthaltene
Argumentation zur Unzulässigkeit der vom Verwaltungsgericht beanstandeten Positionen
in der Gebührenbedarfsberechnung. Insbesondere rügt sie die Ermittlung der in die
Bedarfsberechnung eingestellten kalkulatorischen Kosten. Eine Abschreibung vom
Wiederbeschaffungszeitwert in Kombination mit einer Ermittlung der kalkulatorischen
Zinsen auf Anschaffungsrestwertbasis zu einem Nominalzins sei gesetzlich unzulässig.
Hierbei handele es sich nicht um nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähige
Kosten. Des Weiteren sei der zur Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen angewandte Satz
von 8 % überhöht, weil er den langfristigen Durchschnittssatz insbesondere unter
Berücksichtigung der seit 1992 eingetretenen Zinsentwicklung überschreite.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den Inhalt der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Die Klage der Klägerin gegen die Heranziehung zu Entwässerungsgebühren für das Jahr
1999 ist unbegründet. Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 5. Februar
1999 und der Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 1999 sind insoweit rechtmäßig und
verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der angefochtene Bescheid beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Insbesondere
genügen die hier allein streitigen Gebührensätze für das Veranlagungsjahr 1999 in der
Gebührensatzung vom 23. Dezember 1998 zur Satzung über die Entwässerung der
Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage -
Entwässerungssatzung - der Stadt H1. vom 14. Februar 1990
(Entwässerungsgebührensatzung) den rechtlichen Vorgaben. Sie verstoßen im Ergebnis
nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW.
Die in der Gebührenbedarfsberechnung unter der Position ​Pacht unbewegl. Vermögen"
eingestellten kalkulatorischen Kosten sind rechtlich nicht deswegen zu beanstanden, weil
sie durch eine Kombination aus Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert mit einer
Nominalverzinsung vom Anschaffungsrestwert ermittelt sind. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats ist in gebührenrechtlicher Hinsicht die Berechnung der
Abschreibung auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten - auch in Verbindung
mit dem Ansatz kalkulatorischer Nominalzinsen auf der Basis von Anschaffungsrestwerten
- zulässig. Die so ermittelten kalkulatorischen Kosten stellen nach betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen ansatzfähige Kosten im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW dar.
Vgl. die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats: Urteile vom 5. August 1994 - 9
A 1248/92 -, NWVBl. 1994, 428, m.w.N., vom 19. Mai 1998 - 9 A 5709/97 -, NWVBl 1998,
484 und vom 1. September 1999 - 9 A 3342/98 -, NWVBl. 2000, 135
(Parallelentscheidungen rechtskräftig seit den Beschlüssen des
Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2000 - 11 B 61, 62, 63.99 -); Beschluss vom 22.
August 2003 - 9 A 4766/99 - und Urteil vom 14. Dezember 2004 - 9 A 4187/01 -; vgl.
ebenso für das niedersächsische KAG, Nds. OVG, Urteil vom 4. November 2002 - 9 LB
215/02 -, ZKF 2003, 153, 154.
Der Senat hält auch unter Würdigung der gegen seine Auffassung vorgebrachten Kritik,
vgl. insbesondere die Dissertation von Schröder, Die Erhebung von
Entwässerungsgebühren in Nordrhein-Westfalen, 2003, S. 252ff.; sowie die im
angegriffenen Urteil (S. 10) zitierten Aufsätze,
daran fest, dass die für zulässig erachtete Methode mit dem Willen und den Zielsetzungen
des Gesetzgebers in Bezug auf § 6 Abs. 2 KAG NRW im Einklang steht. Dementsprechend
wird in der gegen die ständige Rechtsprechung des Senats gerichteten Kritik weitgehend
davon ausgegangen, dass die divergierenden Auffassungen ihren Ausgangspunkt in
unterschiedlich bewerteten ​gesetzlichen Zielbestimmungen der Gebührenkalkulation"
hätten.
Vgl. Schröder, a.a.O., S. 252, 253; Wiesemann, KStZ 1998, S. 227ff, der von
Zielvorstellungen" spricht, die durch Gesetzesinterpretation nach juristischer Methodik zu
ermitteln seien, wobei der Begriff ​betriebswirtschaftliche Grundsätze" keine dynamische
Verweisung, sondern einen unbestimmten Rechtsbegriff darstelle.
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Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat - anders als der Gesetzgeber in einigen
anderen Bundesländern - ausdrücklich auf eine erschöpfende bzw. einengendere
Regelung des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs aufgrund der in der
Betriebswirtschaftslehre herrschenden Meinungsverschiedenheiten verzichtet und damit
den Gemeinden ein diesbezügliches Wahlrecht eröffnet.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 - 9 A 3342/98 -, a.a.O., unter Hinweis auf
LT-Drs. 6/810 S. 34, 35.
In bezug auf die Ansatzfähigkeit der kalkulatorischen Kosten widerspricht es der Intention
des Landesgesetzgebers, eine Beschränkung der zulässigen Kalkulationsmethoden allein
auf das vom Verwaltungsgericht alternativ für zulässig erachtete Anschaffungswert- oder
Wiederbeschaffungswertmodell vorzunehmen. Entgegen der vom Verwaltungsgericht
vertretenen Interdependenz der kalkulatorischen Kostenarten (Abschreibung und Zinsen)
dürfen die kalkulatorischen Zinsen einerseits und die kalkulatorische Abschreibung
andererseits in ihrer jeweiligen finanzwirtschaftlichen Funktion getrennt werden. Dass
dieser Ansatz mit dem gesetzgeberischen Willen im Einklang steht, hat der Senat zuletzt im
Urteil vom 1. September 1999 - 9 A 3342/98 - (a.a.O.), auf dessen eingehende Begründung
zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, dargestellt.
Danach ist davon auszugehen, dass die Funktion der kalkulatorischen Verzinsung in der
Gewährleistung des Belastungsausgleichs liegen kann; der kalkulatorischen Abschreibung
darf hingegen die Funktion zugeschrieben werden, diejenigen finanziellen Mittel zu
erwirtschaften, die es der Gemeinde ermöglichen, eine Ersatzbeschaffung bzw.
Wiederbeschaffung der Anlage zu finanzieren. Dementsprechend hat auch der erkennende
Senat bei der Änderung seiner Rechtsprechung zur Basis der kalkulatorischen Verzinsung
im Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 - (a.a.O.) in Übereinstimmung mit den
Ausführungen des seinerzeit beauftragten Sachverständigen nicht der kalkulatorischen
Verzinsung die Funktion der Substanzerhaltung (der Anlage) beigemessen. Die Annahme,
der Abschreibung könne demgegenüber allein die Funktion der Kostenverteilung im
Bereich der Substanzerhaltung zugeschrieben werden, ist eine zulässige
Betrachtungsweise.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 - 9 A 3342/98 -, a.a.O., mit eingehender
Begründung; ebenso für das niedersächsische KAG, Nds. OVG, Urteil vom 4. November
2002 - 9 LB 215/02 -, a.a.O.
Die isolierte Betrachtung der beiden kalkulatorischen Kostenarten Abschreibung und
Verzinsung gilt nach dem Willen des Landesgesetzgebers auch dann, wenn die
Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorgenommen werden. Der
Landesgesetzgeber wollte zugunsten der Gemeinden ausdrücklich die Wahlmöglichkeit
eröffnen, Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorzunehmen; es ist nicht
ansatzweise erkennbar, dass er dabei mit Blick auf die Funktion der kalkulatorischen
Verzinsung und deren Orientierung an den tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen
wechselseitige Einschränkungen - etwa aus dem Verständnis der betriebswirtschaftlichen
Grundsätze als einem übergreifenden Ordnungssystem - in Betracht gezogen hat.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 - 9 A 3342/98 -, a.a.O., unter Auswertung
der Motive des Gesetzgebers.
Mit Blick auf die dargestellten möglichen unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen
Zielsetzungen der kalkulatorischen Kostenarten entkräftet auch der Hinweis des
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Verwaltungsgerichts (S. 10 des Urteilsabdrucks), eine Gebührenkalkulation auf der
Grundlage der Rechtsprechung des erkennenden Senats führe zu einer ​doppelten"
Verrechnung der allgemeinen Preissteigerungsrate und damit zu einer "Überdeckung",
nicht die hier vertretene Sichtweise. Zwar mag innerhalb der beiden Kostenarten
(Abschreibung und kalkulatorische Verzinsung) im Rahmen der Berechnung jeweils ein
Inflationsausgleich Berücksichtigung finden. Auf Grund der beschriebenen
unterschiedlichen Zweckbestimmungen ist dies indes systemimmanent und nach
Aufassung des Senats wegen der vom Gesetzgeber beabsichtigten Stärkung der
Eigenkapitalausstattung der Gemeinden auch gewollt.
Die vorstehend umrissene Ansicht wird auch unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse
nicht durch die hiergegen gerichtete Kritik widerlegt. Das der Senatsauffassung zu Grunde
liegende Gesetzesverständnis, insbesondere die danach mit § 6 Abs. 2 KAG NRW
verbundene Zielvorstellung, ist dem Landesgesetzgeber seit der grundlegenden
Entscheidung vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 - (a.a.O.) bekannt. Wäre die in Rede
stehende Auffassung nicht haltbar, hätte es nahe gelegen, dass der Gesetzgeber eine
ausdrückliche Regelung zum Umfang der Ansatzfähigkeit von kalkulatorischen Kosten in
das Kommunalabgabengesetz eingefügt hätte. Anlässlich anderer grundlegender
Entscheidungen des Senats zum Benutzungsgebührenrecht ist der Gesetzgeber in der
Vergangenheit jedenfalls mehrfach gesetzesändernd tätig geworden und hat ausdrücklich
auf eine seinen Vorstellungen nicht entsprechende Rechtsprechung reagiert.
Vgl. zuletzt z.B. die Begründung zur Einführung des § 6 Abs. 2 Satz 3 KAG NRW durch Art.
3 des Gesetzes zur Änderung des Landesabfallgesetzes und damit in Zusammenhang
stehender Vorschriften, LT-Drs. 12/3143, S. 84, sowie die Begründung zur Einführung des
§ 9 Abs. 2 Satz 5 LAbfG, LT-Drs. 12/3143, S. 70.
Eine derartige Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Senats zu der hier
in Rede stehenden Frage ist nicht erfolgt. Eine solche wäre indes bei Annahme einer
fehlenden Vertretbarkeit der Ansicht des Senats um so mehr zu erwarten gewesen, als die
an der Gesetzgebung beteiligten Stellen die hiergegen eingenommenen Gegenpositionen
zur Auslegung von § 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 sowie Abs. 1 Satz 3 KAG NRW, die auch
publiziert worden sind, bei Beratungen über mögliche Änderungen der Vorschriften
ausdrücklich diskutiert und gewürdigt haben. Zuletzt hat sich der Gesetzgeber in der 13.
Legislaturperiode auf die Anträge der FDP-Fraktion vom 5. Oktober 2001 (LT-Drs. 13/1664,
Effizienter Mitteleinsatz in der Abwasserbeseitigung") und der CDU-Fraktion vom 5.
November 2001 (LT-Drs. 13/1739, ​Umweltstandards halten - Gebührenlast der Bürger
konsequent senken") mit der einschlägigen Problematik der Ermittlung von Abschreibung
und kalkulatorischer Verzinsung befasst. Die Anträge, die beide u.a. ein gesetzliches
Verbot der Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert und eine deutliche Begrenzung
der kalkulatorischen Zinsen gefordert hatten, wurden nach der Behandlung im Plenum zur
Beratung und Abstimmung an den federführenden Ausschuss für Umweltschutz und
Raumordnung überwiesen. Bei der parlamentarischen Aussprache über den Antrag der
CDU- Fraktion ist ausdrücklich die Frage einer möglichen Einengung der durch das
Kommunalabgabengesetz eröffneten und von der Rechtsprechung des Senats
hervorgehobenen Bewertungsspielräume im Bereich der kalkulatorischen Kosten für die
Kommunen erörtert worden.
Vgl. nur die Stellungnahme von Innenminister Dr. Behrens, Plenarprotokoll 13/42, Seite
4166, 4177 ff.
In der danach vom federführenden Ausschuss für Umweltschutz und Raumordnung
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durchgeführten öffentlichen Anhörung nach § 32 der Geschäftsordnung des Landtages sind
zudem konkret die in Rede stehenden Streitfragen zur Kombination der Methoden bei der
Ermittlung von Abschreibung und kalkulatorischer Verzinsung angesprochen worden.
Vgl. Ausschussprotokoll 13/598 vom 12. Juni 2002.
Der Bund der Steuerzahler hat in seiner schriftlichen Stellungnahme an den Ausschuss
vom 10. Juni 2002 (Zuschrift 13/1765) deutlich auf die ​kontroverse Rechtsprechung" der 13.
Kammer des VG H1. und des Senates zur Problematik hingewiesen und ein
gesetzgeberisches Tätigwerden im Sinne des behandelten Antrags der CDU-Fraktion
angeregt. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hat in ihrer
Stellungnahme vom 6. Juni 2002 (Zuschrift 13/1773, Seite 6) hingegen hervorgehoben,
dass ein Änderungsbedarf bei § 6 Abs. 2 KAG NRW vor dem Hintergrund der
Rechtsprechung des Senates nicht gesehen werde. In der Sitzung des Ausschusses am
12. Juni 2002 sind diese und weitere sachverständige Stellungnahmen sowie ein etwaiger
Gesetzgebungsbedarf mündlich eingehend diskutiert worden.
Vgl. Ausschussprotokoll 13/598, z.B. S. 10, 11, 13, 17, 31.
Nach weiteren Erörterungen in der Folgezeit hat der Ausschuss die genannten Anträge der
CDU-Fraktion und der FDP-Faktion schließlich am 15. September 2004 abgelehnt und
damit in Kenntnis und unter Berücksichtigung der Ansicht des Senats zum Verständnis des
§ 6 Abs. 2 KAG NRW Bedarf für eine Gesetzesänderung oder Klarstellung verneint.
Vgl. Ausschussprotokoll und Beschlussprotokoll 13/1312 vom 15. September 2004.
Hinzu kommt Folgendes: Ein allgemeiner Wandel in den betriebswirtschaftlichen
Lehrmeinungen dahingehend, dass im Veranlagungszeitraum (1999) allgemein bei
Wirtschaftsbetrieben
- allein hierauf und nicht auf solche der öffentlichen Hand kommt es an, vgl. OVG NRW,
Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, a.a.O. -
bei einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Grundlage von
Anschaffungs(rest)werten Abschreibungen nur noch auf Anschaffungswertbasis berechnet
oder bei einer Abschreibung auf Basis des Wiederbeschaffungszeitwertes nur Realzinsen
erhoben werden dürften, ist nicht ersichtlich.
Eine isolierte Betrachtung der einzelnen Kostenarten im Rahmen betriebswirtschaftlicher
Grundsätze, wie sie unter Berücksichtigung der nach § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW
geltenden Ziele im Ergebnis in der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum
Ausdruck kommt, ist auch nach neueren Erkenntnissen (weiterhin) nicht unzulässig, weil
die damit verbundenen Kostenanschauungen in der Betriebswirtschaftslehre unverändert
mit beachtlichem wissenschaftlichen Gewicht vertreten werden.
Vgl. Gawel, KStZ 1999, 61, 91, der davon ausgeht, dass die isolierte Kostenbetrachtung in
der Praxis ​überragende Bedeutung" habe; sowie die in der Fachhochschul- und
Universitätsausbildung verwendeten Werke, wie z. B.: Coenenberg, Kostenrechnung und
Kostenanalyse, 5. Aufl. 2003, S. 44 ff.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 3. Aufl.
2001, S. 194 ff. und 222 ff.; Zimmermann, Grundzüge der Kostenrechnung, 8. Aufl. 2001, S.
34 ff. und 50 ff.; Olfert, Kostenrechnung, 11. Aufl. 1999, S. 113 ff. und 125 ff.; Ebert, Kosten-
und Leistungsrechnung, 10. Aufl. 2003, S. 38 ff. und 43 ff.; Macha, Grundlagen der Kosten-
und Leistungsrechnung, 3. Aufl. 2003, S. 62 ff., 66ff.; Heinhold, Kosten- und
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Erfolgsrechnung in Fallbeispielen, 2. Aufl. 2001, S. 119 ff., 140ff.; siehe auch die inhaltlich
im Vergleich zur 19. Auflage unveränderte Darstellung bei Wöhe, Einführung in die
allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 21. Auflage 2002, S. 1093 ff.
Auch angesichts der seit der zitierten grundlegenden Entscheidung vom 5. August 1994 - 9
A 1248/92 - (a.a.O.) wiederholt in nachfolgenden Entscheidungen publizierten
Senatsauffassung finden sich in den neueren Auflagen der betriebswirtschaftlichen
Standardwerke - soweit ersichtlich - keine Aussagen, dass die angewandte Methode zur
Ermittlung der kalkulatorischen Kosten unzulässig bzw. verboten sei. Entsprechende in
Standardwerken publizierte Lehrmeinungen hat auch die Klägerin nicht nachgewiesen.
Soweit sie z.B. auf das Werk von Coenenberg (a.a.O.) hinweist, lässt sich daraus für ihre
Ansicht nichts Entscheidendes herleiten. In dem genannten betriebswirtschaftlichen Werk,
das sich zusätzlich gesondert mit der Kostenrechnung im öffentlichen Gebührenrecht
befasst, wird allein innerhalb der Behandlung der Kostenart ​kalkulatorische Zinsen"
angesprochen, dass bei einer Nominalverzinsung auf der Basis des
Wiederbeschaffungszeitwertes ein doppelter Inflationsausgleich eintrete.
Vgl. Coenenberg, a.a.O., S. 45, 46, der deshalb im Rahmen der allgemeinen Ausführungen
die Kombination Nominalzins i.V.m. Anschaffungswert oder Realzins i.V.m. Zeitwert
empfiehlt; wobei im gesonderten Kapitel (S. 151, 156 ff.) über die Kostenrechnung für den
Bereich der öffentlichen Gebührenerhebung die Nominalverzinsung auf der Basis des
Wiederbeschaffungszeitwertes für unzulässig gehalten wird (S. 164). Die von der Klägerin
beantragte Einholung eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens war nicht
geboten. Der zuvor zitierten grundlegenden Entscheidung des Senats vom 5. August 1994
- 9 A 1248/92 - (a.a.O.) lagen bereits die Aussagen eines eigens eingeholten
betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens zu Grunde. Entgegenstehende
Auffassungen in betriebs-wirtschaftlichen Standardwerken hat die Klägerin - wie bereits
ausgeführt - selbst nicht belegt. Aufgrund der beim Senat durch die ständige Befassung mit
der Materie und durch die Auswertung der zitierten betriebswirtschaftlichen Werke
vorhandenen Sachkunde war dieser in der Lage, die aufgeworfenen Fragen - soweit sie
entscheidungserheblich waren - selbst zu beantworten. Dieses konnte unter Beachtung der
im Ausgangspunkt notwendigen Interpretation des § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW und der
damit verbundenen Ermittlung des gesetzgeberischen Willens durch eine Sichtung der
einschlägigen betriebswirtschaftlichen Standardliteratur erfolgen.
Vgl. zur Entbehrlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens bei eigener
Sachkunde des Gerichts etwa: BVerwG, Urteil vom 10. November 1983 - 3 C 56.82 -,
BVerwGE 68, 177 (182), Beschlüsse vom 19. November 1998 - 8 B 148.98 -, Buchholz
310, § 88 VwGO, Nr. 41, und vom 11. Februar 1999 - 9 B 381.98 -, InfAuslR 1999, 365.
Die hier erforderliche Sachkunde konnte sich das Gericht dementsprechend durch die
Benutzung allgemein zugänglicher Erkenntnisquellen verschaffen. Eine besondere durch
spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten vermittelte betriebswirtschaftliche Sachkunde, wie
sie etwa für die Beurteilung der Funktionstüchtigkeit eines konkreten Unternehmens unter
kaufmännischen Gesichtspunkten im Einzelfall erforderlich sein mag,
vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 19. November 1998 - 8 B 148/98 -, a.a.O.,
war im vorliegenden Fall zur Beantwortung der im Beweisantrag aufgeworfenen Fragen
nicht notwendig.
Die demnach im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW als zulässig anzusehende
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Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten in Verbindung mit einer Verzinsung des
aufgewandten Kapitals auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten mit einem
Nominalzins führt ferner weder zu einer Verletzung des Äquivalenzprinzips, noch zu einem
Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit Blick auf eine etwaige Ungleichbehandlung der
Gebührenpflichtigen gegenüber der Allgemeinheit. Ebensowenig verstößt das
Gesetzesverständnis des Senats entgegen der Ansicht der Klägerin gegen allgemeine
juristische Auslegungsgrundsätze, die in Art. 19 Abs. 4 GG verankert sind.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 - 9 A 3342/98 -, a.a.O., mit eingehender
Begründung, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
Der für die kalkulatorischen Zinsen vorgenommene Ansatz in der Bedarfsberechnung ist
allerdings überhöht, weil ein zu hoher Zinssatz zugrundegelegt worden ist. Der unzulässige
Mehransatz führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Gebührensätze.
Für die Bestimmung des Zinssatzes können nicht die in der jeweiligen Gebührenperiode
am Kapitalmarkt herrschenden Verhältnisse, sondern nur langfristige
Durchschnittsverhältnisse maßgebend sein. Denn es handelt sich um einen
kalkulatorischen Zins, der sich auf den gesamten Restbuchwert, mithin auf Anlagegüter
unterschiedlichsten Alters bezieht.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, a.a.O.
Insoweit hat der Senat in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung,
vgl. nur: OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 - a.a.O., S. 434, und Urteil
vom 1. September 1999 - 9 A 5715/98 -,
zuletzt für das Veranlagungsjahr 1997,
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. August 2003 - 9 A 4829/99 - und vom 22. August 2003 -
9 A 4766/99 -,
als Zinssatz einen Nominalzins bis maximal 8 % nicht beanstandet.
Dieser Ansatz lässt sich der Höhe nach für das Veranlagungsjahr 1999 nicht mehr halten.
Legt man - wie im Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, a.a.O., geschehen - die
langfristigen Durchschnittsverhältnisse zu Grunde, so zeigt sich, dass der für die Jahre
1952 bis 1992 seinerzeit ermittelte Durchschnittswert für öffentliche Anleihen von 7,5 bis
7,7 % angesichts der weiteren Zinsentwicklung im Rahmen der Kalkulation für das Jahr
1999 nicht mehr zu Grunde gelegt werden kann. Eine von der Deutschen Bundesbank
erstellte und in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte Übersicht vom
12. Januar 2004 über die Sätze der Emissionsrenditen in den Jahren 1955 bis 2002 für
festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten ergibt, dass bei der
Kalkulationserstellung für 1999 im Jahre 1998 unter Berücksichtigung der bis dahin
allenfalls vorliegenden Werte bis 1997 ein Durchschnittswert von nur noch gut 7,2 %
anzunehmen ist. Dieser darf nach der Rechtsprechung des Senats um bis zu ca. 0,5 %
erhöht werden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass wegen der die
Anlagezinsen regelmäßig übersteigenden Kreditzinsen ein etwaiger Fremdkapitalanteil zu
einem höheren Zinssatz zu berücksichtigen ist.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, a.a.O.
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Gemessen daran hätte für das Jahr 1999 nur noch ein kalkulatorischer Zinssatz von bis zu
ca. 7,7 % angesetzt werden dürfen. Der hier demnach tatsächlich um ca. 0,3 % zu hoch
angesetzte Zinssatz (daraus folgt eine Überdeckung von ca. 851.700,- - DM) führt indes
selbst bei weiterer Einbeziehung der vom Verwaltungsgericht beanstandeten Ansätze des
Versorgungskostenanteils in Höhe von 146.000,-- DM sowie der Personalkosten für
Leitungsorgane in Höhe von ca. 40.000,-- DM nicht zur Überschreitung der für die
Gebührenkalkulation vom Senat als maßgebend angesehenen Toleranzgrenze von 3 %.
Die Summe der Überdeckungen (ca. 1.037.700,-- DM) liegt im Verhältnis zu den ohne die
Überdeckung gerechtfertigten Gesamtkosten von ca. 72.416.600,-- DM ersichtlich unter
diesem Wert (3 % vom letztgenannten Betrag ergeben ca. 2.172.498,-- DM). Vor dem
Hintergrund des von der Rechtsprechung für das Veranlagungsjahr 1997 noch nicht
beanstandeten Ansatzes von 8 % kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei der
Kalkulationserstellung für das Jahr 1999 durch den Beklagten eine bewusste
Kostenüberschreitung - die eine Anwendung der 3 %-Toleranzregel ausschließen würde -
erfolgt ist. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen werden künftige Kalkulationen,
etwa für 2006, der Zinsentwicklung allerdings Rechnung tragen müssen (der maßgebliche
langfristige Durchschnittssatz lag bereits im Jahre 2002 nur noch bei ca. 7 %).
Nach dem zuvor Dargestellten konnte der Senat offen lassen, ob die vom
Verwaltungsgericht beanstandeten Ansätze des Versorgungskostenanteils sowie der
Personalkosten für Leitungsorgane in die Bedarfsberechnung eingestellt werden durften.
Allerdings spricht Vieles dafür, dass ein Versorgungskostenanteil dem Grunde nach dann
ansatzfähig ist, wenn es sich dabei um konkrete Vorsorgeaufwendungen (z.B. Zahlungen
an Pensionskassen oder Pensionsrückstellungen) für derzeit in der oder für die Einrichtung
tätige Beamte handelt.
So auch Schulte/Wiesemann, in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattkommentar
Stand März 2004, § 6 Rdnr. 168.
Ob und ggf. in welcher Höhe die hier in Rede stehenden Aufwendungen dem
vorgenannten Zweck dienten, oder - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat -
Zahlungen an (aktuelle) Versorgungsempfänger mit abdeckten, hätte einer näheren
Aufklärung bedurft, die mangels Entscheidungserheblichkeit der Frage unterbleiben
konnte. Im Übrigen spricht auch Vieles dafür, dass - entgegen der Ansicht des
Verwaltungsgerichts - die anteiligen Personalkosten im Bereich der Führungsämter dem
Grunde nach ansatzfähig waren. Der hiergegen angeführten Begründung, es fehle eine
Betriebsbezogenheit dieser Kosten,
vgl. VGH BW, Beschluss vom 27. Februar 1996 - 2 S 1407/94 -, VBlBW 1996, 382ff. sowie
Nds. OVG, Urteil vom 4. November - 9 LB 215/02 -, a.a.O.,
ist entgegen zu halten, dass die in den Führungsämtern erbrachten Tätigkeiten, soweit sie
konkret den Aufgaben der kostenrechnenden Einrichtung zuzuordnen sind, für den Betrieb
der Einrichtung unabdingbar sind. Auch insoweit dürfte es sich um Kosten handeln, die
letztlich über eine verwaltungsinterne Verrechnung der Einrichtung zuzuschreiben sind.
Mängel der den Gebührenbescheiden zugrundeliegenden Satzung sind im Übrigen nicht
ersichtlich. Auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes ist eine weitere,
ins Einzelne gehende Überprüfung der verschiedenen Positionen der
Gebührenbedarfsberechnung nicht angezeigt. Zwar sind die Verwaltungsgerichte in der
Regel verpflichtet, jede mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze der
Zumutbarkeit zu versuchen, sofern die Aufklärung nach ihrer Meinung für die Entscheidung
des Rechtsstreits erforderlich ist. Bei der Überprüfung einer Kalkulation geht der
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erkennende Senat aufgrund der Bindung des Beklagten an Gesetz und Recht gemäß Art.
20 Abs. 3 GG jedoch grundsätzlich davon aus, dass dessen Auskünfte der Wahrheit
entsprechen. Aufklärungsmaßnahmen sind daher nur insoweit angezeigt, als sich dem
Gericht etwa Widersprüche nach dem Sachvortrag der klagenden Partei oder aber den
beigezogenen Unterlagen aufdrängen. Lässt es die klagende Partei insoweit an
substantiiertem Sachvortrag fehlen und ergibt sich auch aus den Unterlagen kein konkreter
Anhaltspunkt für einen fehlerhaften Kostenansatz, hat es hiermit sein Bewenden. Die
Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht werde mit ihrer Hilfe
schon die klagebegründenden Tatsachen finden.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. September 1997 - 9 A 3373/96 -, Seite 22 des amtlichen
Umdrucks; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -, NWVBl. 2002, 427,
430.
Gemessen daran bestand für den Senat, mangels (weiterer) substantiierter klägerischer
Einwände gegen die in Rede stehende Satzung und mangels offensichtlicher Fehler, kein
Grund, eine über das Vorstehende hinausgehende Prüfung der Rechtsgrundlagen für die
Gebührenheranziehung vorzunehmen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1
und Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht
gegeben sind.