Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 06.10.2003

OVG NRW: schüler, eltern, mitwirkungspflicht, bekanntgabe, schule, zaun, auskunft, auflage, zeugnis, beurteilungsspielraum

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 B 2032/03
Datum:
06.10.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 B 2032/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 1 L 1409/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000 EUR
festgesetzt.
Gründe:
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller
innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt
hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese Gründe rechtfertigen es nicht, den
angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) stattzugeben.
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Der Antragsteller macht ohne Erfolg geltend, dass ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 3
ASchO NRW vorliege, weil am 4., 7., 9. und 11. Juli 2003 Klassenarbeiten in den
Fächern Mathematik, Französisch, Deutsch und Englisch geschrieben worden seien.
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Der Antragsteller kann sich auf den geltend gemachten Verfahrensverstoß schon nicht
mehr berufen, weil er und seine Eltern der ihnen - unter anderem - obliegenden Pflicht,
an der Erfüllung der Aufgaben der Schule und der Erreichung des Bildungsziels
mitzuwirken (§§ 3 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1, 40 Abs. 1 Satz 2 ASchO NRW), nicht
nachgekommen sind. Auf Grund dieser Mitwirkungspflicht hätten sie den geltend
gemachten Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 3 ASchO NRW schon vor den
Klassenarbeitsterminen, jedenfalls vor der Bewertung der am 4., 7., 9. und 11. Juli 2003
geschriebenen Klausuren geltend machen müssen. Das ist nicht geschehen. Nach den
vorliegenden Unterlagen ist der angeführte Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 3 ASchO
NRW erstmals mit dem Widerspruchsschreiben der Prozessbevollmächtigten vom 18.
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August 2003 geltend gemacht worden. Ein derartiges Verhalten, zunächst die
Entscheidung der Schule abzuwarten und sich erst im Falle einer für den Schüler
nachteiligen Entscheidung auf den vermeintlichen Verfahrensverstoß zu berufen, stellt
sich nicht nur als Verstoß gegen die genannte schulrechtliche Mitwirkungspflicht,
sondern zugleich als treuwidrig und als Verstoß gegen den Grundsatz der
Chancengleichheit aller Schüler (Art. 3 Abs. 1 GG) dar.
OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Mai 2002 - 19 A 1716/02 -, und 9. Januar 2001 - 19 B
1844/00, jeweils m.w.N..
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Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller und auch seine Eltern (§§ 3 Abs. 5 Satz 1,
38 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ASchO NRW) gehindert waren, den
gerügten Verfahrensfehler spätestens vor Bekanntgabe der Klausurergebnisse geltend
zu machen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere kann bei
einem Schüler, der - wie der Antragsteller - seit vier Jahren die Sekundarstufe I besucht,
regelmäßig davon ausgegangen werden, dass ihm der wesentliche Inhalt der Regelung
in § 22 Abs. 1 Satz 3 ASchO NRW bekannt ist.
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Aus den vorgenannten Gründen beruft sich der Antragsteller auch ohne Erfolg darauf,
dass er durch die Aussage des Mathematiklehrers, er müsse, um die Gesamtnote
ausreichend zu erhalten, die letzte Klassenarbeit besser als mangelhaft schreiben,
psychisch unter Druck gesetzt worden sei. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht
vorgetragen, dass der Antragsteller diese angebliche Beeinträchtigung seines
Leistungsvermögens vor der letzten Klassenarbeit im Fach Mathematik, zumindest aber
vor Bekanntgabe der Bewertung dieser Arbeit gerügt hat. Nach den vorliegenden
Unterlagen ist auch diese Rüge erstmals mit dem Widerspruchsschreiben vom 18.
August 2003 geltend gemacht worden.
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Unzutreffend ist die Auffassung des Antragstellers, es liege ein Verstoß gegen § 25 Abs.
1 ASchO NRW vor, weil "ein Großteil" der ihm im zweiten Halbjahr des Schuljahres
2002/03 erteilten Noten der Klassenarbeiten die Zusätze "+" oder "-" beigefügt worden
seien. Derartige Zusätze sind nicht nur mit dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 ASchO NRW,
sondern auch dem Zweck dieser Vorschrift, dem Schüler (vollständig) Auskunft über die
Bewertung Leistung zu geben, vereinbar.
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Vgl. auch Pöttgen/Jehkul/Zaun, Allgemeine Schulordnung, Kommentar, 16. Auflage,
1997, § 25 Anm. 1.
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Der Antragsteller macht schließlich ohne Erfolg geltend, bei der nach § 27 Abs. 5 Satz 2
ASchO NRW vorgeschriebenen Berücksichtigung der Gesamtentwicklung im ganzen
Schuljahr 2002/2003 und der Zeugnisnoten im ersten Schulhalbjahr habe er einen
Anspruch auf Versetzung in die Klasse 10. Bei der Notenfestsetzung und der
Versetzungsentscheidung haben die Fachlehrer und die Versetzungskonferenz einen
Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur darauf hin zu überprüfen ist, ob
Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die
Versetzungskonferenz von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen
allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen
hat leiten lassen, oder sonst willkürlich gehandelt hat. Das lässt sich hier nicht
feststellen. Allein der Umstand, dass die Noten des Antragstellers im Zeugnis für das
erste Schulhalbjahr - geringfügig - besser waren als die Noten im Versetzungszeugnis,
rechtfertigt nicht die Annahme, dass seine Gesamtentwicklung im ganzen Schuljahr und
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die Zeugnisnoten im ersten Schulhalbjahr überhaupt nicht oder zwar berücksichtigt
worden sind, aber der Antragsteller willkürlich nicht versetzt worden ist. Sonstige
Gesichtspunkte, die auf eine fehlerhafte Anwendung des § 27 Abs. 5 Satz 2 ASchO
NRW hindeuten könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Noten im
ersten Halbjahreszeugnis können im Übrigen nicht, wie der Antragsteller
möglicherweise meint, als Ausgleich im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 2 iVm § 26 AO-S I
herangezogen werden. Hierfür kommen allein die Noten im Versetzungszeugnis in
Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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