Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.11.2007

OVG NRW: staatsangehörigkeit, eltern, syrien, auskunft, zugehörigkeit, bindungswirkung, ausländer, eigenschaft, republik, geschwister

Oberverwaltungsgericht NRW, 17 E 544/07
Datum:
19.11.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 E 544/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 8 K 431/07
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Kosten
werden nicht erstattet.
G r ü n d e:
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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Nach § 114 ZPO, der gemäß § 166 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
entsprechende Anwendung findet, erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder
nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und
nicht mutwillig erscheint. Unter den gleichen Voraussetzungen erfolgt nach Maßgabe
des § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Beiordnung eines Rechtsanwaltes.
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Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die
Rechtsverfolgung der Kläger keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das
Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
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Die Kläger wenden sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, sie
beziehungsweise ihre für sie sorgeberechtigten Eltern hätten nicht in zumutbarem
Umfang an der Klärung ihrer Identität und Herkunft mitgewirkt, so dass ihnen
Reiseausweise für Ausländer nach § 5 Abs. 1 AufenthV nicht erteilt werden könnten.
Ihre hiergegen gerichteten Einwände führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
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Als alleinigen Grund für die Weigerung, wegen der Ausstellung eines syrischen
Nationalpasses entsprechend der Aufforderung des Beklagten bei den syrischen
Auslandsvertretungen in Deutschland vorstellig zu werden, haben die Kläger die
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Aussichtslosigkeit entsprechender Versuche wegen ihrer angeblichen Zugehörigkeit zur
Gruppe der sog. Makhtoumin angegeben. Diese leiten sie daraus ab, dass sie in Syrien
nicht registriert worden seien, weil sie ihrerseits von einem nicht registrierten
staatenlosen Kurden abstammten. Diese Annahme begegnet jedoch durchgreifenden
Bedenken.
Nach den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Kläger im Rahmen ihrer
Klagebegründung ist deren Vater als Asylberechtigter anerkannt und hat
zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Den zum Verfahren
beigezogenen Verfahrensakten lassen sich weitere Erkenntnisse zu den hierfür
maßgeblichen Gründen nicht entnehmen. Dass es sich bei dem Vater der Kläger um
einen Staatenlosen handeln soll, haben die Bevollmächtigten der Kläger selbst nur im
Rahmen des Antrags auf Erteilung von Reiseausweisen für die Kläger vom 9. Januar
2006 mitgeteilt.
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Ob eine entsprechende Feststellung im Rahmen des von dem Vater der Kläger
durchgeführten Asylverfahrens - über das dem Senat weitere Erkenntnisse nicht
vorliegen - getroffen worden ist, kann dahinstehen. Weder der entsprechenden
Verwaltungsentscheidung noch einem hierfür möglicherweise maßgeblichen
verwaltungsgerichtlichen Urteil käme hinsichtlich dieser Begründung Bindungswirkung
für das vorliegende Verfahren zu. Dies muss schon deshalb gelten, weil diese
Entscheidungen in Verfahren ergingen, an denen der Beklagte nicht beteiligt war. Ihm
gegenüber kann hieraus mithin auch keine Bindungswirkung erwachsen. Im Übrigen
erstreckt sich die Bindungswirkung auch einer gerichtlichen Entscheidung nicht auf
einzelne Begründungselemente und entschiedene Vorfragen.
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Vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. November 2005 - 17 E 1127/04 - und vom 28. März
2001 - 17 B 1515/00 -, Juris, MWRE201010478; BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 2003 -
1 B 338/02 -, Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 87.
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Zum Nachweis der Staatenlosigkeit des Vaters der Kläger nicht geeignet ist auch die in
Kopie vorgelegte Bescheinigung des Bürgermeisters der Stadt B. -T. , dass ihm dieser
trotz unbekannter Eintragung ins Melderegister bekannt sei. Zunächst einmal kommt
derartigen Bescheinigungen, wenn überhaupt, nur ein sehr geringer Beweiswert zu.
Denn sie sind - wie jede Art von Dokumenten - von Fälscherringen, aber auch von
Amtspersonen als echte Urkunden mit falschem Inhalt (Gefälligkeitsbescheinigungen)
für einen geringen finanziellen Einsatz zu erhalten.
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Vgl. Gutachten Brocks vom 22. Dezember 2003, Juris-Asylis, SYR25793001; Auskunft
des Auswärtigen Amtes vom 19. Januar 2004, Juris-Asylis, SYR 25793002; Lagebericht
des Auswärtigen Amtes vom 13. Dezember 2004, S. 25.
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Es kommt hinzu, dass sich der Inhalt der vorgelegten Bekanntheitsbescheinigung nicht
mit dem sonstigen Vortrag der Kläger beziehungsweise ihrer Eltern in Einklang bringen
lässt. „Nicht registriert", und damit auf Bekanntheitsbescheinigungen der
Ortsbürgermeister als „Identitätsnachweise" angewiesen, sind in Syrien lediglich sog.
Makthoumin. Syrische Staatsangehörige sind demgegenüber im Zivilregister, Ausländer
im Ausländerregister registriert. Als Makthoumin werden solche Bürger bezeichnet, die
Abkömmlinge entweder einer syrischen Mutter und eines registrierten Ausländers oder
einer syrischen Mutter und eines Makthoum oder eines registrierten Ausländers und
eines Makthoum oder zweier Makthoumin sind.
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Vgl. Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 22. Dezember 2003, Juris-Asylis,
SYR25983001; Gutachten Brocks vom 22. Dezember 2003, a.a.O.; Auskunft des
Auswärtigen Amtes vom 19. Januar 2004, a.a.O.
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Der Vater der Kläger dürfte nach jeder der genannten Fallgruppen kein Makthoumin
sein. Erhebliche Zweifel ergeben sich insoweit bereits aus den Angaben zu seinen
Eltern und Großeltern, die er gegenüber dem Beklagten am 6. November 2003 in dem
Fragebogen „Antrag auf Einbürgerung für ungeklärte Staatsangehörige" gemacht hat.
Danach soll nämlich sein Großvater väterlicherseits noch syrischer Staatsangehöriger
gewesen sein. Dass der betreffende Eintrag "syrisch" in der Rubrik "Staat" nicht die
nationale Zuordnung des Geburtsorts, sondern die Staatsangehörigkeit meint, ergibt
sich aus einem Vergleich mit den Angaben im Abschnitt "Kinder", wo an der
entsprechenden Stelle "staatenlos" eingetragen ist. Für seinen 1941 in Gursor/Syrien
geborenen Vater hingegen gibt er die Staatsangehörigkeit demgegenüber mit staatenlos
an, während er seine ebenfalls ein Jahr zuvor in Gursor geborene Mutter wieder als
syrische Staatsangehörige bezeichnet. Die syrische Staatsangehörigkeit sollen dann
nach seinen Angaben auch seine vier in den Jahren 1957, 1961, 1965 und 1967
geborenen Geschwister gehabt haben. Diese unterschiedlichen Daten zur
Staatsangehörigkeit des Vaters der Kläger und seiner nächsten Verwandten stehen
nicht im Einklang mit den vorliegenden Erkenntnissen über die Rechtslage, die für den
Erwerb der syrischen Staatsangehörigkeit maßgeblich war. Danach erwarb im Jahre
1945 automatisch die syrische Staatsangehörigkeit, wer zu diesem Zeitpunkt in dem
heutigen Gebiet der Republik Syrien seinen ständigen Aufenthalt hatte.
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Vgl. Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 22. Dezember 2003, a.a.O.;
Gutachten Brocks vom 22. Dezember 2003, a.a.O; Auskunft des Auswärtigen Amtes
vom 19. Januar 2004, a.a.O.
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Wieso der 1941 geborene Großvater väterlicherseits der Kläger ungeachtet dessen
staatenlos gewesen sein soll, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Dies gilt
insbesondere auch deshalb, weil nach den Angaben des Vaters der Kläger seine vier -
zum Teil vor ihm und zum Teil nach ihm geborenen - Geschwister später wiederum die
syrische Staatsangehörigkeit besessen haben sollen.
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Die Zugehörigkeit des Vaters der Kläger zur Gruppe der Makthoumin ist aber letztlich
insbesondere deshalb nicht glaubhaft, weil er und die Mutter der Kläger nach von ihnen
selbst vorgelegten Urkunden in einer offiziell registrierten Ehe zusammenlebten.
Unverständlich ist insofern der Vortrag in der Klagebegründung, wonach die Eltern der
Kläger nicht miteinander verheiratet seien. Diese Darstellung steht im Widerspruch zu
sämtlichen Angaben, die diese bisher in den sie betreffenden Verwaltungsverfahren
gemacht haben. Vor allem lässt sich diese Behauptung jedoch nicht vereinbaren mit
dem Inhalt der von der Mutter der Kläger im Zusammenhang mit dem von ihr gestellten
Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 11. Mai 2005 vorgelegten
Bestätigung des religiösen Gerichts in Amouda mit Datum vom 25. Januar 1999.
Danach sei die Eheschließung der Eltern der Kläger unter Angabe ihres vollständigen
Namens, Geburtsdatums und Geburtsorts am 4. November 1992 unter der
Registernummer 163 verzeichnet worden. Dieser Umstand spricht jedoch entscheidend
gegen die Makthoumin-Eigenschaft des Vaters der Kläger. Angehörige dieser Gruppe
können Eheschließungen nämlich gerade nicht amtlich registrieren lassen.
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Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 26. Februar 2007, S. 10.
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Angesichts dieser durchgreifenden Zweifel an der Makthoumin-Eigenschaft ihres Vaters
lässt sich auch die von den Klägern hieraus für sich selbst abgeleitete Zugehörigkeit zu
dieser Gruppe nicht feststellen. Damit kann aber auch nicht davon ausgegangen
werden, dass die von dem Beklagten geforderte Vorsprache bei der syrischen Botschaft
mit dem Ziel, für die Kläger eigene Nationalpässe zu erhalten beziehungsweise die
Eintragung in den Nationalpass ihrer Mutter zu erreichen, als von vornherein
aussichtslos und damit unzumutbar angesehen werden müsste. Damit haben die Kläger
die ihnen im Rahmen des Verfahrens auf Ausstellung eines Reiseausweises für
Ausländer nach § 5 Abs. 1 AufenthV abzuverlangenden zumutbaren
Mitwirkungshandlungen noch nicht erbracht, so dass die Ablehnung der Erteilung durch
den Beklagten zu Recht erfolgte.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
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