Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.12.1997

OVG NRW (kläger, bundesverfassungsgericht, auslandszuschlag, gruppe, wirkung, anlage, zuschlag, beseitigung, ausland, falle)

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 4083/93
Datum:
09.12.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 4083/93
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 15 K 5478/91
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf die Streitwertstufe bis
zu 45.000,-- DM festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
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Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Urteil des Verwaltungsgerichts Köln nimmt
der Senat auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug, dessen
Feststellungen er sich in vollem Umfang zu eigen macht (§ 130b Satz 1 VwGO).
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Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf
Zahlung eines erhöhten Auslandszuschlages nach § 55 Abs. 5 Satz 6 BBesG (a.F.).
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift stehe dieser Zuschlag bei einer Tätigkeit
in integrierten militärischen Stäben nur Soldaten und nicht auch Beamten zu. Dies
verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
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Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
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Während des Berufungsverfahrens hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß
vom 31. Januar 1996 - 2 BvL 39 u. 40/93 - (BVerfGE 93, 386) entschieden, daß § 55
Abs. 5 Satz 6 BBesG in der Fassung von Art. 2 Nr. 4 b) des dienst- und
besoldungsrechtlichen Begleitgesetzes zum Gesetz über den Auswärtigen Dienst vom
30. August 1990 (BGBl. I S. 1849) mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar
ist, soweit Soldaten, die im Ausland unter Fortzahlung ihrer Dienstbezüge in integrierten
militärischen Stäben verwendet werden, ein erhöhter Auslandszuschlag gewährt,
Beamten in gleicher Verwendung diese Leistung vorenthalten wird.
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Durch Art. 3 Nr. 1 des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpas-sungsgesetzes
1996/1997 - BBVAnpG 96/97 - vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 590) wurde § 55 Abs. 5
Satz 6 BBesG mit Wirkung vom 1. Mai 1996 aufgehoben. Bestimmte Fälle wurden durch
Art. 10 § 1 BBVAnpG 96/97 einer Übergangsregelung unterstellt.
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Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend: Das
Bundesverfassungsgericht habe die Fehlerhaftigkeit des Gesetzes festgestellt. Die
fehlende rückwirkende Beseitigung der Ungleichbehandlung durch den Gesetzgeber
könne für ihn, den Kläger, nicht gelten, weil er sich auf dem Rechtsweg gegen die
Ungleichbehandlung gewehrt habe. Daß er von der Übergangsvorschrift nicht erfaßt
werde, sei zudem nicht ihm anzulasten, sondern Folge der langen Verfahrensdauer. Mit
einer früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wäre eine zeitlich
entsprechende Berücksichtigung auch in seinem Falle möglich gewesen. Die
betreffende Übergangsregelung sei im übrigen ihrerseits nicht nachvollziehbar und mit
einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht zu vereinbaren.
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Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide
des Bundesministeriums der Verteidigung vom 2. September 1991 und 24. Oktober
1991 zu verpflichten, ihm - dem Kläger - ab dem 1. Januar 1991 bis zum 10. Juli 1995
einen Auslandszuschlag nach der Anlage VI f zu § 55 Abs. 5 BBesG und einen
erhöhten Auslandszuschlag nach der EAZV zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, daß es im Fall des Klägers nach wie vor an einer
Rechtsgrundlage für den geltendgemachten Anspruch fehle.
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II.
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Der Senat kann über die vorliegende Berufung durch Beschluß entscheiden, weil er sie
einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält
(§ 130a Satz 1 VwGO). Die Beteiligten sind vorher hierzu gehört worden (§ 130a Satz 2
i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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Durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Januar 1996 - 2 BvL 39 u.
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40/93 - ist der Senat nicht mehr an einer Sachentscheidung gehindert. Zwar heißt es in
den Gründen dieses Beschlusses, daß die verwaltungsgerichtlichen Verfahren weiter
auszusetzen seien, bis der Gesetzgeber eine den Anforderungen der Verfassung
entsprechende Regelung getroffen hat. Der Senat geht jedoch - wie im folgenden näher
dargelegt wird - davon aus, daß letzteres inzwischen geschehen ist.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat für die im Berufungsverfahren
streitbefangene Zeit vom 1. Januar 1991 bis 10. Juli 1995 keinen Anspruch auf den
begehrten Auslandszuschlag nach der Anlage VI f zu § 55 Abs. 5 BBesG sowie
erhöhten Auslandszuschlag nach der EAZV, weil er nicht zu dem
anspruchsberechtigten Personenkreis für diese Leistungen gezählt hat.
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Unstreitig hat der Kläger in der fraglichen Zeit nicht die Voraussetzungen des § 55 Abs.
5 Sätze 1 bis 5 BBesG - und in Verbindung damit auch der EAZV - erfüllt; für ihn galt
nämlich nicht das Gesetz über den Auswärtigen Dienst. Auch aus § 55 Abs. 5 Satz 6
BBesG a.F. kann der Kläger keine Rechte herleiten. Diese spezielle Anspruchsnorm
erfaßte nur Soldaten, nicht aber auch Beamte, die in integrierten militärischen Stäben
verwendet wurden. Überdies darf die Vorschrift wegen der vom
Bundesverfassungsgericht in dem genannten Beschluß vom 31. Januar 1996
festgestellten Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG von den Gerichten - auch für
vergangene Zeiträume - nicht mehr angewendet werden.
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Aus der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gleichheitswidrigkeit des
bisherigen Rechts erwächst dem Kläger allein kein Anspruch auf die begehrten höheren
Zuschläge, da diese als Bestandteil der Besoldung einer gesetzlichen Regelung
bedürfen (vgl. § 2 Abs. 1 BBesG). An einer solchen Gesetzesregelung, die den Kläger
für den hier konkret in Rede stehenden Zeitraum in den Kreis der
Anspruchsberechtigten einbeziehen würde, fehlt es. Sie wurde im Zuge der Umsetzung
der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch den Gesetzgeber
nicht getroffen. Vielmehr hat dieser sich in Art. 3 Nr. 1 BBVAnpG 96/97 dafür
entschieden, die bisherige gleichheitswidrige Regelung ganz abzuschaffen, sie also
auch für die in integrierten militärischen Stäben verwendeten Soldaten zu streichen. Zu
dieser Lösung war der Gesetzgeber befugt, weil ihm hinsichtlich der Frage, auf welche
Art und Weise ein vom Bundesverfassungsgericht festgestellter Gleichheitsverstoß
beseitigt werden soll, eine relativ weite Gestaltungsfreiheit zukommt. Daß diese
Gestaltungsfreiheit hier überschritten wäre, vermag der Senat nicht festzustellen.
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Zunächst war die nunmehr getroffene Lösung in gewisser Weise bereits durch die
Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgezeichnet. In jenem
Verfahren hatte sich nämlich herausgestellt, daß die Sonderbelastung der Soldaten in
integrierten militärischen Stäben aufgrund von Auslandsverwendungen wohl geringer
einzustufen ist, als dies bei Schaffung der Norm offenbar angenommen wurde.
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Vglz. dazu auch Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum
Gesetzentwurf des BBVAnpG 96/97, BT- Drucks. 13/6892 S. 3, 14.
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Des weiteren besteht auch grundsätzlich keine zwingende aus dem Verfassungsrecht
herzuleitende Verpflichtung des Gesetzgebers, einen vom Bundesverfassungsgericht
festgestellten Verfassungsverstoß, insbesondere einen solchen in Form der
gleichheitswidrigen Bevorzugung einer bestimmten Gruppe bzw. Benachteiligung einer
anderen Gruppe, mit Wirkung auch für die Vergangenheit zu beseitigen. Da solches in
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der Regel nur durch eine rückwirkende Erstreckung der Begünstigung auch auf die
benachteiligte Gruppe zu bewerkstelligen wäre, würde dies die Freiheit des
Gesetzgebers zu sehr einschränken und zudem unkalkulierbare haushaltsrechtliche
Risiken mit sich bringen. Infolge dessen werden dem Gesetzgeber vom
Bundesverfassungsgericht nicht selten sogar Anpassungs- bzw. Übergangsfristen
ausdrücklich zugebilligt,
vgl. etwa BVerfG, Beschluß vom 20. Oktober 1981 - 1 BvR 640/80 - BVerfGE 58, 257
(280); Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 BvR 1493/89 - BVerfGE 84, 239 (284 f.),
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aus denen sich mittelbar zugleich ergibt, daß der Verfassungsverstoß nicht einmal stets
mit sofortiger Wirkung - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts - beseitigt werden muß. Zwar ist in dem Beschluß vom 31.
Januar 1996 nicht ausdrücklich eine Übergangsfrist eingeräumt worden. Ebensowenig
lassen sich den Gründen dieser Entscheidung aber Anhaltspunkte dafür entnehmen,
daß das Bundesverfassungsgericht ausnahmsweise eine Einbeziehung der
benachteiligten Gruppe in die begünstigende Regelung auch mit Wirkung für die
Vergangenheit für geboten erachtet hätte.
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Ferner ist auch die in Art. 10 § 1 BBVAnpG 96/97 getroffene Übergangsregelung nicht
zu beanstanden, soweit sie Begehren wie dasjenige des Klägers aus ihrem
Anwendungsbereich ausspart. Die betreffende Übergangsbestimmung geht auf Gründe
des Vertrauensschutzes zurück.
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Vgl. etwa Schwegmann/Summer, BBesG, § 55 RdNr. 5; Clemens/Millack/
Lantermann/Engelking/Henkel, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 55
BBesG Anm. 7.
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Denjenigen Soldaten, die am 30. April 1996 - der Stichtag erklärt sich aus dem
Inkrafttreten der Aufhebung des § 55 Abs. 5 Satz 6 BBesG a.F. zum 1. Mai 1996 - in
einem integrierten militärischen Stab im Ausland verwendet worden sind und die auf
den Fortbestand der für sie günstigen Regelung vertraut haben, soll in einem
begrenzten Rahmen, nämlich für die Dauer ihrer Verwendung in einem bestimmten
integrierten militärischen Stab, der höhere Auslandszuschlag nach der Anlage VI f
weitergezahlt werden. Die in integrierten militärischen Stäben verwendeten Beamten
sind ihrerseits in die Übergangsregelung mit einbezogen worden, um sie während der
Übergangszeit mit den Soldaten in derartigen Stäben gleich zu behandeln. Der
unterschiedlich gewählte Stichtag (bei Beamten: 5. März 1996, das Datum der
Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG) erklärt sich daraus, daß es für Soldaten
eines Abstellens auf diesen früheren Zeitpunkt nicht bedurfte, weil ihnen seinerzeit die
Bezüge für März und April 1996 bereits angewiesen waren.
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Vgl. dazu Schwegmann/Summer, a.a.O., § 55 RdNr. 5.
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Dem Verfassungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist infolge dessen in Umsetzung der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in zweifacher Weise Rechnung getragen
worden: Soweit der höhere Auslandszuschlag für Soldaten in integrierten militärischen
Stäben aufgrund der Regelung des Art. 3 Nr. 1 BBVAnpG 96/97 entfällt, gilt für diese im
Grundsatz nichts anderes mehr als für in derartigen Stäben tätige Beamte. Soweit
bestimmte Soldaten übergangsweise aufgrund des Art. 10 § 1 BBVAnpG 96/97 den
höheren Zuschlag weitergezahlt bekommen, erhalten parallel dazu nunmehr auch
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vergleichbare Beamte einen derartigen Zuschlag.
Beamte, welche - wie hier der Kläger - gegen die bisherige Ungleichbehandlung mit
Soldaten gerichtlichen Rechtsschutz bemüht haben, mußten nicht aus Gründen eines
schutzwürdigen Vertrauens in eine Übergangsregelung mit einbezogen werden. Denn
wegen des bereits angesprochenen Freiraums des Gesetzgebers bei der Beseitigung
von Gleichheitsverstößen konnte sich ein Vertrauen darauf, daß die in Rede stehende
Zuschlagsregelung im Falle der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit auf die Gruppe
der in integrierten militärischen Stäben tätigen Beamten ausgedehnt würde, in
schutzwürdiger Weise gar nicht erst bilden.
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Soweit der Kläger schließlich meint, ihm sei es auch vor dem Hintergrund der langen
Verfahrensdauer versagt geblieben, Nutznießer der Übergangsregelung zu sein, ergibt
sich hieraus für den von ihm geltendgemachten Besoldungsanspruch unmittelbar nichts.
Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht über die Vorlage des
Verwaltungsgerichts Hannover in weniger als drei Jahren entschieden. Eine
unangemessene Verzögerung des eigenen Verfahrens des Klägers durch die
Verwaltungsgerichtsbarkeit läßt sich ebenfalls nicht feststellen. Das zeitweise Ruhen
des Verfahrens war durch das Abwarten der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts sowie der gesetzlichen Neuregelung bedingt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch zur
Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§§
132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG) nicht erfüllt sind.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG. Dabei hat der Senat in
Fortschreibung der aus dem ersten Rechtszug vorliegenden Berechnungen die auf den
im Berufungsverfahren streitgegenständlichen fixen Zeitraum entfallenden (Differenz-)
Beträge zugrundegelegt. Eine Festsetzung auf der Grundlage von § 17 Abs. 3 und 4
GKG scheidet aus, nachdem der Streit sich nicht mehr auf wiederkehrende, auch in die
Zukunft gerichtete Leistungen bezieht.
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