Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.03.1999

OVG NRW (kläger, mutter, eltern, deutsch, nationalität, familie, sprache, sowjetunion, religion, verwaltungsgericht)

Oberverwaltungsgericht NRW, 2 A 1163/96
Datum:
10.03.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 A 1163/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 16 K 12347/94
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger wurde am 28. Oktober 1944 in D. (damals Sowjetunion, heute Ukraine)
geboren. Er verließ D. am 29. Mai 1990 und wanderte zunächst nach Israel aus.
Nachdem er dort die vom Staat Israel vorgestreckten Reisekosten zurückgezahlt hatte,
reiste er mit seinem israelischen Paß am 3. Juli 1991 nach Deutschland ein.
2
Am 16. Juli 1992 beantragte der Kläger die Ausstellung eines Vertriebenenausweises.
Er gab an, er sei deutscher Volkszugehöriger. Seine Muttersprachen seien Russisch
und Deutsch. Innerhalb der Familie habe er russisch und deutsch, außerhalb russisch
gesprochen. Er gehöre der mosaischen Religion an. Sein Vater L. (D1. ) O. sei 1910 in
D. geboren, habe dort bis 1944 gelebt und sei seit 1945 vermißt. Seine am 8. März 1912
geborene Mutter T. Q. O. sei in T1. -D. geboren. Sie sei in deutschen Vereinen und
Klubs gewesen. Sie lebe jetzt in Israel. Die Eltern hätten ausschließlich deutsch
gesprochen und seien immer als deutsche Volkszugehörige anerkannt gewesen. Sie
seien mosaischen Glaubens.
3
Der Kläger legte eine am 27. Februar 1990 ausgestellte Geburtsurkunde vor, in der
seine Eltern jeweils mit jüdischer Nationalität geführt sind. In der 1950 ausgestellten
4
Geburtsurkunde seiner Mutter ist die Nationalität der Eltern nicht eingetragen.
Die Mutter des Klägers erklärte in einer eidesstattlichen Versicherung vom 22. August
1991, deren Unterschrift von einem Notar in Israel beurkundet worden ist, ihre Eltern
seien ursprünglich österreichische Staatsbürger gewesen. Ihre Muttersprache sei
Deutsch. Zu Hause sei deutsch gesprochen worden. In der Schule sei die
Unterrichtssprache Deutsch gewesen.
5
Die Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen (Bukowina) e.V. führte unter dem 25.
Februar 1993 aus: In T1. , dem Herkunftsort der Eltern des Klägers, sei vor 1918 und
auch nachher mehr als 80 % der Bevölkerung jüdischer Nationalität und mosaischen
Glaubens gewesen. Da die Bukowina von 1775 bis 1918 zur österreichischen
Monarchie gehört habe, seien alle Bewohner österreichische Staatsbürger gewesen.
Bis 1918 sei Deutsch die Schul-, Amts- und Umgangssprache gewesen. In der
Bukowina hätten etwa neun eigenständige Volksgruppen nebeneinander gelebt,
darunter Deutsche und Juden. Die Landsmannschaft sei zu der Auffassung gelangt, daß
die Eltern des Klägers bestenfalls dem deutschen Sprach- und Kulturkreis zugeordnet
werden könnten, was für die deutsche Volkszugehörigkeit nach dem
Bundesvertriebenengesetz nicht ausreiche.
6
Die Heimatortskartei für Deutsche aus Ost- und Südosteuropa konnte über die Eltern
des Klägers nichts mitteilen. Sie führte in ihrem Schreiben vom 11. Mai 1993 allgemein
aus, daß es in D. im Jahre 1930 laut Statistik bei 112.427 Einwohnern 16.359 Deutsche
gegeben habe, in T1. bei 8.968 Einwohnern 96 Deutsche.
7
Die Heimatauskunftsstelle Rumänien gab unter dem 28. Juni 1993 an: Die Eltern des
Klägers seien nicht Mitglied in deutschen Vereinen gewesen. Die Juden in der
Bukowina hätten sich zum jüdischen Nationalismus bekannt. Die Eltern des Klägers
hätten dem deutschen Sprach- und Kulturkreis vermutlich nicht angehört. In D. hätten
über 90 % der Personen mosaischen Glaubens deutschklingende Familiennamen
gehabt. Aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen mit der Sowjetunion (5. Sep-
tember 1940) und Rumänien (22. Oktober 1940) sei die deutschstämmige Bevölkerung
der Bukowina fast ausnahmslos in das ehemalige Deutsche Reich umgesiedelt worden.
Die wenigen verbliebenen deutschen Volkszugehörigen seien im Frühjahr 1944 in die
asiatischen Regionen östlich des Urals verbracht worden. Der Heimatauskunftsstelle sei
in den 40 Jahren ihres Bestehens noch kein Antrag eines deutschen Volkszugehörigen
zugeleitet worden, der noch nach 1944 in D. gelebt habe.
8
Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens gab der 1913 geborene Herr N. T2. an:
Er habe den Kläger 1959/60 und seine Mutter etwa 1948/49 kennengelernt. Der Kläger
und seine Mutter sprächen Deutsch als Muttersprache. In der Familie sei Deutsch als
Umgangssprache bevorzugt worden.
9
Die Mutter des Klägers gab unter dem 24. Juli 1993 nochmals an, in der Familie sei
ausschließlich deutsch gesprochen worden. Die Großeltern und die Eltern des Klägers
seien in einem "deutschen Bukowiner Verein" gewesen. Es seien deutsche Bücher und
Zeitschriften gelesen worden. Ihr Ehemann und die ganze Familie seien Deutsche
gewesen.
10
Mit Bescheid vom 11. November 1993 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil die
deutsche Volkszugehörigkeit des Klägers und seiner Eltern nicht habe nachgewiesen
11
werden können.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 3. Dezember 1993 Widerspruch, zu
dessen Begründung er vortrug: Die Angabe der jüdischen Nationalität in den Papieren
seiner Eltern beziehe sich nur auf die Religion, nicht auf die Volkszugehörigkeit. Sein
Name weise eindeutig auf seine Herkunft hin. Trotz widrigster Umstände sei sein
Bekenntnis zum deutschen Volkstum und zum deutschen Kulturkreis nie unterbrochen
worden. Sicherstes Indiz hierfür sei, daß er die deutsche Sprache fließend beherrsche.
In D. hätten sich die Menschen jüdischen Glaubens immer am deutschen Kulturkreis
orientiert.
12
Unter dem 1. Juli 1994 gab Frau K. L1. , geboren 1922 im Czernowitzer Gebiet an: Sie
habe die Eltern des Klägers als deutsche Volkszugehörige kennengelernt. In der
Familie sei ausschließlich deutsch gesprochen worden.
13
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 1994 wies der Oberkreisdirektor des
Kreises O1. den Widerspruch zurück.
14
Am 30. September 1994 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen: Der Name
seines Vaters, L. O. , sei ein gewichtiges Indiz für dessen deutsche Volkszugehörigkeit.
Die Religion könne nicht mit der Volkszugehörigkeit gleichgesetzt werden. Sein Vater
habe wohl den mosaischen Glauben angenommen, dadurch aber die deutsche
Volkszugehörigkeit nicht verloren. Das Vorhandensein der deutschen Sprache und
Kultur bei seinen Vorfahren und bei ihm sowie bei seiner Tochter könne nicht bestritten
werden. Die mosaische Religion habe er auf Anraten einer befreundeten Lehrerin
angegeben; er selbst habe diesen Begriff nicht gekannt. Seine Mutter habe praktisch nur
deutsch sprechen können. Dies habe in der Nachkriegszeit zu großen Problemen
geführt. Sie sei immer deutsche Volkszugehörige gewesen. Er selbst habe zunächst
Deutsch gelernt.
15
Frau L1. hat unter dem 28. Oktober 1995 und dem 21. November 1995 weitere
Erklärungen abgegeben, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Gerichtsakte Bl. 49 ff.
und 73 ff.).
16
Der Kläger hat beantragt,
17
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 1993 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises O1. vom 7. September
1994 zu verpflichten, ihm einen Vertriebenenausweis B auszustellen.
18
Der Beklagte hat beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
20
Er hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und die Auffassung vertreten, daß sich
auch aus der Aussage der Zeugin L1. die deutsche Volkszugehörigkeit der Eltern des
Klägers nicht herleiten lasse.
21
Das Verwaltungsgericht hat Beweis darüber erhoben, ob und gegebenenfalls auf
welche Weise sich die Eltern des Klägers zum deutschen Volkstum bekannt haben,
durch Vernehmung der Zeugin L1. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
22
auf die Niederschrift des Beweistermins vom 5. Dezember 1995 Bezug genommen
(Gerichtsakte Bl. 77 ff.).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 24. Januar 1996 abgewiesen.
Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
23
Gegen das am 7. Februar 1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Februar 1996
Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Seine Eltern hätten sich zum
deutschen Volkstum bekannt. Sie seien nicht religiös eingestellt gewesen. Nicht alle
Menschen jüdischen Glaubens im südosteuropäischen Raum seien auch jüdischer
Herkunft gewesen. In D. habe es durchaus fließende Übergänge auf diesem Gebiet
gegeben. Über das Verhalten seiner Eltern bei Volkszählungen könne er keine
Angaben machen. Ein Bruder seines Vaters sei von der Sowjetadministration wegen
seines Deutschtums im Jahre 1940 verschleppt worden. Sein Vater habe fast
ausschließlich die deutsche Sprache verwendet. Auch seine Mutter beherrsche die
deutsche Sprache perfekt. Der Name O. könne nur aus dem deutschen Volkstum
kommen. Es handele sich um einen echten deutschen Namen, der für Juden völlig
untypisch sei.
24
Der Kläger beantragt,
25
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem in erster Instanz gestellten Antrag zu
erkennen.
26
Der Beklagte beantragt,
27
die Berufung zurückzuweisen.
28
Er verteidigt das angefochtene Urteil und weist vor allem darauf hin, daß sich die
Eintragungen jüdischer Nationalität in den vorgelegten Urkunden nicht auf die Religion,
sondern auf die jüdische Nationalität bezögen. Der Gebrauch der deutschen Sprache
durch die Eltern reiche im vorliegenden Fall nicht aus.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (ein Heft) und des
Oberkreisdirektors des Kreises O1. (ein Heft) Bezug genommen.
30
Entscheidungsgründe:
31
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines
Vertriebenenausweises.
32
Nach § 100 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und
Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) in der seit dem 1. Januar 1993
geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl. I S. 829) iVm § 15
Abs. 1 und 2 BVFG in der vor dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung (im folgenden
a.F.) setzt die Ausstellung eines Vertriebenenausweises die Vertriebeneneigenschaft
des Antragstellers voraus. Der Kläger ist jedoch kein Vertriebener, weil er nicht die
Voraussetzungen des für ihn allein in Betracht kommenden § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG a.F.
erfüllt. Nach dieser Vorschrift wäre er nur dann Vertriebener, wenn er - neben weiteren
33
Voraussetzungen - im Mai 1990 die ehemalige Sowjetunion als deutscher
Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger verlassen hätte. Die Vorschrift
findet auf nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen geborene
Personen (Spätgeborene) wie den 1944 geborenen Kläger entsprechende Anwendung.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 1976 - 8 C 92.75 -, BVerwGE 51, 298; BVerwG,
Urteil vom 19. April 1994 - 9 C 20.93 -, BVerwGE 95, 311 = DVBl. 1994, 935.
34
Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger die ehemalige Sowjetunion als deutscher
Staatsangehöriger verlassen hat. Er hat die ehemalige Sowjetunion auch nicht als
deutscher Volkszugehöriger verlassen. Nach § 6 BVFG a.F. ist deutscher
Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat,
sofern dieses Bekenntnis durch bestätigende Merkmale, wie Abstammung, Sprache,
Erziehung, Kultur bestätigt wird. Da der Kläger als Spätgeborener zum Zeitpunkt des
Beginns der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen noch nicht geboren war, ist er nur
dann deutscher Volkszugehöriger, wenn die Eltern, ein Elternteil oder eine sonstige
Bezugsperson deutsche Volkszugehörige gewesen sind und ihm bis zum Eintritt seiner
Selbständigkeit ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum, d.h. das Bewußtsein,
Angehöriger des deutschen Volks zu sein und keinem anderen Volk zuzugehören,
prägend im Sinne eines durch Weitergabe hergestellten Bekenntniszusammenhangs
übermittelt worden ist.
35
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990 - 9 C 51.89 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 64;
BVerwG, Urteil vom 3. November 1998 - 9 C 4.97 -.
36
Der Senat kann nicht feststellen, daß der Kläger von deutschen Volkszugehörigen
abstammt. Maßgebend im vorliegenden Fall ist allein die Volkszugehörigkeit und damit
das Bekenntnis der Mutter des Klägers, weil nur sie dem Kläger bis zum Eintritt seiner
Selbständigkeit das Bewußtsein, dem deutschen Volk zuzugehören, prägend im Sinne
eines durch Weitergabe hergestellten Bekenntniszusammenhangs vermittelt haben
kann. Sein Vater ist seit 1945 verschollen, so daß der Kläger ihn nicht mehr
kennengelernt hat. Weitere Bezugspersonen sind nicht ersichtlich. Da die Mutter des
Klägers mosaischen Glaubens war, liegt der maßgebliche Zeitpunkt für die Abgabe
eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum kurz vor der nationalsozialistischen
Machtergreifung (30. Januar 1933). Es ist unschädlich, wenn sie sich danach nicht mehr
zum deutschen Volkstum sondern zu einem anderen Volkstum bekannt hat. Hat sie sich
danach gleichwohl zum deutschen Volkstum bekannt, wird ihr dies zugerechnet.
37
Vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 22.90 -, BVerwGE 88,
312, 318 f. mit weiteren Nachweisen.
38
Der Kläger hat nicht nachweisen können, daß sich seine Mutter kurz vor dem 30. Januar
1933 oder jedenfalls bis zum Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen in der
Nordbukowina mit Einmarsch der Roten Armee im Jahre 1944 zum deutschen Volkstum
bekannt hat. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum besteht in dem von einem
entsprechenden Bewußtsein getragenen, nach außen hin verbindlich geäußerten
Willen, selbst Angehöriger des deutschen Volkes als einer national geprägten
Kulturgemeinschaft zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören, sich dieser
Gemeinschaft also vor jeder anderen nationalen Kultur verbunden zu fühlen. Ein
Bekenntnis in diesem Sinne kann sich zum einen unmittelbar aus Tatsachen ergeben,
die ein ausdrückliches Bekenntnis oder ein Bekenntnis durch schlüssiges
39
Gesamtverhalten dokumentieren. Zum anderen kann ein Bekenntnis mittelbar aus
hinreichend vorhandenen Indizien, namentlich den in § 6 BVFG a.F. genannten
objektiven Bestätigungsmerkmalen, gefolgert werden.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1989 - 9 C 18.89 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr.
62; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1993 - 9 C 40.92 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 71.
40
Ein ausdrückliches Bekenntnis der Mutter des Klägers ist weder vorgetragen noch
ersichtlich. Über ihr Verhalten bei Volkszählungen konnte der Kläger keine Angaben
machen. In der am 27. Februar 1990 ausgestellten Geburtsurkunde des Klägers ist
seine Mutter mit jüdischer Nationalität geführt. Diese Angabe bezieht sich nicht auf die
Religion, sondern auf die Nationalität. Rückschlüsse auf die Zeit vor Beginn der
Vertreibungsmaßnahmen lassen sich aus dieser Urkunde nicht ziehen.
41
Den Akten ist auch nicht zu entnehmen, daß die Mutter des Klägers ein Bekenntnis
durch schlüssiges Gesamtverhalten abgelegt hat. Dazu müßte sie sich zum deutschen
und keinem anderen Volkstum zugehörend angesehen, sich in ihrer ganzen
Lebensführung entsprechend dieser Einstellung nach außen erkennbar verhalten haben
und dementsprechend im Vertreibungsgebiet von ihrer Umgebung als Volksdeutsche
angesehen worden sein.
42
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1989 - 9 C 18.89 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr.
62; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1993 - 9 C 40.92 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 71.
43
Das ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Aus den beiden zu den Akten gereichten
Äußerungen der Mutter des Klägers ergibt sich über ein Bekenntnis zum deutschen
Volkstum nichts. Hierbei fällt auf, daß sie in ihrer Erklärung vom 24. Juli 1993 auf die
Frage nach der deutschen Volkszugehörigkeit zwar ihren Ehemann "und die ganze
Familie", nicht aber sich selbst als Deutsche bezeichnet. Die angebliche Mitgliedschaft
in einem "deutschen Bukowiner Verein" ist nicht belegt. Vielmehr teilte die
Heimatauskunftsstelle Rumänien unter dem 28. Juni 1993 mit, die Eltern des Klägers
seien nicht Mitglied in deutschen Vereinen gewesen. Der Kläger, der diese Zeit nicht
selbst erlebt hat, kann insoweit nur Vermutungen anstellen. Der Senat sieht sich
insbesondere nicht in der Lage, aus dem Familiennamen Rückschlüsse auf die
Volkszugehörigkeit zu ziehen. Denn ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum konnte
jeder ablegen.
44
Vgl. ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1993 - 9 C 40.92 -, Buchholz 412.3 § 6
BVFG Nr. 71.
45
Daher kann selbst dann, wenn man der Auffassung des Klägers folgt, daß sein
Familienname - den seine Mutter erst mit ihrer Heirat angenommen hat - "aus dem
deutschen Volkstum komme", nicht unterstellt werden, daß seine Mutter sich auch
(noch) im maßgeblichen Zeitpunkt zum deutschen Volkstum bekannt hat. Auch den
Angaben der Zeugin L1. kann ein Bekenntnis der Mutter des Klägers zum deutschen
Volkstum nicht entnommen werden. Nach ihrer Aussage vor dem Verwaltungsgericht
will die Zeugin - zum Teil entgegen ihren vorherigen schriftlichen Äußerungen - den
Vater des Klägers nur "vom Hörensehen" gekannt und seine Mutter nur fünf- bis
sechsmal von Ferne bei Geburtstagen oder Hochzeiten gesehen haben. Zudem will sie
erst seit 1944 in D. gewohnt haben, so daß sie zur Volkszugehörigkeit der Mutter im
maßgeblichen Zeitpunkt nichts sagen konnte. Gegen ein Bekenntnis der Mutter des
46
Klägers durch schlüssiges Gesamtverhalten spricht insbesondere, daß weder die
Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen (Bukowina) e.V. noch die Heimatortskartei
oder die Heimatauskunftsstelle Auskünfte über die Familie des Klägers erteilen konnten
und daß die Familie weder an der Umsiedlung aufgrund der zwischenstaatlichen
Vereinbarungen mit der Sowjetunion (5. September 1940) und Rumänien (22. Oktober
1940) teilnahm noch nach Einmarsch der Roten Armee im Jahre 1944 deportiert wurde.
Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum kann auch nicht mittelbar aus Indizien,
insbesondere der Verwendung der deutschen Sprache gefolgert werden. Aus den vom
Beklagten eingeholten Auskünften der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen
(Bukowina) e.V., der Heimatortskartei und der Heimatauskunftsstelle geht hervor, daß
auch diejenigen Juden in der Bukowina, die sich zur jüdischen Nationalität bekannten,
vielfach dem deutschen Sprach- und Kulturkreis zuzurechnen waren. Dies erklärt sich
auch daraus, daß die Nordbukowina bis 1918 zu Österreich-Ungarn gehörte, so daß
Deutsch die Amts- und allgemeine Umgangssprache war. Daher hat die Mutter des
Klägers auch noch eine deutschsprachige Schule besucht. Die Verwendung der
deutschen Sprache ist in einem solchen Fall bekenntnisneutral.
47
Im Hinblick auf den Vortrag des Klägers bemerkt der Senat noch, daß sein Gefühl,
deutscher Volkszugehöriger zu sein, nicht ausreicht, um die gesetzlichen
Voraussetzungen für die deutsche Volkszugehörigkeit nach dem
Bundesvertriebenengesetz zu erfüllen.
48
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1
ZPO.
49
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
50