Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.03.1999

OVG NRW (antragsteller, ausbildung, aufnahme, schwester, vater, hinderungsgrund, zweifel, altersgrenze, antrag, beschwerde)

Oberverwaltungsgericht NRW, 16 B 352/99
Datum:
18.03.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 B 352/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 9 L 2168/98
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien
Zulassungsverfahrens.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die gesetzlichen
Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
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Der vom Antragsteller allein geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 146 Abs. 4 iVm
§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen
Beschlusses) greift nicht durch.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im
Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nur dann zu bejahen, wenn nicht nur einzelne
rechtliche oder tatsächliche Elemente der vom Gericht gegebenen Begründung,
sondern das im Tenor der angegriffenen Entscheidung zum Ausdruck gelangte
Ergebnis der Entscheidung (ernsthaft) in Frage gestellt ist. Zur Erfüllung des Merkmals
der ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO reicht eine nur geringe
Wahrscheinlichkeit ebenso wie die bloße Möglichkeit der Unrichtigkeit der
erstinstanzlichen Entscheidung schon vom Wortsinn her nicht aus. Daran gemessen löst
der Zulassungsvortrag hier keine ins Gewicht fallenden Bedenken aus.
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Der Kläger hat als entscheidungserhebliches Moment ausschließlich die Annahme des
Verwaltungsgerichts angegriffen, er habe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10
Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG nicht glaubhaft gemacht. Auch auf der Grundlage seines
Zulassungsvorbringens ist aber nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon
auszugehen, daß er im Sinne der genannten Vorschrift aus persönlichen oder familiären
Gründen gehindert war, den im Streit stehenden Ausbildungsabschnitt rechtzeitig zu
beginnen.
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Dabei kann der Senat offenlassen, inwieweit im einzelnen über die Betreuung von
Kindern bis zu 10 Jahren und eventuell auch von sonstigen hilfebedürftigen
Familienmitgliedern hinaus Unterhaltsverpflichtungen als so schwerwiegende
Hinderungsgründe anzuerkennen sind, daß sie eine Aufnahme der Ausbildung
unmöglich machen oder unzumutbar erscheinen lassen. Denn jedenfalls in der vom
Antragsteller dargelegten Konstellation läßt sich seinem Eintreten für Vater und
Schwester bei objektiver Betrachtungsweise nicht ein solches Maß an Verbindlichkeit
zumessen, daß es unter spezieller Berücksichtigung der ausbildungspolitischen
Zielsetzung der Altersgrenze geboten sein dürfte, diese Motive für die verzögerte
Aufnahme der Ausbildung als echten Hinderungsgrund anzuerkennen. Schon im Ansatz
ergibt sich aus den Schilderungen des Antragstellers nämlich weder für seinen Vater
noch für seine - im übrigen nach deutschem Recht auch nicht unterhaltsberechtigte (vgl.
§ 1601 BGB) - Schwester keine so zugespitzte Bedarfssituation, daß sie die
Zurückstellung der Ausbildungswünsche des Antragstellers gerechtfertigt hätte.
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Wenn der Vater in der Regel ca. zwei Wochen im Monat in einer Metzgerei gearbeitet
hat - also offenbar insoweit auch Sach- oder Geldleistungen bezogen wurden -, und er
den restlichen Teil des Monats Frontdienst in einem militärischen Verband leisten
mußte - er also normalerweise an der Truppenversorgung teilhatte -, mag seine
finanzielle Lage zwar angespannt gewesen sein, bieten sich hingegen keine
ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, sein notwendiger Lebensunterhalt sei
gefährdet gewesen.
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Ähnliches gilt für die Schwester des Antragstellers, die nach eigenen Angaben von den
vom Antragsteller zur Verfügung gestellten Mitteln nur ca. 100,- DM in Anspruch
genommen hat. War sie mithin in der Lage, den Aufwand ihres Lebens im übrigen selbst
- nämlich durch Gelegenheitsjobs - sicherzustellen, spricht vieles dafür, daß man dabei
die 100,- DM als Ausbildungsbedarf anläßlich des Besuchs der Politechnischen
Akademie - Höhere Touristische Schule - vernachlässigen kann. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr.
3 BAföG dient nicht dazu, auf Kosten der rechtzeitigen Aufnahme der Ausbildung des
Antragstellers bei der Finanzierung der Ausbildung eines Angehörigen mitzuhelfen.
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Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß der Antragsteller auch während einer
nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderte Ausbildung durch
gelegentliche Nebentätigkeit - wie das heutzutage unter Studenten nicht unüblich ist -
Einkommen im Rahmen des Freibetrages des § 23 Abs. 1 Satz 1c) BAföG (z.Z. 365 DM)
hätte erzielen können, mit dem er seine Schwester - wie geschehen - und seinen Vater
ebenfalls noch nennenswert hätte unterstützen können.
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Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C
22.93 -, FamRZ 1995, 703.
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Unabhängig von allen vorstehenden Überlegungen zum Vorliegen
anerkennungsfähiger Hinderungsgründe im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG
erscheint dem Senat vor dem Hintergrund der ausbildungspolitischen Zielsetzung der
Altersgrenze hier aber auch die Überlegung ausschlaggebend, daß der Antragsteller die
persönlichen Förderungsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG mit Blick auf die
erforderliche fünfjährige Erwerbstätigkeit frühestens ab März 1997 - also erst nach der
Vollendung des 30. Lebensjahres (23. August 1996) - erfüllt hat. Es liegt auf der Hand,
daß die Erfüllung der Fristen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG für sich genommen keine
Berücksichtigung nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG finden kann. Aus dem
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Zusammenspiel der beiden Vorschriften läßt sich die gesetzgeberische Absicht
ableiten, Ausländer, die nicht rechtzeitig die persönlichen Voraussetzungen des § 8
Abs. 2 Nr. 1 BAföG erfüllen, grundsätzlich nicht in den Genuß einer Förderung über die
Altersgrenze hinaus kommen zu lassen. Dann spricht - vorbehaltlich einer näheren
Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren - aber auch vieles dafür, daß sich an
diesem Ergebnis selbst dann nichts ändern soll, wenn der in der Nichterfüllung der
persönlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG liegende Hinderungsgrund
durch einen anderen Hinderungsgrund, wie ihn der Antragsteller hier geltend macht,
überholt wird. Hinderungsgründe nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG dürften mithin
höchstwahrscheinlich nur insoweit greifen, als der Auszubildende - anders als hier - die
Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG noch vor Vollendung des 30.
Lebensjahres in einer die rechtzeitige Aufnahme der förderungsfähigen Ausbildung
ermöglichenden Weise erfüllt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
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Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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