Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.11.2010

OVG NRW (gkg, trennung der verfahren, trennung, streitwert, gebühr, nachforderung, beschwerde, prozess, 1995, ermessen)

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 E 1187/10
Datum:
25.11.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 E 1187/10
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten des gebührenfreien Verfahrens werden nicht erstattet.
Der Senat entscheidet gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 2. Halbs. GKG durch den Bericht-
erstatter als Einzelrichter, da die angefochtene Entscheidung durch den Einzelrichter
erlassen wurde.
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Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde gegen die Entscheidung
über die Erinnerung ist unbegründet. Auf der Grundlage des nach Nr. 1 des
Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6. September 2010 gemäß § 3 Abs. 1 GKG
maßgeblichen Streitwerts von 153.594,00 Euro sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3
Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5111 Nr. 3 der Anlage 1 zum GKG Gerichtsgebühren in Höhe
von 1.156,00 Euro anzusetzen; auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen
Beschluss (Bl. 3 der Beschlussausfertigung) wird Bezug genommen.
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Der Senat teilt den in der Beschwerde vorgetragenen Ansatz nicht, wonach die nach
Eingang der Klage und damit nach Eintritt der Fälligkeit der Verfahrensgebühr erfolgte
Trennung des Verfahrens mangels einer entsprechenden den Prozess einleitenden
Parteihandlung der Klägerin auch keine (weitere) Verfahrensgebühr nach § 6 Abs. 1 Nr.
4 GKG auslöse. Die Verfahrensgebühr entsteht nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG in
Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit u. a. mit der
Einreichung der Klageschrift. Die Klägerin hat vorliegend am 29. Mai 2006 Klage gegen
den Vorauszahlungsbescheid vom 24. Juni 2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 25. April 2006 – betreffend die Vorauszahlung eines
Wasser-entnahmeentgelts in Bezug auf alle im Bescheid bezeichneten
Wassergewinnungsanlagen – erhoben. Dies ist die den Prozess einleitende
Verfahrenshandlung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG, wodurch die Verfahrensgebühr
entsteht. Bei Prozesstrennung fällt unter Anrechnung des Teils der Verfahrensgebühr,
der vor der Trennung insoweit entstanden war, in jedem der neuen Verfahren die
Gebühr erneut an.
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Vgl. FG Düsseldorf, Beschluss vom 26. November 1996 – 6 Ko 45/96 GK -,
StB 1997, 279; OLG Nürnberg, Beschluss vom 19. November 2004 – 13 W
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3195/04 -, juris; KG Berlin, Beschluss vom 10. Mai 2010 – 1 W 443/09 -,
juris, m. w. N.; Oestreich/Hellstab/Trenkle, Kommentar zum GKG, Stand
Dezember 2008, Nrn. 5110, 5111 Rn. 10; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, § 93 Rn. 26.
Diese Situation ist nicht mit derjenigen vergleichbar, wonach ein Rechtsanwalt eine
Gebühr ausgehend von einem höheren Streitwert nur dann verlangen kann, wenn er
nach der Trennung den Gebührentatbestand erneut durch eine Tätigkeit erfüllt.
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Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 1999 – 10a D 7/99.NE
-, juris.
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Die Höhe der Gebühr richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 GKG nach dem Streitwert, soweit –
wie hier – nichts anderes bestimmt ist. Verändert sich der Streitwert, solange nicht eine
gerichtliche Entscheidung über den Kostenansatz getroffen worden ist, kann der
Kostenansatz nach § 19 Abs. 5 Satz 1 GKG berichtigt werden. Selbst wenn die Klägerin
hierin im Ergebnis eine Nachforderung erblicken mag, da die Berichtigung in der
Summe der Gebühren für die abgetrennten Verfahren deutlich über den Kostenansatz
für das ursprüngliche Verfahren hinausgeht, liegen die rechtlichen Voraussetzungen für
eine solche Nachforderung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 GKG jedenfalls vor. Der
ursprüngliche Kostenansatz war unrichtig, da nach der Trennung der Verfahren jeweils
eigenständige Streitwerte festgesetzt worden sind. Die Frist für die Nachforderung war
gewahrt, da eine den Rechtszug abschließende Kostenrechnung nicht vorlag.
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Die von Amts wegen zu beachtenden Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG –
Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung – liegen nicht vor. Es
kann offen bleiben, ob für die Annahme der Unrichtigkeit ein offensichtlicher schwerer
Fehler vorliegen muss oder ob bereits ein leichterer Verfahrensfehler ausreicht.
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Vgl. zum Streitstand Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, § 21 GKG
Rn. 8 ff.
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Das Verwaltungsgericht hat mit der Trennung des Verfahrens keinen Verfahrensfehler
begangen, die Sache mithin nicht unrichtig behandelt. Die Trennung steht gemäß § 93
Satz 2 VwGO im Ermessen des Gerichts. Ziel der Verfahrenstrennung ist es, den
Prozessstoff zu ordnen und übersichtlicher zu gestalten.
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Vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1995 – I ZR 20/93 -, NJW 1995, 3120;
vergleichbar zum Ermessen bei Verbindung BVerwG, Urteil vom 7. Februar
1975 – 7 C 68.72 -, BVerwGE 48, 1.
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Eine Trennung darf mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht willkürlich sein. Das Gericht
braucht jedoch nicht bereits mit Blick auf ein erhöhtes Kostenrisiko – das sich vorliegend
realisiert hat – von einer Trennung absehen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 1999 – 10a D 7/99.NE -, a. a.
O.; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 20. März
2003 – 109/02 -, NVwZ-RR 2003, 468; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl.
2009, § 93 Rn. 3.
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Für die Vertretbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Trennungsentscheidung gibt es nach
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den Umständen des Falls ausreichende Anhaltspunkte.
Vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1996 – 2 BvR
65/95 u. a. -, NJW 1997, 649.
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Mit dem angefochtenen Bescheid wurden Vorauszahlungen auf
Wasserentnahmeentgelte festgesetzt, denen Wasserentnahmen an sechs
unterschiedlichen Wassergewinnungsanlagen zugrunde lagen. Die tatsächlichen und
rechtlichen Gegebenheiten an den einzelnen Standorten der
Wassergewinnungsanlagen sind unterschiedlich, wie sich in aller Deutlichkeit aus den
Ausführungen der Klägerin im Klageschriftsatz vom 29. Mai 2006 ergibt. Die Klägerin
führt dort auf S. 2 bis S. 8 aus, wie sich der Vorgang der Kieswäsche in den einzelnen
Betriebsstellen (= Wassergewinnungsanlagen) darstellt. Sowohl die
Produktionsvorgänge als auch die wasserrechtliche Bescheidlage als auch die
Belegenheiten der zur Wasserentnahme genutzten Flächen unterscheiden sich
teilweise deutlich, teilweise im Detail. In rechtlicher Hinsicht beruft sich die Klägerin auf
den Entgeltfreiheitstatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 2 WasEG i. V. m. § 24 Abs. 1 WHG a.
F. (Gemeingebrauch); dem schließt sich wiederum eine dezidierte, an die
Besonderheiten der jeweiligen Wassergewinnungsanlage anknüpfende rechtliche
Bewertung der einzelnen Entnahmevorgänge an (S. 10 und 11 sowie 13 bis 15). Der
Klageschrift sind 16 Anlagen zu wasserrechtlichen Erlaubnissen, Grundbuchauszügen
und Überlassungsverträgen mit einem Umfang von 133 Seiten angefügt. Auch die
Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21. September 2006 darauf hingewiesen, dass
hinsichtlich der Frage des Eigentümergebrauchs zwischen den einzelnen Kieswerken
zu unterscheiden sei. In Anbetracht dieser prozessualen Ausgangssituation liegt der
Zweck der mit Beschluss vom 11. Januar 2008 durchgeführten Verfahrenstrennung, den
Prozessstoff zu ordnen und übersichtlicher zu gestalten, auf der Hand.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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