Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.09.2010

OVG NRW (plastische chirurgie, werbung, facharzt, arzt, bezeichnung, verhältnis zu, chirurgie, irreführung, www, gefahr)

Oberverwaltungsgericht NRW, 6t E 963/08.T
Datum:
29.09.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat Landesberufsgericht für Heilberufe
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6t E 963/08.T
Leitsätze:
Zur berufsrechtlichen Beurteilung einer Telefonbuch- und
Internetwerbung eines HNO-Arztes ("Der Nasenchirurg", "Privatpraxis
für funktionelle und ästhetische Nasenchirurgie").
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem
Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen werden der
Staatskasse auferlegt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der am 20. April 1962 geborene Beschuldigte legte das medizinische Staatsexamen am
27. November 1989 ab und erhielt mit Wirkung vom 12. Juni 1991 die Approbation als
Arzt. Seit dem 13. September 1997 besitzt er die Anerkennung als Facharzt für Hals-,
Nasen-, Ohrenheilkunde. Seit dem 15. August 2002 ist er in Münster in eigener Praxis
privatärztlich tätig.
3
Mit Schreiben vom 29. November 2005 wandte sich der Bezirksvorsitzende des
Deutschen Berufsverbands der Hals-, Nasen-, Ohrenärzte e. V., Bezirksgruppe Münster,
an die Antragstellerin und bat um Überprüfung der Zulässigkeit von Eintragungen des
Beschuldigten in den Ärztetafeln der Telefonbücher "Das Örtliche" und "Gelbe Seiten"
(Ausgaben 2005/2006). S. 11 der Ärztetafel im Telefonbuch "Das Örtliche" (Ausgabe
2005/2006) war wie folgt gestaltet:
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DER NASENCHIRURG - Privatpraxis für funktionelle und ästhetische Nasenchirurgie
5
V. N. digitalisierte Ergebnisvorschau –
6
Tamponadefreie, minimal invasive Operationen
7
Die Anzeige des Beschuldigten befand sich nochmals auf Seite 16 der Ärztetafel des
"Örtlichen" und wegen der dreispaltigen Anzeigengestaltung wiederum unter mehreren
Rubriken (Orthopädie, Pathologie, Phoniatrie und Pädaudiologie, Physikalische und
Rehabilitative Medizin und Plastische Chirurgie).
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Der Eintrag des Beschuldigten auf Seite 30 der "Gelbe Seiten regional" (Ausgabe
2005/2006) war wie folgt gestaltet:
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DER NASENCHIRURG
10
Privatpraxis für funktionelle
11
und ästhetische Nasenchirurgie
12
V. N.
13
Im Rahmen einer internen Stellungnahme vom 14. Dezember 2005 an den
Vorsitzenden des Verwaltungsbezirks Münster der Antragstellerin qualifizierte der
Justiziar der Antragstellerin die Anzeigen als berufsrechtlich unzulässig. Als HNO-Arzt
sei es dem Beschuldigten nicht gestattet, unter der Rubrik "Plastische Chirurgie"
aufgeführt zu sein. Im Übrigen fehle bei allen Anzeigen die Facharztbezeichnung des
Beschuldigten. Auch dürfe er sich nicht "Nasenchirurg" nennen und seine Praxis als
"Privatpraxis für funktionelle und ästhetische Nasenchirurgie" bezeichnen. Da der
Beschuldigte auch nicht über eine Zusatz-Weiterbildung "Plastische Operationen"
verfüge, müsse er sich bei einem Hinweis auf seine operative Tätigkeit auf den Zusatz
"Ambulante Operationen" beschränken. Aus diesem Grunde sei auch der teilweise zu
lesende Zusatz "tamponadefreie, minimalinvasive Operationen" berufsrechtlich nicht
zulässig.
14
Mit Schreiben vom 25. Februar 2006 teilte der Beschuldigte in Reaktion auf die ihm
übersandte Stellungnahme mit, dass die Veröffentlichung seiner Anzeige unter der
Rubrik "Plastische Chirurgie" ein Versehen der Verlagsgesellschaft gewesen sei. Als
Nachweis verwies der Beschuldigte auf ein Schreiben der Schlüter´schen
Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG vom 16. November 2005, in der diese den
versehentlichen Druck unter der Rubrik "Ärzte: Plastische Chirurgie" bestätigte. Im
Übrigen machte der Beschuldigte geltend, dass er sich im Rahmen seiner
Telefonbucheinträge zwar habe juristisch beraten lassen, er jedoch aufgrund der
Hinweise der Antragstellerin seine Einträge in Zukunft selbstverständlich abändern
werde.
15
Mit Schreiben vom 20. November 2006 wandte sich der Bezirksvorsitzende des
Deutschen Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte e. V. erneut an die
Antragstellerin und wies – inhaltlich zutreffend – darauf hin, dass der Beschuldigte auch
in der neuen Ausgabe der "Gelben Seiten" für das Jahr 2006/2007 und der neuen
Ausgabe des Telefonbuchs "Das Örtliche" für das Jahr 2006/2007 die bereits zuvor
beanstandeten Telefonbucheinträge vorgenommen habe.
16
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 wurde der Beschuldigte um Stellungnahme
gebeten, warum er trotz ausdrücklicher Zusagen mit Schreiben vom 25. Februar 2006
17
die berufsrechtlich unzulässigen Telefonbucheinträge in den Telefonbüchern "Das
Örtliche 2006/2007" und "Gelbe Seiten regional 2006/2007" wiederholt habe und auch
seine Internetseite unverändert den ebenfalls nicht zulässigen Domain-Namen
www.der-nasenchirurg.de aufweise.
Der Beschuldigte nahm mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Dezember 2006 Stellung
und verwies darauf, dass die angesprochenen Einträge in den Telefonbüchern keine
berufsrechtlich unzulässige Werbung darstellten. Es handele sich nicht um eine
vergleichende, irreführende oder anpreisende Werbung im Sinne des § 27 Abs. 3 der
Berufsordnung (BO) der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Auch der Schutzzweck des
ärztlichen Werbeverbotes werde durch die Telefonbucheinträge nicht tangiert, da es
sich um eine interessengerechte und sachangemessene Information über das spezielle
Leistungsangebot handele. Zur Begründung verwies er auf ein Urteil des
Landesberufsgerichts für Heilberufe beim OVG Nordrhein-Westfalen vom 22. Juni 2005
(NJW 2006, 857), nach dem die Formulierung "chirurgisch" bei medizinischen Laien
nicht den Eindruck erwecke, dass der werbende Arzt "Facharzt für Chirurgie" sei.
18
Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 12. Februar 2007 mit, dass sie an ihrer
Rechtsansicht festhalte. Sie machte dem Beschuldigten einen Formulierungsvorschlag,
wie er unter Beachtung des § 27 Abs. 4 BO bis zu drei Tätigkeitsschwerpunkte
ankündigen könne. Ergänzend wies die Antragstellerin darauf hin, dass der
Beschuldigte bei einer Neugestaltung seiner Telefonbucheinträge auch darauf zu
achten habe, darin als "Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde" genannt und
bezeichnet zu werden.
19
Der Bevollmächtigte des Beschuldigten teilte mit Schreiben vom 27. Februar 2007 mit,
dass dieser an seiner Rechtsauffassung festhalte und im Übrigen der Ansicht sei, dass
wegen der Rubrikbezeichnung "Hals-Nasen-Ohrenheilkunde" eine zusätzliche
Bezeichnung als "Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde" nicht erforderlich sei.
20
Die Antragstellerin hat mit Antragsschrift vom 29. August 2007 auf den Beschluss ihres
Vorstands vom 15. August 2007 die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens
beantragt. Sie hat dem Beschuldigten als Berufsvergehen zur Last gelegt, seine
Berufspflichten verletzt zu haben, berufswidrige Werbung zu unterlassen, indem er
21
im Jahr 2005 in den Ausgaben 2005/2006 der Telefonbücher "Das Örtliche"
und "Gelbe Seiten" und im Jahre 2006 in den Telefonbüchern "Das Örtliche
2006/2007" und "Gelbe Seiten regional 2006/2007" Einträge mit in Teilen
berufswidriger Werbung veröffentlicht hat
22
und
23
indem er mindestens seit 2005 die berufsrechtswidrige Internetdomain
www.der-nasenchirurg.de verwendet.
24
Der Beschuldigte habe sich eines Berufsvergehens schuldig gemacht. Er habe durch
die durch ihn veranlassten, mit der Bezeichnung "Der Nasenchirurg. Privatpraxis für
funktionelle und ästhetische Nasenchirurgie" überschriebenen Anzeigen gegen § 27
Abs. 3 und 5 BO verstoßen. Die Grenze zur interessengerechten und
sachangemessenen Information der Öffentlichkeit und möglicher Patienten werde
dadurch überschritten, dass der Beschuldigte durch diese Bezeichnung eine solche
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gewählt habe, die mit den Vorgaben der Weiterbildungsordnung nicht zu vereinbaren
sei. Weder gebe es im ärztlichen Weiterbildungsrecht die Bezeichnung
"Nasenchirurgie" noch die vom Beschuldigen erweitert genutzte Begrifflichkeit der
"funktionell und ästhetischen Nasenchirurgie". Allein hierdurch sei die vom
Beschuldigten gewählte Bezeichnung irreführend i. S. d. § 27 Abs. 3 Satz 2 BO. Dieser
Eindruck werde noch dadurch verstärkt, dass der Beschuldigte gerade nicht die von ihm
erworbene Facharztbezeichnung führe. Darüber hinaus sei erschwerend zu
berücksichtigen, dass sich zumindest bei einem Teil der Anzeigen keine ausdrückliche
Zuordnung zu einer der in den einzelnen Spalten geführten Rubriken "Hals-Nasen-
Ohrenheilkunde, Hausärzte, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Homöopathie etc."
ermöglicht werde. Aus denselben Gründen sei auch die von den Beschuldigten in den
Anzeigen angegebene Internetdomain "www.der-nasenchirurg.de" wegen Verstoßes
gegen § 27 Abs. 3 BO berufsrechtlich unzulässig. Schließlich verstießen auch die in
den Anzeigen aufgeführten Hinweise zum Tätigkeitsspektrum "Digitalisierte
Ergebnisvorschau" und "tamponadefreie Operationen" gegen § 27 Abs. 5 BO. Der
Verstoß sei allein dadurch begründet, dass der Hinweis auf die vom Beschuldigten
durchgeführten besonderen Leistungen nicht mit dem nach § 27 Abs. 5 BO
obligatorischen Zusatz "Tätigkeitsschwerpunkte" gekennzeichnet seien. Da der
Beschuldigte darüber hinaus auch weiterhin nicht über eine Zusatzweiterbildung
"Plastische Operationen" verfüge, müsse er sich bei einem Hinweis auf seine operative
Tätigkeit auf den berufsrechtlich zulässigen Zusatz "ambulante Operationen"
beschränken.
Der Beschuldigte hat in seiner Stellungnahme vom 2. Oktober 2007 entgegnet, die
aktuellen Einträge in den Telefonbüchern "Das Örtliche 2006/2007" und "Gelbe Seiten
regional 2006/2007" verstießen nicht gegen § 27 BO.
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Mit Schreiben vom 15. Januar 2008 hat die Antragstellerin auf die Verfügung des
Berufsgerichts vom 11. Oktober 2007 klargestellt, dass eigenständiger Gegenstand des
berufsgerichtlichen Verfahrens nicht das Unterlassen, die Facharztbezeichnung im
Telefonbucheintrag anzuführen, sein solle. Dagegen solle jedoch auch die äußere
Gestaltung der Anzeigen, insbesondere die dreispaltige Breite sowie die Platzierung der
Anzeigen im Verhältnis zu den vom Verlag gestalteten Rubriken eigenständiger
Gegenstand des berufsgerichtlichen Verfahrens sein.
27
Der Beschuldigte hat mit Schriftsatz vom 18. April 2008 erwidert, dass auch durch die
Gestaltung der Anzeigen eine eindeutige Zuordnung zu einer Fachrichtung möglich sei.
Fehlvorstellungen etwaiger Patienten seien weder denkbar noch zu befürchten. § 27
Abs. 4 BO enthalte nicht die Pflicht zur Führung eines Facharzttitels.
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Das Berufsgericht hat mit Beschluss vom 4. Juni 2008 die Eröffnung des
berufsgerichtlichen Verfahrens abgelehnt, weil der hierfür erforderliche hinreichende
Tatverdacht einer schuldhaften Pflichtverletzung im großen Teil aus tatsächlichen
Gründen, aber auch aus Rechts-, insbesondere Verfassungsgründen nicht gegeben sei.
Die von der Antragstellerin in den Gründen der Antragsschrift angeführte Irreführung
eines aufmerksamen und verständigen Patienten sei nicht festzustellen.
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Es möge dahingestellt bleiben, ob die Annahme der Antragstellerin, der Beschuldigte
verursache im Patientenkreis einen Irrtum über seinen Fortbildungsstand, im
Patientenkreis allein deshalb nicht eintrete, weil der Beschuldigte keinen Doktortitel
führe. Entgegen der Annahme der Antragstellerin stellten die vom Beschuldigten
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verwendeten Begriffe nicht auf einen Fortbildungsstand ab, sondern beinhalteten als
solche interessengerechte und sachangemessene Hinweise auf das Leistungsangebot
des Beschuldigten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der
Wortsinn einzelner Passagen einer Werbung stets grundrechtsfreundlich im Kontext des
gesamten Inhalts auszulegen. Bei Anwendung dieser Vorgaben handele es sich um
Angaben, wonach der Beschuldigte auf einem Teilgebiet der Hals-, Nasen- und
Ohrenheilkunde tätig sei bzw. tätig sein wolle. Ein Arzt, der mit welchem das
erforderliche Mindestmaß überschreitenden Qualitätsstandard auch immer - auf einem
bestimmten Tätigkeitsfeld tätig sei bzw. sein wolle, habe aber ein berechtigtes Interesse,
den Patientenkreis darüber zu informieren. Auch die Patienten hätten ein legitimes
Interesse daran zu erfahren, welche Ärzte welche Leistungen anböten. Die Gefahr einer
Irreführung des Patientenkreises werde nicht dadurch bewirkt, dass das
Heilberufsgesetz und die Weiterbildungsordnung andere Begriffe verwendeten. Das
Führen von Bezeichnungen sei von Rechts wegen nicht auf die Regelungen der
Weiterbildungsordnung über Facharzt-, Schwerpunkt- und bestimmte
Zusatzbezeichnungen beschränkt. §§ 33, 35 HeilBerG und die Weiterbildungsordnung
stünden dem nicht entgegen. Dürfe der Beschuldigte auch andere Hinweise als solche
nach der Weiterbildungsordnung verwenden, sei eine Irreführung des Patientenkreises
nicht festzustellen. Der Beschuldigte beschreibe in der Sache lediglich sein
Leistungsangebot und nicht einen Fortbildungsstand; er führe nicht an, dass er
"Facharzt" oder auch nur "Spezialist" für Nasenchirurgie sei. Die Gefahr der
Verwechslung mit einem Facharzt für Nasenchirurgie bestehe von vornherein nicht,
wenn es einen solchen Facharzt nicht gebe. Die Formulierung "…chirurg" erwecke
überdies bei einem medizinischen Laien nicht die Vorstellung, der werbende Arzt sei
zugleich Facharzt für Chirurgie. Hiergegen spreche der übliche Sprachgebrauch, in dem
"chirurgisch" allgemein mit "operativen Eingriffen" gleichgesetzt werde. Der dem
Beschuldigten als Berufspflichtverletzung vorgehaltene Hinweis auf eine mögliche
"digitalisierte Ergebnisvorschau" und auf "tamponadefreie Operationen" beinhalte keine
Angaben zu einem Tätigkeitsschwerpunkt, sondern informiere den Patientenkreis
zulässigerweise über ärztliche Methoden. Die Aufmachung der Anzeigenwerbung
begründe ebenfalls keine Berufspflichtverletzung. Die Nutzung der Internetdomain -
www.der-nasenchirurg.de - selbst halte sich in den Grenzen einer erlaubten
Sympathiewerbung.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 11. Juli 2008 zugestellten Beschluss am
15. Juli 2008 sofortige Beschwerde eingelegt und diese unter dem 15. September 2008
begründet. Die Verwendung der Bezeichnung "Der Nasenchirurg" und die
Beschreibung der Arztpraxis als "Privatpraxis für funktionelle und ästhetische
Nasenchirurgie" verstoße gegen § 27 BO, da diese Werbeangaben aus der Sicht eines
durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers irreführend seien. Weder
die Bezeichnung "Nasenchirurg" noch die Bezeichnung "funktionelle und ästhetische
Nasenchirurgie" stellten Formulierungen dar, die in der Weiterbildungsordnung
enthalten seien. Hiermit werde nicht auf einen Fortbildungsstand des Beschuldigten
abgestellt, sondern verdeutlicht, dass die verwendeten Bezeichnungen dem
maßgeblichen Weiterbildungsrecht in dieser Form nicht bekannt seien. Dieser Gefahr
stehe auch nicht die von dem Berufsgericht entgegengehaltene Rechtsprechung des
Landesberufsgerichts für Heilberufe beim OVG NRW entgegen, nach der es dem
üblichen Sprachgebrauch entspreche, die Bezeichnung "chirurgisch" allgemein mit
"operativen Eingriffen" gleichzusetzen, da die Feststellung des Landesberufsgerichts
nur im Zusammenhang mit der im dortigen Streitfall von dem Beschuldigten in den
Anzeigen wiedergegebenen korrekten Angabe "Augenarzt Dr. med..., Facharzt für
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Augenheilkunde" erfolgt sei. Dies sei jedoch im Fall der hier streitigen Werbung gerade
nicht geschehen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte die ihm
verliehene Facharztbezeichnung offensichtlich bewusst nicht in die Werbeanzeige
aufgenommen habe. Dieser Hinweis sei von ihr, der Antragstellerin, im Übrigen nicht
deswegen angebracht worden, um dem Beschuldigten vorzuwerfen, dass er die
Facharztbezeichnung führen müsse, auch wenn sich eine entsprechende Verpflichtung
des Beschuldigten aus Sicht der Antragstellerin wegen des Wortlauts des § 17 Abs. 4
BO "haben... zu führen" ergebe, sondern ausschließlich aus dem Grund, dass die
Vermeidung der Facharztbezeichnung und die stattdessen vorgenommenen
Bezeichnungen bei einem verständigen und durchschnittlich informierten Patienten im
Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung der Werbung gerade den Eindruck
verstärkten, dass es sich nicht nur um einen Tätigkeitsbereich des ansonsten im
gesamten Gebiet der "Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde" tätigen Arztes handele,
sondern vielmehr um eine mit einer "chirurgischen" Facharztbezeichnung vergleichbare
Qualifikation, die es gerade nicht gebe.
Zwar sei dem Beschuldigten die Verwendung von den in der Weiterbildungsordnung
nicht aufgeführten Bezeichnungen nicht grundsätzlich verboten. Diese Ansicht
entspreche auch nicht der Systematik des § 27 BO, der insbesondere durch die
Regelung des Absatzes 5 die Möglichkeit vorsehe, auf besondere
Tätigkeitsschwerpunkte gesondert zu verweisen, deren Bezeichnungen nicht zwingend
auch unmittelbare Verwendung in den Vorschriften der Weiterbildungsordnung
gefunden haben müssten. Sofern diese Bezeichnungen jedoch unter Berücksichtigung
der vorhandenen Facharztbezeichnungen und den damit zusammenhängenden
Regelungen der Weiterbildungsordnung die Gefahr einer Irreführung der betroffenen
Patienten in sich berge, sei die Grenze zur zulässigen sachlichen Informationen der
Patienten überschritten.
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Aus dem Vorstehenden folge, dass auch die von dem Beschuldigten in den Anzeigen
angegebene Internet-Domain "www.der-nasenchirurg.de" wegen der beschriebenen
Gefahr der Irreführung gegen § 27 Abs. 3 BO verstoße und es sich nicht um eine
zulässige Sympathiewerbung handele.
33
Schließlich verstießen insbesondere auch die in den Anzeigen aufgeführten Hinweise
zum Tätigkeitsspektrum "funktionelle und ästhetische Nasenchirurgie" gegen die
Regelung des § 27 Abs. 5 BO. Der Verstoß sei bereits allein dadurch begründet, dass
der Hinweis auf diese vom Beschuldigten durchgeführten "besonderen Leistungen"
nicht mit dem nach § 27 Abs. 5 BO obligatorischen Zusatz "Tätigkeitsschwerpunkte"
gekennzeichnet seien.
34
Die Antragstellerin hat keinen Antrag gestellt.
35
Der Beschuldigte beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses,
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die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
37
Das ihm zur Last gelegte Verhalten stelle keine berufsrechtlich unzulässige Werbung
nach § 27 BO dar.
38
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
39
II.
40
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
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Die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens ist aus den im angegriffenen
Beschluss angeführten rechtlichen Erwägungen abzulehnen; der Beschuldigte ist durch
das ihm zur Last gelegte Verhalten keiner Berufspflichtverletzung gemäß § 29 Abs. 1
des Heilberufsgesetzes vom 9. Mai 2000 (GVBl.NW.2000, S. 403) HeilBerG in
Verbindung mit §§ 2 Abs. 2, 27 Abs. 3 Berufsordnung (BO) der Ärztekammer Westfalen-
Lippe vom 27. November 2004 hinreichend verdächtig.
42
Nach § 27 Abs. 3 Satz 1 BO ist Ärzten berufswidrige Werbung untersagt. Die Vorschrift
selbst ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; sie entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Bedeutung und Reichweite von Art.
12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit).
43
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 1 BvR 191/05 -, NJW 2006, 282.
44
Den vorliegenden Fall erfasst sie nicht; eine gegenteilige Annahme würde im Ergebnis
zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit des
Beschuldigten führen. Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung
dienen; es soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus
Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt oder Behandlungen vorsieht. Die
ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an
medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt damit einer
gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes vor. Dem Arzt
ist allerdings nicht jede, sondern lediglich solche Werbung verboten, die keine
interessengerechte und sachangemessene Information darstellt. Dem Arzt ist neben der
auf seiner Leistung und seinem Ruf beruhenden Werbewirkung eine Reihe von
Ankündigungen mit werbendem Charakter unbenommen: Er darf rechtmäßig erworbene
Titel führen, seine Tätigkeit z.B. durch ein Praxisschild nach außen kundtun und auch
durch Zeitungsanzeigen werben, sofern diese nicht nach Form, Inhalt oder Häufigkeit
übertrieben wirken.
45
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28. Juli 2004 - 1 BvR 159/04 -, NJW 2004,
2656, vom 29. April 2004 – 1 BvR 649/04 -, NJW 2004, 2659; BVerwG,
Urteil vom 24. September 2009 – 3 C 4.09 -, NJW 2010, 547; OVG NRW,
Beschluss vom 2. Januar 2009 – 13 A 3618/06 -, ZMGR 2009, 81;
Landesberufsgericht für Heilberufe bei dem OVG NRW, Urteil vom 25. April
2007 – 6t A 1014/05.T -, NJW 2007, 3144, Beschluss vom 3. September
2008 – 6t E 429/08.T -, GesR 2009, 49.
46
Ob eine Werbung irreführend ist, ist aus der Sicht der durch sie angesprochenen
Verkehrskreise und eines durchschnittlich informierten und verständigen
Verbrauchers/Patienten zu bewerten.
47
Hinweise auf das Leistungsangebot eines Arztes, wie sie der Beschuldigte vorliegend
durch die Einträge in die Branchenbücher und das Internet unternommen hat, gehören
zur beruflichen Außendarstellung und unterfallen dem Begriff der Werbung. Im
vorliegenden Fall sind keine Gemeinwohlbelange ersichtlich, die ein Verbot der
48
Selbstbezeichnung als "Nasenchirurg" und der Beschreibung der Arztpraxis als
"Privatpraxis für funktionelle und ästhetische Nasenchirurgie" sowie des Führens der
Internet-Domain "www.der-nasenchirurg.de" zu rechtfertigen vermögen. Auch die in den
Branchenbüchern gewählte Aufmachung der Werbung und die übrigen von der
Antragstellerin angeführten Einzelumstände beeinträchtigen keine Gemeinwohlbelange.
Weder ist ersichtlich, dass die Werbemaßnahmen des Beschuldigten zur Irreführung
von Patienten beitragen, noch lässt sich ihnen vorhalten, dass sie nicht wenigstens für
diejenigen Patienten, die einer operativen Behandlung ihrer Nase bedürfen oder eine
solche wünschen, sachgerechte Informationen enthalten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Wortsinn einzelner
Passagen einer Werbung stets grundrechtsfreundlich im Kontext des gesamten Inhalts
auszulegen. Gemessen daran ist gegen die Werbung des Beschuldigten nichts
einzuwenden. Im Vordergrund der Einträge im Branchenbuch steht die Information
potentieller Patienten über die Behandlungs- und Operationsmethoden des
Beschuldigten, die angesichts der Eigenart dieser Werbemaßnahme nur kurz und
stichwortartig ausfallen kann. In diesem Rahmen weist der Beschuldigte darauf hin,
dass er funktionelle und ästhetische Nasenchirurgie betreibt, eine digitalisierte
Ergebnisvorschau anbietet und tamponadefreie, minimal invasive Operationen
vornimmt. Diese Passagen vermitteln daher – wenn auch in aller Kürze und
schlagwortartig – Informationen über Inhalt, Bedeutung und Möglichkeiten der
praktizierten Behandlung. Sie entsprechen damit einem legitimen sachlichen
Informationsbedürfnis von Patienten.
49
Mit welchen vernünftigen Gemeinwohlbelangen sich das Verbot dieser Schilderungen
rechtfertigen ließe, ist nicht ersichtlich. Die Textpassagen leisten weder einer
unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes Vorschub noch beeinträchtigen sie
das Vertrauen der Bevölkerung in den ärztlichen Berufsstand. Dass die in der Werbung
vom Beschuldigten gewählten Bezeichnungen keine Formulierungen darstellen, die in
der Weiterbildungsordnung enthalten sind, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich;
eine Vertrauensbeeinträchtigung wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn der
Beschuldigte Begriffe aus der Weiterbildungsordnung verwendete, die er nach deren
Maßgabe nicht berechtigt verwenden dürfte.
50
Von einer in einem solchen Fall zu befürchtenden Verwechslungsgefahr kann hier
jedoch keine Rede sein. Dies gilt insbesondere für die Verwendung des Begriffs
"Nasenchirurg" bzw. "Nasenchirurgie". Entgegen der Auffassung der Antragstellerin
erwecken diese Formulierungen auch bei einem medizinischen Laien nicht die
Vorstellung, der werbende Arzt sei zugleich Facharzt für Chirurgie. Hiergegen spricht
bereits der übliche Sprachgebrauch, in dem "chirurgisch" allgemein mit "operativen
Eingriffen" gleichgesetzt wird.
51
Vgl. Landesberufsgericht für Heilberufe bei dem OVG NRW, Urteil vom 22.
Juni 2005 – 6t A 53/03.T -, MedR 2006, 482.
52
Eine solche Gleichsetzung ist auch nicht für den vorliegenden Fall anzunehmen, in dem
der Beschuldigte in der Werbung keine Facharztbezeichnung führt. Einen Unterschied
für die laienhafte Bewertung der Aussage, der Arzt sei "chirurgisch", sprich: operativ,
tätig, macht dies bei realistischer Betrachtung der Gesamtaussage der hier streitigen
Werbung nicht.
53
Der Umstand als solcher, dass der Beschuldigte in der Werbung nicht zugleich seine
Facharztbezeichnung führt, ist für sich betrachtet nicht berufswidrig. Zwar ist nach § 17
Abs. 4 Satz 2 BO die (Fach-)Arztbezeichnung auf dem Praxisschild kenntlich zu
machen. Dass sie auch in der Werbung verwendet werden müsste, lässt sich der
insoweit einschlägigen Vorschrift des § 27 BO nicht entnehmen. Insbesondere ist ein
solches Unterlassen nicht berufswidrig im Sinne des § 27 Abs. 3 BO; eine Irreführung
ließe sich allenfalls annehmen, wenn eine nicht bestehende Facharztqualifikation
suggeriert würde. Für den umgekehrten Fall, dass eine bestehende
Facharztbezeichnung nicht geführt wird, gilt dies nicht.
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Bezogen auf die konkrete Aufmachung der Anzeigenwerbung in den Branchenbüchern,
die nach Ansicht der Antragstellerin keine ausdrückliche Zuordnung zu einer der in den
einzelnen Spalten geführten Rubriken erlaube, folgt der Senat den auch insoweit
zutreffenden Ausführungen des Berufsgerichts (S. 6 f. des Beschlussabdrucks), denen
nichts hinzuzufügen ist.
55
Die Werbung ist auch nicht insoweit berufswidrig, als dem Beschuldigten in der
Antragsschrift vorgeworfen wird, die in den Anzeigen aufgeführten Hinweise zum
Tätigkeitsspektrum "digitalisierte Ergebnisvorschau" und "tamponadefreie Operationen"
verstießen gegen § 27 Abs. 5 BO. Diese Ausschnitte aus einem übergeordneten
Leistungsangebot, das für sich gesehen als Tätigkeitsschwerpunkt verstanden werden
mag, stellen nicht ihrerseits einen eigenständigen Tätigkeitsschwerpunkt im Sinne des §
27 Abs. 5 Satz 1 BO dar. Sie beleuchten vielmehr schlagwortartig und werbend
Durchführungsmodalitäten der ärztlichen Tätigkeit des Beschuldigten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 107 Abs. 1, 108 Abs. 3 Satz 1 HeilBerG.
57