Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.01.2001

OVG NRW: aufschüttung, angemessene frist, grundstück, vergleich, vollstreckung, zwangsgeld, androhung, ersatzvornahme, erfüllung, grenzabstand

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 E 547/99
Datum:
22.01.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 E 547/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 M 11/99
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Dem Vollstreckungsschuldner wird ein Zwangsgeld von 2.000,-- DM für
den Fall angedroht, dass er die Vollstreckung aus der der Beigeladenen
gegenüber ergangenen Ordnungsverfügung vom 20. Mai 1998 nicht bis
zum 20. Februar 2001 fortsetzt.
Der Vollstreckungsschuldner trägt die Kosten des Verfahrens;
außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Die zulässige Beschwerde ist begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat den Vollstreckungsantrag zu Unrecht abgelehnt abgelehnt,
weil der Vollstreckungsgläubiger der ihm im rechtskräftigen Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 1995 (4 K 2754/94) auferlegten Verpflichtung, wegen
der Aufschüttung auf dem Grundstück Gemarkung V. Flur 1 Flurstück 428 baufsichtlich
einzuschreiten, nicht hinreichend nachgekommen ist.
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Die Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners ist ausgesprochen worden, weil die
bestehende Aufschüttung zu Lasten der Vollstreckungsgläubiger als Nachbarn des
Flurstücks 428 gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsrechts (§ 6
BauO NRW) verstößt. Die zur Behebung dieses Nachbarrechtsverstoßes vom
Vollstreckungsschuldner erlassene Ordnungsverfügung vom 20. Mai 1998 ist zwar
geeignet, diesen Nachbarrechtsverstoß zu beheben. Der Vollstreckungsschuldner ist
jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, mit den Maßnahmen, die Gegenstand des im
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Verfahren 4 L 2229/98 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs waren, sei die
Ordnungsverfügung hinreichend befolgt und der Nachbarrechtsverstoß beseitigt
worden.
Die auf dem Grundstück der Beigeladenen vorgenommene Aufschüttung verstößt auch
in ihrer entsprechend dem gerichtlichen Vergleich modifizierten Form weiterhin zu
Lasten der Vollstreckungsgläubiger gegen § 6 BauO NRW, weil von ihr wegen ihrer
Höhe bis zu rd. 3 m iSv § 6 Abs. 10 Satz 1 BauO NRW Wirkungen wie von Gebäuden
ausgehen und sie daher nach § 6 Abs. 5 Satz 5 BauO NRW gegenüber dem Grundstück
der Antragsteller eine Abstandfläche von mindestens 3 m einhalten muss. Diese
Abstandfläche muss auf dem Grundstück der Beigeladenen selbst liegen (§ 6 Abs. 2
Satz 1 BauO NRW) und zwar vor der Böschung der Aufschüttung, die insoweit der
Außenwand eines Gebäudes gleichsteht. Diesen Grenzabstand, der in der
Ordnungsverfügung vom 20. Mai 1998 zu Recht gefordert wird, wahrt die Aufschüttung
nicht, weil ihr Böschungsfuß weiterhin nur rd. 0,50 m von der Grenze entfernt ist.
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Dem damit unverändert bestehenden Abstandverstoß kann entgegen der Auffassung
des Verwaltungsgerichts nicht entgegengehalten werden, die Aufschüttung sei
gleichsam in zwei gesonderte Bereiche aufzuteilen, nämlich in einen abstandrechtlich
irrelevanten Bereich, der bis zu 3 m von der Grenze entfernt sei und von dem wegen
seiner maximalen Höhe von 1 m keine Wirkungen wie von Gebäuden ausgingen, und
einen sich anschließenden abstandrechtlich relevanten höheren Bereich, der wegen
Einhaltung der Erfordernisse des § 6 Abs. 5 Sätze 1 und 5 BauO NRW (Abstand nicht
unter 0,8 H, mindestens jedoch 3 m) abstandrechtlich unbedenklich sei. Bereits in
seinem das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 1995 bestätigenden Urteil vom
15. August 1997 (7 A 3851/95) hat der Senat ausgeführt, dass die Aufschüttung als
selbstständige und einheitliche bauliche Anlage zu werten und in ihrer Gesamtheit zu
betrachten sei. Dementsprechend führt auch die nunmehr vorgenommene Schaffung
von Abstufungen in der Böschung nicht dazu, die Aufschüttung mit den hier in Rede
stehenden Dimensionen in mehrere Teilanlagen aufzuteilen, die einer
unterschiedlichen abstandrechtlichen Bewertung zugänglich sind.
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Ebenso für eine über 3 m hohe Terrassenanschüttung in hängigem Gelände: OVG
NRW, Urteil vom 10. November 2000 - 7 A 978/96 -.
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Ist durch die im gerichtlichen Vergleich vorgesehenen Maßnahmen der
Ordnungsverfügung vom 20. Mai 1998 nicht hinreichend Rechnung getragen und der zu
Lasten der Vollstreckungsgläubiger gehende Nachbarrechtsverstoß nicht behoben, ist
der Vollstreckungsschuldner nach dem rechtskräftigen Urteil verpflichtet, die
Vollstreckung aus der Ordnungsverfügung weiter zu betreiben. Dass er sich mit der
Beigeladenen vergleichsweise dahin geeinigt hat, die Ordnungsverfügung als erfüllt
anzusehen, steht dem nicht entgegen. Die Ordnungsverfügung vom 20. Mai 1998 ist -
anders als die Vollstreckungsverfügungen vom 18. August 1998 und vom 22. Oktober
1998 - nicht aufgehoben worden, sondern kann mit der fortbestehenden
Zwangsgeldandrohung weiterhin Grundlage der Verwaltungsvollstreckung sein. Der
Vollstreckungsschuldner ist zu einer Fortsetzung seines Einschreitens gegen die
Beigeladene den Vollstreckungsgläubigern gegenüber auch verpflichtet, denn diese
waren an dem Verfahren 4 L 2229/98 und dem dort geschlossenen Vergleich nicht
beteiligt und sind damit an die dort vorgenommenen Einschätzungen nicht gebunden.
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Dem Vollstreckungsschuldner war nach alledem gemäß § 172 Satz 1 VwGO ein
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Zwangsgeld für den Fall anzudrohen, dass er die Vollstreckung seiner
Ordnungsverfügung vom 20. Mai 1998 nicht in der vom Senat gesetzten Frist dadurch
fortsetzt, dass er der Beigeladenen eine neue angemessene Frist zur Erfüllung der
Ordnungsverfügung, soweit sie auf die Behebung des zu Lasten der
Vollstreckungsgläubiger gehenden Nachbarrechtsverstoßes abzielt, setzt und nach
deren erfolglosem Verstreichen weitere Vollstreckungsmaßnahmen - ggf. auch
Androhung und Durchführung der Ersatzvornahme - ergreift.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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