Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.09.1999

OVG NRW: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, behandlung, zahnarzt, verwaltungsakt, ersatzvornahme, geeignetheit, bestimmtheit, besucher, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 B 1683/99
Datum:
21.09.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 B 1683/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 L 2725/99
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des
Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 27. August 1999 wird zugelassen,
soweit sie die Nr. 1 b und 1 c der Aufsichtsanordnung des
Antragsgegners vom 11. August 1999 betrifft. Im übrigen wird der
Zulassungsantrag abgewiesen.
Der Beschluß des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird teilweise
geändert. Der Tenor wird wie folgt neu gefaßt:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 19.
August 1999 gegen die Aufsichtsanordnung des Antragsgegners vom
11. August 1999 wird bezüglich der Nr. 1 b und 1 c der
Aufsichtsanordnung wiederhergestellt. Im übrigen wird der Antrag
abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander
aufgehoben. Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Zulassungsverfahrens, soweit es erfolglos war. Der Antragsgegner trägt
die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das zweitinstanzliche Verfahren auf 10.000,-
- DM festgesetzt.
G r ü n d e :
1
1.) Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat nur in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang Erfolg.
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a) Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluß hat
keinen Erfolg, soweit er die Nr. 1 a der Aufsichtsanordnung des Antragsgegners vom 11.
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August 1999 betrifft.
Insoweit greift der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 146 Abs. 4 VwGO)
nicht durch.
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Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs.
5 VwGO zu Recht und mit zutreffender Begründung insoweit abgelehnt, als dieser auf
die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nr. 1 a der
Aufsichtsanordnung gerichtet war. Insoweit scheiden ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit der Entscheidung von vornherein aus, weil sich die Anordnung 1 a - "jede
Beteiligung der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe an der von der
Bundeszahnärztekammer initiierten Aktion gegen die Gesundheitsreform 2000 unter
Einbeziehung unterstützender sowohl ideeller als auch materieller (finanzieller) Mittel zu
unterlassen," - bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist. Die Teilnahme der
Zahnärzte an der sog. Strafzettelaktion beinhaltet nämlich jedenfalls eine Verletzung
von Berufspflichten. Prägendes Merkmal der Aktion ist die gezielte Ansprache einzelner
Patienten anläßlich oder während der Behandlung durch das Praxispersonal oder durch
den behandelnden Zahnarzt selbst. Ein solches Verhalten belastet in
unverhältnismäßiger Weise das schutzwürdige Interesse des Patienten, ärztlich versorgt
und nicht unter dem direkten Eindruck der medizinischen Behandlung in
Protestaktionen seines Zahnarztes eingebunden zu werden. Durch eine derartige
Einflußnahme auf den Patienten verletzt der Zahnarzt das in ihn gesetzte besondere
Vertrauen und damit seine Berufspflichten.
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Die Beteiligung der Antragstellerin an einer berufswidrigen Aktion ist schon bereits aus
diesem Grunde rechtswidrig, ohne daß es hier auf eine Beurteilung der sog.
Strafzettelaktion im übrigen ankäme. Allein diese Begründung rechtfertigt die
Anordnung zu 1 a insgesamt, so daß - entgegen der Ausführungen der Antragstellerin in
der Antragsschrift - eine Aufteilung des Verwaltungsaktes in rechtmäßige und im
übrigen rechtswidrige Elemente ausscheidet. Die Anordnung 1 a erweist sich insgesamt
als geeignete und verhältnismäßige Maßnahme, die Antragstellerin zu rechtmäßigem
Verhalten anzuhalten.
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Auch im übrigen sind die von der Antragstellerin in ihrer Zulassungsschrift gemachten
Ausführungen nicht geeignet, insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des
erstinstanzlichen Beschlusses zu begründen. Die Bezeichnung des Patienten nach
seiner Behandlung als Besucher der Praxis ändert nichts an den Berufspflichten des
Zahnarztes.
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b) Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluß hat
jedoch Erfolg, soweit er die Nr. 1 b und 1 c der Aufsichtsanordnung des Antragsgegners
vom 11. August 1999 betrifft. Insoweit ist die mangelnde Bestimmtheit dieser
Anordnungen offensichtlich.
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2.) Die vom Senat zugelassene und im übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat es in dem angefochtenen Beschluß zu Unrecht abgelehnt,
die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Aufsichtsanordnung
des Antragsgegners bezüglich der Nr. 1 b und 1 c im Rahmen der Entscheidung nach §
80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, weil die genannten beiden Aufsichtsanordnungen
wegen inhaltlicher Unbestimmtheit offensichtlich rechtswidrig sind.
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Nach § 37 Abs. 1 VwVfG NW muß ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Die
an die Antragstellerin gerichteten Aufsichtsanordnungen
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- "1 b) im Rahmen Ihrer Möglichkeit als Mitglied darauf hinzuwirken, dass die
Bundeszahnärztekammer die in Buchstabe a) aufgeführte Aktion abbricht und
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c) zur Beseitigung eines etwaigen berufsrechtswidrigen Zustandes dafür Sorge zu
tragen, dass die kammerangehörigen Zahnärztinnen und Zahnärzte in ihren Praxen die
Aktion betreffende Unterlagen und/oder Plakate nicht weiter auslegen bzw. aushängen."
-
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genügen diesen Anforderungen nicht. Dies gilt um so mehr, als die Anordnungen als
Grundverfügungen für Verwaltungszwangsmaßnahmen einen vollstreckungsfähigen
Inhalt haben müssen. Insoweit gibt der Antragsgegner in Nr. 3 der Aufsichtsanordnung
einen Hinweis auf die Möglichkeit der Ersatzvornahme, ohne diese bereits anzudrohen.
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Bereits die Formulierungen "im Rahmen Ihrer Möglichkeiten als Mitglied" auf den
Abbruch der Aktion hinzuwirken und "zur Beseitigung eines etwaigen berufswidrigen
Zustandes dafür Sorge zu tragen", daß auf ein bestimmtes Verhalten der
kammerangehörigen Zahnärzte hingewirkt wird, belegen, daß keine konkreten
Anordnungen erteilt werden . Was getan werden soll, wird in die Beliebigkeit oder in die
rechtliche Beurteilung der Antragstellerin bzw. der Gerichte gestellt. Dies ist nicht nur
inhaltlich unbestimmt, sondern widerspricht auch Sinn und Zweck einer derartigen
Aufsichtsanordnung, die auch durch Auslegung nicht einer vollstreckungsfähigen
Präzisierung zugeführt werden kann. Zudem bestehen erhebliche Zweifel an der
Geeignetheit der Anordnung zu 1 b, wenn und solange der Antragsgegner - und nicht
auch andere Bundesländer - derartige Anordnungen treffen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 VwGO, die
Streitwertfestsetzung aus den §§ 20, 13 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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