Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.07.2005

OVG NRW: luftfahrt, bundesamt, flughafen, anwohner, luftraum, genehmigung, stadt, bevölkerung, rechtfertigung, schallschutz

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 D 40/04.AK
Datum:
19.07.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 D 40/04.AK
Tenor:
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Klägerinnen und Kläger sämtlicher Verfahren tragen jeweils ihre
eigenen außergerichtlichen Kosten. Für die weiteren Kosten gilt: Soweit
sie bis zur Verbindung der Verfahren entstanden sind, werden sie in den
Verfahren zu I. bis III. (20 D 86/03.AK, 20 D 113/03.AK und 20 D
5/04.AK) jeweils vom Käger und den Klägerinnen voll, im Verfahren zu
IV. (20 D 40/04.AK) von der Klägerin zu 27. zu 1/7 und von den
Klägerinnen und Klägern zu 1. bis 26. sowie zu 28. bis 31. zu 6/7 in
jeweils gleichen Teilen getragen. Soweit sie nach der Verbindung
entstanden sind, werden sie von den Klägerinnen in den Verfahren zu II.,
III. und IV. 27. zu je 1/9, von den Klägern und Klägerinnen in den
Verfahren zu I. und IV. 1. bis 26. sowie 28. bis 31. zu 2/3 in jeweils
gleichen Teilen getragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerinnen und Kläger (im Weiteren: Kläger) sind Gemeinden und Privatpersonen
aus der Umgebung des Verkehrsflughafens Rhein-Ruhr Düsseldorf (im Weiteren:
Flughafen). Sie wenden sich gegen die mit der 27. Verordnung zur Änderung der 122.
2
Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung ("Festlegung von Flugverfahren für
An- und Abflüge nach Instrumentenflugregeln zum und vom Flughafen Düsseldorf" vom
24. Juni 1993 - BAnz Nr. 131, 6503 -) vom 16. Juli 2003 (BAnz Nr. 143, 17501) - 27.
ÄndVO 122. DV LuftVO - neu festgelegte Flugroute für Abflüge vom Flughafen in
südwestlicher Richtung nach Südwesteuropa, die zunächst mit MODRU 4 T/4 L
bezeichnet wurde.
Die drei Gemeinden (Klägerinnen zu II., III., IV.27) liegen mit dichtbesiedelten Ortsteilen
in unterschiedlicher Entfernung zum Flughafen entlang der genannten Flugstrecke
nordwestlich der Verlängerung der Start- und Landebahnen des Flughafens. Sie
besitzen öffentliche Einrichtungen sowie Wohngrundstücke in den betroffenen
Gemeindegebieten. Die übrigen Kläger wohnen in unterschiedlicher Entfernung zum
Flughafen entlang der betreffenden Flugroute in Meerbusch- Büderich, Neuss,
Meerbusch-Osterath, Kaarst, Willich und Krefeld. Sie sind (überwiegend)
Eigentümer/Miteigentümer bzw. Nießbraucher selbstgenutzter Grundstücke.
3
Die Einführung der beklagten Flugroute löste die bisherigen Strecken für Abflüge von
Düsseldorf Richtung Westen mit Zielgebiet Südwesteuropa ab. Zum 30. November
2000 waren im Grenzgebiet Belgien/Deutschland als Bestandteil einer
gesamteuropäischen Veränderung des Flugraums neue Routenstrukturen eingeführt
worden. In diesem Zusammenhang wurde im Bereich der Stadt Aachen die bestehende
Streckenführung u. a. für den Flughafen Düsseldorf verändert. Die bisherige Strecke mit
Gegenverkehr und häufigen Vertikalbewegungen wurde durch mehrere Strecken mit
Einbahnverkehr ersetzt. Das hatte zur Folge, dass die bisherige Streckenanbindung für
Abflüge von Düsseldorf Richtung Westen mit Zielgebiet Südwesteuropa über die sog.
NOR-Route Richtung Nörvenich nicht mehr zur Verfügung stand. Diese führte in einem
geradeauslaufenden Steigflug bis zum BAB-Kreuz Kaarst, dann nach Süden bis an den
Nordrand der Eifel, danach nach Westen in den nordbelgischen Luftraum. Dabei wurden
die Abflüge - von Nordosten kommend - über den Streckenpunkt/Funkfeuer MODRU in
den belgischen Luftraum eingespeist. Der Wegfall dieser Streckenanbindung betraf
etwa 20 % der Abflüge vom Flughafen in westlicher Richtung (Flugrichtung 23). Für
diese Abflüge wurde mit der 21. ÄndVO 122. DV LuftVO vom 27. Oktober 2000 - BAnz
2000 Nr. 214, 21866 -, gültig ab dem 30. November 2000 eine neue Abflugstrecke
veröffentlicht. Luftfahrzeuge von Düsseldorf nahmen seit diesem Datum zuerst einen
nördlichen Kurs, Richtung Funkfeuer RKN, MEVEL, SUKAM, in den bis dahin schon
etwa 25-30 % der Abflüge vom Flughafen in westlicher Richtung geführt wurden (sog.
Nordroute). Die neue Routenführung sah im weiteren Verlauf im Bereich Duisburger
Hafen (10,5 DMEDUS) eine Linkskurve und den Anflug auf das Funkfeuer LMA vor.
Nach Einschätzung der Deutschen Flugsicherungs-GmbH (DFS) kam eine
Inanspruchnahme der direkt auf das Funkfeuer LMA zulaufenden Route, über die etwa
2- 3 % der Abflüge vom Flughafen in westlicher Richtung geführt werden, nicht in
Betracht, weil für Luftfahrzeuge mit Ziel Südwesteuropa auf dieser Strecke die für die
Einspeisung in den belgischen Luftraum grundsätzlich erforderliche Flughöhe (21.000
Fuß) regelmäßig nicht zu erreichen sei.
4
Nach Einführung dieser Route für den Südwestverkehr (später MODRU 1T, 2T, 3T
genannt) kam es zu Beschwerden betroffener Anwohner sowie u.a. der Stadt Duisburg.
Im Februar 2001 erhoben Anwohner aus den Düsseldorfer Stadtteilen Wittlaer, Bockum
und Kaiserswerth gegen die neue Routenführung Klage vor dem erkennenden Gericht
(20 D 15/01.AK), die nach der Einführung des vorliegend streitigen Flugverfahrens
zurückgenommen worden ist. Im März 2001 bat die am Flughafen Düsseldorf gebildete
5
Kommission nach § 32b LuftVG (Fluglärmkommission) die DFS, die seit dem 30.
November 2000 bestehende Führung der Abflüge nach Südwesteuropa rückgängig zu
machen (Beschluss 05/2001).
Die DFS prüfte die Möglichkeiten einer Rückverlegung. Es kam zu nationalen und
internationalen Verhandlungen sowie zu einer genaueren Prüfung und Simulation durch
die sog. Sechs-Staaten-Arbeitsgruppe, ob ein Abweichen von den Ende 2000
aufgestellten Voraussetzungen, insbesondere der Einflughöhe in den belgischen
Luftraum, möglich sei. Dies wurde abgelehnt. Andernfalls seien für eine große Zahl
anderer Flugverfahren bis hin in den Luftraum über Paris erhebliche Störungen zu
erwarten. Die DFS prüfte daraufhin eine alternative Streckenführung für den
Südwestverkehr. Diese sollte nach eigener Erklärung einerseits die Konditionen für die
Übergabe in den belgischen Flugraum erfüllen, andererseits technisch fliegbar sein und
unter diesen Grundvoraussetzungen die geringste Lärmbelastung der Bevölkerung
insgesamt darstellen.
6
Unter neun von der Niederlassung Düsseldorf der DFS ausgearbeiteten Denkansätzen
wurde die im weiteren Verlauf des Verfahrens als MODRU-X dargestellte
Routenführung als die unter allen Prüfkriterien aus Sicht der DFS am besten geeignete
Routenführung herausgefiltert und einer detaillierten Konstruktion und Darstellung auf
topographischem Hintergrund unterzogen. Die Route, wie sie im wesentlichen
unverändert durch die 27. ÄndVO 122. DV LuftVO verordnet worden ist, führt zunächst
wie früher die NOR-Route bis kurz vor das BAB-Kreuz Kaarst, biegt dann rechts nach
Nordwesten ab, führt zwischen Willich und Osterath hindurch am Westrand von Krefeld
vorbei, überquert den Nordostrand von St. Tönis, einem Ortteil der und führt in einer
Linkskurve um Kempten herum zum Funkfeuer MODRU.
7
In der 70. Sitzung der Fluglärmkommission am 8. April 2002 wurden die neue
Streckenführung erstmals beraten und weitere Verhandlungen zu diesem Thema
angesetzt. Zeitgleich vereinbarte die DFS mit der Fluggesellschaft LTU und dem
Flughafen Düsseldorf eine praktische Erprobung der danach MODRU-X genannten
Routenführung. Es sollten zusätzliche Werte in Form von aktuellen Lärmmessungen
und Auswertungen durch FANOMOS gewonnen werden. Während der Testphase ergab
sich eine zu starke Annäherung der Flugspuren an Kaarst. Daraufhin wurde ein
Wegepunkt in Richtung Startbahn verschoben.
8
Nach Vorlage des Abschlussberichts der DFS über den Testbetrieb und weiterer
Unterlagen beschloss die Fluglärmkommission in ihrer Sondersitzung am 10. Februar
2003 unter Beteiligung u. a. der neu aufgenommenen Mitglieder Willich und Tönisvorst -
- die DFS dahingehend zu beraten, die vorgeschlagene Abflugroute MODRU-X
einzuführen. Im März 2003 legte die Stadt Meerbusch der DFS ergänzend ein in ihrem
Auftrag von der B. GmbH - Ingenieurbüro für Schall- und Schwingungstechnik - unter
dem 12. Juni 2002 erstelltes Gutachten vor ("Schallimmissionsplan Fluglärm 2001 für
den Bereich der Stadt Meerbusch unter Berücksichtigung der Alternativflugrouten
"MODRU X").
9
Im April 2003 empfahl die DFS dem Luftfahrt-Bundesamt unter Vorlage eines
zusammenfassenden Abschlussberichts und verschiedener Anlagen, die Neufassung
der MODRU 4 T/MODRU 2 U wie dargestellt zu verordnen. In dem Abschlussbericht
heißt es u. a.:
10
Ziel der Ausarbeitung der DFS war die Überprüfung, ob es zur bereits beklagten Strecke
MODRU 3 T alternative Streckenführungen gibt, die die Belastung im Bereich Lank-
Latum, Wittlaer, Serm und Mündelheim ... senken.
11
...
12
Die Routenführung MODRU X bietet dabei in der Kurzbewertung folgende Vorteile: -
geringstmögliches Konfliktpotential zu anderen Flugverkehrsstrecken, - Streckenlänge
entsprechend der Anforderung; FL 210 über die verfügbare Distanz fast immer
erreichbar, - Rückführung der verlagerten Verkehrsmenge zumindest im Bereich bis
Kaarst im Sinne des Beschlusses 5/2001, - größtmögliche Nutzung des unbebauten
Freiraums zwischen Willich und Osterath, - geringere Winkeldifferenz im Bereich des
ersten Kurvenfluges im Vergleich zur MODRU 3 T, - nach Meerbusch-Büderich kein
direkter "Überflug" von dicht besiedeltem Gebiet für 9 NM Flugweg, - Annäherung an St.
Tönis und Krefeld-West (schmale Bebauungslücke) erst nach 11 NM Flugweg, -
Konstruktion nach den Vorgaben der ICAO umsetzbar.
13
In einem Vermerk zu der dann mit der 27. ÄndVO 122. DV LuftVO des Luftfahrt-
Bundesamtes verordneten Flugroute MODRU 4T/4L heißt es u. a.:
14
Die von der DFS in ihren Beschreibungen und Auswertungen dargelegten Erkenntnisse
darüber, dass sich der Streckenverlauf der Abflugstrecke MODRU 4T/4L als
flugsicherungsbetrieblich vorteilhaft und in fluglärmrelevanter Hinsicht als - gegenüber
den neu betroffenen Bevölkerungsteilen - nicht unzumutbar benachteiligend darstellt,
habe ich zur Kenntnis genommen. Ich mache mir die entsprechenden Darlegungen
ausdrücklich zu eigen.
15
Die verordnete Flugroute gilt im wesentlichen unverändert nunmehr mit der
Bezeichnung MODRU 5 T /5 L in der Festlegung durch die 218. DV LuftVO vom 20.
August 2004 - BAnz Nr. 190, 21673, welche die 122. DV LuftVO abgelöst hat, in der
Fassung der 2. ÄndVO vom 12. April 2005, BAnz 2005, Nr. 85, 7118.
16
Der Kläger zu I. hat am 17. September 2003, die Klägerin zu II. am 2. Dezember 2003,
die Klägerin zu III. am 23. Januar 2004 und die Kläger zu IV. haben am 18. März 2004
die vorliegenden Klagen erhoben.
17
Zur Klagebegründung tragen die Kläger im Wesentlichen vor:
18
Das Verfahren vor Erlass der streitigen Verordnung habe nicht den rechtlichen
Anforderungen entsprochen. Die DFS habe sich nicht neutral verhalten. Das gelte
zumindest für einen der ermittelnden Mitarbeiter. Diesem sei es - wie eine E-Mail an das
Luftfahrt-Bundesamt vom 6. März 2003 belege - nur um persönliche Diffamierung
gegangen. Das Luftfahrt-Bundesamt habe den Entscheidungsprozess der DFS
erkennbar nicht ernsthaft nachvollzogen. Sich aufdrängende Fragen seien nicht gestellt
worden; die Arbeit der DFS sei in keiner Weise zur Gewährleistung der Einhaltung der
erforderlichen rechtlichen Maßstäbe begleitet worden. Es bestehe kein sachlich
nachvollziehbarer Grund für die Festlegung der neuen Route. Der diesbezügliche
Vortrag der Beklagten sei unschlüssig. In dem gerichtlichen Verfahren der Anwohner im
Bereich der sog. Nordroute habe das erkennende Gericht keine Anregung gegeben,
eine Alternative für die MODRU-Streckenführung zu entwickeln. Der Beschluss der
Fluglärmkommission 05/2001 habe nur die Rückgängigmachung, d. h. die Herstellung
19
des alten Zustandes, gefordert, nicht aber die Einführung einer neuen Route empfohlen.
Überlegungen zu einem Lärmlastenausgleich zugunsten der Bereiche Lank-Latum,
Wittlaer, Serm und Mündelheim seien nur vorgeschoben. Die Belastungen in Wittlaer
seien seit Jahren so gering, dass sie den Aufwand einer Flugroutenänderung nicht
rechtfertigten. Die Belastungen in Lank-Latum seien ebenfalls bis 2003 in einem Maße
gesunken, dass jeder Anlass für einen Lärmlastenausgleich entfallen sei. Der im
Verlaufe der Diskussion um die Flugroute MODRU-X aufgekommenen Vermutung, dass
der Flughafen eine Kapazitätserhöhung anstrebe, sei die DFS zwar stets
entgegengetreten. Sie habe eher eine Kapazitätsverringerung gesehen. Diese hätte
aber im Grunde Anlass geben müssen, MODRU-X aus Sicherheitsgründen, aus
Kapazitätsgründen oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter zu verfolgen. Der
genannte Anlass für eine Verlegung der Abflüge nach Südwesteuropa von der NOR-
Route, nämlich der für die Eifel erwartete militärische Luftraum, habe 2003 nicht mehr
bestanden. Das Luftfahrt-Bundesamt sei von einem unzutreffenden bzw. nicht
hinreichend unterbreiteten Sachverhalt ausgegangen. Die DFS habe dem Luftfahrt-
Bundesamt nur unvollständig eine Auswahl der Unterlagen vorgelegt. Eine deutliche
Verbesserung der Fluglärmsituation im vorderen Segment der Abflugstrecke bis zum
Bereich von etwa 10 NM, wie von der DFS zugrundegelegt, träte nicht ein. Die Angaben
der DFS in dem Schreiben vom 6. Juni 2003 an das Luftfahrt-Bundesamt seien
fehlerhaft. Die Ausführung für den Bereich 0 - 4 NM seien nicht nachvollziehbar. Es
fehle in dem in Bezug genommenen Abschlussbericht eine weitere Betrachtung des
Nahbereichs. Was den Bereich 4 - 9 NM angehe, zeigten die Karten, dass entgegen der
Angaben der DFS zwischen 5 und 6 NM der nördliche Rand von Kaarst von der
Ideallinie geschnitten, zwischen 6 und 7 NM Hardt überflogen, bei 7 NM der westliche
Rand von Osterath geschnitten und zwischen 7 und 9 NM einige Anwesen sowie bei 9
NM schließlich die Ortschaft Willicher Heide überflogen werde. Das B. -Gutachten der
Stadt Meerbusch belege, dass das von der DFS konstatierte deutliche
Verbesserungspotential in Meerbusch nur für einen Teil der Bevölkerung, nämlich den
in Lank zuträfe, und vor allem deutlich geringer ausfalle als die Mehrbelastung in
Büderich und Osterath. Das vorgelegte Kartenmaterial gebe im Übrigen die tatsächliche
Bebauungssituation nur unzureichend wieder. Die DFS habe zudem nur betroffene Orte
und Ortsteile in ihre Betrachtung eingestellt, ohne die Bevölkerungszahl in den Blick zu
nehmen. Eine ohne weiteres mögliche Zusammenstellung hätte belegt, dass von der
neuen MODRU-Route mehr Personen betroffen seien als von der Nordroute. Aus einer
einfachen Modellrechnung ergäben sich 157.884 Betroffene gegen 109.133 Entlastete.
Im Übrigen fehlten in den vorgelegten Karten die am stärksten belasteten besiedelten
Bereiche im Flughafennahbereich, nämlich die Ortslagen Büderich, Kaarst und Neuss.
Das Berechnungssystem NIROS könne im vorliegenden Fall keine geeignete
Unterstützung des Abwägungsprozesses sein. Die angegebenen Ausgangsdaten seien
nicht nachzuvollziehen. In entscheidungserheblichem Umfang seien
Lärmschutzinteressen nicht eingestellt bzw. ohne sachlichen Grund zurückgesetzt
worden. Dabei stünden die Kläger aus Büderich für die Verschlechterung einer
schwerwiegenden Fluglärmbelastung bis über die Zumutbarkeitsschwelle, die Kläger
aus dem Bereich Neuss und Kaarst für erhebliche Mehrbelastungen, denen keine
vergleichbaren Entlastungen auf den Nordrouten gegenüberstünden, die Kläger aus
Osterath für die Neubelastung bisher nicht Fluglärmvorbelasteter, deren Vermeidung
anfänglich entscheidendes Argument auch der Fluglärmkommission für die Ablehnung
einer Neuregelung gewesen sei, die Kläger aus Krefeld und die Klägerinnen zu III. und
IV. 27. für eine erhebliche Belastung in einem Bereich, der von der Beklagten als
unerheblich für die Entscheidungsfindung betrachtet werde. Das Schutzkonzept des
Landesentwicklungsplanes des Landes Nordrhein-Westfalen sei nicht beachtet worden.
Es seien Bereiche entlastet worden, die dort als Schutzzone C gekennzeichnet seien [
Leq (4) = 62-67 dB(A)] und solche Gebiete belastet worden, die danach nicht mit hohen
Fluglärmbelastungen zu rechnen hätten. Das Luftfahrt- Bundesamt habe sich zu Unrecht
auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt. Die Beklagte verkenne, dass nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls wegen der Belastungen in
Mehrbusch-Büderich mit Blick auf § 29b Abs. 2 LuftVG höhere
Rechtfertigungsanforderungen bestanden hätten, insbesondere betreffend die Frage
nach Routenalternativen. Die Grenze zur Zumutbarkeit der Fluglärmbelastungen sei
nach der fachplanerischen Wertung der Genehmigungsbehörde in der Genehmigung
vom 21. September 2000 zur Änderung der Betriebsregelung für das
Parallelbahnsystem des Verkehrsflughafens Düsseldorf in der Fassung der
Entscheidung im ergänzenden Verfahren vom 5. Juni 2003 bei Leq (3) = 60 dB(A)
anzusetzen. Jedenfalls liege sie aber nicht höher als Leq (3) = 62 dB(A). Die von der
Genehmigungsbehörde zugrunde gelegte Zumutbarkeitsschwelle sei bei den Klägern
zu , jedenfalls aber bei den Klägern zu nach Einführung der strittigen MODRU-Route
überschritten worden. Diese Entwicklung sei schon bei Festlegung der Flugroute
bekannt gewesen. Der Umstand, dass in Büderich früher bereits höhere Belastungen
aufgetreten seien, sei unerheblich, ebenso wie mögliche Ausgleichsregelungen in der
aktuellen Betriebsgenehmigung des Flughafens. Da die neue Flugroute mit der
Erhöhung unzumutbarer Belastungen erkauft würde, hätte eine lärmoptimierte
Flugroutenführung gefunden werden müssen. Eine solche hätte mit der bisherigen
Routenführung über die Nordroute zur Verfügung gestanden. Belastungen, die im
Bereich der Unzumutbarkeit lägen, dürften unter dem Gesichtspunkt der
Lärmoptimierung nicht in gleicher Weise bewertet werden, wie deutlich geringere. Die
Beklagte habe dies erkennbar nicht berücksichtigt.
Die Kläger der Verfahren und fassen ihre Vorwürfe wie folgt zusammen: Der Beklagten
werde vorgehalten,
20
- dass sie weder den Anlass der Flugroutenänderung noch maßgebliche
abwägungserhebliche Gesichtspunkte überprüft habe und es hingenommen habe, dass
die wenigen von ihr an die DFS gestellten Fragen nicht beantwortet und sie zudem eine
offenkundige Falschdarstellung akzeptiert habe,
21
- dass sie die Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht und
Oberverwaltungsgericht NRW zur Unzumutbarkeit ignoriert und geltend gemacht habe,
sich nicht an den höheren Anforderungen bei durch Flugroutenänderungen
hervorgerufenen unzumutbaren Belastungen messen lassen zu müssen,
22
- dass sie bis heute ignoriere, dass es keinen sachlichen Grund für die
Flugroutenänderung gebe, sondern allenfalls einen sachlichen Irrtum,
23
- dass sie sich bis heute nicht mit dem einzigen sachlichen Grund, der angeführt worden
sei, auseinandergesetzt habe, nämlich mit der unhaltbaren Behauptung, aus
Lärmschutzgründen sei eine Umverteilung des Fluglärms erforderlich gewesen,
24
- dass sie in die Entscheidung nicht eingestellt habe, dass die neue Flugroute nach
Angaben der DFS sowohl unter Sicherheitsaspekten wie auch unter
Kapazitätsaspekten (und damit zugleich unter dem Gesichtspunkt der sicheren,
geordneten, flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs) Nachteile gegenüber den
vorhergehenden Flugrouten aufweise,
25
- dass sie unzumutbare Belastungen nicht erkannt und abwägungsgerecht gewichtet,
sondern mit dem Argument, die Betroffenen bekämen nur wieder, was sie schon einmal
gehabt hätten, als bedeutungslos abgetan habe,
26
- dass sie die Relevanz abwägungserheblichen, aber noch nicht unzumutbaren
Fluglärms in einer Entfernung von 10 NM - vom Flugplatz ab gerechnet - völlig negiere,
obgleich neben der Höhe der Belastung, die derjenigen ähnele, die zur
Flugroutenänderung geführt haben solle, auch die Belastungsverteilung (starke
Häufungen, insbesondere in den frühen Morgenstunden) die Relevanz (gleich
Erheblichkeit) der Fluglärmneubelastung zeige.
27
Die Gemeinden machen weitergehend einen Eingriff in ihre Planungsrechte und in
einfachgesetzlich geschützte Eigentumspositionen geltend. Die Klägerin zu II. beruft
sich im Wesentlichen auf ihr Eigentum an dem Schulgelände X. und dem Gelände des
Kindergartens B. . Die Nutzer dieser Einrichtungen seien unzumutbarem Lärm
ausgesetzt; die Nutzung der Einrichtungen werde eingeschränkt. Die DFS habe keine
lärmsensiblen Bauten wie Krankenhäuser, Schulen oder auch Kindergärten eruiert. Es
liege auch ein Eingriff in die Planungshoheit vor. Mit den vorgelegten Bebauungsplänen
(Nr. 51 W, Nr. 58 W, Nr. 58 II W) stünde eine hinreichend konkretisierte und verfestigte
Planung in Rede, die nunmehr wesentlich vereitelt werde. Die Klägerin zu macht in
diesem Zusammenhang insbesondere die Betroffenheit der von den Bebauungsplänen
TÖ 35 "Feldburgweg/Laschenhütte" und TÖ 49 "Fasanenstraße/Laschenhütte"
erfassten Gebiete geltend und verweist auf einen in der Aufstellung befindlichen neuen
Flächennutzungsplan.
28
Die Kläger beantragen,
29
festzustellen, dass § 4 Abs. 2 der zuletzt durch die 2. Änderungsverordnung vom 12.
April 2005 geänderten 218. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung die
jeweiligen Klägerinnen und Kläger in ihren Rechten verletzt, soweit darin unter Nrn. 1
und 2 die Abflugverfahren MODRU 5T/5L von den Startbahnen 23L bzw. 23R des
Flughafens Düsseldorf aus festgelegt sind.
30
Die Kläger in den Verfahren I. und IV. beantragen hilfsweise,
31
Beweis zu erheben,
32
1. dass die in den Verwaltungsvorgängen angesprochenen und im Ergebnis
wiedergegebenen NIROS-Untersuchungen unter schwerwiegenden Mängeln leiden
und insbesondere nicht vollständig angewandt worden sind - wobei sich Letzteres
daraus ergibt, dass entgegen andernorts erfolgter Ermittlung behauptet wurde, die
zugrunde gelegten Bevölkerungszahlen könnten aus dem NIROS- Programm nicht
extrapoliert werden - durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
33
2. dass auf den Grundstücken der Kläger zu IV. 1., 2., 5. und 7. durch die MODRU-Route
die Schwelle eines äquivalenten Dauerschallpegels von 62 dB = Leq (3) überschritten
wird durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
34
3. dass bei den Klägern zu IV. 1. bis 7. die für die Herbeiführung der der Entscheidung
im ergänzenden Verfahren zur Genehmigung vom 21. September 2000 zugrunde
35
gelegten Rahmenbedingungen für die Bestimmung der Zumutbarkeit aus tatsächlichen
Gründen nicht erreicht sind durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Beklagte beantragt,
36
die Klage abzuweisen.
37
Sie trägt im Wesentlichen vor: Der Anlass für eine neue Routenführung bedürfe keiner
besonderen Planrechtfertigung. Deren Fehlen führe auf keinen Abwägungsausfall. Die
Flugroutenplanung habe als ständiger Teil der gesetzlichen Ausrichtung der
Flugsicherung den Anforderungen des § 27c LuftVG zu gehorchen, wonach der
anfallende Flugverkehr sicher, geordnet und flüssig abzuwickeln sei. Anlass für die
Neufestsetzung der Route für den Südverkehr sei die Erfüllung eben diesen
gesetzlichen Auftrags gewesen. Dem zufolge sei eine Flugroutenneuplanung rechtlich
nicht mit dem Kriterium eines "Lärmlastenausgleichs" zu begründen. Unzumutbaren
Lärmbelastungen sei keiner der Kläger durch die angegriffene Flugroutenfestlegung
ausgesetzt. Ihre Belange seien nicht willkürlich außer Acht gelassen worden. Ein
Widerspruch zum Lärmschutzkonzept im Landesentwicklungsplan ergebe sich nicht.
38
Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2005, eingereicht in dem Verfahren 20 D 40/04.AK, den die
Kläger als verspätet rügen, hat die Beklagte außerdem ausgeführt: Die Abwicklung des
nach Süden hin zu führenden Luftverkehrs habe nach Wegfall der NOR-Route zunächst
auf einer bestehenden Abflugroute erfolgen müssen. Hierfür sei nur die Nordroute in
Frage gekommen. Dieser Zustand sei von Anfang an nur als zeitweiliger Zustand
gedacht gewesen. Gleichzeitig mit den eingehenden Beschwerden wegen der erhöhten
Ausnutzung der Nordroute insbesondere aus Lank-Latum und dem Versuch von der
Fluglärmkommission, eine neue Abflugstrecke für den Südverkehr einrichten zu lassen,
habe sie zusammen mit der DFS nach Wegen gesucht, die Abflüge nach Süden in ein
grundsätzlich verbessertes Abflugverfahren zu überführen. Die streitgegenständliche
Routenführung sei primär aus evident betrieblich-sicherheitlichen Gründen heraus
festgelegt worden. Die Nordroute habe wegen des im ersten Kurvenbereichs zu
fliegenden Winkels grundsätzlich Schwierigkeiten bereitet. Es würden höchste
flugphysikalische Ansprüche an Luftfahrzeugführer und Fluggerät gestellt. An den
übrigen deutschen Verkehrsflughäfen gebe es kaum vergleichbare Abflugrouten. Jede
Entlastung der Beanspruchung einer derartige Parameter aufweisenden
Streckenführung stelle eine dem gesetzlichen Auftrag der Flugsicherung in besonderem
Maße entsprechende Entspannung der Situation dar. Die streitige Strecke sei zudem
um 9,3 NM kürzer als die über die Nordroute und könne ohne
Geschwindigkeitsbeschränkung infolge geringeren Kurvenflugs bei somit gestiegener
Auslastungsfähigkeit der Route beflogen werden. Zur Beurteilung der Lärmsituation in
Büderich sei nachzutragen, dass die Lärmmessungen des Flughafens in einem
Zeitraum von Februar bis einschließlich August 2004 einen Dauerschallpegel von Leq
(4) = 60,9 dB(A) ergeben habe. Eine unzumutbare Lärmbelastung sei danach
auszuschließen. Die Grenze einer unzumutbaren Belastung sei erst erreicht, wenn
Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befürchten stünden. Diese Grenze werde allenfalls
in Bereichen Leq (3) = 65 dB(A) erreicht.
39
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
jeweiligen Gerichtsakten und der dortigen Beiakten (3 Hefte in 20 D 40/04.AK, 6 Hefte
bzw. Ordner in 20 D 86/03.AK, 5 Hefte bzw. Karten in 20 D 113/03.AK sowie 5 Hefte
bzw. Karten in 20 D 5/04.AK) Bezug genommen.
40
Entscheidungsgründe
41
Die Klagen sind als Feststellungsklagen zulässig. Die Kläger sind klagebefugt. Sie
machen u. a. geltend, dass und aus welchen Gründen dem streitigen Flugverfahren
keine gerechte Abwägung ihrer rechtlich geschützten Interessen zugrunde liege, vor
(zusätzlicher) Lärmbeeinträchtigung durch Luftverkehr bewahrt zu bleiben. Die
Möglichkeit einer darauf beruhenden Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 und
Art. 14 Abs. 1 GG bzw. ihrer Rechte aus Art. 28 Abs. 2 GG und ihrer einfachgesetzlich
geschützten Eigentumsrechte ist nicht von vornherein auszuschließen. Die klagenden
Privatpersonen wohnen in Gebieten, die erstmals oder erneut an und unter der
angegriffenen Flugroute liegen, über die ca. 20 % der Abflüge vom Flughafen
Düsseldorf in westlicher Richtung abgewickelt werden. Die Gemeindegebiete der
klagenden Gemeinden sind vergleichbar betroffen.
42
Die Klagen sind jedoch unbegründet. Die beantragte Feststellung scheidet aus, weil die
Kläger durch die Festlegungen des angegriffenen neuen, als MODRU-Route
bezeichneten Flugverfahrens nicht in ihren Rechten verletzt werden.
43
Die Festlegung der Abflugverfahren durch Rechtsverordnung beruht - wie in der 218.
DV LuftVO und den weiteren Änderungsverordnungen zur 218. DV LuftVO gemäß Art.
80 Abs. 1 Satz 3 GG angegeben - auf der Ermächtigung des Luftfahrt- Bundesamtes aus
§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Sätze 2 und 3 LuftVG iVm § 27a Abs. 2 LuftVO. Formelle
Fehler bei der Ausübung der Verordnungsermächtigung durch das Luftfahrt-Bundesamt
werden von den Klägern nicht gerügt und sind auch sonst nicht festzustellen.
44
Die Kläger werden durch das angegriffene Flugverfahren auch nicht in materiellen
Rechtspositionen verletzt.
45
Die Festlegung von Flugverfahren durch Rechtsverordnung des Luftfahrt- Bundesamtes
gemäß § 27 a Abs. 2 LuftVO unterliegt in materieller Hinsicht einem Abwägungsgebot.
46
Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2004 - 4 C11.03 -, NVwZ 2004, 1229 = DVBl. 2004,
1554, und - 4 C 15.03 -, juris.doc, sowie vom 26. November 2003 - 9 C 6.02 -, BVerwGE
119, 245 = DVBl. 2004, 382 = NVwZ 2004, 473; OVG NRW, Urteil vom 30. März 2004 -
20 D 128/00.AK. Mangels jeglicher Konkretisierung der Abwägungspflicht im
Luftverkehrsgesetz oder in der Luftverkehrs-Ordnung obliegt sie dem Luftfahrt-
Bundesamt allerdings nur im Umfang des rechtsstaatlich für jede Abwägung
unabdingbar Gebotenen. Dabei wirkt sich zum einen aus, dass Flugverfahren
flugsicherungsbetriebliche Vorkehrungen in Gestalt von Verkehrsregeln enthalten, die
ganz vorrangig der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs im
Flugbetrieb verpflichtet sind und bleiben. Dies ergibt sich aus § 27c Abs. 1 LuftVG, aber
auch aus dem in § 27a Abs. 1 LuftVO betonten Zusammenhang der Flugverfahren mit
den Flugverkehrskontrollfreigaben nach § 26 LuftVO. Zum anderen ergibt sich eine
(weitere) - allein im öffentlichen Interesse stehende - Begrenzung des
Abwägungsspielraums daraus, dass sich das Luftfahrt-Bundesamt zwingend an der
anderweitig getroffenen Grundsatzentscheidung über den zulässigen Umfang der
Verkehrsmenge auszurichten hat. Damit geht es bei der Flugroutenfestlegung unter
Lärmschutzgesichtpunkten im Kern allein um die Verteilung des durch die
Betriebsgenehmigung für den jeweiligen Flughafen vorgegebenen Lärmpotentials. Dies
führt dazu, dass die Festlegung von An- und Abflugrouten auf die Klage lärmbetroffener
47
Gemeinden oder Anwohner rechtlich letztlich nur der Überprüfung auf Einhaltung der
Willkürgrenze unterliegt. Sie ist gerichtlich nur darauf überprüfbar, ob das Luftfahrt-
Bundesamt von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ferner darauf, ob es
den gesetzlichen Rahmen erkannt hat, der im Falle von unzumutbarer Lärmbelastungen
insbesondere durch § 29b Abs. 2 LuftVG geprägt ist, und schließlich darauf, ob es die
rechtlich schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere deren
Lärmschutzinteressen in die Abwägung eingestellt und gegebenenfalls unter
Einbeziehung eines selbst gesetzten Regelungskonzepts nicht ohne sachlichen Grund
gegenüber den öffentlichen Interessen zurückgesetzt hat.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 -, a.a.O., und 4 C 15.03 -, a.a.O. ,
jeweils m.w.N. Dabei gilt es bei der Frage, welche Anforderungen im Konkreten an die
Rechtfertigung und die Nachweispflichten der Behörde zu stellen sind, zu
unterscheiden, ob die Flugverfahren auf der festgelegten Route für die dortige
Bevölkerung mit unzumutbaren Lärmeinwirkungen verbunden sind oder ob dies nicht
der Fall ist. Eine Flugroute, durch die Lärmbelästigungen unterhalb der
Zumutbarkeitsschwelle hervorgerufen werden, ist schon dann willkürfrei, wenn sich für
sie sachlich einleuchtende Gründe anführen lassen. Einer besonderen Rechtfertigung
und eines besonderen Nachweises, dass schonendere Lösungen nicht in Betracht
kommen, bedarf es nicht. Im Falle unzumutbarer Lärmeinwirkungen - wie hier
namentlich von den Klägern aus Büderich geltend gemacht - ist demgegenüber im
Besonderen die Wertung aus § 29b Abs. 2 LuftVG zu berücksichtigen, wonach die
Luftfahrtbehörden und die für die Flugsicherung zuständigen Stellen "auf den Schutz der
Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken" haben. Die Norm enthält eine
Regelverpflichtung, das Entstehen unzumutbaren Lärms zu verhindern, die allerdings
unter dem Vorbehalt des Machbaren steht.
48
Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 -, a.a.O., und 4 C 15.03 -, a.a.O.
49
Daraus folgt im Ergebnis, dass in den Fällen, in denen Lösungen mit Lärmwirkungen
sowohl unterhalb als auch oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze zur Verfügung stehen, die
Entscheidung für eine mit unzumutbaren Folgen für betroffene Anwohner verbundene
Lösungen mit Blick auf die Wertung des § 29b Abs. 2 LuftVG einem besonderen
Rechtfertigungszwang unterliegt; hier können regelmäßig nur sicherheitsbezogene
Erwägungen von Gewicht die Wahl einer Route rechtfertigen, die unzumutbaren Lärm
hervorruft. Davon zu unterscheiden sind bloße Verteilungsfälle, in denen unter
Ausschöpfung aller sicherheitstechnisch vertretbaren Möglichkeiten vergleichbare
Lärmbelastungen auf keiner erwägenswerten Route vermieden werden können und es
deshalb nur darum geht, wer die Lärmbelastung zu tragen hat. Hier bleibt es dem weiten
Gestaltungsspielraum des Luftfahrt- Bundesamtes bei der Wahl zwischen
verschiedenen Alternativen zur Bewältigung der Lärmproblematik überlassen, bei
vorrangiger Maßgabe der Aspekte des Luftverkehrs zu beurteilen, ob die
Flugbewegungen eher gebündelt oder gestreut werden, die Lärmbelastungen also nach
Art eines großräumigen Lastenausgleichs verteilt werden oder einzelne Gebiete
möglichst verschont bleiben sollen. Ebenso ist seiner Entscheidung vorbehalten, ob bei
der Bewertung der Belange stärker auf den Umfang der räumlichen Betroffenheiten oder
die Zahl der betroffenen Bewohner abgestellt und welches Gewicht dabei der Stärke der
Lärmereignisse zuerkannt werden soll.
50
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. August 2004 - 4 B 43.04 - .
51
Maßgeblich für die Frage, ob die Festlegung einer Flugroute den genannten
Anforderungen entspricht, ist im Grundsatz die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des
Erlasses der streitigen Entscheidung. Während des Rechtsstreits erfolgten
Überprüfungen und eventuellen normativen Änderungen der streitigen Abflugverfahren
sowie den hierfür maßgeblichen Erwägungen des Luftfahrt- Bundesamtes ist aber
Rechnung zu tragen ist.
52
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 - 9 C 6.02 -, a.a.O; OVG NRW, Urteil vom
17. März 2005 - 20 D 42/02.AK u. a. -.
53
Gemessen an diesen Anforderungen stellt das verordnete Abflugverfahren MODRU-
5L/5T keine willkürliche, die Rechte der Kläger verletzende Regelung dar.
54
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass für einen Abwägungsausfall durch das Luftfahrt-
Bundesamt, der zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Regelung führen müsste, nichts
ersichtlich ist. Die Regelung beruht auf einer vom Luftfahrt- Bundesamt in seiner
Funktion als nach § 27 Abs. 2 LuftVO zuständiger Verordnungsgeber in eigener
Verantwortung getroffenen Entscheidung, der ein Abwägen des Für und Wider der
denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten voranging, wobei die Lärmeinwirkungen mit
hohem Gewicht einbezogen wurden. In diesem Zusammenhang lässt sich
ausschließen, dass das Luftfahrt-Bundesamt den Meinungsbildungsprozess der DFS
nicht ernsthaft nachvollzogen oder sonst seine Aufgaben und seine Verantwortung als
Verordnungsgeber, insbesondere die für die Einhaltung der vorstehend angeführten, bei
der Festlegung von Flugrouten zu beachtenden Vorgaben Sorge zu tragen, ignoriert hat.
Die Bitte um weitere Erläuterung an die DFS nach Vorlage von deren Abschlussbericht
und der Vermerk zur Verordnung dokumentieren vielmehr das Gegenteil. Aus dem
Unterbleiben einer von den Klägern als erforderlich erachteten weiteren Nachfrage lässt
sich auf einen Abwägungsausfall ebenfalls nicht schließen. Es sind auch keine Zweifel
an der Sachbezogenheit der Arbeit der DFS und deren Entschließung begründet, die
auf die Entscheidung des Luftfahrt-Bundesamtes und die Rechtmäßigkeit der
Verordnung durchgreifen würden. Die von den Klägern zur Begründung der fehlenden
Neutralität der DFS angeführten Äußerungen eines Mitarbeiters über den Vorsitzenden
einer Bürgerinitiative in einer E-Mail vom 6. März 2003 gibt dafür nichts her.
55
Die Entscheidung, die streitigen Abflugverfahren MODRU wie heute normiert
festzulegen und nicht weiter zu verändern, lässt auch inhaltliche Abwägungsfehler zu
Lasten der Kläger nicht erkennen. Die Festlegung des Abflugverfahrens ist gerade auch
in Abgrenzung zu der in den Jahren 2001 bis 2003 gegebenen Streckenführung unter
Inanspruchnahme der sog. Nordroute ausreichend sachlich begründet. Sie beruht auf
einem zutreffenden, hinreichend aufgeklärten Sachverhalt. Die rechtlich schutzwürdigen
Interessen der Kläger sind angemessen eingestellt und dabei die rechtlichen Vorgaben,
die insbesondere durch § 29b Abs. 2 LuftVG geprägt sind, im Ergebnis beachtet worden.
Der Aspekt des Hervorrufens unzumutbarer Lärmbeeinträchtigungen kommt - auch und
gerade mit Blick auf Büderich - nicht zum Tragen.
56
Maßgeblich für die Beurteilung ist dabei, dass mit der Neufestlegung des strittigen
Abflugverfahrens im Jahre 2003 im Grunde eine angemessene Lärmverteilung aus
Anlass des Wegfalls der bis November 2000 für Abflüge in den Südwesten Europas
genutzten sog. NOR-Route über Nörvenich verfolgt werden sollte. Gesucht war
erklärtermaßen eine Ersatzroute, welche die Konditionen für die Übergabe in den
belgischen Flugraum erfüllt, technisch fliegbar ist und unter Einschluss des
57
Gesichtspunktes einer angemessenen Lärmverteilung die Lärmschutzgesichtspunkte
betroffener Anwohner berücksichtigt. Hierfür standen nach der Ausarbeitung der als
MODRU-X bezeichneten Route zwei Alternativen zur Auswahl: Die MODRU-Route
sowie die zunächst festgesetzte Route unter Ausnutzung der sog. Nordroute.
Dass die bisherige NOR-Route für den Südwestverkehr nicht mehr in Frage kommt,
steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Die DFS hat bereits im November 2001
ausgeführt, dass nach Einführung des Ein-Richtungsverkehrs von der belgischen
Grenze nach Osten trotz des Wegfalls des militärisch genutzten Luftraums über der Eifel
ein Ausweichen über die Eifel nicht möglich sei, weil ein wesentlich vergrößerter
militärischer Luftraum über der Pfalz/dem Saarland eingerichtet werde und
diesbezüglich insbesondere die Verkehrsanteile mit Zielrichtung Portugal, Kanarische
Inseln zwangsläufig weiterhin über den Streckenpunkt MODRU fliegen müssten. Im
Übrigen würde diese Routenalternative zu einer entsprechenden Belastung der Kläger
in Büderich, Neuss und Kaarst führen. Andere Alternativen standen nicht ernsthaft in
Rede. Die Inanspruchnahme der direkten Verbindung über die Flugroute LMA schied
aus, weil sich auf der genannten Route die grundsätzlich erforderliche Flughöhe für eine
Einspeisung in den belgischen Luftraum nicht erreichen lässt. Sie schied damit schon
aus Flugsicherungsgründen aus. Die verworfenen Denkansätze der DFS zu möglichen
Alternativen geben ebenfalls keinen Anhalt für ernsthafte Alternativen, zumal diese
ebenso wie die dann ausgearbeitete MODRU-X-Route im wesentlichen in
entsprechendem Umfang eine Rückverlegung der Abflugroute auf die NOR-Route bis
zum Funkfeuer Lauvenberg vorsahen.
58
Es spricht nichts dafür, dass einer weiteren Nutzung der Nordroute von vornherein
zwingende Gründe entgegenstanden oder das Luftfahrt-Bundesamt sonst - sachlich
unzutreffend - davon ausgegangen wäre, dass die Beibehaltung der Nordroute nicht
mehr ernsthaft als Alternative in Betracht zu ziehen wäre. Der Vertreter der DFS hat in
der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und zur Überzeugung des Gerichts
bestätigt, dass der Südverkehr auf der Nordroute sicher und zuverlässig abgewickelt
worden ist, jenseits der flugbetrieblichen und flugsicherungstechnischen Gründe, die
sich als Vorteil für die MODRU-Route anführen ließen, wie etwa den der geringeren
Winkeldifferenz im Bereich des ersten Kurvensegments oder die kürzere Wegestrecke,
die bereits in dem dem Luftfahrt- Bundesamt vorgelegten Abschlussbericht enthalten
gewesen seien. Die Diskussion in der Fluglärmkommission, wie sie in den vorliegenden
Akten dokumentiert ist, belegt dies. Zwingende sicherheitliche Bedenken gegen die
weitere Inanspruchnahme der Nordroute sind von keiner Seite geltend gemacht worden.
Dies gilt namentlich auch für die Tischvorlagen der DFS vom 13. März 2002 bzw. vom 2.
Januar 2003 zur Vorbereitung der 70. bzw. 71. Sitzung der Fluglärmkommission.
Allerdings sind bereits in jenen Tischvorlagen die angeführten flugbetrieblichen und
flugsicherungstechnischen Aspekte - Kurvenradius nach dem Start und Länge der
Flugstrecke - angesprochen, wie sie sich auch in dem dem Luftfahrt-Bundesamt
vorgelegten Abschlussbericht finden.
59
Dem Luftfahrt-Bundesamt war auch geläufig, dass es keine gerichtliche Aufforderung
gab, zur Vermeidung eines etwaigen Unterliegens eine Alternativroute auszuarbeiten.
Schließlich war es selbst als Vertreter der Beklagten an dem von Anwohnern der
Nordroute angestrengten Klageverfahren vor dem erkennenden Gericht beteiligt.
60
Gegen den Wegfall der NOR-Route als Ausgangspunkt für die Entwicklung der
MODRU-Route und dagegen, von der damaligen Sachlage ausgehend die betroffenen
61
Interessen - insbesondere auch die Interessen derjenigen, die bereits von der alten
Routenführung über den Streckenpunkt NOR betroffen waren - zu bewerten, ist rechtlich
nichts zu erinnern. Denn insoweit ist in den Blick zu nehmen, dass das Luftfahrt-
Bundesamt sich für den Abflug zum Streckenpunkt MODRU zur streckenweisen
Inanspruchnahme der Nordroute bei gleichzeitigen Erwägungen zu deren Optimierung
entschieden hatte, ohne zuvor ernsthaft in Überlegungen zu alternativen Routen
einzusteigen. Im Vordergrund standen ersichtlich die teilweise Nutzung eines schon
eingerichteten Abflugverfahrens und die Vermeidung von Neubelastungen, ohne
weitere Prüfung der damit verbundenen Mehrbelastungen für die betroffenen Gebiete.
Wenn in einer solchen Konstellation unmittelbar nach Inkrafttreten der Route
Bürgerprostete erfolgen, besteht - auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG und Fragen der
Selbstbindung - ein hinreichend sachlicher Grund, die erfolgte Entscheidung zu
überdenken und dabei den Aspekt, Neubelastungen bisher nicht von Fluglärm
betroffener Gebiete zu vermeiden, in Frage zu stellen und gegebenenfalls zugunsten
von Überlegungen zu einer angemessenen Lärmlastenverteilung zurückzustellen. Die
Festlegung der neuen MODRU-Route für Abflüge nach Südwesteuropa anstelle der
weiteren Inanspruchnahme der Nordrouten stellt sich auch im Übrigen als sachgerechte,
die Rechte der Kläger hinreichend berücksichtigende Entscheidung dar. Es entsprach
dem weiten Gestaltungsspielraum der Beklagten, sich bei der gegebenen
Ausgangslage dafür zu entscheiden, die Lärmlast von etwa 50 % der Abflüge nach
Westen angemessen auf die Nordroute und eine neu zu verordnende Strecke zu
verteilen und dabei in Kauf zu nehmen, dass sich eine solche Verteilung zwangsläufig
im Bereich bis 4 NM - mangels anderer Möglichkeiten - nur durch eine erneute höhere
Lärmbetroffenheit der Anwohner im Anfangsbereich der früheren NOR-Route
verwirklichen lässt. Dies gilt zumal auch mit Blick auf die im Abschlussbericht
angeführten flugbetrieblichen und flugsicherungstechnischen Vorteile der Route, wie
etwa die der geringeren Winkeldifferenz im Verhältnis zum Kurvenflug auf der Nordroute
(unter 2.1.) und die so knapp bemessene Streckenlänge, dass ein vorzeitiges Abdrehen
von der Standardstrecke in Richtung Funkfeuer MODRU nur in seltenen Fällen
stattfinden kann (unter 4.2.). Dass damit flugsicherungstechnische und flugbetriebliche
Vorteile ansgesprochen sind, lässt sich ohne weiteres nachvollziehen. Es erscheint
plausibel, dass bei einem längeren Geradeausflug und einer entfernteren Kurve im
Grundsatz eine geringere Abweichung von der Ideallinie zu erwarten steht und schon
mit Blick auf die Vorhersehbarkeit des Fluggeschehens flugsicherungstechnisch ein
Interesse daran besteht, Abflüge möglichst lange auf vorgegebenen Strecken zu führen.
Den Anwohnern im Anfangsbereich der früheren NOR-Route ist es auch unter
Berücksichtigung des § 29b Abs. 2 LufVG zuzumuten, die mit der erneuten höheren
Belegung dieses Routenabschnittes verbundene Fluglärmbelastungen hinzunehmen.
Das gilt auch gegenüber dem Umstand, dass sich für die weitere Belegung der
Nordroute ebenfalls sachliche Gründe anführen ließen und diese letztlich unter
Lärmschutzgesichtspunkten möglicherweise ebenfalls eine tragfähige Lösung darstellte,
dann nämlich, wenn man den Aspekt, keine Neubetroffenheiten zu schaffen, oder eine
Entlastung der Anwohner im Anfangsbereich der NOR-Route - also in Büderich - in den
Vordergrund gestellt hätte.
Entgegen der Auffassung der Kläger spricht nichts dafür, dass die für die Wahl der
verordneten MODRU-Route namentlich im Abschlussbericht der DFS angeführten
Überlegungen (kein Konfliktpotential mit anderen Strecken, Streckenlänge entspricht
der Anforderung, Rückführung der Verkehrsmenge im Sinne des Beschlusses der
Fluglärmkommission 5/2001 auf die alte NOR-Route jedenfalls bis Kaarst, geringe
Winkeldifferenz im Bereich des ersten Kurvenflugs, nach Meerbusch-Büderich kein
62
direkter Überflug von dichtbesiedeltem Gebiet für 9 NM Flugweg durch größtmögliche
Nutzung des unbebauten Freiraums zwischen Willich und Osterath, Annäherung an
Sankt Tönis und Krefeld-West erst nach 11 NM Flugweg) nur vorgeschoben und -
unsachlich - andere Ziele verfolgt worden sind.
Konkrete Anhaltspunkte, welche anderen Gründe als die angeführten für die verfügte
MODRU-Route ausschlaggebend gewesen sein sollten, werden von den Klägern nicht
angeführt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Für die im Vorfeld der Routenverlegung
geäußerte Vermutung, entscheidend sei der Wunsch des Flughafens gewesen, die
Kapazität zu erhöhen, spricht nichts. Die Ausführungen der DFS gegenüber der
Fluglärmkommission im Schreiben vom 5. Februar 2003 leuchten unmittelbar ein. Eine
optimale Nutzung der Abflugkapazität bei einer gleichmäßigen Verteilung der Abflüge in
Richtung LMA, RKN (= Nordroute) und GMH (= Südost, zunächst identisch mit NOR) ist
nachvollziehbar. Davon ausgehend würde sich die Führung der Abflüge nach
Südwesteuropa über die Nordroute als das zweitbeste Modell darstellen, während die
MODRU-Route sich, zumal mit Blick auf die Kreuzung mit der LMA-Route im Bereich St.
Tönis, auf die Kapazität eher negativ auswirken würde.
63
Auch sonst fehlen durchgreifende Indizien, dass im Vordergrund andere - unsachliche -
Erwägungen gestanden haben. Das Heranziehen des Beschlusses 05/2001 der
Fluglärmkommission deutet darauf ebenso wenig wie die von den Klägern als gering
erachteten Lärmbelastungen in Lank-Latum, Wittlaer, Serm und Mündelheim. Die
Fluglärmkommission hat sich mit Beschluss 05/2001 für eine Rückverlegung der
Abflüge nach Südwesteuropa auf die bisherige Route ausgesprochen. Diese
Empfehlung zielte erkennbar auf die Entlastung der Anwohner im Einwirkungsbereich
der Nordroute und zeigt zugleich, dass die Fluglärmkommission keine durchgreifenden
Gründe gesehen hat, die von der bisherigen Routenführung betroffenen Anwohner in
den Bereichen Büderich, Neuss und Kaarst zu entlasten. Die Empfehlung der
Fluglärmkommission ist im Übrigen ohne weiteres auch im Rahmen der Wahl zwischen
zwei unter Lärmverteilungsgesichtspunkten gleichermaßen in Betracht kommenden
Routen ein Umstand, der grundsätzlich sachgerecht in die Entscheidungsfindung
eingestellt werden kann. Dies ergibt sich schon aus ihrer Aufgabenstellung nach § 32b
LuftVG, die DFS über Maßnahmen des Lärmschutzes zu beraten. Die Einrichtung der
Fluglärmkommission und ihre Aufgabenstellung ist - wie ihre gesetzlich vorgesehene
regelmäßige Zusammensetzung zeigt - von der Vorstellung getragen, durch Einbindung
der Vertreter der verschiedenen widerstreitenden Interessen in einen gemeinsamen
Meinungsbildungsprozess über Maßnahmen zum Schutz vor Fluglärm, möglichst
konsensfähige, die verschiedenen Interessen berücksichtigende Lösungen zu
erreichen. Die Bedeutung, die der Gesetzgeber den Vorschlägen der
Fluglärmkommission beimisst, zeigt sich auch daran, dass die DFS verpflichtet ist,
sofern sie die vorgeschlagene Maßnahme für nicht geeignet oder für nicht durchführbar
hält, dies der Kommission unter Angabe der Gründe mitzuteilen (§ 32b Abs. 3 Satz 2
LuftVG).
64
Entgegen der Auffassung der Kläger bieten auch die in Lank-Latum, Wittlaer, Serm und
Mündelheim durch die Messstellen der Flughafengesellschaft in den Jahren 2001 bis
2003 gemessenen Belastungen keine tragfähigen Indizien, dass das Bemühen um
einen angemessenen Lärmlastenausgleich nur vorgeschoben gewesen wäre. Zugleich
ist - unter Willkürgesichtspunkten - nichts dagegen einzuwenden, dass das
Luftfahrtbundesamt diese Lärmbelastungen als im Rahmen einer Entscheidung
zwischen zwei möglichen Flugrouten beachtenswert erachtet hat. Dabei ist unerheblich,
65
dass die gemessenen Belastungen etwa in Lank-Latum in den Jahren 2001 bis 2003
am Messpunkt 6 eine Abnahme des für die sechs verkehrsreichsten Monaten gebildeten
äquivalenten Dauerschallpegels von Leq (4) = 55,5 auf Leq (4) = 40,9 dB(A) ergeben
haben. Dabei mag der Wert unter dem des Jahres 2000 gelegen haben. Der Schluss,
dass sich die Betroffenheiten damit minimiert hätten und der Aspekt eines
angemessenen Lärmlastenausgleichs nur vorgeschoben gewesen sein könne,
rechtfertigt sich daraus nicht. Denn auch wenn die Abnahme des Dauerschallpegels
zugleich auf eine Reduzierung der Anzahl der Überflüge im Absoluten deuten sollte,
behielt die Ausgangsfrage, ob aus Anlass des Wegfalls der NOR-Routen für Abflüge
nach Südwesteuropa die Anwohner der Nordroute mit 50 % der Abflüge statt wie bisher
mit ca. 20 bis 30 % belastet werden soll, oder ob diese Flüge aus Gründen einer
gleichmäßigen Lärmverteilung anderweitig geführt werden sollten, ihre Berechtigung.
Dagegen, dass das Luftfahrt- Bundesamt bei Erlass der Verordnung die Entwicklung in
Lank-Latum nicht im Blick gehabt hätte, spricht schon der ausdrückliche Hinweis im
Abschlussbericht der DFS, dass mit Blick auf die zwischenzeitliche Optimierung der
Routenführung die dortigen Belastungen unter denen vor 1999 lägen.
Die Entscheidung des Luftfahrt-Bundesamtes gründete auch auf einer hinreichend
sicheren Tatsachengrundlage. Dafür, dass die DFS dem Luftfahrt- Bundesamt
entscheidungserhebliches Material nicht vorgelegt hat, fehlt jeder Anhalt. Die von den
Klägern in diesem Zusammenhang angeführten Beispiele geben hierfür nichts her. Das
gilt etwa für das im Verfahren zu I. geltend gemachte Fehlen eines Auszugs aus dem
Protokoll der 71. Sitzung der Fluglärmkommission am 2. Dezember 2002, zumal die
darin zum Ausdruck kommende - von dem Kläger als entscheidungserheblich erachtete
- Forderung der Bezirksregierung E. nach einem weiteren Lärmgutachten sich auch aus
dem Protokoll über die Sondersitzung der Fluglärmkommission am 17. Juni 2002 ergab,
das dem Luftfahrt-Bundesamt vorlag. Des weiteren mag die mit der Klageschrift in dem
Verfahren zu IV. vorgelegte Anlage zur Niederschrift der Sondersitzung der
Fluglärmkommission am 17. Juni 2002 belegen, dass im Rahmen der Diskussion der
Lärmbetroffenheiten immer auch schon Bevölkerungszahlen diskutiert worden sind. Die
Nichtvorlage dieser Anlage deutet aber keineswegs darauf, dass dem Luftfahrt-
Bundesamt - bewusst oder unbewusst - entscheidungserhebliche Aspekte, die gegen
die neue Routenführung gesprochen hätten, vorenthalten worden wären. Die
Diskussion über Bevölkerungszahlen ergibt sich hinreichend aus den vorgelegten
Unterlagen.
66
Das vorliegende Kartenmaterial, die Messergebnisse und die Auswertung des
Testbetriebes boten hinreichend sachlichen Anhalt für die Annahme, dass die gewählte
MODRU-Route eine angemessene, die Belange der betroffenen Anwohner hinreichend
berücksichtigende Lärmverteilung darstellt, insbesondere auch im Verhältnis zur
zwischenzeitlich genutzten Alternative, die Abflüge zum Funkfeuer MODRU eingangs
über die Nordroute und dann erst nach Südwesten zu führen.
67
Die in Rede stehenden Lärmbelastungen der Betroffenen waren hinreichend ableitbar.
Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die abwägende Entscheidung über die
Streckenführung, gerade auch was Lärmbetroffenheiten angeht, keine eingehende
Sachverhaltsermittlung erfordert, sondern eine generalisierende Betrachtungsweise
ausreicht.
68
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 -, a.a.O.
69
Davon ausgehend waren insbesondere die vorgelegten Karten hinreichend
aussagekräftig. Sie gaben angemessenen Aufschluss über die Siedlungsstruktur in den
fraglichen Gebieten, auch wenn auf den Karten nicht jede Erweiterung des
Bebauungszusammenhangs bis Juli 2003 erfasst war, wie etwa die in Krefeld- Fischeln.
Die DFS arbeitet mit den aktuellsten topographischen Karten des
Landesvermessungsamtes. Die Aufstellung der Karten hat notwendig einen gewissen
zeitlichen Vorlauf. Vorbehaltlich von Besonderheiten, für die hier nichts spricht, ist es
nicht zu beanstanden, wenn von einer gleichmäßigen Entwicklung der Ausbreitung von
Bebauungszusammenhängen im Einzugsbereich alternativer Routen ausgegangen
wird.
70
Da eine generalisierende Betrachtungsweise ausreicht, ist entgegen der Ansicht
insbesondere der Klägerinnen zu II. und III. jedenfalls bei Beachtung der Entfernung der
Gemeindegebiete vom Flughafen nichts dagegen zu erinnern, dass die vorgelegten
Karten keine Hinweise auf besonders schutzwürdige Einrichtungen, wie
Krankenhäuser, enthielten.
71
Auf der Grundlage des vorliegenden aussagekräftigen Kartenmaterials erscheint die
vom Luftfahrt-Bundesamt in den Vordergrund seiner Abwägung der Lärmbetroffenheiten
gestellte Einschätzung, dass die gewählte Routenführung bei großflächiger Betrachtung
insgesamt zu einer gleichmäßigen und angemessenen Lärmverteilung führt, vertretbar.
Im Bereich 0 bis 4 NM der Flugstrecke wird bei der MODRU-Route zwar dicht
besiedeltes Gebiet (Büderich) überflogen, was dort eine Rückführung auf den Zustand
von 1999 bedeutet und zu Lärmbelastungen führt, die absolut gesehen über denen in
Lank-Latum liegen. Im Anschluss erfolgt indes auf der Ideallinie zunächst kein weiterer
direkter Überflug dicht besiedelter Ortslagen. Der Korridor zwischen den Ortskernen
Willich und Osterath wird eingehalten. Die Route erreicht erst bei 9 NM wieder
besiedeltes Gebiet. Nach 13 NM wird nurmehr sehr dünn besiedeltes Gebiet überflogen.
Demgegenüber führt die Nordroute im Bereich 4 bis 9 NM über besiedeltes Gebiet, und
zwar unmittelbar über Siedlungsgebiete von Lank-Latum, Mündelheim und Ehingen. Es
leuchtet ohne weiteres ein, dass hier Lärmeinwirkungen in Rede standen und stehen,
welche die Lärmeinwirkungen im Vergleich zu denen überschreiten, die in den seitlich
der strittigen Route liegenden dicht besiedelten Gebieten der Ortsteile Willich und
Osterath in jenem Streckenabschnitt zu erwarten standen. Dies schon mit Blick auf den
Umstand, dass der bei Nutzung der Nordroute geflogene Kurvenbereich einen nur
geringen Steigflug ermöglicht und die Vorbelastung durch die bereits vorhandene und
verbleibende Belegung der Nordroute mit 20 bis 25 % der Abflüge nach Westen mit
Zielrichtung Nordeuropa bestand. Eine weitere Optimierung der Nordroute war
ausgereizt. Eine im Juli 2000 verordnete Ostverlagerung mit dem Ziel Lank-Latum zu
entlasten, war im November 2000 aus gewichtigen betriebstechnischen Gründen
zurückgenommen worden. Der Umstand, dass sich die MODRU-Route in einem
vergleichbar entfernten Streckenabschnitt dem Rand von Kaarst nördlich der Autobahn
nähert, deutet ebenso wenig auf etwas anderes, wie der Umstand, dass die Route
zwischen 6 und 7 NM über Willich-Hardt führt, den westlichen Rand des
Gemeindegebietes von Osterath schneidet und über die Ortschaft Heide führt, da jeweils
kein dicht besiedeltes Gebiet betroffen ist. Schließlich spricht nichts dagegen, dass das
Luftfahrt-Bundesamt auch in den Blick genommen hat, dass bei der Inanspruchnahme
der Nordroute nach 13 NM wieder dicht besiedeltes Gebiet überflogen worden ist, zumal
es auch von dort Beschwerden gegeben hatte.
72
Das von der Stadt Meerbusch in Auftrag gegebene Gutachten der B. GmbH vom 12.
73
Juni 2002 belegt die Vertretbarkeit der eingestellten Erwägungen ebenfalls. Zugleich
zeigt es das Ausmaß der in Rede stehenden Betroffenheiten in den einzelnen Ortsteilen
von Meerbusch hinlänglich auf. Es führt aus, dass sich bei der alternativen Abflugroute
MODRU-X - der jetzt angegriffenen Route - gegenüber dem bisherigen Flugbetrieb über
die Nordroute eine Reduktion der tagsüber mit einem Beurteilungspegel von 50 dB(A)
belasteten Flächen um etwa 13 % ergebe. Das mit einem Beurteilungspegel von über
60 dB(A) belastete Gebiet vergrößere sich dagegen um 25 %. Auch was die Anzahl der
Lärmereignisse in sechs Monaten angeht zeichnet das Gutachten eine deutliche
Reduzierung für Lank-Latum in einem Bereich von 70 bis 75 dB(A) vor, und zwar um
etwa 40 % von über 10.000 Ereignissen auf etwas über 6.000. Im Bereich 65 bis 75
dB(A) ist der Verbleib von ca. 4.000 Ereignissen prognostiziert. Für Osterath-Süd sind
Lärmereignisse in dieser Größenordnung als minimal prognostiziert. Für den Bereich 65
bis 75 dB(A) ist eine erstmalige Belastung durch 1.000 Ereignisse und für den Bereich
60 bis 65 dB(A) von etwas über 4.000 angesetzt. Für Büderich ist eine minimale
Erhöhung für den Bereich 90 bis 95 dB(A) erwartet. Unverändert bleiben die Bereiche
80 bis 85 dB(A) und 70 bis 75 dB(A). Für den Bereich der Maximalpegel von 75 bis 80
dB(A) ist allerdings eine Erhöhung von über 14.000 auf 19.000 in den sechs
verkehrsreichsten Monaten vorgezeichnet.
Das Fehlen konkreter Bevölkerungszahlen schadet nicht. Bei der allein gebotenen
generalisierenden Betrachtungsweise lassen die aktuellen Karten, namentlich die
visuellen Hervorhebungen auf den dem Luftfahrt-Bundesamt im Juni 2003 von der DFS
vorgelegten Karten eine hinreichende Abschätzung zu, dass das im Vorfeld der
Entscheidung des Luftfahrt-Bundesamtes von Anwohnern der neuen MODRU-Route in
den Raum gestellte zahlenmäßige Verhältnis der entlasteten (51.000) zu den belasteten
(230.000) Einwohnern nicht haltbar ist. An der Aussagekraft dieser Karten und ihrer
visuellen Hervorhebungen hat der Senat keine Zweifel. Davon, dass hier bewusst zum
Zwecke der Täuschung Betroffenheiten einzelner Gebiete nicht angeführt oder fehlerhaft
gekennzeichnet worden seien, kann keine Rede sein. Kaarst und Büderich sind auf der
Karte eingezeichnet. Eine Hervorhebung unterblieb mit Blick auf die - im Grundsatz
zutreffende - Überlegung, dass dort bei Einbeziehung der aufgegebenen NOR-Route in
die Betrachtung keine Neubelastungen in Rede stehen.
74
Die Modellrechnung der Kläger über die betroffenen und entlasteten Einwohner führt auf
keine andere Bewertung. Die Überlegungen der Kläger sind von einer kleinflächigen
Betrachtung einzelner Lärmkonstellationen geprägt und blenden zudem den
entscheidenden Aspekt gänzlich aus, dass auf der Nordroute auch nach Verlegung der
Abflüge nach Südwesteuropa ca. 25 bis 30 % der Abflüge vom Flughafen in Richtung
Westen abgewickelt werden. Es geht in jenen Bereichen um eine zusätzliche
Betroffenheit von etwa 20 % der Abflüge. Insoweit unterliegt es - wie bereits ausgeführt -
dem weiten Gestaltungsspielraum des Luftfahrt-Bundesamtes, welchen Schwerpunkt es
bei der Lärmlastenverteilung in den Vordergrund stellt, den eines Lärmlastenausgleichs
unter Inkaufnahme der stärkeren Belegung des Anfangsbereichs der früheren NOR-
Route bis kurz vor das BAB-Kreuz Kaarst oder den erstmaligen Belastungen zu
vermeiden und die Nordroute höher zu frequentieren.
75
Eines Rückgriffs auf die Ergebnisse der im Vorfeld der Verordnung durchgeführten
NIROS-Berechnungen bedarf es nicht. Sie lassen sich im Übrigen schon angesichts der
fehlenden Erläuterung der Eingangsdaten nicht weiter nachvollziehen. Die Verordnung
ist auch nicht auf diese Werte gestützt. Deshalb kann auch auf sich beruhen, ob sie im
Sinne der Behauptung der Kläger in den Verfahren zu I. und IV. unter einem
76
schwerwiegenden Mangel leiden und insbesondere nicht vollständig angewandt
worden sind. Entsprechend wird der auf diese Behauptung gerichtete Hilfsbeweisantrag
zu 1. als unerheblich abgelehnt.
Anhaltspunkte, dass weitergehende Belastungen oder Belange von Anwohnern nicht
hinreichend erkannt und eingestellt worden sind, fehlen. Solche ergeben sich
ungeachtet der Frage möglicher Relevanz im vorliegenden Zusammenhang aus den
Festsetzungen des Landesentwicklungsplans "Schutz vor Fluglärm" vom 17. August
1998 - GV NRW S. 512 - schon deshalb nicht, weil mit der gewählten Route keine
Lärmbetroffenheiten ausgelöst werden, die mit den dortigen Feststellungen nicht
übereinstimmten. Der Umstand, dass die bisherige Führung über die Nordroute ebenso
mit den Festsetzungen übereinstimmte, zeichnete nicht etwa deren Vorzugswürdigkeit
auf.
77
Dafür, dass einzelne Lärmbetroffenheiten etwa in Neuss und Kaarst oder Krefeld von
dem Luftfahrt-Bundesamt in die Abwägung nicht einmal eingestellt worden sind, spricht
nichts. Den vorliegenden Unterlagen ist zu entnehmen, dass gerade auch zu diesen
Bereichen Werte erhoben und im Vorfeld der Entschließung Erwägungen angestellt
worden sind. Es lässt sich auch ausschließen, dass das Luftfahrt- Bundesamt die
Größenordnung der in Rede stehenden Belastungen in einer Weise verkannt hat, die für
die Frage der Zumutbarkeit von Bedeutung wäre. Dies gilt nicht zuletzt auch vor dem
Hintergrund der Ergebnisse der aus Anlass des Testbetriebes u. a. an Messstellen in
Kaarst und Krefeld durchgeführten Lärmmessungen. Die Anhebung der Messschwelle
an der Messstelle in Kaarst auf 59 dB(A) ist dabei mit der Hintergrundbelastung durch
die Autobahn überzeugend begründet.
78
Dass die Belange vom Luftfahrt-Bundesamt als Verordnungsgeber im Ergebnis nicht als
durchgreifend relevant eingestuft und die Lärmschutzbelange der Anwohner der
Nordroute vorgezogen worden sind, führt für sich auf keine Verletzung der Rechte der
Kläger in jenen Bereichen. Im Übrigen sind die diesbezüglichen Erwägungen der
Kläger, insbesondere auch was die Rüge angeht, dass die Belastungen in Neuss und
Kaarst mit keiner vergleichbaren Entlastungen auf der Nordroute korrespondiere,
ebenfalls Ausdruck einer Betrachtung kleinräumiger Lärmwirkungen ist, die nicht
geeignet ist zu begründen, warum das Luftfahrt- Bundesamt gehalten gewesen wäre,
von dieser Routenführung Abstand zu nehmen.
79
Auch im Hinblick auf die einzustellenden Belastungen in Büderich fehlt jeder Anhalt,
dass das Luftfahrt-Bundesamt in tatsächlicher Hinsicht von einem unzutreffenden
Sachverhalt ausgegangen wäre. Es lässt sich ausschließen, dass sich das Luftfahrt-
Bundesamt über Art und Umfang der in Büderich bei einer Rückkehr zu einer
Teilstrecke der ursprünglichen NOR-Route zu erwartenden zusätzlichen
Lärmeinwirkungen geirrt haben könnte. Die im Vordergrund stehende Erwägung, dass
die Lärmbelastungen in Büderich mit Einführung der MODRU X- Route auf das Maß von
1999 zurückgeführt würden, deutet hierauf nicht. Vielmehr war bekannt und den dem
Luftfahrt-Bundesamt vorliegenden Unterlagen und Karten ohne weiteres zu entnehmen,
dass in Büderich Lärmbelastungen durch Fluglärm bereits bis Ende 2000 in einem ganz
beträchtlichen Umfang bestanden hatten. Laut Aufstellung in der Tischvorlage der DFS
für die 70. Sitzung der Fluglärmkommission hatte der Äquivalente Dauerschallpegel Leq
(4) (nach Fluglärmgesetz) der sechs verkehrsreichsten Monate für die Messstelle in
Büderich (MP 2) im Jahre 2000 61,8 dB(A) betragen. Dieser hatte sich nach der
Entlastung von den Abflügen nach Südeuropa im Jahre 2001 um 1,3 dB(A) reduziert
80
und betrug danach noch 60,5 dB(A). Es lagen auch hinlänglich aussagekräftige Zahlen
über die bei Einführung der jetzt verordneten MODRU-Route zu erwartenden
(zusätzlichen) Überflüge vor. Es ging um ca. 20 % der Abflüge vom Flughafen in
westlicher Richtung mit Ziel Südwesteuropa. Dies ließ nach dem von der Stadt
Meerbusch in Auftrag gegebenen Gutachten der Firma B. vom 12. Juni 2002 eine
Zunahme der Fluglärmereignisse mit Maximalpegel zwischen 75 bis 80 dB(A) um 30 %
bzw. etwas über 4000 Überflüge erwarten. Dass damit - die gebotene generalisierende
Betrachtungsweise zugrundegelegt - die Lärmsituation der aus Büderich stammenden
Kläger hinreichend erfasst worden ist, wird auch von den Klägern nicht ernsthaft in
Abrede gestellt.
Schließlich ist rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass das Luftfahrt- Bundesamt die
danach in ihrem tatsächlichen Ausmaß durchaus zutreffend erkannten Lärminteressen
der Anwohner der neuen Route zurückgestellt und den Schwerpunkt auf eine
großflächige Betrachtungsweise legend in der strittigen MODRU-Route ein unter dem
Aspekt einer gleichmäßigen Lärmlastenverteilung gegenüber der alternativen
Festlegung der Flugstrecke über die Nordroute vorzugswürdige Alternative gesehen hat.
81
Das Luftfahrt-Bundesamt hat dabei den durch § 29b Abs. 2 LuftVG vorgegebenen
Rahmen jedenfalls im Ergebnis nicht verkannt. Dieser zeichnete weder die
Entscheidung für die Beibehaltung der Routenführung über die Nordrouten vor, noch
erforderte er eine weitergehende Rechtfertigung, warum die Nordroute nicht als unter
Lärmverteilungsgesichtspunkten angemessene Route angesehen und ausgewählt
(bzw. beibehalten) worden ist. Insbesondere ist keine Situation gegeben, in der nur
sicherheitsbezogene Erwägungen von Gewicht die Festlegung der MODRU-Route
hätten rechtfertigen können.
82
Die MODRU-Route führt in keinem der hier streitigen Gebiete zu unzumutbaren
Lärmbelastungen i.S.d. § 29b Abs. 2 LuftVG, jedenfalls nicht zu solchen, die im Sinne
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Entscheidung zwingend
vorgezeichnet, oder sonst eine weitergehende Rechtfertigung erfordert hätte. Die
Verpflichtung aus § 29b Abs. 2 LuftVG, auf den Schutz der Bevölkerung vor
unzumutbarem Lärm hinzuwirken, knüpft an den auch im luftrechtlichen
Zulassungsrecht und im sonstigen Luftrecht als unzumutbar zu bewertenden Fluglärm
an. Die einfachgesetzliche Grenzlinie der "Unzumutbarkeit" ist in § 29b Abs. 2 LuftVG
nicht anders zu ziehen als im Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Satz 3 LuftVG und
im luftverkehrsrechtlichen Planungsrecht. Insbesondere ist die Vorschrift - wie das
Bundesverwaltungsgericht u.a. in seinem Urteil vom 24. Juni 2004 - 4 C 15/03 - betont
hat - entgegen der Auffassung des Vertreters des Luftfahrt- Bundesamtes in der
mündlichen Verhandlung nicht auf die Abwehr etwaiger Gesundheitsgefährdungen
zugeschnitten.
83
Was im Einzelfall an Fluglärm unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten danach noch
zumutbar ist, kann nicht in einem allgemeingültigen Messwert ausgedrückt werden. Es
bestimmt sich vielmehr durch eine auf das konkrete Objekt bezogene und durch
Inbezugsetzung zu den Belangen der Allgemeinheit wie des Betreibers der
Verkehrsanlage relativierte Gewichtung der Interessen.
84
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332.
85
Dabei wird man im Zusammenhang mit der Festlegung von Flugrouten wegen der
86
angeführten Besonderheiten auch hier keine parzellenscharfe Ermittlung und
Bewertung sondern eine generalisierende Betrachtung und Bewertung zugrunde legen
müssen, so dass es auf Besonderheiten einzelner Kläger im Grundsatzsatz nicht
ankommen kann. Dies betrifft z.B. die Klägerin zu IV. 5., die geltend macht, an ihrem
Haus könne eine Dämmung nicht vorgenommen werden.
Für die Bewertung, was danach an Fluglärm zumutbar ist, bieten die präventiven
Richtwerte der "Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept bei wesentlichen Änderungen
oder Neuanlagen von Flughäfen/Flugplätzen" von Griefahn, Jansen, Scheuch und
Spreng, Stand: Februar 2002 [ZfL 49 (202)] - im weiteren: Synopse - einen gewichtigen
Anhalt. Sie sind auch unter den Verhältnisses am Flughafen Düsseldorf ohne weiteres
sachlich verwertbar.
87
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2004 -, 20 D 134/00.AK u.a.
88
Danach ist im Grundsatz ein Wert tags von Leq (3) = 62 dB(A) als Grenze zur
erheblichen, nicht ohne weiteres und ohne flankierende Maßnahmen im Sinne des § 9
Abs. 2 LuftVG zumutbare Fluglärmbelastung anzuerkennen. Dieser Wert ist in der
Synopse (a.a.O. S. 175) als präventiver Richtwert zur Vermeidung erheblicher
Belästigungen genannt und soll als zentraler Beurteilungswert aus medizinischer,
psychologischer und sozialwissenschaftlicher Sicht neben den
Gesundheitsbeeinträchtigungen auch die kritischen Toleranzwerte für Kommunikation
außen und Rekreation abdecken. Dafür, dass diese Werte in Gebieten jenseits der
früheren Streckenführung über die NOR-Route, d.h. ab dem BAB-Kreuz Kaarst auch nur
annähernd erreicht werden, spricht schlechthin nichts. Das wird auch von den Klägern
nicht anders behauptet.
89
Besonderheiten in jenen Bereichen, die eine abweichende Bewertung der
Lärmbelastungen als unzumutbar erfordern, sind auch sonst nicht ersichtlich.
90
Der Umstand, dass etwa im Gemeindegebiet der Klägerinnen zu II., III und IV.27.
öffentliche Einrichtungen betroffen sind, wie Krankenhäuser, führt zu keinen
Besonderheiten. Stellt man den Schallschutz durch die Umbauung ein (15 dB(A) bei
geöffnetem/gekipptem Fenster, bis zu 30 dB(A) bei geschlossenem Fenster) dürften die
in der Synopse für besonders schutzwürdige Bereiche angegebene Bereiche z.B.
Krankenhäuser und Kindergärten (Leq (3) = 36 dB(A) auf dem Gemeindegebiet der
klagenden Gemeinden durch die angegriffene Flugroute längst nicht erreicht werden.
Der Hinweis auf die DIN 18005 und den Umstand, dass die städtebaulichen
Beurteilungswerte für reine Wohngebiete überschritten seien, verfängt in diesem
Zusammenhang ebenfalls nicht. Bei den darin genannten Werten handelt es sich um
städtebauliche Orientierungs- oder Anhaltswerte, in denen Anforderungen an den
wünschbaren baulichen Schallschutz in Abhängigkeit von einer vorgegebenen
Schallbelastungen formuliert werden. Das bloße Eingreifen der DIN 18005 führt nicht
schon auf einen erheblichen Eingriff in die Planungshoheit betroffener Gemeinden,
zumal bei den für die Gemeindegebiete der Klägerinnen zu II., III. und IV.27. in Rede
stehenden Lärmwerten.
91
Besonderheiten ergeben sich für den Bereich jenseits des Kaarster Kreuzes auch nicht
aus dem Lärmschutzkonzept in der aktuellen, bereits im Zeitpunkt der erstmaligen
Verordnung des streitigen Abflugverfahrens erteilten Betriebsgenehmigung des
Flughafens für das Parallelbahnsystem vom 21. September 2000 in der Fassung der
92
Änderungsgenehmigung vom 5. Juni 2003, worin die Grenze der von den Anwohnern
des Flughafens nicht ohne Ausgleich hinzunehmende Fluglärms bereits bei Leq (3) = 60
dB(A) angesetzt ist. Allerdings handelt es sich bei dem jeweils aktuellen
Lärmschutzkonzept eines Flughafens um einen Umstand, der bei der Betrachtung
einzustellen ist, ob unter planungsrechtlichen Gesichtpunkten im Rahmen der
Festlegung von Flugverfahren unzumutbare Lärmeinwirkungen zu erwarten stehen, die
nach § 29b Abs. 2 LuftVG im Rahmen des Machbaren zu vermeiden sind. Der Umstand,
dass ein solches Lärmschutzkonzept auf einer planerischen Entscheidung der
Landesbehörde beruht, ist entgegen der Ansicht des Luftfahrt-Bundesamtes
unerheblich. Die Frage, was an Fluglärm planungsrechtlich aktuell zumutbar ist,
erfordert - wie ausgeführt - eine objektbezogene Interessenbewertung. Bei dieser gilt es
namentlich auch den Umfang der bestehenden und zulässigen Nutzung des Flughafens
zu beachten. Diese bestimmt die einzubeziehenden Interessen des Betreibers
einerseits, prägt aber zugleich auch die Interessen der im Einwirkungsbereich des
Flughafens betroffenen Anwohner und deren Grundstücke. Insoweit ist aus den
Grenzwerten des Lärmschutzkonzeptes, dem ein Flughafenbetreiber aufgrund der
Entscheidung der Genehmigungsbehörde unterliegt, vorbehaltlich einer Änderung
dieses Konzeptes, das abzuleiten, was Anwohner unter planungsrechtlicher Sicht -
ohne Ausgleich - hinzunehmen haben. Einer Vertiefung bedürfen diese Überlegungen
hier aber nicht, da der danach kritische Wert von Leq (3) = 60 dB(A) in jenen Bereichen
jenseits des BAB-Kreuzes Kaarst ebenfalls nicht erreicht werden.
In den Gebieten, die schon bei der früheren Streckenführung mit Flugverkehr nach
Südwesteuropa belastet waren, stand demgegenüber schon bei der Verordnung des
streitigen Abflugverfahrens zu erwarten, dass die kritischen Werte der Synopse und
auch der kritische Wert des - vom Flughafenbetreiber akzeptierten -
Lärmschutzkonzeptes aus der bereits genannten und im Juli 2003 bereits erteilten
aktuellen Betriebsgenehmigung erreicht bzw. - soweit schon zuvor erreicht - weiter
überschritten würden. Dies erschließt sich schon aus den Ergebnissen der Messungen
am Messpunkt in Büderich in den Jahren 2000 und 2001. Dabei geben die in jener
Betriebsgenehmigung - Fassung der Änderung im ergänzenden Verfahren - in der Karte
3 gekennzeichneten Kurven der Tagesschutzzone, die durch Bestimmung einer
Lärmkontur nach Leq (3) = 60 dB(A) gebildet worden ist, und einer Zone durch
Bestimmung einer Lärmkontur nach Leq (3) = 62 dB(A) den kritischen Bereich
hinreichend verlässlich wieder, weil die der Genehmigung zugrundeliegende
Lärmprognose auf der Grundlage der bis 2000 bestehenden Streckenführung erstellt
worden ist, d.h. die Führung des Südwestverkehrs über Büderich auf der NOR-Route
einschloss. Betroffen sind danach - bei der angezeigten generalisierenden
Betrachtungsweise - die Bereiche, in denen die Kläger zu wohnen. Die Kläger zu liegen
demgegenüber nach eigenen Angaben selbst noch außerhalb der in jener
Genehmigung gebildeten Tagesschutzzone Leq (3) = 60 dB(A). Auch die Kläger des
Verfahrens zu IV. haben zuletzt - wie der Hilfsbeweisantrag zu 2. zeigt - nur für die
dortigen Kläger zu , deren Grundstücke innerhalb der Lärmkonturen Leq (3) = 62 dB(A)
bzw. = 60 dB(A) liegen, geltend gemacht, dass der kritische Bereich der Synopse
erreicht werde. Dieser Beweisantrag ist ebenfalls abzulehnen, weil die behaupteten
Lärmbetroffenheiten unterstellt werden können. Sie führen auf kein Rechtsverletzungen
der Kläger.
93
Denn es gilt Besonderheiten zu berücksichtigen, die eine andere Bewertung erfordern
und dazu führen, dass die mit der angegriffenen Routenverlegung verbundenen
Lärmeinwirkungen in jenem Gebiet, in dem allenfalls mit kritischen Lärmwerten zu
94
rechnen war, letztlich hinzunehmen sind.
Zum einen greift der Aspekt der tatsächlichen Vorbelastung. Denn die neu festgesetzte
MODRU-Route führt - wie auch für Büderich im Übrigen sowie für Neuss und Kaarst - zu
keiner "neuen" - erstmaligen oder zusätzlichen - Belastung. Der Bereich ist bereits durch
die Verordnung mehrerer in diesem Streckenabschnitt identischer Abflugverfahren
belastet. Die insoweit vorhandene Route wird im Grunde nicht verändert, sondern nur in
der Auslastung erhöht. Die höhere Frequentierung ist ebenfalls nicht "neu", weil sie an
diejenige Nutzung anknüpft, die (noch) Ausgangspunkt auch der Neufestlegung im
Jahre 2003 war. Durch die zwischenzeitige Verlegung des Verkehrs auf die Nordroute
ist diese Belastung nicht endgültig beendet worden. Wie bereits angeführt, ist die neue
MODRU- Streckenführung nach dem sachlichen und - bezogen auf den Beginn der
Überlegungen - zeitlichen Zusammenhang das Ergebnis einer nachträglichen
Entscheidung dazu, wie die Streckenführung für westliche Abflüge nach Südwesteuropa
nach Wegfall der NOR-Routen in Zukunft zu erfolgen hat. Dies war auch hinlänglich
bekannt. Schutzwürdiges Vertrauen, dass es bei der Streckenverlegung blieb, konnte
sich nicht entwickeln. Unmittelbar nach Verlegung der Streckenführung für Abflüge nach
Südeuropa war es schon zu Bürgerprotesten im Einzugsbereich der Nordroute
gekommen. Bereits im Februar 2001 ist von Anwohnern beim erkennenden Gericht
Klage gegen die Routenfestlegung erhoben worden (20 D 15/01.AK). Im März 2001
sprach die Fluglärmkommission die Empfehlung aus, die seit November 2000
bestehende Führung des nach Südwesten orientierten Verkehrs über den Düsseldorfer
Norden rückgängig zu machen. Seither stand das Gesamtkonzept in der Diskussion.
Die Bürgerproteste sowie die Empfehlung der Fluglärmkommission haben,
insbesondere auch in den örtlichen Medien in Meerbusch, Verbreitung gefunden.
Deshalb ist letzthin auch zu vernachlässigen, dass einige Kläger ihre Objekte zu einer
Zeit erworben haben, als über Büderich nur etwa 50 % der Abflüge von Düsseldorf in
Richtung Westen abgewickelt wurden.
95
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Kläger zu in einem Gebiet mit (im
wesentlichen) bereits vorhandenem passiven Schallschutz wohnen. Sie liegen
innerhalb der auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 des Fluglärmgesetzes mit Verordnung
über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Flughafen Düsseldorf vom 4.
März 1974 (BGBl. I 1974, 658) festgesetzten Schutzzone 2 [Leq (4) = 67 dB(A)], die der
Festsetzung im LEP und zugleich der planfestgestellten Schutzzone 2 (Leq (4) = 67)
entspricht. Das Gebiet unterlag seither also schon entsprechenden Baubeschränkungen
(§§ 6 und 7 Fluglärmgesetz) und es bestanden auf der Grundlage des
Planfeststellungsbeschlusses vom 16. Dezember 1983 in der Fassung des
Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 18. November 1985 für Anwesen, die vor
der Festsetzung der Lärmschutzzone errichtet worden sind oder bauaufsichtlich
genehmigt worden waren, entsprechende Ausgleichsansprüche für bauliche
Schallschutzmaßnahmen (vgl. A. 2.1 ff. des Planfeststellungsbeschlusses). Mit der
Betriebsgenehmigung für das Parallelbahnsystem in der Fassung der
Änderungsgenehmigung vom 5. Juni 2003 ist der Kreis der Ausgleichsberechtigten
wesentlich erweitert worden durch Festlegung einer Tagesschutzzone durch
Bestimmung einer Lärmkontur nach Leq (3) = 60dB(A). Die Tagesschutzzone erfasst
den gesamten Streckenabschnitt bis zur ersten Kurve, der mit der früheren Route
identisch ist. Dabei ist - wie bereits ausgeführt - die der Genehmigung zugrundeliegende
Lärmprognose auf der Grundlage der bis 2000 bestehenden Streckenführung erstellt
worden. Letztlich realisiert sich also für die Kläger, die innerhalb jener Bereiche liegen,
im Grunde nur der Fluglärm in einer Höhe, wie er im Rahmen der aktuellen, zum
96
Zeitpunkt der erstmaligen Verordnung des angegriffenen Flugverfahrens bereits
erlassenen Betriebsgenehmigung des Flughafens für jene Bereiche prognostiziert und
damit im Grundsatz zugelassen worden ist.
Sind aber im Rahmen eines vorhandenen Lärmschutzkonzepts im
Planfeststellungsbeschluss oder der Betriebsgenehmigung eines Flughafens bereits für
bestimmte Gebiete im Nahbereich des Flughafens im Grundsatz planungsrechtlich
unzumutbare Lärmbelastungen prognostiziert und ein nach § 9 Abs. 2 LuftVG
erforderlicher Ausgleich für ansonsten unzumutbare Lärmbelastungen gewährleistet, so
ist der solchermaßen einen Ausgleich findende Fluglärm bei der Entscheidung über die
Lage von Flugrouten nach Maßgabe des § 29b Abs. 2 LuftVG regelmäßig nicht weiter
zu begründen als in den übrigen Fällen mit Lärmbetroffenheiten unterhalb der
Zumutbarkeitsschwelle. Er ist - weil von der aktuellen, von den Klägern nicht weiter
angegriffenen Betriebsgenehmigung im Konkreten schon so vorgesehen - von den
Anwohnern hinzunehmen.
97
Dabei kann nicht übersehen werden, dass die Norm - anders als in der Planfeststellung
- an die Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle nicht die Verpflichtung knüpft, einen
- vorrangig physisch-realen - Ausgleich zu schaffen. Vielmehr hält sie das Luftfahrt-
Bundesamt lediglich dazu an, auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem
Fluglärm "hinzuwirken" und billigt also, dass unter bestimmten Umständen selbst solche
Fluglärmbeeinträchtigungen ohne Ausgleich hinzunehmen sind, die
fachplanungsrechtlich ohne Ausgleich unzumutbar wären. Insoweit ist Rechtsschutz nur
gegenüber der Flughafengenehmigungsbehörde zu suchen.
98
Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 - und vom 28. Juni 2000 - 11 C
13.99 -, jeweils a.a.O.
99
Dieses Normverständnis führt zu dem Schluss, dass Fluglärmbeeinträchtigungen durch
die Festlegung von Flugverfahren im Nahbereich eines Flughafens, wie in Büderich, für
die planungs- bzw. genehmigungsrechtlich ein angemessener Ausgleich in physisch-
realer Weise erreicht ist bzw. die bereits im Lärmschutzkonzept des geltenden
Planfeststellungsbeschluss bzw. der aktuellen Betriebsgenehmigung zugrunde gelegt
worden sind und denen jedenfalls mit Bestandskraft der Zulassungsentscheidung
gegenüber den Betroffenen hinreichend Rechnung getragen wird, als zumutbar
anzusehen sind und keiner weitergehenden Rechtfertigung bedürfen.
100
Besonderheiten, die eine andere Bewertung gebieten würden, ergeben sich nicht. Es ist
nicht ersichtlich, dass der bestehende Lärmlastenausgleich für den Bereich Büderich
planungsrechtlichen Grundsätzen nicht (mehr) genügen würde. Der Senat hat den in der
genannten Änderungsgenehmigung getroffenen Lärmlastenausgleich gerade auch für
den kritischen Bereich in Büderich als ausreichend und die mit Blick auf die getroffenen
Ausgleichsregelungen prognostizierten Lärmbelastungen als planungsrechtlich
unbedenklich erachtet. Er hat festgestellt, dass die zugelassene Betriebsausweitung
nicht zu Belastungen führe, die der Umgebung nach dem Maßstab des § 9 Abs. 2
LuftVG unter Berücksichtigung der in den Auflagen jener Genehmigung verfügten
Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen nicht zugemutet werden dürfte.
101
OVG NRW, Urteil vom 12. Dezember 2004 - 20 D 134/00.AK u.a. -
102
Gründe für eine abweichende Bewertung sind nicht ersichtlich. Sie werden auch von
103
den Klägern nicht geltend gemacht. Sie haben das Lärmschutzkonzept hingenommen
und die Betriebsgenehmigung gerichtlich nicht angefochten. Auch sonst fehlt jeder
Anhalt, dass sich in Büderich entgegen der in dem Urteil des Senats vom 12. Dezember
2004 - 20 D 134/00.AK - zum Ausdruck gekommenen Einschätzung das in jenem Plan
aufgestellte Schutzziel, dass in der Regel innerhalb der Schutzzone in
Aufenthaltsräumen ein zulässiger Maximalpegel von 55 dB(A) eingehalten wird, unter
Berücksichtigung aller möglichen Schallschutzmaßnahmen bei sachlich gerechtfertigter
Pauschalierung nicht typischerweise verwirklichen ließe.
Überlegungen zu Betroffenheiten des Außenwohnbereichs führen auf keine andere
Bewertung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für Außenwohnbereiche wegen des
Fehlens der lärmdämmenden Wirkung von Gebäudemauern generell ohnehin eine
höhere Lärmerwartung besteht. Die in der Synopse als präventiver Richtwert zur
Vermeidung von extraauralen Gesundheitsschäden ausgewiesene Häufung eines
Maximalpegels von L(max. 16 h) = 25 x 90 dB(A) wird nicht erreicht. Die vorhandenen
Unterlagen belegen, dass Maximalpegel von mehr als 90 dB(A) auch in dem kritischen
Gebiet von Büderich innerhalb der Tagesschutzzone allenfalls vereinzelt durch
abfliegende Luftfahrzeuge verursacht werden, wobei die vorliegenden Unterlagen eine
Zuordnung der registrierten Ereignisse zu dem streitigen Luftverkehr Richtung
Südwesteuropa nicht zulassen.
104
Aus den vorstehenden Ausführungen erschließt sich zugleich, dass auch der
Hilfsbeweisantrag zu 3. der Kläger zu als unerheblich abzulehnen ist. Es kommt nicht
darauf, ob bei den Klägern zu die für die Herbeiführung der der Entscheidung im
ergänzenden Verfahren zur Genehmigung vom 21. September 2000 zugrundegelegten
Rahmenbedingungen für die Bestimmung der Zumutbarkeit aus tatsächlichen Gründen
nicht erreicht sind. Die Kläger zu wohnen schon nicht in einem Bereich, für den bei der
gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise im Zeitpunkt des Erlasses der
strittigen Verordnung Lärmbelästigungen einzustellen waren, die einen
planungsrechtlich kritischen Bereich erreicht hätten. Insoweit kann auch unterstellt
werden, dass sie tatsächlich außerhalb der Tagschutzzone 60 dB(A) liegen. Für die
Kläger zu. IV. und ist der Frage ebenfalls nicht nachzugehen, weil es im vorliegenden
Zusammenhang nicht auf die tatsächlichen Besonderheiten der einzelnen Kläger
ankommt. Denn auch für die Frage, ob eine bestimmte Routenführung mit unzumutbaren
Lärmbeeinträchtigungen verbunden ist, ist im Grundsatz auf eine generalisierende
Betrachtungsweise abzustellen, so dass es insbesondere nicht darauf ankommen kann,
ob nach Eintritt der Bestandskraft der Zulassungsentscheidung gegenüber dem
jeweiligen Betroffenen in jedem Einzelfall das Schutzkonzept greift und ausreichender
Lärmschutz tatsächlich erreicht wird. Gegebenenfalls hätte es an den Klägern gelegen,
sich mit der Begründung, das Schutzkonzept sei unzulänglich, gegen die
Betriebsgenehmigung zu wenden. Das gilt in Sonderheit für die Klägerin zu , die geltend
macht, bei ihrem denkmalgeschütztes Haus seien bauliche Maßnahmen zur Erreichung
eines angemessenen Lärmschutzes nicht möglich. Für die Kläger zu ist im Übrigen nicht
in Ansatz substantiiert, warum sie - soweit deren Anwesen nicht bereits hinreichend mit
Einrichtungen des passiven Schallschutz versehen sind - die Rahmenbedingungen
erfüllen sollten.
105
Es bestand auch kein Anlass, den Klägern zu durch Einräumung einer Schriftsatzfrist
Gelegenheit zu geben, ergänzend dazu Stellung zu nehmen, welche Auswirkungen der
Umstand bei der Bewertung der Zumutbarkeit der streitigen Lärmeinwirkungen durch
den Südwestverkehr nach Maßgabe des § 29b Abs. 2 LuftVG hat, dass sie innerhalb der
106
in der Betriebsgenehmigung des Flughafens ausgewiesenen Tagesschutzzone
wohnen. Mit dieser Fragestellung sind weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht
neue Gesichtspunkte eingeführt worden. Das aktuelle Lärmschutzkonzept der
Betriebsgenehmigung des Flughafens war den Klägern bekannt. Deren mögliche
rechtliche Relevanz bei der Betrachtung dessen, was sie im Rahmen der Festlegung
neuer Abflugverfahren nach Maßgabe des § 29b Abs. 2 LuftVG hinzunehmen haben,
folgt aus den bekannten allgemeinen Kriterien, nach denen sich die Zumutbarkeit von
Lärmeinwirkungen durch Fluglärm richtet. Erforderlich ist eine objektbezogene
Abwägung der Interessen, bei der es natürlich auch gilt, den Umfang der bestehenden
und der zulässigen Nutzung des Flughafens einzustellen. Dies haben die Kläger im
Grunde selbst herausgestellt, indem sie auf die Maßgeblichkeit der nach der aktuellen
Betriebsgenehmigung des Flughafens geltenden Grenze dessen, was an Fluglärm ohne
Ausgleich hinzunehmen ist, abstellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 159 Abs. 1 VwGO iVm § 100 Abs. 1 und
2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, § 708
Nr. 10 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision, § 132 Abs. 2 VwGO,
liegen nicht vor.
107