Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.05.2005

OVG NRW: schutz der gesundheit, inverkehrbringen, mensch, zusammensetzung, gefahr, hersteller, tierarzneimittel, verbraucher, eugh, gemeinschaftsrecht

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 2062/03
Datum:
18.05.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 2062/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 16 K 4901/01
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Düsseldorf vom 19. März 2003 wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.225,84 EUR (=
20.000 DM) festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin bringt das Produkt "E. " in Deutschland in Verkehr. Hierbei handelt es sich
nach Herstellerangaben um ein aus einer Mischung von verschiedenen organischen
Säuren und Kräutern bestehendes und in unterschiedlich starken Lösungen -
Säuregehalt von 1,5 - 2 % bzw. 6 - 8 % bzw. 30 - 39 % - zu verwendendes
Klauenpflegemittel für Klauentiere. Nach einem Informationsblatt, das Vorderfüße des
Rindes abbildet, soll "E. " mittels Rückenspritze 14-tägig auf bzw. zwischen die Klauen
gespritzt werden; nach einer anderen Beschreibung wird vor Verätzung gewarnt. Das
Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (LÖGD) stufte das Produkt mit
Prüfbericht vom 22. Juli 1999 als Arzneimittel ein.
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Nach entsprechender Anhörung untersagte die Beklagte der Klägerin mit
Ordnungsverfügung vom 23. Oktober 2000 das Inverkehrbringen des Tierarzneimittels
"E. " mit der Begründung: "E. " sei auf Grund seiner objektiven Zweckbestimmung, d. h.
auf Grund seiner Inhaltsstoffe, ein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes. Dem
Gutachten des LÖGD vom 22. Juli 1999 zufolge handele es sich um eine konzentrierte,
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stark ätzende Flüssigkeit aus einem Gemisch von Ameisen- und Essigsäure mit einem
Gesamtsäuregehalt von 30 bis 39 %. Ameisensäure werde pharmakologisch als
Wirkstoff gegen Ektoparasiten eingesetzt und in der Verordnung EWG 2377/90 des
Rates vom 26. Juni 1990 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die
Festsetzung von Höchstmengen für Tierarzneirückstände in Nahrungsmitteln tierischen
Ursprungs in der zurzeit gültigen Fassung als pharmakologisch wirksamer Stoff
aufgeführt. Unter dem Einfluss der Säuren, deren Wirkung über eine Reinigungs- und
Pflegewirkung hinausgehe und die als Tierpflegemittel unüblich seien, komme es zur
Denaturierung von Proteinen und zur Enzymhemmungen bei Krankheitserregern und
Parasiten. Stoffe, die außer der Reinigung auch der Desinfektion dienten, seien keine
Tierpflegemittel. "E. " sei weder zugelassen noch gemeinschaftsrechtlich genehmigt.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juli
2001 zurück.
5
Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen: "E. " sei kein Arzneimittel, sondern ein
reines Tierpflegemittel, das auch nach den Angaben auf der Verpackung und im
Informationsblatt nur als Klauenpflegemittel vertrieben werde. Die Kräuter "E. " hätten
eine pflegende Wirkung und die organischen Säuren dienten ausschließlich zur
Reinigung der mit Kot und Mist verschmutzten Klauen. Eine desinfizierende Wirkung sei
mit "E. " nicht verbunden. Es enthalte keine Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die
vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen seien, etwa Jod, und habe
weder nach seiner objektiven noch seiner subjektiven Zweckbestimmung arzneiliche
Wirkungen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 23. Oktober 2000, soweit sie nicht die
Kostenfestsetzung betrifft, und deren Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2001
aufzuheben,
8
hilfsweise,
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ein Sachverständigengutachten über die Verbrauchervorstellungen einzuholen, das
heißt, dass das Produkt "E. " auf Grund seiner Aufmachung und aktuellen Bewerbung
nicht als Tierarzneimittel, sondern ausschließlich als Tierpflegemittel/Kosmetikum
verstanden wird.
10
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Gründe ihrer Verwaltungsentscheidungen
Klageabweisung beantragt.
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Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Klage durch das angefochtene Urteil
abgewiesen, weil "E. " ein Arzneimittel sei und die Untersagung nicht gegen
Gemeinschaftsrecht verstoße.
12
Hiergegen hat die Klägerin - nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht - Berufung
erhoben, mit der sie unter Wahrung der Begründungsfrist vorträgt:
13
Das Verwaltungsgericht habe die nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs an das
Erscheinungsbild und die Zweckbestimmung anknüpfenden Abgrenzungskriterien
14
falsch angewandt. "E. " deute nach seiner das Erscheinungsbild prägenden
Aufmachung eindeutig nicht auf ein Arzneimittel hin; es werde auch von den
angesprochenen Verbrauchern eindeutig nicht dahingehend verstanden. Für die
Einordnung als Arzneimittel oder Kosmetikum komme es auf die Vorstellung eines
beachtlichen Teils des angesprochenen Verbraucherkreises und nicht auf eine
allgemeine Verkehrsauffassung an. Ob Ameisensäure allgemein als Mittel zur
Tierkörperpflege bekannt ist, sei nicht entscheidend, weil "E. " durch seine
Produktaufmachung ausschließlich als Tierpflegemittel angesehen werde und dadurch
die Grundlage für seine Qualifizierung als Arzneimittel entzogen sei. Weder sein Name
noch die Angaben auf Verpackung oder Informationsblatt wiesen auf arzneiliche
Wirkungen, vielmehr nur auf pflegende Wirkungen hin. Angaben wie "Abwehrkraft" oder
"Infektionsdruck" seien nicht prägend. Das dem Verbraucherkreis nicht angehörende
Verwaltungsgericht habe ein abweichendes Verständnis des Verbrauchers, dass
Ameisen- und Essigsäure gleichwohl arzneiliche Wirkung hätten, nicht, wie geboten,
durch Sachverständigengutachten festgestellt, was nachzuholen sei. Dass ein solches
Verständnis nicht bestehe, werde dadurch belegt, dass "E. " in anderen Mitgliedstaaten
der Europäischen Gemeinschaft als Tierkosmetikum angesehen und nicht beanstandet
werde. Auch würden beispielsweise Essigreiniger auf Säurebasis seit Jahren
verwendet, ohne dass ihnen jemals arzneiliche Wirkung zugeschrieben worden seien.
Sie bestreite, dass arzneiliche Wirkungen der Säuren auch bei der von ihr empfohlenen
Anwendungskonzentration von "E. " einträten. Auch wenn Ameisensäure nach der VO
(EWG) 2377 als pharmakologisch wirksamer Stoff bezeichnet sei, trete eine solche
Wirkung bei den anzuwendenden Mengen nicht ein. Auch die zur Haltbarmachung von
Lebensmitteln verwendeten Essig- und Ameisensäuren seien nie als Arzneimittel
angesehen worden. Das Verwaltungsgericht habe den im angefochtenen
Verkehrsverbot liegenden Verstoß gegen Art. 28, 30 EG übersehen. Es liege nicht der
Fall vor, dass die Qualifizierung eines Erzeugnisses in den Mitgliedstaaten
unvermeidlich unterschiedlich ausfallen könne, sondern der, dass ein Produkt in einem
Mitgliedstaat als Tierkosmetikum frei verkehrsfähig sei und dies deshalb auch in
Deutschland sein müsse. Nach dem Bundesgerichtshof sei die Einordnung als
Arzneimittel oder Lebensmittel, was auch für die Einordnung als Kosmetikum gelte,
nach der an seine objektiven Merkmale anknüpfenden überwiegenden
Zweckbestimmung und nicht nur nach der Auffassung der Wissenschaft vorzunehmen,
wobei nach dem Europäischen Gerichtshof und anderen alle Merkmale des Produkts
wie Zusammensetzung, pharmazeutische Wirkung, Gesundheitsrisiko etc. zu
berücksichtigen seien. Auch davon ausgehend sei "E. " kein Arzneimittel. Von ihm gehe
kein Gesundheitsrisiko aus. Die Abgrenzung eines Arzneimittels von einem
Tierkosmetikum habe im Licht der maßgebenden Gemeinschafts-Richtlinien
gemeinschaftskonform zu erfolgen. Eine Rechtfertigung für das Handelshemmnis aus
Art. 30 EG für das in den Niederlanden frei verkehrsfähige Produkt "E. " bestehe nicht,
weil von ihm keine Gefahr für Mensch, Tier oder Pflanzen ausgehe. Seit seinem Vertrieb
sei es noch nicht zu Schadensfällen gekommen. Sie bestreite die von der Beklagten "E.
" wegen des Gehalts an Säuren zugesprochenen gefährlichen Wirkungen. Insoweit sei
die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig. Für eine von "E. "
ausgehende Gefahr trage die Beklagte die Beweislast. Im Rahmen der ihr zur 'Wahl
stehenden Beweismittel beziehe sie sich zum Nachweis bisher nicht eingetretener
Gesundheitsbeeinträchtigungen bei Anwendung von "E. " und dessen freier
Verkehrsfähigkeit in den Niederlanden auf eine Zeugenanhörung und ein an die
niederländischen Behörden zu richtendes Auskunftsersuchen. Gehe man davon aus,
dass die angebotenen Zeugen keine Kenntnis von Gesundheitsbeeinträchtigungen
durch "E. " hätten, sei das von der Beklagten aufgezeigte Gefahrenpotential widerlegt.
Eine solche Gefahr unterstellt, sei im Rahmen des Art. 30 EG der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Etwaigen Gefahren könnte durch Hinweise
auf der "Etikettierung" Rechnung getragen werden; sie könnten zudem wegen bisher
nicht bekannter Schädigungen als irrelevant außer Betracht bleiben. Soweit sie zum
Nachweis der freien Verkehrsfähigkeit von "E. " in den Niederlanden nicht in der Lage
sei, habe das Gericht den Sachverhalt selbst durch Auskunftseinholung aufzuklären
oder aufklären zu lassen.
Die Klägerin regt an, dem Europäischen Gerichtshof eine von ihr mit Schriftsatz vom 30.
Juni 2003 formulierte Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Sie hat den von ihr
erbetenen Nachweis, dass "E. " in gleicher Zusammensetzung zu dem identischen
Zweck in den Niederlanden rechtmäßig in Verkehr gebracht werde, in der gesetzten
Frist nicht erbracht. Auf die Folgen des Fristversäumnisses aus § 87b Abs. 3 VwGO ist
sie hingewiesen worden.
15
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
17
Die Beklagte beantragt,
18
die Berufung zurückzuweisen.
19
Sie trägt vor: Zwar sei ausgehend von § 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) für die
Bewertung eines Produkts seine Bestimmung maßgebend. Dabei sei aber
entscheidend das Erscheinungsbild für den durchschnittlichen informierten Verbraucher,
das sich auch aus der stofflichen Zusammensetzung ergebe. Eine reine Orientierung am
äußeren Erscheinungsbild des Produkts laufe der gebotenen Objektivierung des
Arzneimittelbegriffs zuwider. Nur wenn ein Produkt nach seinen Inhaltsstoffen kein
Arzneimittel sei, könne nach der von der Klägerin vertretenen Auffassung das
ausschließlich pflegerische äußere Erscheinungsbild des Produkts zur Verneinung
eines Arzneimittels führen. Nach der beim LÖGD erstellten Analyse, einer
Sachverständigenbewertung, handele es sich bei "E. " um eine stark ätzende
Säuremischung. Es sei geeignet, im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG u. a. Krankheiten
zu verhüten. Durch seine desinfizierende Wirkung sei auch § 2 Abs. 1 Nr. 4 AMG erfüllt
und handele es sich um ein sog. Arzneimittel "nach Funktion" im Sinne des Art. 1 Nr. 2
Abs. 2 Richtlinie 2001/82/EG i.d.F.d. Richtlinie 2004/28/EG. Auf Grund seiner stofflichen
Zusammensetzung trete "E. " dem durchschnittlich informierten Verbraucher, dem die
Wirkung von Ameisen- und Essigsäure allgemein bekannt sei, als zu therapeutischen
Zwecken bestimmt gegenüber. Diese allgemeine Bekanntheit treffe auf alle
Bevölkerungskreise zu, so dass das Verwaltungsgericht die Feststellung selbst habe
treffen können und sie auch für Tierhalter anzunehmen sei. Es sei zweifelhaft, ob der
betroffene Verbraucherkreis über die Qualifizierung eines Produkts in den einzelnen
Mitgliedstaaten der Gemeinschaft überhaupt informiert sei. Eine nicht vorliegende
Beanstandung eines Produkts in anderen Bundesländern sei noch keine andere
Qualifizierung des Produkts und spreche nur dafür, dass es anderen Behörden noch
nicht aufgefallen sei. Das in dem angefochtenen Verbot liegende Handelshemmnis sei
nach Art. 30 EG gerechtfertigt. Auf den vorliegenden Fall treffe die von der Klägerin
herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit nicht zu, als bei
Anwendung von "E. " wegen des hohen Säureanteils eine pharmakologische Wirkung
gegeben und dies auch Verbraucherkreisen bekannt sei. Nach der Rechtsprechung des
20
Europäischen Gerichtshofs dürfe ein Mitgliedstaat ein Arzneimittel, das vom
Arzneimittelrecht eines anderen Mitgliedstaats nicht erfasst und dort frei verkehrsfähig
sei, der Zulassungspflicht unterwerfen und sein Inverkehrbringen ohne eine Zulassung
untersagen, wenn dies nach Art. 30 EG zum Schutze der Gesundheit und des Lebens
von Tieren gerechtfertigt sei. Das sei bei "E. ", einer stark ätzenden, konzentrierten
Flüssigkeit aus einem Gemisch aus Ameisen- und Essigsäure mit einem
Gesamtsäuregehalt von 30 bis 39 %, der Fall. Dieser zur Tierkörperpflege nicht
gebräuchliche Stoff habe desinfizierende, Erreger und Parasiten abtötende Wirkung und
das auch bei der empfohlenen 20%igen Anwendungskonzentration. Pflegend wirkende
Inhaltsstoffe seien bei "E. " nicht festgestellt worden; dass es auch nicht zur Pflege
bestimmt sei, folge daraus, dass es nach Herstellerangaben auf der sauberen Klaue
angewendet werden soll. Damit werde "E. " im Sinne des Art. 1 Nr. 2 RL 2004/28/EG am
tierischen Körper verwendet, um die physiologischen Körperfunktionen durch
pharmazeutische - antiseptische, antimikrobielle, antiparasitäre - Wirkung
wiederherzustellen oder zu beeinflussen. Die vom Europäischen Gerichtshof zur
Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geforderte einzelfallbezogene
Beurteilung der Gesundheitsgefährdung durch ein Produkt sei erfolgt. Bei
unsachgemäßer Anwendung von "E. " drohten Schädigungen des Gewebes durch die
Säuren und es müsse die Gefahr für Menschen durch Spritzer und Dämpfe
ausgeschlossen werden; bei Trächtigkeit eines Tieres dürfe das Produkt nicht
angewendet werden; vor einer Überdosierung sei wegen der stark ätzenden Wirkung zu
warnen.
Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
21
II.
22
Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er
sie einstimmig für unbegründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Entscheidungsform gehört
worden. Dass die Klägerin dieser Verfahrensweise widerspricht, steht der im Ermessen
des Gerichts stehenden Entscheidungsform, deren Voraussetzungen nach wie vor
gegeben sind, nicht entgegen. Das Gehörsrecht der Klägerin ist gewahrt.
23
Die Berufung ist unbegründet.
24
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene
Untersagung des Inverkehrbringens von "E. " ohne Zulassung ist rechtmäßig. Die
Voraussetzungen der von der Beklagten für ihre Untersagungsverfügung
herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des § 69 Abs. 1 AMG i. d. F. vom 11.
Dezember 1998, BGBl. I S. 3586, die wegen des Charakters der Verfügung als
Dauerverwaltungsakt und des aus dem materiellen Recht folgenden maßgeblichen
gegenwärtigen Prüfungszeitpunkts
25
vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 1998 - 13 A 2711/97 -, LRE 36, 150; BVerwG,
Beschluss vom 23. November 1990 - 1 P 155.90 -, NVwZ 1991, 372,
26
i. d. F. d. Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften vom 15. April 2005,
BGBl. I S. 1068, anzuwenden ist, liegen vor: (1.) "E. " ist ein Arzneimittel im Sinne des §
2 Abs. 1 Nr. 1., 4. und 5. AMG i. V. m. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/82/EG des
27
Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines
Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. L 311/1) - RL 2001/82/EG - i. d. F. d.
Richtlinie 2004/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004
zur Änderung der vorgenannten Richtlinie (ABl. 136/58) - RL 2004/28/EG -; (2.) als
solches ist "E. " zulassungspflichtig nach § 21 Abs. 1 AMG i. V. m. Art. 5 RL 2001/82/EG
und dem gemäß ist sein Inverkehrbringen ohne Zulassung von der zuständigen
Behörde gemäß § 69 Abs. 1 AMG zu untersagen; (3.) die dem entsprechende hier
angefochtene Untersagungsverfügung verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
1. Die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel richtet sich auf der Grundlage eines
"objektiven" Arzneimittelbegriffs nach der Zweckbestimmung des Produkts, wie es sich
für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher darstellt. Die Beurteilung kann an eine ggf. schon bestehende
Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung anknüpfen, die
wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art
nach haben. Mit zu den die Anschauungen der Verbraucher beeinflussenden
Umständen gehören dabei regelmäßig die stoffliche Zusammensetzung und die
pharmakologischen Eigenschaften eines Mittels. Die Vorstellung der Verbraucher von
der Zweckbestimmung eines Produkts kann weiter durch die Auffassung der
pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die
dem Mittel beigefügten oder in der Werbung enthaltenen Indikationshinweise oder
Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher
entgegen tritt. Des weiteren können vor dem Hintergrund einer umfassenden
Berücksichtigung aller Merkmale eines Erzeugnisses für die Verbrauchervorstellung der
Umfang der Verbreitung eines Produkts, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern, aber
auch Gefahren auf Grund von Nebenwirkungen und Risiken bei längerem Gebrauch
von Bedeutung sein; die Auslegung und die Einstufung eines Mittels soll auch danach
erfolgen, wie es am ehesten dem Schutz der öffentlichen Gesundheit entspricht.
28
Vgl. EuGH, Urteile vom 21. März 1991 - Rs C 369/88 -, LRE 28, 1, vom 16. April 1991 -
Rs C 112/89 -, LRE 28, 19, und vom 20. Mai 1992 - Rs C 290/90 -, LRE 28, 170;
BVerwG, Urteile vom 24. November 1994 - 3 C 2.93 -, BVerwGE 97, 132 = NVwZ - RR
1995, 625 und vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, BVerwGE 106, 90 = NJW 1998,
3433; BGH, Urteile vom 10. Februar 2000 - I ZR 97/98 -, LRE 38, 157 = ZLR 2000, 375,
vom 25. April 2001 - 2 StR 374/00 -, NJW 2001, 2812, und vom 11. Juli 2002 - I ZR
34/01 -, BGHZ 151, 286 = NJW 2002, 3469; OVG NRW, Beschlüsse vom 26. April 2005
- 13 A 1010/02 - und vom 14. August 2003 - 13 A 5022/00 -, LRE 46, 313 = ZLR 2004,
208.
29
Mit diesen Kriterien steht der Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG in Einklang mit dem
europäischen Gemeinschaftsrecht. Die neuesten Begriffsbestimmungen für
Humanarzneimittel bzw. - hier in Betracht kommend - Tierarzneimittel finden sich
insoweit in den am 30. April 2004 in Kraft getretenen und bis zum 30. Oktober 2005 in
nationales Recht umzusetzenden Richtlinien 2004/27/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur
Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2004, L 136/34)
und 2004/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur
Änderung der Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für
Tierarzneimittel (a.a.O.). Danach sind Arzneimittel a) alle Stoffe oder
Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur
Verhütung menschlicher Krankheiten oder von Tierkrankheiten bestimmt sind, oder b)
30
alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen oder tierischen
Körper verwendet oder einem Menschen oder Tier verabreicht werden können, um
entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische,
immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu
beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Diese Definitionen gehen
in ihrem Ursprung zurück auf die entsprechende Begriffsbestimmung in Artikel 1 der -
durch Art. 128 Abs. 1 RL 2001/83/EG (ABl. 2001, L 311/67,100) aufgehobenen -
Richtlinie des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (65/65/EWG) (ABl. 1965, 369/65).
Nach den Erwägungsgründen der Richtlinien 2004/27/EG und 2004/28/EG sollen die
arzneimittelrechtlichen Bestimmungen nach den durch diese Richtlinien geänderten Art.
2 Abs. 2 RL 2001/83/EG und RL 2001/82/EG auch zur Anwendung kommen in
Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner
Eigenschaften sowohl unter die Definition von "Arzneimittel" als auch unter die
Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche
Rechtsvorschriften geregelt ist. Dies entspricht der Sicht des Europäischen
Gerichtshofs.
Vgl. EuGH, Urteile vom 21. März 1991 - Rs C 369/88 -, LRE 28, 1, vom 16. April 1991 -
Rs C 112/89 -, LRE 28, 19; BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O.
31
Die Richtlinie 2004/27/EG stellt, wie der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom
3. Februar 2005 in den Vorabentscheidungsersuchen des Senats HLH Warenvertriebs
GmbH gegen Bundesrepublik Deutschland - Rechtssache C - 211/03 - u. a. unter Nr. 52.
(http://curia.eu.int/, dort Rechtsprechung) ausführt, lediglich eine Bekräftigung und
Verdeutlichung des bisherigen Gemeinschaftsrechts und der Rechtsprechung zur
Definition des Arzneimittels dar, der auch bei noch laufender Umsetzungsfrist
Bedeutung zukommt. Gleiches muss gelten für die hier relevante Richtlinie 2004/28/EG
für Tierarzneimittel. Sie ist zwar noch nicht in nationales deutsches Recht umgesetzt,
aber als Rechtsakt wirksam erlassen, der seitdem auch unabhängig von seiner
nationalen Umsetzung dahingehende rechtliche Ausstrahlungskraft entfaltet, dass er -
bestätigend und verdeutlichend - das gemeinschaftsrechtliche Verständnis von einem
Tierarzneimittel und seine gemeinschaftsrechtliche Abgrenzung von anderen Produkten
zum Ausdruck bringt. Insoweit kann bei der Auslegung des nationalen Begriffs des
Tierarzneimittels am gemeinschaftsrechtlichen Verständnis bereits gegenwärtig die
Richtlinie 2004/28/EG nicht unberücksichtigt bleiben, was noch keine direkte
Anwendung der Richtlinie während der laufenden Umsetzungsfrist darstellt.
32
Bei der Auslegung des § 2 AMG ist - auch im Hinblick auf die Abgrenzung von
Tierarzneimittel und Tierkosmetikum - der gemeinschaftsrechtliche Arzneimittelbegriff
heranzuziehen, denn die Gerichte haben diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu
wählen, die dem Inhalt von EG-Richtlinien in der vom Europäischen Gerichtshof
vorgenommenen Auslegung entspricht. Mithin ist der Arzneimittelbegriff auch im Licht
des Wortlauts und Zwecks der o.a. jüngsten EG-Arzneimittelrichtlinien zu verstehen,
33
Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 -, BVerfGE 75, 223 =
NJW 1988, 1459; Nds. OVG, Urteil vom 17. November 1992 - 10 L 233/89 -, juris,
34
selbst wenn den Richtlinien eine unmittelbare Verbindlichkeit zu Lasten des Bürgers
nicht zukommt.
35
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O.
36
Die mit Art. 1 Nr. 2.b) RL 2001/82/EG i. d. F. d. Art. 1 Nr. 1. RL 2004/28/EG vorgegebene
gemeinschaftsrechtliche Definition des Tierarzneimittels, die mit ihrer Formulierung "...
verabreicht werden können, um ..." sinngemäß auf die bloße Eignung eines Stoffes /
einer Stoffzubereitung zur Herbeiführung der dort beschriebenen Wirkungen abstellt und
nicht wie Nr. 2.a) auf seine Bestimmung abhebt, führt dazu, die von § 2 Abs. 1 AMG
geforderte Bestimmung dahingehend zu interpretieren, dass sie jedenfalls auch
unabhängig von individuellen Vorstellungen des Herstellers oder der Anwender über
die Wirkung oder den Verwendungszweck des Stoffes (Stoffzubereitung) nach
objektiven Erkenntnissen über die Wirkung des Stoffes (Stoffzusammensetzung) zu
beurteilen ist. Dann aber muss erst recht, wie bereits die "Objektivierung" des
Arzneimittelbegriffs zum Ausdruck bringt, die Vorstellung des Herstellers oder des
Anwenders über die Wirkung oder den Verwendungszweck des/der eingesetzten
Stoffs/Stoffzubereitung oder die vom Hersteller vorgegebene äußere Darstellung des
Produkts in den Hintergrund treten.
37
Nach den vorstehenden Kriterien, insbesondere unter Berücksichtigung des
"objektivierten" Arzneimittelbegriffs und der jüngsten gemeinschaftsrechtlichen
Abgrenzungsvorgabe, ist das von der angefochtenen Untersagungsverfügung betroffene
Produkt "E. " ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG.
38
"E. " ist eine Stoffzubereitung, die durch Anwendung am tierischen Körper, nämlich im
Klauenbereich des Rindes, ggf. auch anderer Tiere, zur Verhütung einer Krankheit
objektiv geeignet und bestimmt ist. Objektiv ist es u. a. geeignet, Krankheitserreger und
Parasiten, die etwa Wundstellen, Eiterungen, Fäulnis, Pilzbefall etc. an der Klaue
bewirken können oder bewirkt haben, abzutöten oder deren Einnisten abzuwehren.
Damit hat es im Falle drohender oder vorliegender Erkrankungen am Fuß des Tieres
durch Keime oder Parasiten eine Krankheiten dieses Körperteils verhütende oder eine
die Funktion eines Körperteils wiederherstellende oder zumindest bessernde Wirkung.
Diese naturwissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechende objektive Wirkung hat es
auch in den vom Hersteller empfohlenen Lösungskonzentrationen. Obwohl die Wirkung
auf den vorliegenden Beschreibungsblättern für "E. " neben den dort angeführten
Vorteilen bei Verwendung des Mittels nicht angegeben ist, kommt es dem Hersteller und
dem Anwender erkennbar auf die naturwissenschaftliche Wirkung der Ameisen- und
Essigsäure an, und ist diese unausgesprochen ein wesentlicher, wenn nicht sogar der
wesentliche Wirkstoff auch aus Sicht des Anwenders. Denn nur bei dem Effekt
"Klauengesundheit", der jedenfalls auf einem Beschreibungsblatt der Klägerin als die
Grundlage für die verschiedenen nachfolgenden Vorteile herausgestellt ist, macht es für
den Anwender Sinn, das Produkt entgeltlich zu erwerben und einzusetzen.
39
Der Senat ist auf Grund seiner Kenntnisse über die landwirtschaftliche Tierhaltung
davon überzeugt, dass der Anwender von "E. ", nämlich in aller Regel der Landwirt, der
die Rinderhaltung im Stall oder auf der Weide betreibt, durch Parasiten ausgelöste
Entzündungen oder Hornzerstörung im Klauenbereich seiner Rinder bekämpfen und
diesen Tiererkrankungen vorbeugen muss. Derartige durch das Stehen des
Rinderfußes in verunreinigter Streu, Weideland, Kot usw. drohende Erkrankungen
beeinträchtigen die Milchproduktion und können zur vorzeitigen Schlachtung des Tiers
und somit zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten beim Tierhalter führen. Dieser wird
die Kosten für ein antiparasitäres Klauenbehandlungsmittel nur aufwenden, wenn sie
erforderlich sind, um die Gesundheit der Tiere wieder herzustellen oder zu erhalten,
40
nicht aber der Ästhetik und des sauberen Äußeren der Klauen wegen. Die Rinderklaue
ist typischerweise mit unansehnlichen Substanzen behaftet. Käme es dem Landwirt nur
auf eine ästhetische Rinderklaue an, könnte ein solcher Effekt durch deren Reinigung
von Erdreich, Kot usw. durch schlichten Einsatz von Wasser preisgünstiger erzielt
werden.
Damit erfüllt "E. " sowohl die Merkmale des § 2 Abs. 1 und 4 AMG als auch die
Definition des Tierarzneimittels nach Art. 1 Nr. 2.b) RL 2001/82/EG i. d. F. d. Art. 1 Nr. 1
RL 2004/28/EG. Das gilt selbst dann, wenn die Einordnung von "E. " als Arzneimittel
oder Kosmetikum auch von seinem Verwendungszweck aus Verbrauchersicht abhängig
gemacht würde, denn der Senat ist davon überzeugt, dass es vom Anwender - in aller
Regel der Landwirt - weit überwiegend zur Erzielung pharmazeutischer Wirkungen im
Sinne des § 2 Abs. 1 und 4 AMG eingesetzt wird. Insoweit drängt sich dem Senat die
Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Bestimmungszweck von "E. "
aus Anwendersicht nicht auf.
41
Dass von dem fraglichen Produkt eine Gesundheitsgefahr für Mensch und/oder Tier
ausgehen müsse, verlangt die Definition "Arzneimittel" nach den genannten Vorschriften
nicht. Wohl kann eine solche Gefahr ein Kriterium für die Ermittlung sein, ob ein Stoff
pharmakologische Wirkung hat und deshalb ein Arzneimittel "nach der Wirkung"
vorliegt. Dass im Übrigen solche Gefahren gegeben sind, ist nachfolgend dargelegt.
42
Mag auch der Hersteller oder der Vertreiber von "E. " das Produkt als Pflegemittel
bezeichnen und seine arzneiliche Wirkung erkennbar überspielen wollen, ändert das
nichts an dem objektiven Vorhandensein der auch erkennbar gewollten arzneilichen
Wirkungen. Dass diese und nicht etwa eine kosmetische Wirkung für ihn wie auch für
den Anwender im Vordergrund stehen, wird augenfällig durch die Produktinformation,
nach der die beste Infektionsdruck - d.h. Infektionsgefahr - mindernde Wirkung auf der
"sauberen" Klaue - etwa "nach" dem in gewisser Weise kosmetisch wirkenden Einsatz
von Wasser - erzielt wird. Damit steht zugleich fest, dass "E. " nicht gemäß § 2 Abs. 3 Nr.
4 AMG deshalb kein Arzneimittel ist, weil es "ausschließlich" dazu bestimmt ist,
äußerlich am Tier zur Reinigung oder Pflege ... angewendet zu werden. Zwar hängen
das Erscheinungsbild und die Zweckbestimmung eines Produkts weitgehend von der
Konzeption des Herstellers über Wahl und Konzentration der im Produkt enthaltenen
Wirkstoffe sowie seiner Form und seiner Bezeichnung ab. Jedoch stützt dies angesichts
der "Objektivierung" des Arzneimittelbegriffs für sich genommen noch nicht die
Einschätzung, dass es nicht als Arzneimittel einzuordnen ist. Auch wenn ein Hersteller
ein Produkt nicht als Arzneimittel, sondern als Kosmetikum bezeichnet und darstellt,
steht dies einer Einstufung als Arzneimittel nicht entgegen, wenn sie - wie hier - bei
objektiver Bewertung gerechtfertigt bzw. geboten ist.
43
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 1994 - 3 C 2.93 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschluss
vom 26. April 2005 - 13 A 1010/02 -; Rehmann, AMG, § 2 Rdn. 28.
44
Die von der Klägerin geforderte Abgrenzung nach dem überwiegenden
Verwendungszweck wie zwischen Arzneimittel und anderen, keine Kosmetika
darstellenden Mitteln ist nicht vorzunehmen. Denn das Arzneimittelgesetz gibt selbst
vor, dass lediglich bei einer "ausschließlichen" Zweckbestimmung zur Reinigung,
Pflege ... ein Kosmetikum vorliegen kann (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG). Den von der Klägerin
in dem Zusammenhang geforderten Aufklärungen ist daher nicht nachzukommen.
45
2. "E. " ist ein (Tier-)Arzneimittel, das im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an
den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht wird und damit ein
Fertigarzneimittel ist. Als Fertigarzneimittel im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 AMG darf
es gemäß § 21 Abs. 1 AMG nur bei Zulassung durch die zuständige
Bundesoberbehörde - eine Genehmigung eines gemeinschaftsrechtlichen Organs oder
eine Freistellung nach § 36 AMG kommt erkennbar nicht in Betracht bzw. liegt nicht vor -
in den Verkehr gebracht werden. Die Bindung eines legalen Inverkehrbringens dieses
Produkts an eine Zulassung folgt ferner aus Art. 5 RL 2001/82/EG. An einer solchen
Zulassung für "E. " fehlt es. Dem darin liegenden Gesetzesverstoß kann die zuständige
Behörde, hier die Beklagte, gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG durch Untersagung des
Inverkehrbringens begegnen.
46
Ermessensfehler sind bezüglich der Entscheidung der Beklagten, das weitere
Inverkehrbringen von "E. " zu untersagen, nicht feststellbar. Auch wenn in der
angefochtenen Ordnungsverfügung formuliert ist, die Beklagte habe die zur Beseitigung
festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Maßnahmen zu treffen,
lässt das nicht auf eine in Verkennung des Ermessensspielraums angenommene
Bindung der Behörde schließen. Denn die Beklagte hat, wie die weiteren
Formulierungen zum Ausdruck bringen, eine Abwägung der Interessen der Klägerin und
der öffentlichen Schutzinteressen vorgenommen, was eine Ermessensausübung belegt.
Sachwidrige Erwägungen liegen der Entscheidung ersichtlich nicht zu Grunde, zumal
bei einer - auch hier gegebenen - Regelung zum Schutz öffentlicher Interessen die
behördliche Schutzmaßnahme die Regel und ein Absehen davon, für das besondere
Gründe vorliegen müssen, die Ausnahme ist.
47
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Dezember 2004 - 13 B 2314/04 -, vom 1. Juli 2004
- 13 B 2436/03 -, NWVBl. 2004, 474, und vom 11. Februar 2004 - 13 B 2435/03 -.
48
Die Beklagte hat hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich zum Einschreiten
veranlasst gesehen hat, weil wegen der fehlenden Überprüfung durch die zuständige
Bundesoberbehörde im Zulassungsverfahren der Schutz von Mensch und Tier vor
potenziell gefährlichen Stoffen nicht gewährleistet ist. Gemäß § 96 Nr. 5 AMG i. V. m. §
21 Abs. 1 AMG stellt das Inverkehrbringen eines zulassungsbedürftigen Arzneimittels
ohne Zulassung eine Straftat dar. Die Verhinderung einer Straftat wirkt
ermessensbestimmend im Sinne der hier in Frage stehenden Verfügung. Anhaltspunkte
dafür, dass eine andere Maßnahme geeigneter und weniger einschneidend und mithin
das in Frage stehende Verkehrsverbot unverhältnismäßig ist, sind nicht erkennbar. Der
Klägerin ist zumutbar, die arzneimittelrechtliche Zulassung für "E. " einzuholen. Die
damit verbundenen Kosten können notfalls auf das Produktentgelt umgelegt werden.
49
Die Beklagte war auch nicht mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht gehalten, von der
Untersagungsverfügung abzusehen. Denn der angefochtenen Ordnungsverfügung
steht, wie unter 3.) ausgeführt, Gemeinschaftsrecht nicht entgegen. Insofern ist die
Klägerin dadurch, dass die Beklagte dem gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkt im
Verwaltungsverfahren möglicherweise noch nicht die gebührende Bedeutung
zugemessen hat, nicht in ihren Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO
verletzt.
50
3. Die Klägerin behauptet, "E. " sei in den Niederlanden frei verkehrfähig. Die Richtigkeit
dessen unterstellt, stellt die angefochtene Ordnungsverfügung zwar eine Maßnahme
gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 28
51
EG dar, weil die Untersagung des weiteren Inverkehrbringens des in den Niederlanden
hergestellten Produkts "E. " dessen Einfuhr nach Deutschland letztlich sinnlos macht.
Das darin liegende Handelshemmnis ist jedoch durch Art. 30 EG gerechtfertigt. Danach
steht u. a. Art. 28 EG Einfuhr-... Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht
entgegen, die aus Gründen der öffentlichen ... Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der
Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren ... gerechtfertigt sind.
Das Verbot des Inverkehrbringens eines zulassungspflichtigen Fertigarzneimittels ohne
Zulassung ist im Ergebnis ein Einfuhr- und Durchfuhrverbot, das erkennbar dem Schutz
der Gesundheit von Mensch und Tier dient, was keiner weiteren Begründung bedarf.
Den durch Inverkehrbringen eines zulassungspflichtigen, aber nicht zugelassenen
Fertigarzneimittels nicht gegebenen Gesundheitsschutz im Sinne des
Arzneimittelgesetzes herzustellen, ist Zweck der hier angefochtenen
Untersagungsverfügung betreffend "E. " ohne Zulassung. Folglich stellt es an sich,
wenn ein industriell hergestelltes Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels
gemäß Art. 1 RL 2001/82/EG i. d. F. d. Art. 1 Nr. 1 RL 2004/28/EG fällt, keine durch Art.
28 EG verbotene Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels dar, den
Importeur im Ergebnis zu verpflichten, vor der Vermarktung des Erzeugnisses im
Einfuhrmitgliedstaat gemäß der Richtlinie 2001/82/EG eine Verkehrsgenehmigung
einzuholen.
52
Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - Rechtss. C-150/00 -
(Kommission/Österreich), Rdn. 57, noch zu Art. 1 Nr. 2 RL 65/65 und zur Abgrenzung
Arzneimittel/Lebensmittel, http://www.jurisweb.de, Rechtsprechung.
53
Allerdings können unterschiedliche Wertungen der zuständigen Behörden der
einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft dazu führen, dass ein Einfuhrmitgliedstaat
einem Produkt die Eigenschaft eines Arzneimittels zuerkennt, während der Staat der
Herstellung oder ein anderer Mitgliedstaat es als frei verkehrsfähiges Produkt, etwa als
Kosmetikum, wertet. In diesem Fall unterliegt es dem den Gesundheitsschutz
betreffenden Ermessen der Behörden des Einfuhrmitgliedstaats zu entscheiden, in
welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen
gewährleisten wollen und ob sie für das Inverkehrbringen des Arzneimittels eine
vorherige Zulassung verlangen (vgl. hierzu EuGH, aaO, Rdn. 85 m.w.N.). Hierbei ist zur
Vermeidung einer fehlenden Rechtfertigung des in dem gleichwohl verfügten
Verkehrsverbot liegenden Handelshemmnisses der Verhältnismäßigkeitgrundsatz zu
beachten, der nur bei im Einzelfall nachgewiesener Erforderlichkeit des Verbots für die
zu schützenden Interessen und realen Gesundheitsrisiken bei Inverkehrbringen des
Produkts ohne Zulassung gewahrt ist.
54
Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 30. November 1983 - Rechtss. 227/82 - (Van Bennekom),
EuGHSlg. 1983, 3883, Rdn. 39/40; Urteil vom 29. April 2000 - Rechtss. C-150/00 -
(Kommission/Österreich), Rdn. 85/89.
55
Bei der Risikobewertung sind dem Mitgliedstaat Schutzmaßnahmen auch nach dem
Vorsorgeprinzip erlaubt.
56
Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 23. September 2003 - Rechtss. C-192/01 -
(Kommission/Dänemark), EuGHSlg. I 9693/9739, Rdn. 49.
57
Zwar spricht aus Sicht des Senats einiges dafür, dass "E. " auch in den Niederlanden
58
nicht frei verkehrsfähig ist, d.h. von den dortigen zuständigen Behörden von Rechts
wegen als Arzneimittel und ohne Zulassung oder Genehmigung als nicht verkehrsfähig
angesehen wird. Das von ihr behauptete Gegenteil sowie die Voraussetzung, dass
überhaupt ein nach der stofflichen Zusammensetzung und der äußeren Darstellung
gleiches Produkt wie das streitbefangene tatsächlich in den Niederlanden in Verkehr
gebracht ist, hat die Klägerin nicht belegt. Ob und ggf. inwieweit sie diesbezüglich
nachweispflichtig ist, weil sie eine ihr günstige Behauptung aufgestellt hat, nur sie das
Vertreiben eines vergleichbaren Produkts in den Niederlanden und dessen Identität mit
dem streitbefangenen nachweisen kann und sie problemlos den Hersteller von "E. " zur
Beibringung entsprechender behördlicher Nachweise anhalten kann, mag offen bleiben.
Der Senat sieht sich auch und bereits wegen der Nähe der Klägerin zur Beibringung
geeigneter Nachweise für ihre Behauptung und der von der Beklagten zwischenzeitlich
bei der Regierung der Niederlande erbetenen Stellungnahme nicht gehalten, im
Rahmen des Amtsermittlungsprinzips ein "Auskunftsersuchen" an die von der Klägerin
angegebenen niederländischen Behörden zu richten. Die Anhörung der von der
Klägerin benannten Zeugen wäre bereits kein geeignetes Beweismittel. Die von der
Klägerin behauptete freie Verkehrsfähigkeit von "E. " in den Niederlanden im oben
beschriebenen Sinne - also nicht ein mangels Aufmerksamwerden der Behörden
unbeanstandetes Inverkehrbringen - kann nämlich unterstellt werden. Deshalb braucht
die von der Beklagten erbetene Stellungnahme der niederländischen Behörden nicht
abgewartet zu werden. Denn selbst wenn sie die freie Verkehrsfähigkeit bestätigte,
wären die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geforderten
Voraussetzungen für eine Rechtfertigung eines Handelshemmnisses nach Art. 30 EG
vorliegend gegeben:
Die Beklagte hat "E. " einer wissenschaftlich fundierten Untersuchung auf seine
Zusammensetzung und seine pharmakologischen Wirkungen unterzogen, mithin eine
einzelfallbezogene Bewertung vorgenommen. Sie hat festgestellt und dargelegt, dass
von dem Produkt eine reale Gesundheitsgefahr ausgeht. Diese liegt darin, dass, wie zur
Überzeugung des Senats durch den fachwissenschaftlichen Untersuchungsbericht der
LÖGD belegt ist und von der Klägerin eingeräumt wird, wesentliche Bestandteile des
Produkts "E. " Ameisensäure und Essigsäure sind und von diesen, ebenfalls zur
Überzeugung des Senats, schädigende Wirkungen für Tier und Mensch ausgehen
können. Diese Säuren, insbesondere die erstere, wirken, wie den Senatsmitgliedern
bereits aus naturwissenschaftlichem Schulunterricht und im Übrigen allgemein bekannt
sowie durch Internetrecherchen - etwa unter http://de.wikipedia.org/wiki/Ameisensäure -
belegt ist und von der Klägerin auch nicht bestritten wird, ätzend und ihre Dämpfe reizen
Atemwege und Augen. Die unsachgemäße Handhabung schon des Behältnisses mit
dem unverdünnten Produkt und die unsachgemäße Mischung der Flüssigkeit oder ihre
unsachgemäße Anwendung am Tier, etwa durch zu hohe Säurekonzentration, kann
beim Tier und beim anwendenden Menschen gewebezerstörende schmerzhafte
Verätzungen und Beeinträchtigungen der Atemwege und der Augen bewirken. Der
Anwender muss Schutzkleidung gegen Spritzer tragen und/oder von der Spritzdüse
Abstand wahren. Selbst im vom Hersteller vorgegebenen verdünnten Zustand kann "E. "
beim Tier auch am unverletzten Fuß bei Einsatz in zu kurzen Intervallen Rötungen,
Reizungen und Verätzungen und solche Wirkungen erst recht an verletzten Hautpartien
auslösen. Die in "E. " enthaltene Säurekonzentration ist ausreichend, um die
beschriebenen Verätzungen und Reizungen zu bewirken. Sie ist ersichtlich auch so zur
Vernichtung von Parasiten beabsichtigt und zur Kosmetik unüblich.
59
Dieses "E. " anhaftende Gefahrenpotential für Mensch und Tier ist nicht erst dann
60
erwiesen, wenn ein konkreter Schadensfall nachgewiesen ist. Ein solcher soll gerade
nach Sinn und Zweck des Gesetzes vermieden werden. Eine Gefahr ist deshalb bereits
dann anzunehmen, wenn bei realistischer Betrachtung der Eintritt eines solchen
Schadens auf Grund bestimmter Eigenschaften des Produkts nicht völlig fern liegt. Das
ist hier der Fall.
Vor dem Hintergrund drängt sich dem Senat die von der Klägerin begehrte
Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten zur potentiell schädigenden
Wirkung der wesentlichen Inhaltstoffe von "E. " und damit von "E. " selbst nicht auf.
Ebenso drängt sich in dem Zusammenhang eine Zeugenvernehmung nicht auf. Es kann
unterstellt werden, dass den benannten Zeugen ein Schadensfall bei Anwendung von
"E. " nicht bekannt geworden ist. Das schließt das Bestehen der von Ameisensäure und
Essigsäure ausgehenden, beschriebenen Gefahren nicht aus. Diese sind entgegen der
Ansicht der Klägerin durch eine unterstellte Unkenntnis der Zeugen weder widerlegt
noch irrelevant.
61
Soweit die Klägerin nach wie vor für strittig hält, ob "E. " tatsächlich schädliche
Substanzen enthält oder der empfohlenen Mischung ein Gefahrenpotential anhaftet, und
die Einholung von Sachverständigengutachten fordert, ist dem nicht nachzugehen. Die
Klägerin macht insoweit nur eine rechtliche Wertung geltend, dass nämlich trotz der - in
Wahrheit unstrittigen - naturwissenschaftlichen Wirkung der genannten Säuren bei
Anwendung von "E. " Gefahren für Mensch und Tier nicht eintreten oder eintreten
dürften. Der Senat ist jedenfalls von der dargestellten Wirkung der in "E. " enthaltenen
Säuren und der daraus resultierenden Gefahren überzeugt, zumal die Klägerin selbst in
einem zu den Akten gereichten "Produktetikett" auf die ätzende Wirkung und gebotene
Sicherheitsmaßnahmen hinweist. Insbesondere wegen der von der Klägerin selbst
angenommenen gefahrbegründenden ätzenden Wirkung ist es auch unerheblich, dass
sie die Richtigkeit des vom LÖGD ermittelten Säuregehalts - im Übrigen unsubstantiiert,
weil den von ihr für richtig gehaltenen Säuregehalt nicht angebend - bestreitet. Denn die
beschriebenen Gefahren bestehen bereits bei derjenigen Säurekonzentration, wie sie
unabhängig von ihrem Zahlenwert in "E. " im Abgabebehältnis gegeben ist, und die
Klägerin geht selbst von ihnen aus, wie ihre Hinweise auf die ätzende Wirkung von "E. "
im "Produktetikett" belegen.
62
Diesen Gefahren kann begegnet werden durch eine im Zulassungsverfahren
nachzuweisende Beschreibung der pharmakologischen Wirkung des Produkts und
durch Warn- und Anwendungshinweise auf dem Behältnis und/oder in der
Packungsbeilage (vgl. § 11 Abs. 1 Nrn 2, 8, 9, 10 u. 13 AMG), die dem
Zulassungsantrag beizufügen sind und deren Fehlen oder Mängel einen Grund für die
Versagung der Zulassung darstellen (vgl. §§ 22 Abs. 7, 25 Abs. 2 Nr. 1 u. Abs. 4 AMG).
Hieran fehlt es vorliegend bei dem Fertigarzneimittel "E. ". Das reicht für die Annahme
eines realen Gesundheitsrisikos für Tier und/oder Mensch und damit als Rechtfertigung
des in dem Verbringungsverbot liegenden Handelshemmnisses aus. Ob den
beschriebenen Gefahren mit dem nötigen Nachdruck bereits durch entsprechende
"Etikettierung" Rechnung getragen werden könnte, wie die Klägerin meint, kann offen
bleiben. Im Übrigen ist auch der Wortlaut der "Etikettierung" Gegenstand des
Zulassungsverfahrens (§ 22 Abs. 7 AMG). Solange, wie hier, eine ausreichende
"Etikettierung", die auf die Gefahren hinweist und warnt sowie Sofortmaßnahmen im
Verätzungsfall beschreibt, nicht vorliegt, ist ein Außerverkehrziehen des
streitbefangenen Produkts jedenfalls kein unverhältnismäßiges Mittel zur Beseitigung
der Gefahr.
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Auf die von der Klägerin für geboten gehaltene Feststellung des dem Produkt "E. " vom
Anwenderkreis zugeschriebenen Bestimmungszwecks durch eine
Verbraucherbefragung und die Klärung bestimmter Fragen zur Auslegung des
Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof kommt es mithin nicht an.
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Die Kostenentscheidung und ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus § 154 Abs. 2
VwGO und § 67 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, die Nichtzulassung der Revision
aus dem Nichtvorliegen eines Grundes des § 132 Abs. 2 VwGO und die
Streitwertentscheidung aus §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG a. F., § 72 Nr. 1 GKG n. F.
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