Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.09.1998

OVG NRW (antragsteller, bundesrepublik deutschland, begründung, beschwerde, verwaltungsgericht, arbeitsmarkt, eugh, arbeitnehmer, staat, tätigkeit)

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 231/97
Datum:
17.09.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 231/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 8 L 1358/94
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
G r ü n d e :
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Der Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Beschwerde ist unzulässig. Er genügt
schon formell nicht den Anforderungen, die nach § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO an die
Darlegung der geltend gemachten Beschwerdezulassungsgründe nach § 146 Abs. 4
iVm § 124 Abs. 2 VwGO zu stellen sind.
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Nach § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO sind in dem Antrag auf Zulassung der Beschwerde die
Gründe darzulegen, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist. "Dargelegt" im Sinne
dieser Vorschrift ist ein Zulassungsgrund nur, wenn er zweifelsfrei vom Antragsteller
benannt wird und konkret ausgeführt ist, warum dieser Zulassungsgrund vorliegen soll.
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Vgl. Senatsbeschluß vom 2. Juni 1997 - 18 B 576/97 -; ebenso OVG NW, Beschlüsse
vom 7. Februar 1997 - 7 B 238/97 - und vom 16. April 1997 - 8 B 679/97 -.
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Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Der so verstandene
Begründungszwang entspricht zudem der mit dem 6. Gesetz zur Änderung der
Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 (BGBl. I S.
1626) beabsichtigten Straffung von Gerichtsverfahren; er reduziert den Aufwand für die
Bearbeitung des Zulassungsantrags, dient damit einer Verfahrensbeschleunigung und
ermöglicht eine Verkürzung der gerichtlichen Bearbeitungszeiten.
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Vgl. hierzu BT-Drucks. 13/3993, S. 9, 13, 23.
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Den vorstehenden Anforderungen entspricht die Begründung des Zulassungsantrags
nicht. Sie greift - in Verkennung des rechtssystematischen Unterschieds zwischen der
Begründung eines Zulassungsantrags und der Begründung einer Beschwerde - die
nach ihrer Auffassung unzutreffende Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht
an, ohne insoweit zwischen den einzelnen Zulassungsgründen zu unterscheiden. Es ist
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jedoch nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus der unspezifizierten Begründung
des Zulassungsantrags für die geltend gemachten Zulassungsgründe jeweils eine
Begründung zu konstruieren.
Vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Juni 1997 - 18 B 576/97 - und vom 12. August 1997 - 18
B 216/97 -.
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Zwar mag ein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt sein, wenn sich die
Antragsbegründung eindeutig einem der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO
zuordnen läßt,
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vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 25. Februar 1997 - 5 S 352/97 -,
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und sie hinreichend konkrete Ausführungen zu den aufgeworfenen Rechtsfragen
enthält. Eine derartige Zuordnung scheidet jedoch schon infolge der sich teilweise
überschneidenden Regelungsbereiche der Zulassungsgründe regelmäßig - und auch
hier - aus, wenn die Begründung des Zulassungsantrags geeignet ist, sich auf mehrere
Zulassungsgründe zu erstrecken.
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Der Zulassungsantrag müßte aber auch ungeachtet der unzureichenden Darlegung der
Zulassungsgründe erfolglos bleiben. Der Senat läßt dabei offen, ob und in welchem
Umfang eine Sachprüfung im Rahmen des Zulassungsverfahrens daran scheitert, daß
der Antragsteller einerseits inzwischen nach Dortmund verzogen und dort als
Seelsorger berufstätig ist, andererseits der Antragsgegner insoweit im Einverständnis
mit der Stadt D. das Verwaltungsverfahren in eigener Zuständigkeit gemäß § 3 Abs. 3
VwVfG NW fortführt.
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Zur Unzulässigkeit einer Antragsänderung im Zulassungsverfahren vgl. Senatsbeschluß
vom 12. Januar 1998 - 18 B 22/98 - und zur Beschränkung der Sachprüfung auf die bis
zum Ablauf der Antragsfrist vorgetragenen Gesichtspunkte vgl. Senatsbeschluß vom 19.
Dezember 1997 - 18 B 726/97 -.
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Wird zugunsten des Antragstellers auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht
berücksichtigten Sachverhalts entschieden, scheitert eine Zulassung der Beschwerde
jedenfalls daran, daß sich der angegriffene Beschluß als richtig erweist.
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Das Verwaltungsgericht hat die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis mit zutreffenden
Erwägungen, die durch das Vorbringen des Antragstellers im Zulassungsverfahren nicht
in Zweifel gezogen werden, als rechtmäßig beurteilt. Ein örtliches Bedürfnis im Sinne
des § 5 Nr. 6 AAV für eine Beschäftigung des Antragstellers in Lengerich - insoweit hat
die inzwischen aufgenommene Tätigkeit in D. im vorliegenden Verfahren außer Betracht
zu bleiben - ist weiterhin nicht dargetan. Des weiteren teilt der Senat insbesondere die
Auffassung, daß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 dem Antragsteller keinen Anspruch auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vermittelt. Der Antragsteller hat zum maßgeblichen
Beurteilungszeitpunkt, dem Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis,
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vgl. Senatsbeschluß vom 22. November 1994 - 18 B 564/94 - ,
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die Anspruchsvoraussetzungen dieser Norm nicht erfüllt, weil er nicht dem regulären
Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland angehörte.
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Für die Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt eines
Mitgliedsstaats im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kommt es maßgeblich darauf an, ob
das Arbeitsverhältnis in dessen Hoheitsgebiets lokalisiert werden kann oder es eine
hinreichend enge Verknüpfung mit diesem Gebiet aufweist. Dabei sind insbesondere zu
berücksichtigen der Ort der Einstellung des türkischen Staatsangehörigen, das Gebiet,
in dem oder von dem aus die Tätigkeit in Lohn- oder Gehaltsverhältnissen ausgeübt
wurde und die auf den Arbeitnehmer anzuwendenden nationalen Vorschriften im
Bereich des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit.
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Vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 1997 - Rs C-98/96 (Ertanir) -, InfAuslR 1997 434.
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Davon ausgehend haben Arbeitnehmer, die von einem in ihrem Heimatstaat ansässigen
Unternehmen beschäftigt und vorübergehend zur Erbringung einer Dienstleistung in
einen Mitgliedstaat entsandt werden, keinen Zutritt zum Arbeitsmarkt des
Mitgliedstaates, da sie nach Erfüllung ihrer Aufgabe in ihr Herkunfts- oder Wohnsitzland
zurückkehren.
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Vgl. EuGH, Urteil vom 9. August 1994 - Rs C-43/93 (Vander Elst) -, InfAuslR 1994, 388.
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So verhält es sich hier. Nach den vorliegenden Unterlagen war das Arbeitsverhältnis
des Antragstellers bis zu seiner Auflösung aufgrund seiner rechtlichen Ausgestaltung
und seiner vornehmlichen Zielsetzung, der seelsorgerischen Betreuung türkischer
Staatsangehöriger, derart eng mit dem türkischen Staat verbunden, daß dadurch die
Bedeutung des in Deutschland gelegenen Einsatzortes völlig überlagert wurde. Der
Antragsteller war als Beamter des türkischen Staates angestellt und als
Religionsbeauftragter der Republik Türkei befristet mit der Wahrnehmung religiöser
Angelegenheiten im Bereich des türkischen Generalkonsulats in M. eingesetzt worden
war. Daß der Antragsteller dem türkischen Beamtenrecht unterlag, verdeutlicht
insbesondere die gegen ihn vom türkischen Staat erlassene Disziplinarmaßnahme, mit
der er aus seinem Amt verwiesen worden ist.
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Erfolglos verweist der Antragsteller auf die Rechtsprechung zum Spezialitätenkoch,
dessen Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt seit dem Urteil des EuGH vom 30.
September 1997 - Rs C-98/96 -, a.a.O., nicht mehr zweifelhaft ist. Im Gegensatz zum
Kläger ist ein Spezialitätenkoch regelmäßig aufgrund seines Arbeitsvertrages
uneingeschränkt arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlich im
Aufnahmemitgliedstaat eingebunden. Seine Rechtsstellung unterscheidet sich in keiner
Weise von der aller türkischer Arbeitnehmer, die in dessen Hoheitsgebiet beschäftigt
sind.
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Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und des begehrten Ausweisungsschutzes
schließt sich der Senat den Ausführungen des Verwaltungsgerichts mit der Maßgabe
an, daß der Antragsteller weiterhin Abschiebungshindernisse bzw. Duldungsgründe
weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht hat. Die allgemeine Gefahr, daß
einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung oder Bestrafung drohen
könnte und die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates
gesetzmäßigen Bestrafung stehen nach § 53 Abs. 5 AuslG einer Abschiebung nicht
entgegen, soweit sich aus den Abs. 1 bis 4 nichts anderes ergibt. Insoweit verweist der
Antragsteller zwar auf eine ihm bei einer Rückkehr in die Türkei drohende Inhaftierung
und Folterung, die er im wesentlichen mit seiner religiösen Tätigkeit und seinen in
diesem Zusammenhang geäußerten politischen Ansichten begründet. Damit beruft sich
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der Antragsteller aber letztlich auf verfolgungsabhängige Abschiebungshindernisse.
Insoweit ist er indes auf das Asylverfahren zu verweisen. Denn der Ausländerbehörde
ist es verwehrt, verfolgungsabhängige Abschiebungshindernisse als selbständige, die
Abschiebung hindernde Gründe zu berücksichtigen; sie können nur gegenüber dem
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Rahmen eines
Asylverfahrens geltend gemacht werden (§§ 13, 14 AsylVfG).
vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1992 - 18 A 1262/91.A -, NWVBl. 1992, 294 = NVwZ
1992, 1114, und Senatsbeschluß vom 31. Mai 1994 - 18 B 3077/93 -.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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