Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 31.08.2007

OVG NRW: verbot der diskriminierung, marktmächtiges unternehmen, behörde, rechtfertigung, infrastruktur, ausnahme, begriff, beförderung, besteller, zugang

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 108/07
Datum:
31.08.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 108/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 18 K 2670/05
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Oktober 2006 wird auf Kosten der
Klägerin zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 1.000.000,-
EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, über den aufgrund von § 124a Abs. 4 Satz 4
VwGO nur im rechtlichen Rahmen der fristgerechten Darlegungen der Klägerin zu
entscheiden ist, ist unbegründet.
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I. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
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Bei diesem Zulassungsgrund, der die Einzelfallgerechtigkeit gewährleisten und
ermöglichen soll, unbillige oder grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren, kommt
es nicht darauf an, ob die angefochtene Entscheidung in allen Punkten der Begründung
richtig ist, sondern nur darauf, ob ernstliche Zweifel im Hinblick auf das
Entscheidungsergebnis bestehen. Ernstliche Zweifel sind dabei anzunehmen, wenn
gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach summarischer
Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, d. h. wenn ein einzelner tragender
Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung in der angefochtenen
Gerichtsentscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163;
BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838; OVG NRW,
Beschluss vom 13. August 2007 - 13 A 1067/07 -.
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In diesem Sinne hat der Senat im vorgegebenen Prüfungsrahmen keine ernstlichen
Zweifel an der Richtigkeit der Abweisung der Anfechtungsklage durch das
Verwaltungsgericht.
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1. Soweit die Klägerin vorträgt, das Verwaltungsgericht habe § 5 Abs. 3 Satz 2 der
Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung - EIBV - in der hier maßgeblichen
Fassung vom 17. Dezember 1997 falsch ausgelegt, greift das nicht durch.
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Gemäß § 5 Abs. 1 EIBV können Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Entgelte für die
Benutzung ihrer Eisenbahninfrastruktur frei gestalten, soweit sich aus der
Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung nichts anderes ergibt. Gemäß § 3 Abs. 1
dieser Verordnung haben die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Benutzung ihrer
Infrastruktur diskriminierungsfrei im Sinne des § 14 Allgemeines Eisenbahngesetz -
AEG - in der hier maßgeblichen Fassung vom 27. Dezember 1993 zu gewähren. Wie
der Vorbehalt "soweit ..." rechtsdogmatisch einzuordnen ist, mag dahinstehen. Die
Klägerin räumt jedenfalls selbst ein, dass der Grundsatz der freien Entgeltgestaltung
durch die Verpflichtung zur Gewährung diskriminierungsfreien Zugangs eingeschränkt
wird und Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG dem nicht entgegensteht. Eine ausdrückliche
Verbotsnorm verlangt § 5 Abs. 1 EIBV nicht; insoweit reicht das sinngemäße Verbot der
Diskriminierung aus § 3 Abs. 1 EIBV als Beschränkungsnorm aus. Eine Diskriminierung
im Sinne des § 14 Abs. 1 AEG liegt nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichts vor,
wenn Eisenbahnverkehrsunternehmen beim Zugang zur Eisenbahninfrastruktur ohne
sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt werden.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Februar 2006 - 20 B 758/05 - und vom 26. März
2007 - 13 B 2592/06 -; Beck'scher AEG-Kommentar, § 14 Rdn. 78.
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Vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlichen allgemeinen
Diskriminierungsverbots
10
vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 07. Juni 2005 - Rs. C-17/03 -, Slg 2005-6 (A), I - 5016/5035,
11
ist es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht geboten, eine Diskriminierung erst dann
anzunehmen, wenn das beanstandete Verhalten die Missbrauchsgrenzen überschreitet,
d. h. auf Willkür oder wirtschaftsfremden unternehmerischen Entscheidungen beruht.
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Im vorliegenden Fall werden Besteller von Trassen, die die Frist des § 4 Abs. 2 Satz 1
EIBV nicht wahren und bis zu 30-tägige Nutzungen dieser Trassen beantragen (nach
Bezeichnung der Klägerin: unterjährige Sonderverkehre), gegenüber Bestellern, die die
vorgenannte Frist einhalten oder bei unterjähriger Bestellung mehr als 30-tägige
Nutzungen beantragen (nach Bezeichnung der Klägerin: Regelverkehre), insoweit
anders behandelt, als erstere mit dem umstrittenen Zuschlag belegt werden, letztere
aber nicht.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin liegen nicht etwa deshalb ungleiche, eine
unterschiedliche entgeltliche Behandlung rechtfertigende Sachverhalte vor, weil den
von ihr auf die jeweiligen Bestellungen zu liefernden Trassennutzungen
unterschiedliche Leistungen zu Grunde liegen. Die der Klägerin zu entgeltenden
Leistungen, nämlich die Bearbeitung der Bestellung, Konstruktion der jeweiligen
gewünschten Trasse und Einrichtung ihrer Nutzung für Sonderverkehre, sind im Fall der
Bestellung von Regelverkehren und im Fall der Bestellung unterjähriger
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Sonderverkehre als gleich zu werten. Soweit letztere, wie die Klägerin behauptet,
längere Konstruktionszeiten und damit erhöhten Personaleinsatz und Kosten erfordern
sollten, ist das kein Umstand, der ihre diesbezügliche Leistung als wesentlich anders
als ihre Leistung bei Bestellung von Regelverkehren qualifiziert. Auch fristwahrende
Bestellungen von Regelverkehren erfordern im Konfliktfall lange Verhandlungen unter
hohem Personaleinsatz und Kosten, was aber für die Entgelthöhe irrelevant ist. Auch
aus sonstigen Gründen kostenintensive Bestellungen von Regelverkehren gehen
insoweit in die Mischkalkulation der entgeltbestimmenden Kosten ein. Hieraus folgt,
dass im Ausgangspunkt eine möglicherweise personalaufwändigere unterjährige
Bestellung von Sonderverkehren entgeltmäßig gleich zu behandeln ist und in die
Kosten-Mischkalkulation für Trassenbestellungen einzustellen ist. Eine Ausnahme
hiervon könnte allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn der von der Klägerin behauptete
Personal- und damit Kostenmehraufwand generell einen Umfang annimmt, der
billigerweise eine Gleichbehandlung mit Bestellungen von Regelverkehren unzumutbar
erscheinen lässt, etwa weil der Mehraufwand stets anfällt und nicht durch weniger
aufwändige Sonderbestellungen aufgefangen wird sowie ein Vielfaches der
durchschnittlichen Kosten bei Bestellungen von Regelverkehren ausmacht. Das hat das
Eisenbahninfrastruktur- unternehmen, wenn die dazu behaupteten Abläufe und
Gegebenheiten nicht ohne weiteres einleuchtend sind oder eine entgeltliche
Andersbehandlung hier in Form eines Zuschlags nicht bereits normativ erlaubt oder
geboten ist, substantiiert und detailliert darzulegen und zur Überzeugung der Behörde
und der Gerichte nachzuweisen. Hieran fehlt es, wie noch ausgeführt wird.
2. Eine sachliche Rechtfertigung der entgeltmäßigen Ungleichbehandlung unterjähriger
Bestellungen von Sonderverkehren wäre anzunehmen, wenn die Klägerin normativ
gehalten wäre, erhöhte Kosten für die Bereitstellung solcher Verkehre nur bei der
Ermittlung der Entgelte für diese Trassen zu berücksichtigen.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin kann § 5 Abs. 3 Satz 2 EIBV die 10- prozentige
Entgelterhöhung wegen erhöhter Kosten für die Bereitstellung von unterjährigen
Sonderverkehren nicht rechtfertigen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass mit
dem Begriff "Verkehrsleistung" in § 5 Abs. 3 Satz 2 EIBV nicht der von der Klägerin so
bezeichnete Sonderverkehr gemeint sei, sondern nur die Verkehrsarten
Personenfernverkehr, Personennahverkehr und Güterverkehr, die Vorschrift finde daher
bereits keine Anwendung. Die Klägerin hat innerhalb der Darlegungsfrist nicht
dargelegt, dass diese Rechtsauffassung falsch oder zumindest zweifelhaft ist. Sie hat
sich in der Antragsschrift zwar mit dem Regel-Ausnahme- Verhältnis des § 5 Abs. 1
EIBV befasst, die Prüfung vermisst, ob § 5 Abs. 3 Satz 2 EIBV eine einschlägige
Einschränkung des Grundsatzes des Entgeltgestaltungsfreiheit enthält, und die
Typisierung der "Verkehrsleistungen" durch das Verwaltungsgericht für falsch gehalten
sowie die Folgen der einen und der anderen Interpretation aufgezeigt (C. I.1.1 - 1.3).
Warum die Interpretation des Verwaltungsgerichts unter Heranziehung der Grundlagen
des Gemeinschaftsrechts nicht haltbar und der eigenen Interpretation zu folgen sei, hat
sie nicht dargelegt; mit den argumentativen Ausführungen des Verwaltungsgerichts
insoweit setzt sich der Zulassungsantrag nicht auseinander.
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Soweit die Klägerin unter dem 19. Juni 2007 (F. 1.2) - nach Ablauf der Darlegungsfrist -
anführt, auch Sonderverkehre und Regelverkehre seien Verkehrsleistungen, unter
letzteren könne auch nach anderen Kriterien als der Trias Personenfern-, Personennah-
und Güterverkehr differenziert werden, sei lediglich angemerkt: Der Be-griff
"Verkehrsleistung" in § 5 Abs. 3 Satz 2 EIBV dürfte an die Definition der
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Eisenbahnverkehrsleistung in § 2 Abs. 2 Satz 2 AEG - ... Beförderung von Personen
oder Gütern ... - anknüpfen. Davon ausgehend könnte einiges dafür sprechen, den
Begriff "Verkehrsleistung" im Sinne von Verkehrsart Beförderung von Personen - im
Fernverkehr oder Nahverkehr - oder Beförderung von Gütern zu verstehen und das
Anliegen des § 5 Abs. 3 Satz 2 EIBV darin zu sehen, erhöhte Kosten der einen
Verkehrsart nur in die Entgelte dieser Verkehrsart einfließen zu lassen. Satz 1 des § 5
Abs. 3 EIBV, zu dem Satz 2 der Vorschrift in innerem Zusammenhang steht, ermöglicht
Entgelte für die dort angeführte Infrastruktur auf der Basis von Mischkalkulationen. Nach
Satz 2 dürften Verkehrsunternehmen der einen Verkehrsart auch nicht über eine
Mischkalkulation mit erhöhten Kosten einer anderen Verkehrsart belastet werden
können. Ein solches Verständnis passte in seiner Tendenz zur Regelung des § 5 Abs. 2
Satz 3 EIBV, der den Begriff "Verkehrsleistungen" ebenfalls enthält und nach dem eine
auf eine bestimmte Verkehrsart beschränkte Investition nur dieser - und damit über die
Entgelte den sie bedienenden Unternehmen - zugute kommen soll. Im Übrigen könnte
das Verständnis der Klägerin zur Folge haben, dass die große Menge von Zugtrassen
mit unterschiedlich hohen Kosten für die Klägerin zu einer Vielzahl unterschiedlicher
Entgelte führte und die angestrebten Entgelte auf Mischkalkulationsbasis weitgehend in
den Hintergrund träten. Schließlich verursacht, genau betrachtet, nicht die
Verkehrsleistung, diese im Sinne der Klägerin schlicht als Beförderungsvorgang
verstanden, eines unterjährig bestellten Sonderverkehrs eventuell erhöhte Kosten für
das Eisenbahninfrastrukturunternehmen, sondern dessen nicht fristwahrende
Bestellung. Die Trassennutzung als solche verursacht dem Infrastrukturunternehmen bei
fristwahrender Bestellung von Regelverkehr wie bei unterjähriger Bestellung von
Sonderverkehr die gleichen Kosten. Dem u. a. das Anreizsystem betreffenden
Senatsbeschluss vom 26. März 2007 - 13 B 2592/06 - lässt sich die von der Klägerin
vertretene Interpretation des Begriffs "Verkehrsleistung" nicht entnehmen.
Einer abschließenden Entscheidung zum Verständnis des Begriffs Verkehrsleistung i.
S. d. § 5 Abs. 3 Satz 2 EIBV bedarf es indes nicht. Denn der von der Klägerin
behauptete Bearbeitungsmehraufwand ist, wie an anderer Stelle ausgeführt, jedenfalls
nicht überzeugend und nicht nachgewiesen. Kann diese weitere tatbestandliche
Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 EIBV nicht festgestellt werden, scheidet die
Vorschrift als sachliche Rechtfertigung der geschilderten entgeltlichen
Ungleichbehandlung ohnehin aus und kommt es auf die Interpretation des Begriffs
"Verkehrsleistung" nicht an.
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3. a) Eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung lässt sich, wie das
Verwaltungsgericht und die Beklagte angenommen haben, auch nicht aus § 6 Abs. 2
EIBV herleiten. Das Verwaltungsgericht hat zwar zunächst Gründe dafür angeführt, dass
§ 6 Abs. 2 EIBV bei der Berechnung von Zu- und Abschlägen wohl nur solche Faktoren
erfasse, die ihrer Art nach den beispielhaft genannten Kostenelementen entsprechen,
Kosten für behaupteten Verwaltungsmehraufwand bei Sondertrassenbestellungen aber
eher nicht berücksichtige. Es hat dann aber, selbst wenn ein Zuschlag wegen erhöhten
Verwaltungsaufwands für Bearbeitung von unterjährigen Sonderverkehren nach § 6
Abs. 2 EIBV grundsätzlich zulässig wäre, einen sachlichen Grund für die
unterschiedliche entgeltliche Behandlung letzterer Verkehre beim Zugang zur
Infrastruktur verneint, weil der behauptete Mehraufwand von der Klägerin weder
hinreichend dargelegt noch nachgewiesen sei. Letzteres ist nicht zu beanstanden. Die
Frage nach der rechtsdogmatischen Einordnung des § 6 Abs. 2 EIBV als offener oder
als einschränkender Tatbestand stellt sich nicht. Denn ein an sich unter § 6 Absätze 1
und 2 EIBV erfassbarer Kostenmehraufwand kann den Diskriminierungsvorwurf nur
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dann ausräumen, wenn er nachvollziehbar und überzeugend ist und den Zuschlag der
Höhe nach rechtfertigt.
In dem Zusammenhang spricht die Klägerin der Regulierungsbehörde und dem
Verwaltungsgericht zu Unrecht das Recht ab, ihre Behauptung von
Bearbeitungsmehrkosten für unterjährige Bestellungen von Sonderverkehren auf ihre
Richtigkeit prüfen zu können; einen diskriminierenden Zuschlag will sie nur dann
annehmen, wenn er auf willkürlicher oder wirtschaftsfremder unternehmerischer
Entscheidung beruht. Der Gestaltungsspielraum des Infrastrukturunternehmens bei der
Entgeltbestimmung steht einer Prüfungsberechtigung und -verpflichtung der Behörde
und der Gerichte jedoch nicht entgegen. Er bleibt unverändert, wird aber auf seine
Einhaltung durch das Unternehmen überprüft. Ohne diese Kontrolle könnten etwa das
Diskriminierungsverbot leer laufen oder gesetzeswidrige Entgelte verlangt werden.
Selbst wenn man entgegen den obigen Ausführungen der kartellrechtlichen Sicht der
Klägerin folgte, wäre ein mit Bearbeitungsmehrkosten begründeter Zuschlag bei
fehlendem oder jedenfalls nicht nachgewiesenem Bearbeitungsmehraufwand für
unterjährige Bestellungen von Sonderverkehren willkürlich. Insbesondere ist die
Willkürgrenze aus einem weiteren Grund überschritten. Die von der Klägerin
eingeräumte Absicht, die unterjährigen Besteller von bis zu 30-tägigen Trassen für
Sonderverkehr zu veranlassen, die Trassenbestellungen in der Frist des § 4 Abs. 2 Satz
1 EIBV vorzunehmen, trifft die kleinen und mittelständischen
Eisenbahnverkehrsunternehmen des Güterverkehrs, die sog. ad-hoc-Verkehre betreiben
und mit Konzernunternehmen der Klägerin konkurrieren. Diese Konkurrenzunternehmen
sind aber, wie die Klägerin selbst betont, nicht in der Lage, derartige Verkehre für eine
Berücksichtigung bei der Fahrplangestaltung fristgerecht anzumelden. Der umstrittene
Zuschlag gilt zwar auch für Konzernunternehmen der Klägerin, die ad-hoc-Verkehre
durchführen. Was sich jedoch bei diesen durch den anfallenden Zuschlag belastend
auswirkt, stellt sich bei der Klägerin und im Konzern als Erlös dar. Die Klägerin als
marktmächtiges Unternehmen nutzt auf diese Weise eine Zwangslage der
Konkurrenzunternehmen aus und benachteiligt diese im Wettbewerb, ohne dass ein
rechtfertigender sachlicher Grund für einen Zuschlag besteht oder dargetan ist. Das ist
ein wettbewerbswidriges Ausnutzen der Marktmacht.
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Die erklärte Absicht der Klägerin, die Besteller von unterjährigen Sonderverkehren zu
einer fristwahrenden Bestellung und damit zur Bestellung von Regelverkehren zu
veranlassen, kommt aus einem weiteren Grund als sachliche Rechtfertigung für einen
Zuschlag und für die oben geschilderte Ungleichbehandlung nicht in Betracht. Die
Klägerin hat selbst vorgetragen, dass das Mittel des Zuschlags insoweit erfolglos war
und ist, eben weil den ad-hoc-Verkehre betreibenden Unternehmen eine fristwahrende
Trassenbestellung nicht möglich ist. Ein insoweit von vornherein als unwirksam
erkennbares Mittel kann eine Diskriminierung nicht rechtfertigen.
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b) Die Behauptungen der Klägerin zur Bearbeitung von Bestellungen von unterjährigen
Sonderverkehren, dass sie einen derartigen Bearbeitungsmehraufwand erfordern, der
billigerweise eine entgeltmäßige Gleichbehandlung mit Bestellungen von
Regelverkehren unzumutbar erscheinen lässt, vermögen nicht zu überzeugen.
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Dagegen spricht, dass eine Trassenkonstruktion weitgehend unter Einsatz von
moderner Software und Trassensuchmaschinen erfolgt, die nach Fahrplanerstellung
noch verfügbaren Kapazitäten regelmäßig bekannt sind und die gewünschte Trasse im
Allgemeinen nur aus den so beschränkten Möglichkeiten auszuwählen ist; der
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Verordnungsgeber der aktuellen EIBV 2005 hält im Übrigen ein Trassenangebot oder
eine Ablehnung der Bestellung innerhalb von fünf Tagen nach Bestellung für möglich (§
14 Abs. 2 Satz 1 EIBV 2005), was dafür spricht, dass die Entscheidungsphase
regelmäßig nicht überaus langwierig ist und nicht mit umfangreicheren Verhandlungen
einhergeht. Dem gegenüber dürften Fälle ganz besonders aufwändiger Bearbeitung (§
14 Abs. 2 Satz 2 EIBV 2005) die Ausnahme darstellen und einen generellen Zuschlag
der vorliegenden Art nicht rechtfertigen.
Die Klägerin meint, hinreichend konkrete Anhaltspunkte für den ihr entstehenden
Mehraufwand für unterjährige Trassenbestellungen für Sonderverkehre gegeben zu
haben; das Eisenbahnrecht, wie insbesondere aus § 14 Abs. 4 AEG folge, erfordere
nicht, die Mehrkosten im Einzelnen darzulegen oder zu beziffern, so lange dem
Eisenbahninfrastrukturunternehmen eine allgemeine, nicht widerlegbare
Plausibilisierung des Mehraufwands und des angemessenen Mehraufwand- Zuschlag-
Verhältnisses gelinge. Dem Senat wie dem Verwaltungsgericht ist jedoch aus den
dargelegten Gründen ein genereller Mehraufwand bei Bearbeitung unterjähriger
Trassenbestellungen für Sonderverkehre und überdies die Angemessenheit des
Zuschlags nicht plausibel.
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In einer solchen Situation hat das Eisenbahninfrastrukturunternehmen alle
Erläuterungen und ggf. Nachweise zu erbringen, um dem Gericht wie zuvor der Behörde
bestehende Plausibilitätsbedenken zu nehmen und die Überzeugung von dem
behaupteten Mehraufwand zu verschaffen. Dazu hatte die seinerzeit zuständige
Behörde der Beklagten bereits im Verwaltungsverfahren mit - weiterem - Schreiben vom
30. November 2004 u.a. um substantiierte Darstellung der Prozessabläufe bei
Konstruktion einer Sondertrasse in der Praxis sowie des Personalaufwands unter
Vorlage einer tabellarischen Übersicht über Einzeltätigkeiten mit jeweiligen Zeitwerten
gebeten. Dem ist die Klägerin nicht wie erbeten nachgekommen. Vielmehr hat sie in
Reaktion hierauf als wesentlichen Kostenfaktor den Umstand angegeben, dass
Sondertrassen nur für wenige Tage bestellt und erst ab 31 Nutzungen für sie rentabel
würden. Das belegt aber nicht einen Mehraufwand bei der Konstruktion der Trassen,
sondern spricht nur den Erlös der Klägerin aus einer konstruierten Trasse an, der um so
höher ist, je mehr sie benutzt wird und je mehr entgeltpflichtige Trassenkilometer damit
verbunden sind. Die maßgeblichen objektiven Konstruktionskosten werden durch einen
Bezug auf die erzielbaren Trassenkilometer nicht dargelegt. Kommt ein
Eisenbahninfrastrukturunternehmen seinen Pflichten zur Darlegung von Umständen, die
in seiner Sphäre liegen, trotz dezidierter Aufforderung nicht nach und bietet es keinen
geeigneten Alternativnachweis, haben die Behörde und die Gerichte nicht statt seiner im
Rahmen der Amtsermittlung zu erforschen, ob der behauptete Personal- und
Kostenmehraufwand bei der Bearbeitung von unterjährigen Trassenbestellungen für
Sonderverkehre tatsächlich vorliegt. Im Gegenteil kann sogar davon ausgegangen
werden, dass der behauptete Mehraufwand nicht belegbar ist.
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Nachdem die Klägerin auch im Zulassungsverfahren nicht vorgetragen hat, den
behaupteten personellen Mehraufwand bei unterjährigen Trassenbestellungen für
Sonderverkehre nachweisen zu wollen und zu können, sondern es im Grunde bei der
bloßen Behauptung eines Mehraufwands belässt, ist nach wie vor eine sachliche
Rechtfertigung für die oben dargestellte Diskriminierung nicht überzeugend dargetan
und die Richtigkeit der Klageabweisung nicht erschüttert.
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II. Grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt der Rechtssache nicht
27
zu. Die Klägerin hat keine den vorliegenden Einzelfall überschreitende,
verallgemeinerungsfähige Frage tatsächlicher oder rechtlicher Art, die der
Rechtsfortbildung und/oder -vereinheitlichung dienlich und in der Berufung
klärungsbedürftig und klärungsfähig ist, dargelegt.
1. Soweit die Klägerin die sinngemäße Frage aufwirft, ob unter Verkehrsleistungen im
Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 EIBV nur die Verkehrsarten Schienenpersonenfernverkehr,
Schienenpersonennahverkehr und Schienengüterverkehr zu verstehen sind, und eine
Mischkalkulation nur innerhalb dieser Verkehrsarten zulässig ist und daher eine
preisliche Differenzierung zwischen Sonderverkehr und Regelverkehr durch die
genannte Vorschrift nicht erfasst wird, kommt es auf diese Frage jedenfalls nicht
entscheidungserheblich an. Mangels dargelegter und nachgewiesener erhöhter
Bearbeitungskosten für unterjährig bestellte Sonderverkehre scheidet § 5 Abs. 3 Satz 2
EIBV als sachliche Rechtfertigung aus; der Beantwortung der von der Klägerin für
klärungsbedürftig gehaltenen Frage bedarf es nicht.
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2. Die weitere Frage, ob sich aus den Regelbeispielen in § 6 Abs. 2 EIBV ein Verbot der
Berücksichtigung solcher Kosten ergibt, die ihren Grund in dem Mehraufwand bei der
Bearbeitung von Trassenbestellungen haben und keinen Zusammenhang mit der
Benutzung der Infrastruktur als solcher aufweisen, stellt sich ebenfalls nicht. Das
Verwaltungsgericht hat diese Frage letztlich nicht entschieden und darauf abgestellt,
dass der behauptete Mehraufwand weder dargelegt noch bewiesen sei. So stellt sich
auch die Situation im Zulassungsverfahren dar. Rechtfertigte der behauptete
Bearbeitungsmehraufwand grundsätzlich einen Zuschlag nach § 6 EIBV, ist der
behauptete Mehraufwand aber nicht dargelegt und nicht nachgewiesen, so kann er
deshalb die eingangs dargelegte entgeltliche Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen;
diese bliebe diskriminierend. Fielen die behaupteten Mehrkosten bereits nicht unter den
offenen Tatbestand des § 6 Abs. 2 EIBV, könnten sie ohnehin den Zuschlag nicht
rechtfertigen und die Diskriminierung nicht beseitigen.
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Die Frage, ob die Beklagte und demzufolge auch das Verwaltungsgericht auf der
Grundlage des § 14 Abs. 3a AEG zu einer derart weitgehenden
Zweckmäßigkeitskontrolle der konkreten Entgeltgestaltung wie angenommen berechtigt
ist, beantwortet sich ohne weiteres aus Sinn und Zweck des Gesetzes. Diese gehen u.a.
dahin, Diskriminierungen beim Zugang zur Eisenbahninfrastruktur aufzudecken und
"wirksam" zu unterbinden.
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3. Die Frage, ob der hier streitgegenständliche Sonderverkehrszuschlag in einen
(versteckten) Entgeltnachlass im Sinne des § 7 Abs. 1 u. 2 EIBV umgedeutet werden
kann..., stellt sich auch nicht. Die diesbezüglichen Ausführungen des
Verwaltungsgerichts, die in der Tat zu rechtlichen Zweifeln Anlass geben, dienen
lediglich einer zusätzlichen Begründung der diskriminierenden Wirkung des
umstrittenen Zuschlags. Ob der Zuschlag ein versteckter Entgeltnachlass im Sinne des
§ 7 Abs. 1 u. 2 EIBV ist oder nicht, ändert an der bereits aus anderen Gründen
gegebenen diskriminierenden Wirkung des Zuschlags nichts.
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Schließlich kommt den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen auch nicht mit Blick auf
eventuell noch anhängige zivilgerichtliche Streitigkeiten grundsätzliche Bedeutung zu.
Eine rechtsvereinheitlichende Wirkung könnte eine Berufungsentscheidung hinsichtlich
der aufgeworfenen Fragen nicht haben, denn die Zivilgerichte wären an die
Rechtsansichten der Verwaltungsgerichte nicht gebunden; ihnen ist eine
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Parallelwertung der verwaltungsrichterlichen Ansichten auch ohne eine
Berufungsentscheidung anhand der vorliegenden Entscheidung über die
Nichtzulassung der Berufung möglich.
Schließlich steht der grundsätzlichen Bedeutung der von der Klägerin aufgeworfenen
Fragen entgegen, dass diese ausgelaufenes Recht nach dem AEG 1993 und der EIBV
1997 betreffen und ihre Beantwortung keine Bedeutung für die Anwendung des
aktuellen Rechts in vergleichbaren Streitfällen hätte. Zwar finden sich eine mit der im
vorliegenden Fall von der Behörde angewendeten Ermächtigungsgrundlage
vergleichbare Vorschrift in § 14c Abs. 1 AEG 2005 und ein vergleichbares
Diskriminierungsverbot bezüglich des Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur in § 14 Abs.
1 Satz 1 AEG 2005, doch sind die aktuellen Entgeltgrundsätze andere. Die im
vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsgrundlagen für Entgeltzuschläge gibt es in der
EIBV 2005 so nicht mehr. Die aktuellen Entgeltgrundsätze finden sich in § 21 EIBV
2005, wobei Absatz 6 Satz 1 das Gebot einer gleichen Entgeltberechnungsweise
gegenüber jedem Zugangsberechtigten aufstellt. Der Gelegenheitsverkehr ist in § 14
EIBV 2005 geregelt, ohne dass die Entgeltgrundsätze den Gelegenheitsverkehr
aufgreifen und Grundlagen für Zuschläge bieten. Hieraus folgt, dass eventuelle
Bearbeitungsmehrkosten für Sondertrassenbestellungen nach aktuellem Recht nicht
zuschlagsfähig sein dürften. Demgemäß tauchen Zuschläge für Sonderverkehre im
aktuellen modularen Trassenpreissystem, Liste der Entgelte, auch nicht mehr auf.
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III. Der Zulassungsgrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeit (§ 124 Abs. 2
Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.
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Die Rechtssache weist mit Blick auf die entscheidungserheblichen Erwägungen,
insbesondere darauf, dass die behaupteten Mehrkosten für unterjährige
Trassenbestellungen für Sonderverkehre von der Klägerin weder dargelegt noch
nachgewiesen sind, kein das normale Schwierigkeitsmaß eisenbahnrechtlicher
Streitigkeiten überschreitendes Niveau auf. Die Frage nach den Voraussetzungen für
einen Diskriminierungsvorwurf sind in der Rechtsprechung des Gerichts geklärt;
entscheidungserhebliche Rechtsfragen, die nicht bereits ohne weiteres aus dem Gesetz
zu beantworten sind, stellen sich nicht; Schwierigkeiten in tatsächlicher Hinsicht sind
nicht erkennbar.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 47 Abs. 1 u. 3, 52
Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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