Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.07.2006

OVG NRW: gespräch, verfahrensmangel, prozessrecht, mitwirkungspflicht, kusine, beweisantrag, dialekt, alter, familie, schule

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 559/05
Datum:
07.07.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 559/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 10 K 1732/04
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 35.000,-- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
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Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO. Es vermag die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine nachträgliche Änderung
der Sach- und Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG sei nicht gegeben, da der
Klägerin zu 1. die deutsche Sprache nicht in einer Weise familiär vermittelt worden sei,
dass sie ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen könne, nicht zu erschüttern.
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Das Ergebnis des ohne weiteres verwertbaren Sprachtests, den die Klägerin zu 1. am 1.
Dezember 1998 im Alter von 47 Jahren absolviert hat und in dessen Rahmen keine über
die Anforderungen eines einfachen Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG
hinausgehenden Fragen gestellt worden sind, lässt nicht positiv erkennen, dass die
Klägerin zu 1. in der Lage gewesen ist, ein einfaches Gespräch auf Deutsch im Sinne
des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu führen. Auch der Umstand, dass sie bereits im
Eingangsgespräch ihre deutschen Sprachkenntnisse mit einem Monolog über ihre
Familie darzulegen versucht hat, lässt mangels weitergehender konkreter Angaben
keinen Schluss darauf zu, dass ihre Äußerungen den sich etwa in Bezug auf den
Satzbau aus § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG ergebenden Anforderungen genügt haben.
Abgesehen davon erfüllt ein - noch dazu einstudiert wirkender - Monolog als seinem
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Wesen nach einseitige Äußerung schon nicht im Ansatz die Anforderungen an ein
Gespräch im Sinne eines einigermaßen flüssigen Gedankenaustauschs in Rede und
Gegenrede, wie dies § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG voraussetzt, und ist von vornherein
ungeeignet, das Vorliegen passiver Deutschkenntnisse zu belegen.
Die Angaben der Klägerin, sie habe von ihrer Mutter (und in der Schule) Deutsch
gelernt, lässt den Umfang der auf diese Weise erworbenen Sprachkompetenz nicht
erkennen. Soweit die Klägerin in ihrem Aufnahmeantrag angegeben hat, sie könne die
deutsche Sprache sprechen und spreche bayerischen Dialekt, steht dem das Ergebnis
des Sprachtests entgegen. Abgesehen davon handelt es sich insoweit lediglich um
Wertungen, die nicht geeignet sind, die erforderlichen Tatsachengrundlagen zu
vermitteln, die den Schluss auf die Fähigkeit zu einem einigermaßen flüssigen
Gedankenaustausch in Rede und Gegenrede zulassen.
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Darüber hinaus hat die Klägerin zu 1. mit ihrer Kusine am 22. August 2000 nach der
Aufenthaltsnahme im Bundesgebiet Mitarbeiter des Beklagten aufgesucht mit dem Ziel,
einen nochmaligen Sprachtest durchzuführen. Ausweislich des hierüber gefertigten
Vermerks hat die Klägerin zu 1. versucht, sich in deutscher Sprache auszudrücken.
Sinnvolle bzw. verständliche Aussagen in deutscher Sprache seien jedoch nicht erfolgt.
Die Äußerungen der Klägerin zu 1. hätten keinen erkennbaren Zusammenhang zum
eigentlichen Gesprächsinhalt und seien äußerst bruchstückhaft gewesen. Auch diese
Feststellungen, die das Verwaltungsgericht im Tatbestand wörtlich zitiert hat, werden
durch das Zulassungsvorbringen nicht entkräftet.
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Entgegen der Auffassung der Kläger hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche
Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Klärung der aufgeworfenen
Frage,
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"ob festgestellte Sprachkenntnisse, die für ein einfaches Gespräch im Sinne des
Gesetzes ausreichend sind, nur dann "familiär" erworben sind, wenn sie vor einem
Sprachtest nach altem Recht erworben wurden"
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ergibt sich aus dem Gesetz (§ 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BVFG) sowie der hierzu
ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des beschließenden
Gerichts.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. September 2003 - 5 C 33.02 -, BVerwGE 119, 6, und - 5 C
11.03 -, DVBl. 2004, 448 sowie Beschluss vom 29. August 2005 - 5 B 47.05 -; OVG
NRW, Beschluss vom 16. Okto-ber 2003 - 2 A 4116/02 -, rechtskräftig seit dem
Beschluss des BVerwG vom 20. August 2004 - 5 B 2.04 -, Urteil vom 4. April 2006 - 2 A
2926/04 -.
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Schließlich greift auch der geltend gemachte Verfahrensmangel der Versagung des
rechtlichen Gehörs (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht durch. Die Ablehnung des
Hilfsbeweisantrages findet eine Stütze im Prozessrecht. Angesichts des Ergebnisses
des Sprachtests und der Feststellungen bei der persönlichen Vorsprache der Klägerin
zu 1. am 22. August 2000 waren keine durch Tatsachen gestützten konkreten
Anhaltspunkte gegeben, dass die Klägerin nunmehr aufgrund familiärer Vermittlung in
der Lage sei, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können. Die gegenteilige
Behauptung allein war nicht geeignet, die für die weitere Beweiserhebung erforderliche
Tatsachengrundlage zu schaffen, so dass der diesbezügliche Beweisantrag "ins Blaue
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hinein" als unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag gestellt worden ist.
Unabhängig davon ist die Ablehnung des Hilfsbeweisantrages auch deshalb zurecht
erfolgt, weil die Klägerin zu 1. ohne Angabe von Gründen den Termin zur mündlichen
Verhandlung nicht wahrgenommen und damit ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht
nicht genügt hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 72 Nr. 1 GKG iVm §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1
und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 72 Nr. 1 GKK iVm §§ 68 Abs.
1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§
124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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