Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.08.2002

OVG NRW: verwaltungsverfahren, ordnungsnummer, sammelwerk, geschäftsführer, aussetzung, verfahrensmangel, prozessökonomie, behörde, ausnahme, klageänderung

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 1674/02
Datum:
21.08.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 1674/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 2 K 2251/98
Tenor:
Der Antrag wird - unter gleichzeitiger Ablehnung des
Aussetzungsantrags - der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin mit Ausnahme
der Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungszulassungsverfahren auf
46.016,27 EUR (= 90.000,- DM) festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Zulassungsantrag ist zurückzuweisen. Eine Zulassung der Berufung scheidet dann
aus, wenn die zugelassene Berufung erkennbar keinen Erfolg haben könnte. Dies
entspricht für alle Zulassungsgründe dem Rechtsgedanken des § 144 Abs. 4 VwGO.
2
Vgl. Beschluss des Senats vom 22. August 2001 - 13 A 817/01 -, LRE 41, 316 m.w.N.
3
Eine zugelassene Berufung könnte bezüglich des zuletzt von der Klägerin ins Auge
gefassten Geschäftsführers I. schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es an dem
erforderlichen Verwaltungsverfahren - insoweit - fehlt und eine Klageänderung nach §
91 VwGO, auf die sich der Beigeladene nicht im Sinne der genannten Vorschrift
eingelassen hat, auch nicht sachdienlich wäre. Wie auch der Beklagte mit Schriftsatz
vom 5. Juli 2002 geltend macht, erfordern seine Ermittlungen hinsichtlich des Vorliegens
der Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 iVm Abs. 3 RettG die für ein
Verwaltungsverfahren typischen Ermittlungen; das Verwaltungsverfahren ist auch noch
nicht abgeschlossen. Der Senat hat zur Unentbehrlichkeit des Verwaltungsverfahrens
bei Antragsänderung bereits wie folgt entschieden:
4
"Nach § 42 Abs. 1 VwGO kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes sowie die
Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes
begehrt werden. Dies setzt sowohl für die hier erhobene Verpflichtungsklage wie auch
5
für eine ebenfalls in Betracht zu ziehende gegen die strittigen Auflagen gerichtete
Anfechtungsklage voraus, dass sich die Behörde zunächst in einem
Verwaltungsverfahren mit dem Begehren des Klägers befassen konnte. Dieses
Erfordernis resultiert aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz. Die Verwaltungsgerichte sind
dazu berufen, behördliche Entscheidungen über Anträge zu überprüfen, nicht dagegen,
solche Entscheidungen unmittelbar selbst zu treffen. Auf ein vorausgegangenes
Verwaltungsverfahren kann daher grundsätzlich nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH,
Urteil vom 12.11.1979 - Nr. 14 B - 918/79 -, BayVBl 1980, 296; OVG NRW, Urteil vom
28.1.1975 - 6 A 1032/72 -, n.v.). Allerdings wird dieser Grundsatz aus Gründen der
Prozessökonomie dort eine Durchbrechung erfahren dürfen, wo nur unwesentliche
Änderungen in den Streitstoff eingeführt werden. Eine Änderung ist aber dann als
wesentlich anzusehen, wenn sie geeignet ist, die Beurteilung des gesamten Vorhabens
zu ändern, d. h., wenn nicht auszuschließen ist, dass ein vorher unzulässiges Vorhaben
aufgrund der Änderungen insgesamt zulässig geworden ist oder umgekehrt (so für das
Bauverfahren BayVGH, Urteil vom 12.11.1979, aaO). Ähnlich hat das BVerwG ebenfalls
für ein Bauvorhaben entschieden, eines neuen Antragsverfahrens bedürfe es dann
nicht, wenn (1.) der Betroffene die Änderung in einer ohne weiteres prüfungsfähigen
Weise anbiete, wenn (2.) die Änderung - bezogen auf die baurechtliche Beurteilung -
nur untergeordnete Bedeutung habe und wenn (3.) die zumindest prinzipielle
Genehmigungsfähigkeit des geänderten Antrages nicht zweifelhaft sei (vgl. Beschluss
vom 14.1.1971 - IV B 101.70 -, Buchholz, Sammelwerk der Rechtsprechung des
BVerwG, Ordnungsnummer 310, Nr. 9 zu § 68 VwGO)."
An dieser Rechtsprechung
6
vgl. Urteil des Senats vom 1. August 1989 - 13 A 1858/88 -, VRS 78, 72, 73 und
Beschluss vom 22. August 2001 aaO
7
hält der Senat auch in dem vorliegenden Fall fest. Dass der Streitstoff hier nicht nur eine
untergeordnete Veränderung erfährt, sondern ein anderer geworden ist, zeigen
insbesondere die Erfolgsaussichten der geänderten Klage. Wenn der nunmehr
benannte - zweite - neue Geschäftsführer der Klägerin, Herr I. , die Voraussetzungen
des § 19 Abs. 1, 3 RettG erfüllen sollte, würde der tragende Grund der erstinstanzlichen
Entscheidung nämlich wegfallen. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO ist
bei einer solchen Sachlage nicht angezeigt und der diesbezügliche Antrag der Klägerin
wird deshalb nach der Ermessensvorschrift des § 94 VwGO abgelehnt.
8
Wegen des fehlenden Verwaltungsverfahrens nach Antragsänderung bedarf es keiner
Entscheidung und keiner Klärung der Frage durch eine Vorlage an das
Bundesverwaltungsgericht gemäß § 124b VwGO, ob im Zulassungsbeschluss bei § 124
Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 5 VwGO in die Prüfung tatsächliche Veränderungen einzubeziehen
sind, die erst nach Ablauf der Darlegungsfrist von zwei Monaten nach § 124a Abs. 4
Satz 4 VwGO eingetreten sind.
9
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Juni 1997 - 15 E 444/97 -, DVBl. 1997, 1337 und
vom 5. November 1999 - 15 A 2923/99 -, m.w.N.
10
Unterstellt es käme auf das Vorbringen in der Antragsschrift zu der Beurteilung des
Geschäftsführers C. noch an, hätte der Senat die nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
erforderlichen ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses des
erstinstanzlichen Urteils nicht, auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der
11
Verhältnismäßigkeit.
Sowohl der Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr.
3 VwGO wie auch derjenige nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) sind
schon nicht ausreichend dargelegt und liegen überdies auch nicht vor. Die auf S. 6, 8
und 9 der Antragsschrift aufgeworfenen "Grundsatzfragen" lassen sich - wenn sie sich
so überhaupt entscheidungserheblich stellen sollten - nämlich nicht allgemein, sondern
nur nach den Umständen des Einzelfalles beantworten. Ein Verfahrensfehler im
Zusammenhang mit der Erörterung des Komplexes "Lehrrettungsassistent" ist entgegen
den - hilfsweisen (?) - Ausführungen auf S. 4 f der Antragsschrift nicht gegeben.
12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absätze 2, 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
13
Der Streitwert entspricht der ständigen Praxis des Senats und der einverständlich
hingenommenen Streitwertfestsetzung der ersten Instanz.
14