Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.04.2005

OVG NRW: einfluss, mehrheit, arbeitnehmereigenschaft, zustandekommen, gesellschafterversammlung, einzelunternehmer, anstellungsverhältnis, geschäftsführung, anstellungsvertrag, bindungswirkung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 635/03
25.04.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
12. Senat
Beschluss
12 A 635/03
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 17 K 7277/02
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten
Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn durch das
zu berücksichtigende Rechtsbehelfsvorbringen Bedenken von solchem Gewicht gegen die
Richtigkeit des Ergebnisses der erstinstanzlichen Entscheidung hervorgerufen werden,
dass das Ergebnis ernstlich in Frage gestellt ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. März 2001
- 12 B 1284/00 - m.w.N. sowie BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, DVBl.
2004, 838.
Das ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner die Klage
abweisenden Entscheidung ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig.
Dieses erstinstanzliche Entscheidungsergebnis ist nicht zu beanstanden. Auch wenn nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Bindungswirkung einer
Feststellungsentscheidung des Arbeitsamtes nach § 13 Abs. 2 Satz 2 SchwbG besteht,
vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2004
- 5 C 70.03 -,
kommt im vorliegenden Fall eine Anrechnung weder nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1
SchwbG noch nach § 9 Abs. 3 SchwbG in Betracht.
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Einer Anrechnung nach § 9 Abs. 1 i.V.m. 7 Abs. 1 SchwbG steht entgegen, dass Herr I. E.
junior im Streitzeitraum des Erhebungsjahres 1999 ein Gesellschafter der Klägerin mit
einem Anteil von 50 % der Geschäftsanteile war. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ist ein solcher Gesellschafter, wenn er zugleich
Geschäftsführer ist, nicht auf einem Arbeitsplatz im Sinne von § 7 Abs. 1 SchwbG
beschäftigt.
Vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1997
- 5 C 16.96 -, NVwZ-RR 1998, 241 und Urteil vom 24. Februar 1994 - 5 C 44.92 -, DVBl.
1994, 1300 sowie auch Urteil vom 26. September 2002
- 5 C 53.01 -, Behindertenrecht 2003, 146 und Urteil vom 8. März 1999 - 5 C 5.98 -,
Behindertenrecht 1999, 169.
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruht darauf, dass in einem solchen
Fall aufgrund der Gesellschafterstellung von einem nicht unmaßgeblichen Einfluss
auszugehen ist, der der Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von § 7 Abs. 1
SchwbG entgegen steht. Im vorliegenden Fall, in dem keine Geschäftsführereigenschaft
gegeben ist, gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar hatte Herr I. E. junior einen
Anstellungsvertrag mit der Klägerin geschlossen und hatte nach den vorgelegten
gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen - wie die Klägerin ausführt - keinen
"beherrschenden" Einfluss, weil er nicht über eine einfache oder gar eine 2/3 Mehrheit der
Stimmen verfügte. Aufgrund seines Unternehmensanteils von 50 % konnte er allerdings
schon das Zustandekommen nur einer einfachen Mehrheit der Stimmen blockieren. Sein
Stimmverhalten betraf damit wesentliche Angelegenheiten, wie auch die Entlastung der
Geschäftsführung (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) und im Übrigen auch das Zustandekommen von
Beschlüssen über die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu außergewöhnlichen
Geschäften, für die eine 2/3 Mehrheit erforderlich war (vgl. § 7 Abs. 6 i.V.m. § 6 Ziff. 4, 5 und
6 des Gesellschaftsvertrags in der Fassung der Änderung vom 16. Dezember 1997). Er
konnte so einen nicht unmaßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Bei einer
entsprechenden Sachlage ist deshalb grundsätzlich nicht von einer
Arbeitnehmereigenschaft auszugehen, ohne dass es für die vorliegende Beurteilung
entscheidend darauf ankäme, ob Herr E. seine Einflussmöglichkeit tatsächlich ausgenutzt
hat und wie seine Tätigkeit nach dem Anstellungsverhältnis im Einzelnen ausgestaltet war.
Vgl. BAG, Urteil vom 6. Mai 1998 - 5 AZR 612/97 -, NZA 1998, 939; BSG, Urteil vom 8.
August 1990 - 11 RAr 77/89 -, GmbHR 1991, 461.
Eine Anrechnung nach § 9 Abs. 3 SchwbG scheidet aus, weil Arbeitgeber im Sinne dieser
Bestimmung nur schwerbehinderte Einzelunternehmer sind, nicht hingegen
schwerbehinderte Personen, die als Organmitglied einer juristischen Person
Arbeitgeberfunktionen ausüben.
Vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994 - 5 C 44/92 -, DVBl. 1994, 1300, Urteil
vom 25. Juli 1997 - 5 C 16/96 -, NVwZ-RR 1998, 241.
2. Damit steht zugleich fest, dass die Rechtssache entgegen der Auffassung der Klägerin
nicht besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr.
2 VwGO aufweist. Denn den vorstehenden Ausführungen zufolge geben die Angriffe der
Rechtsmittelführerin gegen das Ergebnis der rechtlichen Würdigung keinen begründeten
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Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Anderes ergibt
sich nicht aus den in der Zulassungsschrift enthaltenen Schilderungen von Telefonaten im
Vorfeld der mündlichen Verhandlung. Insbesondere bestehen keine greifbaren
Anhaltspunkte dafür, dass der angefochtene Bescheid vom 30. August 2001 seine
Wirksamkeit verloren haben könnte.
3. Ferner ergibt sich aus den Erwägungen zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO, dass die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die von der
Klägerin in der Zulassungsschrift angesprochene Frage ist aus den vorstehenden Gründen
für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Andere entscheidungserhebliche
Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind nicht aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
Mit diesem Beschluss, der nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist, wird das
angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. November 2002
rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).