Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.01.2000

OVG NRW: schulrat, leiter, vollstreckung, beamtenrecht, aufsichtsbehörde, erstellung, vergleich, vollstreckbarkeit, verordnung, rechtswidrigkeit

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 1316/97
Datum:
11.01.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 1316/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 9666/94
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 8.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Senat entscheidet über die (zugelassene) Berufung mit dem sinngemäß gestellten
Antrag,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen,
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gemäß § 130 a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach Anhörung der Beteiligten
durch Beschluß. Er hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich und die
Berufung einstimmig für begründet. Die Klage ist nicht begründet. Die dem Kläger unter
dem 18. Januar 1994 vom Regierungspräsidenten erteilte dienstliche Regelbeurteilung,
die sich auf seine Tätigkeit als Schulrat in der Funktion eines Schulaufsichtsbeamten
auf Kreisebene während des Zeitraums vom 4. Mai 1992 bis zum 10. Januar 1994
bezieht, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtlich einwandfrei.
Demgemäß ist das angefochtene Urteil zu ändern und ist die Klage abzuweisen.
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Das Kultusministerium hat mit Runderlaß vom 23. Juli 1993, GABl NW I 178,
angeordnet, daß die mit Runderlaß des Innenministeriums vom 25. Mai 1991, SMBl NW
203034 = MBl NW 786, veröffentlichten „Richtlinien für die Beurteilung der Beamten im
Geschäftsbereich des Innenministeriums" auf die zum Geschäftsbereich des
Kultusministeriums gehörenden Beamten u.a. bei den Schulämtern mit bestimmten, im
einzelnen aufgeführten Maßgaben anzuwenden sind. Dies unterliegt, wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, in Anbetracht der dem Dienstherrn beim
Erlaß von Beurteilungsrichtlinien zustehenden weiten Gestaltungs- und
Ermessensfreiheit keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Hiernach ist nicht zu
beanstanden, daß bei der dienstlichen Beurteilung des Klägers vom 18. Januar 1994
mit dem Gesamturteil „3 Punkte" (entspricht den Anforderungen) die erwähnten
Beurteilungsrichtlinien vom 25. Mai 1991 (im folgenden: BRL) mit den aus dem
Runderlaß des Kultusministeriums vom 23. Juli 1993 hervorgehenden Maßgaben
zugrunde gelegt worden sind.
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Auch verstößt es nicht gegen Nr. 10.2.1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BRL, daß als
Erstbeurteiler des Klägers ein bei der Bezirksregierung , der Aufsichtsbehörde für das
Schulamt, tätiger Bediensteter, der pädagogische Abteilungsdirektor, fungierte. Der
Kläger hatte in seiner Funktion als schulfachlicher Leiter bei dem Schulamt keinen
Vorgesetzten. Es stand deshalb im Einklang mit Nr. 10.2.1 Abs. 2 BRL, daß er durch
einen vom Regierungspräsidenten in dessen Eigenschaft als Leiter der
Aufsichtsbehörde beauftragten Vorgesetzten erstbeurteilt wurde. Dieser mußte
allerdings in der Lage sein, sich aus eigener Anschauung ein Urteil über den Kläger zu
bilden; einzelne Arbeitskontakte oder kurzfristige Einblicke in die Arbeit des Klägers
reichten hierfür nicht aus (Nr. 10.2.1 Abs. 2 i.V.m. Nr. 10.2.1 Abs. 1 Satz 2 BRL). Diesen
Anforderungen ist jedoch Genüge getan worden. Wie der Beklagte vom Kläger
unwidersprochen vorgetragen hat, verschaffte sich der Erstbeurteiler seine Kenntnisse
über die Leistung und Befähigung des Klägers insbesondere in Gesprächen mit den
Dezernenten, die mit dem Kläger regelmäßig in dienstlichem Kontakt standen;
unmittelbaren dienstlichen Kontakt mit dem Kläger hatte der Erstbeurteiler in der Regel
anläßlich von Dezernenten- und Schulrätedienstbesprechungen. Hiernach ist nicht
erkennbar, daß der Erstbeurteiler nicht in der Lage war, sich aus eigener Anschauung
ein Urteil über den Kläger zu bilden. Dies mag für ihn zwar schwieriger gewesen sein
als für einen unmittelbaren, hier nicht vorhandenen Vorgesetzten, war aber möglich und
ist auch erfolgt, was der Kläger nicht dezidiert in Zweifel zieht.
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Daß in der dienstlichen Beurteilung des Klägers von dem durch den Runderlaß des
Kultusministeriums vom 23. Juli 1993, a.a.O., vorgegebenen Beurteilungsstichtag 1.
Oktober 1993 abgewichen worden ist und der Beurteilungszeitraum erst mit dem 10.
Januar 1994 endet, stellt keinen zur Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung
führenden Fehler dar. Da, wie der Beklagte glaubhaft und unwidersprochen vorgetragen
hat, seinerzeit in allen Fällen der 10. Januar 1994 als das Ende des
Beurteilungszeitraums angenommen worden ist, entsprach dies der insoweit
entscheidenden allgemeinen Verwaltungspraxis.
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Zur weiteren Begründung wird auf die eingehenden und zutreffenden Ausführungen des
Verwaltungsgerichts zu diesen Punkten Bezug genommen. Der Senat schließt sich
diesen Ausführungen an.
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Hingegen sieht der Senat die dienstliche Beurteilung vom 18. Januar 1994 anders als
das Verwaltungsgericht auch insoweit als rechtsfehlerfrei an, als die dienstlichen
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Leistungen des Klägers anhand einer Vergleichsgruppe bewertet wurden, die sich nicht
auf Beamte seiner Laufbahn mit derselben Besoldungsgruppe, also Schulräte der
Besoldungsgruppe A 14 BBesO mit Amtszulage, beschränkte, sondern auch
Schulamtsdirektoren (Besoldungsgruppe A 15 BBesO) umfaßte. Nach den
unwidersprochene Angaben des Beklagten erstreckte sich die Vergleichsgruppe auf 58
Beamte im Regierungsbezirk und bestand ungefähr je zur Hälfte aus Schulräten und
aus Schulamtsdirektoren. Die Bildung dieser Vergleichsgruppe ist rechtlich nicht zu
beanstanden.
Zwar sollen gemäß Nr. 5.4 BRL in erster Linie Beamte derselben Laufbahn und
derselben Besoldungsgruppe eine Vergleichsgruppe bilden. Jedoch können, wie in Nr.
5.4 BRL des weiteren bestimmt ist, „in Fällen, in denen die Wahrnehmung einer
bestimmten Funktion im Vordergrund steht (z.B. Leiter von Behörden...) ... auch Beamte
derselben Funktionsebene eine Vergleichsgruppe bilden". Das Kultusministerium hat
diese allgemeine Regelung für den hier betroffenen Verwaltungsbereich besonders
konkretisiert und in seinem erwähnten Runderlaß vom 23. Juli 1993 bestimmt, die BRL
seien auf die zum Geschäftsbereich des Kultusministeriums gehörenden Beamtinnen
und Beamten u.a. in den Schulämtern mit der Maßgabe anzuwenden, daß
Vergleichsgruppe alle schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten (Schulrätin/Schulrat - A
14 Z - sowie Schulamtsdirektorin/Schulamtsdirektor - A 15 -) in den staatlichen
Schulämtern eines Regierungsbezirks seien. Demgemäß wurde auch verfahren.
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Dies ist rechtsfehlerfrei. Bei dem Kläger stand die Wahrnehmung einer bestimmten
Funktion im Vordergrund. Er war als Schulrat schulfachlicher Schulaufsichtsbeamter bei
einem Schulamt und damit insoweit für seinen Schulaufsichtsbezirk schulfachlich
letztverantwortlich. Die anderen schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten des
Regierungsbezirks hatten, auch wenn sie Schulamtsdirektoren waren und damit einer
höheren Besoldungsgruppe als der Kläger angehörten, keinen anderen
Funktionsbereich. Dieser ist für sämtliche schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten in §
18 des Schulverwaltungsgesetzes einheitlich vorgegeben. Auf eben solche Fälle zielt
Nr. 5.4 BRL schon allgemein und im besonderen der Runderlaß des Kultusministeriums
vom 23. Juli 1993 ab.
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Rechtliche Bedenken ergeben sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht für die
Annahme eines Ermessensfehlers angeführten Rechtsprechung. Zwar vereinigt die
Vergleichsgruppe, der der Kläger zugeordnet wurde, zwei statusrechtliche Ämter, das
des Schulrats (Besoldungsgruppe A 14 BBesO mit Amtszulage) und das des
Schulamtsdirektors (Besoldungsgruppe A 15 BBesO). Allgemeine Regeln für die
Erstellung dienstlicher Beurteilungen werden dadurch jedoch nicht verletzt.
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Die Beurteilungsmaßstäbe haben sich zwar an dem dem Beamten verliehenen
statusrechtlichen Amt zu orientieren. Für den Vergleichsmaßstab ist das Amt im
statusrechtlichen Sinne maßgebend. Die dienstliche Beurteilung hat die Befähigung
und fachliche Leistung des Beamten in bezug auf sein Statusamt und im Vergleich zu
den amtsgleichen anderen Beamten seiner Laufbahn objektiv darzustellen.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 19.
Dezember 1991 - 12 A 1169/89 - und vom 2. November 1994 - 12 A 1455/92 -;
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 8. April 1987 - Nr. 3 B 86.01404 -,
Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/D I 2 Nr. 33.
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Einschränkungslos gilt dies aber nur dann, wenn, wie in dem vom Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof in dem vorgenannten Urteil entschiedenen Fall, dies in der
Laufbahnverordnung oder in den Beurteilungsrichtlinien ausdrücklich bestimmt ist.
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Zu derartigen Fällen vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 2. April 1981
- 2 C 13.80 -, Zeitschrift für Beamtenrecht (ZBR) 1981, 315, und vom 26. August 1993 - 2
C 37.91 -, ZBR 1994, 54.
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In der hier einschlägigen Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande
Nordrhein-Westfalen ist eine insoweit zwingende Vorschrift nicht enthalten. Nr. 5.4 BRL
eröffnet im Gegenteil die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von der nur „in erster Linie"
vorgesehenen Vergleichsgruppenbildung aus Beamten derselben Laufbahn und
derselben Besoldungsgruppe abzugehen. Der Runderlaß des Kultusministeriums vom
23. Juli 1993 schreibt schließlich für den hier betroffenen Verwaltungsbereich eine
entsprechende Handhabung ausdrücklich vor. In Anbetracht der dem Dienstherrn bei
dem Erlaß von Richtlinien für die dienstliche Beurteilung zustehenden weiten
Gestaltungs- und Ermessensfreiheit,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1981 - 2 C 8.79 -, Deutsches Verwaltungsblatt 1981,
1062,
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hält der Senat dies jedenfalls bei Fallkonstellationen der vorliegenden Art für
unbedenklich. Auch wenn im allgemeinen lediglich Beamte aus dem gleichen
statusrechtlichen Amt miteinander verglichen werden dürfen, müssen ausnahmsweise
in Fällen, in denen die Wahrnehmung einer bestimmten Funktion im Vordergrund steht,
auch Beamte derselben Funktionsebene eine Vergleichsgruppe bilden können, eine
Besonderheit, die in § 41 a der Bundeslaufbahnverordnung mittlerweile vorausgesetzt
wird. Der Grundsatz, daß dienstliche Beurteilungen an den Anforderungen des
Statusamtes zu orientieren sind, wird dadurch jedenfalls nicht als solcher in Frage
gestellt. Das gilt um so mehr, wenn wie vorliegend der Unterschied zwischen den
Besoldungsgruppen (A 14 BBesO mit Amtszulage und A 15 BBesO) gering ist.
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Der Bemängelung des Klägers, in der dienstlichen Beurteilung vom 18. Januar 1994
seien von ihm absolvierte Fortbildungsveranstaltungen und besondere Interessen nicht
gemäß Nrn. 8 und 9 BRL vermerkt worden, hat der Beklagte inzwischen Rechnung
getragen. Er hat seine Bereitschaft erklärt, die vom Kläger auf gerichtliche Nachfrage,
welche Lehrgänge bzw. welche besonderen Interessen er konkret meine, mit Schriftsatz
vom 16. August 1999 bezeichneten Fortbildungsveranstaltungen in die dienstliche
Beurteilung vom 18. Januar 1994 mit aufzunehmen. Der Auffassung des Klägers, damit
sei nicht sichergestellt, daß diese Fortbildungen auch Gegenstand der dienstlichen
Beurteilung gewesen und bei der Leistungsbeurteilung berücksichtigt worden seien, ist
nicht zu folgen. Greifbare Anhaltspunkte dafür, daß der Inhalt der Personalakten
insoweit nicht zur Kenntnis genommen worden war, liegen nicht vor, und einen Einfluß
auf die Leistungsbeurteilung hatte die Aufführung der Fortbildungsveranstaltungen
ohnehin nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozeßordnung.
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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
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und des § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes hierfür nicht gegeben sind.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Satz 1 des
Gerichtskostengesetzes.
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