Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 02.04.2003

OVG NRW: standort der anlage, gemeinde, flugsicherung, erkenntnis, sicherstellung, versuch, verweigerung, umwelt, genehmigungsverfahren, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 B 235/03
Datum:
02.04.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 B 235/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 L 1967/02
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens;
außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,-- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
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Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6
VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass, die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in
Frage zu stellen, bei summarischer Prüfung spreche Überwiegendes für die
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zurückstellungsbescheides, sodass die im
Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden
Interessen zum Nachteil der Antragstellerin ausfalle.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beigeladene eine
Bebauungsplanung betreibt, die zulässigerweise mit dem Instrument der Zurückstellung
von Baugesuchen nach § 15 Abs. 1 BauGB gesichert werden kann. Maßgeblich ist
insoweit ausschließlich das mit dem Beschluss des Umwelt-, Bau- und
Planungsausschusses der Beigeladenen vom 26. September 2002 eingeleitete
Verfahren, "ein Bebauungsplanverfahren mit dem Ziel der Höhenbegrenzung von
Windenergieanlagen im Vorranggebiet auf 100 m einzuleiten". Eine solche
Bebauungsplanung ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend unter Bezugnahme auf
die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats
näher ausgeführt hat, sicherungsfähig.
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Dafür, dass es bei dieser Bebauungsplanung "einziges Ziel der Beigeladenen ist, die
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Windenergienutzung auf ihrem Gemeindegebiet soweit zu verhindern, wie dies zurzeit
überhaupt noch möglich ist", wie die Beschwerde meint, geben die von der Beschwerde
in Bezug genommenen maßgeblichen Aufstellungsvorgänge nichts her. Anlass für den
Aufstellungsbeschluss hinsichtlich des hier einschlägigen Bebauungsplans war nach
der einschlägigen Sitzungsvorlage SV 2002/128 der Umstand, dass die beiden
genehmigten - noch nicht realisierten - Anlagen des Antragstellers im Vorranggebiet , an
deren Stelle die hier strittige Anlage aus den vom Antragsteller im
Genehmigungsverfahren mit seinem Schreiben vom 22. Mai 2002 artikulierten
wirtschaftlichen Erwägungen treten soll, mit Gesamthöhen von jeweils knapp 100 m
gerade noch unter dem Schwellenwert für die luftfahrtrechtliche Relevanz liegen.
Demgegenüber wäre die strittige Anlage, wie aus dem im Baugenehmigungsverfahren -
erst nach der ursprünglichen Erteilung des Einvernehmens durch die Beigeladene -
abgegebenen Schreiben der Bezirksregierung als Luftaufsichtsbehörde vom 17. Juli
2002 folgt, aus Gründen der Flugsicherung mit einer Tageskennung in Leuchtfarben
sowie einer in der genannten Sitzungsvorlage ausdrücklich angeführten Nachtkennung
durch 2 versetzte blinkende Gefahrfeuer (max. 50 m unter der Rotorblattspitze) zu
versehen. Dass sie schon wegen ihrer Gesamtgröße von deutlich über 130 m
"wesentlich dominanter" als die bislang genehmigten Anlagen sein wird, wie gleichfalls
in der genannten Sitzungsvorlage angesprochen ist, ist keineswegs - wie die
Beschwerde meint - "nicht belegbar", sondern liegt offen auf der Hand; dies gilt umso
mehr, wenn sie, wie bereits angesprochen, die aus Gründen der Flugsicherung
vorzunehmenden optisch wirksamen Kennungen aufweist. Schließlich liegt der
vorgesehene Standort der Anlage nach den zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen
mit einem Niveau von deutlich über 500 m über NN in einer Höhenlage, die nach dem
bei den Bauakten befindlichen Kartenmaterial selbst von den Spitzen der in der
weiteren Umgebung vorhandenen Kuppen weitgehend nicht erreicht wird. Wenn es der
Beigeladenen darum geht, Windenergieanlagen dieser Größenordnungen mit den für
Anlagen von mehr als 100 m Höhe typischen optisch wirksamen Merkmalen im
Vorranggebiet aus Gründen ihrer wesentlichen Dominanz auszuschließen, so handelt
es sich hierbei um eine durchaus legitime planerische Zielsetzung, die jedenfalls die
Einleitung eines entsprechenden Bebauungsplanverfahren rechtfertigt, das demgemäß
auch mit den Instrumenten der §§ 14, 15 BauGB sicherungsfähig ist. Von einer
kritikwürdigen restriktiven Steuerung
- vgl. hierzu nunmehr: BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -,
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die von vornherein rechtlich unzulässig erscheint, kann angesichts dessen keine Rede
sein. Ob die genannte Zielsetzung der Beigeladenen sich letztlich unter Abwägung aller
relevanten Aspekte in dem von der Beigeladenen angegangenen Sinne durchsetzen
lässt, muss der abschließenden Entscheidung des Rates der Beigeladenen über die
Bebauungsplanung vorbehalten bleiben, bei der konkret zu prüfen ist, ob die zu
erwartenden nachteiligen Auswirkungen der ausgeschlossenen Windenergieanlagen
auf den betroffenen Landschaftsraum so gewichtig sind, dass sie die vorgesehene
Einschränkung der vom Flächennutzungsplan vorgegebenen Errichtungsmöglichkeiten
gerechtfertigt erscheinen lassen, und im Ergebnis auch nicht eine Umsetzung des
Flächennutzungsplans etwa unter wirtschaftlichen Aspekten faktisch unterlaufen
würden.
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Vgl. hierzu bereits: OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2002 - 7 B 918/02 - BauR 2002,
1827.
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Der nach alledem zu bejahenden Sicherungsfähigkeit der hier maßgeblichen
Bebauungsplanung steht nicht entgegen, dass die Beigeladene parallel zu dem
Bebauungsplanverfahren für das Vorranggebiet auch die Änderung ihres
Flächennutzungsplans hinsichtlich der Darstellung von Konzentrationszonen für
Windenergieanlagen betreibt. Es ist einer Gemeinde unbenommen, neben einer
konkreten Bebauungsplanung auch eine konzeptionelle Überarbeitung ihrer
Flächennutzungsplanung in Angriff zu nehmen. Ein rechtlich zu beanstandendes
"Planungswirrwar" liegt dabei entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht vor. Zwar
trifft es zu, dass die Beigeladene nach dem Beschluss ihres Rates zur 63. Änderung des
Flächennutzungsplan vom 8. Oktober 2002 - auch - das Ziel verfolgt, nicht nur keine der
ursprünglich angedachten weiteren Vorrangflächen im Flächennutzungsplan
darzustellen, sondern zwei der dargestellten Vorrangflächen aus dem
Flächennutzungsplan herauszunehmen und für alle im Flächennutzungsplan
verbleibenden Vorrangflächen eine Höhenbegrenzung auf 100 m einzuführen. Diese
weitgehenden Änderungsvorstellungen, die schon wegen ihrer deutlich gravierenderen
Auswirkungen auf das gesamte Gemeindegebiet - selbstverständlich - umfassendere
und damit planerisch schwieriger zu bewältigende Anforderungen an die Planung
stellen, schließen es nicht aus, parallel dazu ein Planverfahren zur Verfolgung eines
Teilziels zu betreiben. Dies gilt umso mehr, wenn dieses Planverfahren - wie hier das
Verfahren zur Aufstellung des strittigen Bebauungsplans - durch ein konkret zur
Genehmigung gestelltes Vorhaben veranlasst ist und - wie aus der bereits erwähnten
Sitzungsvorlage SV 2002/128 folgt - "sicherheitshalber" erfolgt, um jedenfalls das (Teil-
)Ziel, die aus landschaftsästhetischen Gründen unerwünschte Errichtung von optisch
besonders auffälligen Windenergieanlagen im Vorranggebiet auszuschließen,
sicherzustellen. Insoweit kann jedenfalls bezüglich der hier strittigen
Bebauungsplanung von einer "verkappten Verhinderungsplanung" im Sinne einer
"bloßen 'Feigenblatt'-Planung"
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- vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -
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keine Rede sein. Ob ein solcher Vorwurf auf die bereits angesprochene Änderung des
Flächennutzungsplans zutrifft, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Die Beigeladene
wird jedenfalls im weiteren Ablauf der konzeptionellen Änderung ihres
Flächennutzungsplans eingehend zu prüfen haben, ob die dort vorgesehenen
eingeschränkten Darstellungen zu Konzentrationszonen in der Tat den Vorwurf einer
bloßen Alibifunktion gerechtfertigt erscheinen lassen.
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Schließlich gibt das Beschwerdevorbringen auch keinen Anlass, die Einschätzung des
Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen, dass die Erteilung des Einvernehmens zu dem
zur Genehmigung gestellten Vorhaben der Antragstellerin die Beigeladene nicht
hinderte, eine die Zulässigkeit des Vorhabens ausschließende Bauleitplanung zu
betreiben. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht
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- vgl.: BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1998 - 4 BN 43.98 - Buchholz 406.11 § 36
BauGB Nr. 53 -
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näher ausgeführt: "Es bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass
die Gemeinde durch die Erteilung des Einvernehmens hinsichtlich eines bestimmten
Vorhabens grundsätzlich nicht gehindert ist, eine ihm widersprechende Bauleitplanung
zu betreiben. Die Gemeinde darf nämlich ihr Einvernehmen nur aus den sich aus den §§
31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagen (§ 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB).
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Fehlt es an einem Grund, der zur Verweigerung des Einvernehmens berechtigt, so ist
die Gemeinde verpflichtet, ihr Einvernehmen zu erteilen. Hiervon unberührt bleibt aber
das Recht der Gemeinde, ihre Bauleitpläne in eigener Verantwortung aufzustellen (§ 2
Abs. 1 Satz 1 BauGB). Im Rahmen der Bauleitplanung darf die Gemeinde sich von
'politischen Motiven' leiten lassen. Gerade die gegenwärtige planungsrechtliche
Zulässigkeit eines Vorhabens, das mit den planerischen Vorstellungen der Gemeinde
nicht übereinstimmt, kann den Anstoß für die Aufstellung oder Änderung eines
Bebauungsplans geben."
Nichts anderes hat die Beigeladene - wie bereits dargelegt - getan. Wenn sie zunächst
rechtsirrig davon ausgegangen ist, sie könne ihr bereits erteiltes Einvernehmen
nachträglich "versagen" und damit der Sache nach zurücknehmen bzw. widerrufen,
kann ihr kein Vorwurf deswegen gemacht werden, dass sie nach Erkenntnis der
richtigen Rechtslage nunmehr von dem richtigen Instrument einer Sicherstellung ihrer -
nicht von vornherein illegitimen - planerischen Zielvorstellungen Gebrauch gemacht hat.
Von einem "Versuch einer Umgehung der in § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB genannten Frist
und der Folgen ihres Verstreichens" kann dabei keine Rede sein.
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Dass die mit der Beschwerde erneut angesprochene Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zum gesetzgeberisch gewollten Schutzzweck der Frist des
§ 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB
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- vgl.: BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 24.95 - NVwZ 1997, 900 = BRS 58
Nr. 142 -
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die Auffassung der Antragstellerin nicht zu stützen vermag, hat das Verwaltungsgericht
bereits zutreffend dargelegt. Durch bloße Bezugnahme auf das frühere Vorbringen wird
die Argumentation - ungeachtet der Frage, ob dies überhaupt den Anforderungen des §
146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt - nicht richtiger.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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